[TdW 80] Demokratie, Wahlkampf & Big Data

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl beschäftigt sich das TdW mit dem Thema Wahlkampf in Zeiten von sozialen Netzwerken und Big Data. Eigentlich tobt in Deutschland ja gerade der Wahlkampf (auch wenn man das kaum bemerkt), doch was bedeutet Wahlkampf überhaupt? Der Wikipedia-Eintrag Wahlkampf definiert den Begriff so:
Als Wahlkampf wird im engeren Sinne das direkte Werben von Parteien oder Kandidaten um Stimmen vor einer Wahl bezeichnet. Im weiteren Sinne lässt sich der größte Teil des Verhaltens von Parteien oder Kandidaten vor einer Wahl dem Wahlkampf zurechnen.
Es geht also darum um Stimmen zu werben, z. B. in dem man versucht die Wähler von der eigenen Position zu überzeugen. Es geht also auch um Information - denn bevor man jemanden von der eigenen Position überzeugen kann, muss man ihn erst einmal über diese Position informieren. Primäres Ziel ist allerdings möglichst viele Menschen dazu zu bringen einen zu wählen, Argumente und politische Überzeugungsarbeit sind dabei nur ein Mittel von vielen - denn man kann auch Stimmen gewinnen, indem man mit Bildern (jeder Werbe-Profi weiß das Bilder schnelle Schüsse ins Gehirn sind) und Gefühlen arbeitet. In der Regel kommen alle diese Mittel im Wahlkampf zum Einsatz: Mit Wahlkampfauftritten, Reden und Wahlprogrammen versuchen die Parteien und ihre Kandidaten ihre Sicht der Dinge und ihre Lösung für aktuelle Probleme vorzustellen. Mit Plakaten werden Bilder und einfache Slogans in die Köpfe der Menschen gepflanzt und auch die Wahlwerbespots der Parteien im Fernsehen, zielen vor allem auf die Emotionen der Wähler und bedienen sich dabei bekannter Werbestrategien.
Vereinfacht könnte man also sagen, im Wahlkampf geht es vor allem darum die eigenen Meme zu verbreiten, indem man die Öffentlichkeit mit Informationen, Slogans und Bildern überflutet. Etwas pointierter könnte man sagen, es geht darum die Zielpersonen (also alle Wahlberechtigten) zu manipulieren. Zu einem Kampf wird das ganze, da die Konkurrenz natürlich das gleiche macht und es ebenfalls eine gängige Strategie ist, die Standpunkte des politischen Gegners als völlig falsch zu brandmarken.

