[TdW 41] Ist die Pressefreiheit in Gefahr?

Diese Woche beschäftigt sich das TdW mit einem Thema, das vor allem dank der CSU derzeit wieder hochaktuell ist: Dem hohen Gut der Pressefreiheit. Wie kürzlich bekannt wurde hat der inzwischen zurückgetretene CSU-Sprecher Dr. Strepp mit Anrufen in der heute-Redaktion versucht eine Berichterstattung über den Parteitag der bayerischen SPD zu verhindern. Sollte der Bericht doch gesendet werden, würde das "im Nachklapp zu Diskussionen führen" lautete die kaum verhohlene Drohung in dem Gespräch. Spätestens seit Wulffs berüchtigter Wutrede auf der Chefredakteur-Mailbox ("Dann können wir entscheiden wie wir den Krieg führen wollen"), gelten solche Anrufe - so sie denn publik werden - als ein absolutes no go unter Politikern.
Im Zuge dieser Affäre wurde aber auch bekannt das z. B. die Pressesprecherin von Markus Söder (CSU) gerne mal in Redaktionen anruft, z. B. beim BR, wo daraufhin ein spöttischer Beitrag über Markus Söder in der Schublade verschwand - natürlich nur aus journalistischen Gründen wie der Sender jetzt eilig versichert. Auch beim Spiegel, der auf eine schriftliche und somit belegbare Antwort zu einer widersprüchlichen Aussage von Markus Söder zu einem Atommüll Endlager in Bayern bestand, rief sie mehrmals an und versuchte partout die schriftliche Antwort zu vermeiden ("Andere Journalisten stellen sich nicht so an") und beschwerte sich auch über die Recherchen.
Es ist auch noch gar nicht solange her, dass der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) beim ZDF intervenierte um die Vertragsverlängerung mit dem unbequemen Chefredakteur Nikolaus Brender zu unterbinden.
Nun sind gerade die öffentlich-rechtlichen Sender nicht so unabhängig wie sie sich gerne geben, doch das wahre Ausmaß des politischen Einflusses auf diese Sender und die, zumindest scheinbar, wachsende Unverfrorenheit mit der dieser Einfluss geltend gemacht wird, können einen schon nachdenklich stimmen.
Daher stellt das TdW diesmal die Frage: Ist die Pressefreiheit in Gefahr? Oder ist sie gar nur ein schöner Mythos und ein unerreichtes Ideal?

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Pressefreiheit?
Hier werden doch viele Interviews und Artikel dem betreffenden oder der betroffenen Organisation zum Korrekturlesen vorgelegt. Dabei verschwinden regelmäßig unliebsame Passagen, oder Texte sagen im Anschluss etwas komplett anderes aus.
Und wenn dann doch das Original veröffentlicht wird, gibt es von vielen Seiten schelte bis dazu, dass der Redakteur muss um seinen Job fürchten muss.

In sofern sehe ich unsere Pressefreiheit aktuell sehr gefährdet, was aber nicht nur mit der (versuchten) Einflussnahme von angeblich mächtigen Personen (z. B. causa Wulf), die man im übrigen lieber einmal einer Totalüberwachung ala Big Brother unterziehen sollte, zu tun hat. Ein großer zweiter Faktor dazu sind die Medien selbst, viele sehen nur ihre Quoten und Reputation im öffentlichen Raum und überlegen es sich mehrfach ob ein Artikel veröffentlicht werden soll oder überhaupt eine grundlegende Recherche stattfindet.

Zusammenfassend sollte beachtet werden, dass wir uns aktuell zwar eine Demokratie an die Türe schreiben "Dem Deutschen Volke", aber letztendlich diese abwandeln und uns bekannten Regimen nähern. Steigerung möglich! (Quellen TKÜ, Nennung von Quellen und Informanten, BND Affäre)
 
ZDF: Helden bei der Arbeit. Eigentlich müsste ich auch jedes Mal einen Orden bekommen, wenn ich meinen Sitzplatz, in den Öffentlichen, älteren Menschen anbiete. Ich verstehe ehrlich nicht warum solche Selbstverständlichkeiten so hervorgehoben werden (müssen). Ok, im Falle des ZDF scheinen wohl die Quoten so mies zu sein, dass man es nötig hat - aber ich dachte gerade wegen der GEZ-Gebühren müsste man darauf nicht achten. Andernfalls zeugt es schon von ziemlich wenig Selbstbewusstsein, wenn man sich so einfach einschüchtern lässt.

Viel interessanter finde ich den Einfluss der ach so ehrenwerten Presse auf die Bevölkerung. Jeder, der mal mit "Journalisten" der größeren Medienvertreter zusammengearbeitet hat, weiß, dass diese alles andere als neutral berichten. Meist wird mit einer fixen Idee, was am Ende herauskommen soll, für ein Beitrag recherchiert und Interviews so geführt, Beiträge so geschnitten, dass am Ende die Story stimmt. Alles muss dem Klischee entsprechen oder zum Skandal stilisiert werden, damit das sensationgeile Publikum befriedigt werden kann. So wird dann auch gern ein auf einem Interview, was 1 Stunde gedauert hat, ein 10 Sekunden-Satz genommen und gesendet, weil dadurch die These des Beitrags gestützt wird.

