bad_alloc hat gesagt.:
Neben der NSU-Serie und Anders Breivik kenne ich keine organisierten Terrorakte mit rechtem Hintergrund. Wie gesagt: Rechte Terroristen sind genau so gefährlich wie Islamistische, aber ich frage mich ob die Dimension die selbe ist.
Also da gibt es schon deutlich mehr - allein in Deutschland! In Deutschland gab (und gibt?) es bereits eine ganze Reihe rechtsradikaler Terrororganisationen, meistens verbergen sie sich lediglich hinter Namen, die auf den ersten Blick recht harmlos wirken: die Aktion Widerstand, die Wehrsportgruppe Hengst und die Wehrsportgruppe Hoffmann sind nur einige der bekannteren Beispiele.
Mitglieder der Wehrsportgruppe Hengst waren an gewalttätigen Aktionen, z. B. gegen die russische Botschaft im Jahr 1971, beteiligt. Kurz darauf fand die Polizei ein Waffenlager und ermittelte das die Gruppe Anschläge auf politische Gegner (z. B. auf SPD Funktionäre) und Überfälle auf Banken und Munitionsdepots plante.
Die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde 1980 als rechtsterroristische Vereinigung verboten, besonders heikel war, dass hier immer wieder Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten vermutet wurden (Stichworte
stay-behind-Organisation, bzw. Gladio), auch der Verfassungsschutz soll mal wieder V-Männer in der Organisation gehabt haben (Stichwort Peter Weinmann).
Auch der blutigste Terror-Anschlag in Nachkriegs-Deutschland, das Oktoberfestattentat mit 13 Toten, hatte einen rechtsradikalen Hintergrund. Offiziell gilt der rechtsradikale Gundolf Köhler als Einzeltäter, doch er gehörte definitiv zum Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann. Da Köhler selbst zu den Opfern des Anschlags gehörte, konnte er allerdings nie befragt werden...

In den 80er Jahren haben rechtsradikale Terroristen einige Menschen ermordet, z. B. den Verleger Shlomo Lewin, der am 19. Dezember 1980 zusammen mit seiner Lebensgefährtin in seiner Wohnung in Erlangen ermordet wurde - von einem Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann, der sich durch Selbstmord jedoch dem Prozess entzog.
Zwei Jahre später, also 1982, gab es in Hessen eine Serie von Anschlägen auf US-Kasernen. Zunächst wurden linke Terroristen als Urheber verdächtigt, doch nicht zuletzt aufgrund des Fehlens von Bekennerschreiben (nicht nur der NSU verzichtete also auf Bekennerschreiben!) wieder ausgeschlossen. Ein Jahr später wurden 5 Mitglieder einer rechtsradikalen Terrorzelle festgenommen und für die Anschläge zu langen Haftstrafen verurteilt...
Aber auch später hielten sich die Rechten nicht mit Morden zurück, vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 1990 und 2011 mindestens 60 Menschen durch Rechtsradikale ermordet wurden (weniger vorsichtige Schätzungen sprechen von gut 180 Toten).
Im Jahr 2000 hat der Rechtsradikale Michael Berger in Dortmund drei Polizisten ermordet, in seiner Wohnung wurden später zahlreiche Waffen und Sprengstoff gefunden. Die Polizei stufte Berger, der sich einer Verhandlung durch Selbstmord entzog, allerdings als psychisch kranken Einzeltäter ein - vor allem da er zum Zeitpunkt der Morde keiner rechtsradikalen Partei mehr angehörte (er war kurz zuvor ausgetreten). Es gab jedoch immer wieder den Verdacht das Berger als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig war, zum einen hatte der Staatsschutz wohl schon vor der Bluttat Kenntnis von seinem Waffenlager, zum anderen war einer seiner Vertrauten nachweislich als bezahlter Informant tätig.
Aber nicht alle Aktionen rechtsradikaler Aktivisten enden mit Toten: Im Jahr 2009 haben Rechtsradikale auf einem Rastplatz in Thüringen IG Metall Gewerkschafter, die auf dem Rückweg von einer Protestaktion gegen den Naziaufmarsch in Dresden waren, überfallen und teilweise schwer verletzt. Im gleichen Jahr haben gut 400 Rechtsradikale die Teilnehmer der traditionellen DGB Kundgebung am 1. Mai in Dortmund überfallen.