In jedem Fall hat der Wahlkampf viel mit Werbung zu tun, denn man kann die Kandidaten und ihre politischen Standpunkte durchaus als Produkt betrachten und die Wählerstimmen als Kapital, das man durch Werbung für das Produkt anhäufen will. Werbestrategien und Werbe-Profis spielen deshalb seit jeher eine wichtige Rolle in einem Wahlkampf, der sich ja auch der gleichen Instrumente und Medien wie "gewöhnliche" Werbung (z. B. Plakate, Zeitungsanzeigen und Spots in Rundfunk & Fernsehen) bedient. Neue Medien werden dabei rasch eingebunden, so nutzte Hitler z. B. das damals noch neue Radio und Obama das Internet als mächtige Werkzeuge für den Wahlkampf.
Und damit wären wir auch beim Thema: Welchen Einfluss haben Internet, soziale Netzwerke und Big Data auf Wahlkämpfe und somit auf demokratische Wahlen?
Das Internet ist ein sehr effektives Medium um Informationen (und Desinformationen), Nachrichten (und Falschmeldungen) zu verbreiten. Durch soziale Netzwerke, wie z. B. Facebook, lassen sich schnell und einfach Millionen von Menschen erreichen. Wie bereits gesagt geht es im Wahlkampf darum Meme zu verbreiten und das Internet ist dafür wie geschaffen. Um eine gute Werbekampagne führen zu können, benötigt man jedoch auch möglichst viel Informationen über die Zielgruppe - auch zum Sammeln, Auswerten und Verknüpfen von Informationen ist das Internet wie geschaffen. In der FAZ konnte man gerade nachlesen, wie ein Veteran des Obama Wahlkampfs auf einer Veranstaltung zur Vorstellung der Google-Wählermap aus dem Nähkästchen plauderte - hier mal ein paar Highlights für die Lesefaulen:
„Meine Güte, 1,2 Milliarden Dollar hatten wir zur Wählermobilisierung zur Verfügung“, begann van de Laar, um gleich darauf zu sprechen zu kommen, was die amerikanischen Wahlkämpfer unter „Wählermobilisierung“ heute verstehen.
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„Force Multiplication“ hieß das Programm, das jede Botschaft aus dem Wahlkampf ausmerzte, um Platz für „Technologie und Daten“ zu schaffen. „Es ging um Zahlen, Daten und Fakten, nicht um politische Botschaften aus den Hinterzimmern.“
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Im zweiten Schritt „haben wir uns einfach einen Haufen Daten gekauft“, sagte van de Laar. „Sie kennen Payback?“, fragte er ins Publikum. „Wir gehen da hin und sagen: ,Payback, bitte einmal die Daten ausspucken.‘“ Diese Daten, die das Einkaufsverhalten der Wähler aufzeigen, die die Payback-Bonuskarte verwenden – was van de Laar als ein Beispiel unter vielen nannte –, seien mit den Daten aus dem Wählerregister fusioniert worden. Für jeden potentiellen Obama-Wähler wurde ein Datenbankeintrag angelegt und ständig erweitert. Auch das Verhalten im Internet war für die Wahlkämpfer von Interesse. Mit „Cookie-Targeting“ wurde das Online-Verhalten der Wähler über deren Computer ausgespäht und ausgewertet. „Social Media, Data Mining, Data Matching“ seien die Kernpunkte des Vorhabens gewesen, das sich „predictive analytics“ nennt –also auf Vorhersagen abzielte.
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Eine iPhone-App gab im Wortlaut vor, wie ein Gespräch zu eröffnen und zu führen sei – und erinnerte mit Nachdruck daran, unbedingt fehlende Daten zu erfassen. „Wir wollten nicht einfach nur, dass Leute rumlaufen und mit irgendwelchen Menschen sprechen, wir wollen nachvollziehen, was genau dort passiert. Wir wollen wissen, wie die Konversationen laufen und welche Informationen wir da herausziehen können“, sagte van de Laar.
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„Wir wollten, dass sich die Leute mit Facebook auf Obamas Internetseite anmelden, um einen Komplettzugriff auf deren Profildaten zu erhalten. Die Daten, die wir hatten, waren der Wahnsinn, und natürlich schauten wir sie uns an, wann es uns passte“, sagte van de Laar. Ein Raunen ging durch den Saal. Dabei hatte van de Laar den entscheidenden Trick noch nicht genannt: Wähler, die sich per Facebook auf Obamas Internetseite anmeldeten, willigten auch ein, dass die Kampagne im Namen der Nutzer Botschaften auf Facebook verbreiten durfte.
[...]
Die Wähler konnten schlicht nicht mehr unterscheiden, wann sie es mit ihren Nachbarn oder der Kampagne zu tun bekamen. Für die Wahlkämpfer der politischen Parteien im Raum verwies van de Laar auf eine Studie von Infratest Dimap. Auch in Deutschland informierten sich Wähler vorrangig im direkten Gespräch über anstehende Wahlen. „Das, was jetzt gemacht wird, ist der Grundstein für die Zukunft, da wird der Trend hingehen“, sagte van de Laar abschließend.
Quelle: Wie Big Data das Wahlgeheimnis aushebelt: Wir wissen, wen du wählen wirst - Feuilleton - FAZ

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW diesmal die Frage: Wie verändern die neuen Medien, Soziale Netzwerke und Big Data den Wahlkampf? Welche Chancen und welche Risiken liegen in diesen Veränderungen?
 
Wie verändern die neuen Medien, Soziale Netzwerke und Big Data den Wahlkampf? Welche Chancen und welche Risiken liegen in diesen Veränderungen?

Da die gleichen Dummköpfe gewählt werden - offensichtlich gar nicht.
Zwar wird das Marketing für ein Produkt angepasst - das Produkt selbst ist aber der gleiche Ramsch.
 
Ich habe mal in einem Artikel (UNI Utrecht war das glaube ich zu programmierte Gesellschaft) gelesen, das nach wie vor die offline-Strategien das entscheidende Kriterium sind.

Man kann zwar Einfluss auf die "Kunden" bekommen, jedoch nur mit klarem Konzept und entsprechender Umsetzung durch Programmierer in einem Webauftritt oder einer Webanwendung.

Der reine Blitzgedanke eines Programmierers und dessen Umsetzung nützt gar nicht, wenn das kulturelle Befinden der "Kunden" unberücksichtigt bleibt. Also alles, was offline, in den eigenen vier Wänden oder bspw. im Sportverein stattfindet.

Das kann man in dem Sinne positiv sehen, dass nach wie vor wirkliche soziale Beziehungen entscheidend sind, das wirkliche Leben, was man auch weiter erhalten sollte. Sonst wäre das Risiko einer leicht steuerbaren Massengesellschaft, wie sie C.W. Mills in "The power Elite" (1956) beschrieben hat, viel zu hoch.

P.S.: Hier ist der Artikel: http://mtschaefer.net/entry/programmierte-gesellschaft/
Schäfer, Mirko Tobias, 2010: Programmierte Gesellschaft? Zur Konstitution inhärenter Partizipation in Web Applikationen.
 
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