Kommt es zu dem seltenen Fall, dass man sich tatsächlich den Beitrag/Artikel nochmal zur Prüfung vorgelegen bekommt und dann eben beschriebene Dinge richtig stellen möchte, wird gerne die Zensurkeule heraus geholt und einem vorgeworfen, man würde Tatsachen verzerren.

Natürlich gilt das nicht für alle Journalisten.

Das hier ist noch ganz lustig ;)

https://www.youtube.com/watch?v=18OQFI7QBrc
 
Sven hat gesagt.:
Hier werden doch viele Interviews und Artikel dem betreffenden oder der betroffenen Organisation zum Korrekturlesen vorgelegt. Dabei verschwinden regelmäßig unliebsame Passagen, oder Texte sagen im Anschluss etwas komplett anderes aus.
Das ist nicht ganz richtig - eigentlich ist es nicht üblich den "Betroffenen" einen Artikel zum "Korrekturlesen" vorzulegen. Wenn ein Artikel Personen oder Organisationen, die Gegenstand dieses Artikels sind, vorab vorgelegt wird, geht es meist darum von diesen Stellungnahmen zu bekommen oder ihnen Gelegenheit zu Gegendarstellungen zu geben. Üblich ist es höchstens bei Wortlaut-Interviews, damit gewährleistet wird, dass die gedruckten Antworten auch korrekt sind.
Ansonsten ist es, wie so vieles im Leben, Verhandlungssache - wer ein begehrter Interview-Partner ist, kann z. B. schon einmal ein paar Forderungen stellen. Aber vorab das Recht einzufordern einen Artikel vor der Veröffentlichung "abzusegnen" ist kein kluger Schachzug und in der Regel keine gute Basis für einen objektiven Artikel...;)

Sven hat gesagt.:
Ein großer zweiter Faktor dazu sind die Medien selbst, viele sehen nur ihre Quoten und Reputation im öffentlichen Raum und überlegen es sich mehrfach ob ein Artikel veröffentlicht werden soll oder überhaupt eine grundlegende Recherche stattfindet.
Freiwillige Selbstzensur ist in der Tat ein großes und stetig wachsendes Problem. Gerade die Printmedien leiden unter sinkenden Auflagen - das führt natürlich zu einer immer stärkeren Abhängigkeit von anderen Einnahmequellen, wie z. B. durch den Verkauf von Werbeanzeigen. Kaum eine Zeitung kann es sich z. B. heute noch leisten ihren Hauptinserenten zu verärgern - was der Wirtschaft ein indirektes Mittel der Zensur in die Hand gibt.

xrayn hat gesagt.:
Viel interessanter finde ich den Einfluss der ach so ehrenwerten Presse auf die Bevölkerung.
Deswegen bezeichnet man die Presse auch nicht zu unrecht als die vierte Gewalt...;)

xrayn hat gesagt.:
Jeder, der mal mit "Journalisten" der größeren Medienvertreter zusammengearbeitet hat, weiß, dass diese alles andere als neutral berichten. Meist wird mit einer fixen Idee, was am Ende herauskommen soll, für ein Beitrag recherchiert und Interviews so geführt, Beiträge so geschnitten, dass am Ende die Story stimmt. Alles muss dem Klischee entsprechen oder zum Skandal stilisiert werden, damit das sensationgeile Publikum befriedigt werden kann. So wird dann auch gern ein auf einem Interview, was 1 Stunde gedauert hat, ein 10 Sekunden-Satz genommen und gesendet, weil dadurch die These des Beitrags gestützt wird.
Das ist allerdings etwas überzogen dargestellt. Gerade politische Journalisten wären schnell erledigt, wenn sie wirklich so arbeiten würden. Ein politischer Journalist ist nur so gut wie seine Quellen - und wer als Journalist nicht vertrauenswürdig ist, der kriegt seine Informationen bald nur noch aus den Publikationen der Konkurrenz, da Pressesprecher & inoffizielle Quellen ihn meiden wie die Pest und er nicht einmal ein Interview, geschweige denn exklusive Informationen bekommt.
Diese Art der Argumentation, also der Versuch die Presse zu dämonisieren, stammt meist von Leuten, die gerade von der Presse mit den Fingern in der Keksdose erwischt wurden.