So harmlos ist der rechte Terror in Deutschland wohl doch nicht, oder? Ich denke nicht das die Gefahr durch rechten Terror derzeit künstlich aufgebauscht wird, ich denke eher das der Öffentlichkeit gerade die Scheuklappe vom rechten Auge entfernt wird.
Und was die Unterstellungen von Verflechtungen zwischen NSU und Verfassungsschutz, bzw. Geheimdiensten betrifft: Diese Unterstellung ist ebenso so alt wie der rechte Terror im Nachkriegsdeutschland. Genährt wird dieser Verdacht z. B. durch den Umstand, dass die Urheber von rechten Mordanschlägen in der Regel schnell als Einzeltäter eingestuft werden - was durch den Tod der Täter erleichtert wird. Sowohl der Mörder von Shlomo Lewin, als auch der Oktoberfestbomber, der Dortmunder Polizistenmörder und die beiden NSU Terroristen Mundlos und Bönhardt haben sich einer Verhaftung durch Freitod entzogen. Bei allen gibt es aber durchaus Verflechtungen mit anderen rechtsradikalen Aktivisten und, durch diese Kontakte, eben auch mit bekannten V-Leuten...
Wer jetzt denkt der Gedanke, dass Geheimdienste mit Terroristen kooperieren und in Anschläge verwickelt sind völlig absurd ist, der sollte sich einmal eingehend mit der
stay-behind-Organisation befassen. Die Existenz der
stay-behind-Organisation, einer geheimen NATO-Operation unter Federführung von CIA und MI6, ist mittlerweile belegt. Aufgedeckt wurde die Existenz dieser Organisation durch Ermittlungen des italienischen Richters Felice Casson, der einen Bombenanschlag untersuchte, der eigentlich den Roten Brigaden zur Last gelegt wurde. Schon bald ergaben Cassons Ermittlungen, dass in Wirklichkeit rechtsgerichtete Kräfte hinter dem Anschlag steckten, die so die Wahlen zu Ungunsten der Kommunisten beeinflussen wollten. Als einen der Täter ermittelte Casson den Rechtsextremisten Vincenzo Vinciguerra der in seinem umfassenden Geständnis diese Aussage tätigte:
„Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. […] Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann.“
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsterrorismus#Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_Widerstand
https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrsportgruppe_Hengst
https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrsportgruppe_Hoffmann
https://de.wikipedia.org/wiki/Oktoberfestattentat
https://de.wikipedia.org/wiki/Gladio
bad_alloc hat gesagt.:
Hier meinen fast alle, dass die Bildung im westlichen Sinne (Wissenschaft & Erziehung mit demokratischen Werten) gegen Radikalisierung hilft.
Natürlich hast Du ganz recht das Bildung kein Allheilmittel ist. Allerdings sorgt Bildung, sofern sie möglichst breit gestreut und weit verbreitet ist, definitiv dafür das den Extremisten jeglicher Couleur das Fußvolk ausgeht.
Das unter den Vordenkern, Ideologen und Strategen von Extremisten kluge und gebildete Menschen anzutreffen sind, darf als gesichert gelten. Aber die Leute, die letztendlich losgeschickt werden um Menschen mit Baseballschlägern totzuschlagen, Brandsätze zu werfen oder sich mit Sprengstoffgürteln selbst in die Luft zu jagen, verfügen vermutlich eher selten über eine umfassende humanistische Bildung.
Allerdings sagte ich das Bildung kein Allheilmittel ist - das denke ich, da es noch andere Gruppen gibt, die extremistischen Menschenfängern, ganz unabhängig von ihrem Bildungsgrad, gerne ins Netz gehen: Die Einsamen, die Labilen und die Verzweifelten. Nur mit Bildung wird man Extremismus nicht bekämpfen können - wir brauchen auch Sozialarbeit, Mitgefühl und Anteilnahme in unserer Gesellschaft!
Edit:
Ach ja - zum Vergleich: Wieviele Menschen starben in Deutschland noch einmal durch islamistischen Terror? Sagen wir seit `45? Nur damit man die Gefährdungspotentiale vergleichen kann...