Abschliessend möchte ich sagen das ich die Pressefreiheit eigentlich nicht durch politische Zensur bedroht sehe (ehr durch Gefahren wie Selbstzensur, die stetig abnehmende Presse-Vielfalt oder den Rückgang des investigativen Journalismus), bzw. nicht bedrohter als früher - denn der Versuch die Berichterstattung zu beeinflussen (sei es durch Drohung oder durch Bestechung) ist so alt wie die Idee von der freien Berichterstattung selbst.
Ich war ja selbst eine zeitlang journalistisch tätig und bevor ich es zum freien Mitarbeiter bei zwei Tageszeitungen gebracht habe, habe ich (damals noch als Abiturient & später als Student) für ein kostenlos erscheinendes, lokales Anzeigenblatt geschrieben - sozusagen die unterste Stufe der journalistischen Print-Medien. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe ich vor allem über Straßenfeste, Gemeindefeste, Schützenfeste, Schulfeste, Sportfeste, Parteifeste und alle erdenklichen anderen Arten von Festen berichtet. Trotz dieser eher trivialen Themen, habe ich auch auf dieser, denkbar niedrigen, journalistischen Ebene bereits Erfahrungen mit versuchter Einfussnahme sammeln können. Das fängt damit an das zusammen mit der Einladung zu der Veranstaltung ein Pfund Kaffee (bei kleineren Veranstaltungen) oder ein gut gefüllter Picknick-Korb mit diversen Spezialitäten (bei größeren Veranstaltungen) in die Redaktion geschickt wird. Nicht unüblich ist es auch die Pressevertreter zu Vorab-Informationen über Veranstaltungen in gute Restaurants zum Essen einzuladen - natürlich in der Hoffnung auf wohlwollende Artikel in lokalen Zeitungen, die letztendlich eine hervorragende Werbung für lokale Veranstaltungen sind.
Fallen Artikel dann mal nicht wohlwollend genug aus oder werden auch unliebsame Aspekte (wie die Prügelei am Rande des Straßenfestes oder Minderjährige die am Bierstand problemlos Alkohol bekamen) erwähnt, sind wütende Anrufe in der Redaktion keine Seltenheit. Selbst Androhungen von Verleumdungsklagen habe ich damals bereits erlebt - z. B. weil ein Dezernent des Stadtplanungsamtes seinen witzigen Spruch bei der Bürgeranhörung gar nicht mehr so witzig fand, als er den Spruch später wortwörtlich in der Zeitung lesen musste. Gerade wenn Amtsinhaber oder Beamte ins Spiel kommen, versuchen diese gern die Berichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen - das alles ist für Journalisten also im Grunde nichts neues...:rolleyes:

Allerdings wird es imho zunehmend schwieriger die Berichterstattung zu beeinflussen, je höher man sich in der journalistischen Hierarchie bewegt. Es ist z. B. für einen vergleichsweise unbedeutenden Stadtrat viel leichter einen unliebsamen Artikel in einem Lokalblatt in Pusemuckel zu verhindern, als für einen mächtigen Ministerpräsidenten einen Artikel in der SZ, FAZ oder dem Spiegel zu verhindern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Daher stellt das TdW diesmal die Frage: Ist die Pressefreiheit in Gefahr? Oder ist sie gar nur ein schöner Mythos und ein unerreichtes Ideal?
In diesem Fall hat die Presse auch die Freiheit, ehrlich zu sein, objektiv zu sein, sich kaufen oder schmieren zu lassen.

Die Pressefreiheit ist verheiratet mit der freie Rede, das Recht und die Freiheit, so ziemlich alles sagen zu dürfen - auch öffentlich. Mittlerweile zählt man ja auch die Informationsfreiheit dazu (zomfg).

Ein Grossteil des deutschen investigativen Journalismus - welcher breit zelebriert wird (BILD/SPIEGEL/STERN) taugt abe häufig nur noch um irgendeine promimente Sau durchs Dorf zu treiben. Dort geht man gerne definitiv zu weit und dirigiert den Leser geradeaus in die Vorverurteilung.
Das wir eine Systempresse _haben_ mit einer gezielten Ausrichtung sieht man schon daran, dass die Systempresse viel zu einheitlich über Europa und all die Krisen berichtet und nicht allzu investigativ darlegt, was das eigentlich für eine Missgeburt ist. Die Pressefreiheit könnte hier wirklich satt werden, indem man den EU Komissaren staendig auf dem Pelz klebt.

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und muss verteidigt werden.
Ich warne aber vor der Illusion, dass wir sie so ernst nehmen, wie wir sollten. Und ich plädiere auch dafür anzuerkennen, dass für viele Journalisten die Pressefreiheit eher ein Persilschein für jede mögliche Unanstaendigkeit ist.

Und im Grunde ists auch völlig OK. Was nützt die Pressefreiheit, wenn die schmutzige Unterwäche irgendeines Top-Models in der öffentlichen Wahrnemung mehr Relevanz besitzt als die Redn unserer zukünftigen EU Diktatoren?
 
Pressefreiheit ist gesetzlich festgelegt und hat jetzt erstmal nichts damit zutun,
dass Politik und Wirtschaft, mehr oder weniger, Einfluss auf die Berichterstattung
haben. Dies war schon immer so.
Es gibt momentan keine Bestrebungen die Pressefreiheit in Deutschland
einzuschränken. Allerdings ist eine Verringerung der Meinungsvielfalt, durch
die Monopolisierung der gängigen Presseorgane (Pressedienste, Zeitungen,
Radio, Privatfernsehen), zu beklagen.
Hieraus ergibt sich einfach die Notwendigkeit weitere Quellen zu nutzen, wenn
man sich eine EIGENE Meinung zu einem Thema bilden will.

Gruss
 
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