[TdW 83] Deutschland nach der Wahl - quo vadis?

Einen Tag nach der Bundestagswahl beschäftigt sich das TdW auf vielfachen Wunsch mit dem Ergebnis und den Folgen der Wahl. Klarer Sieger der Wahl ist die Union, die nur knapp eine absolute Mehrheit verfehlt hat. Klarer Verlierer der Wahl ist die FDP, die zum ersten Mal in der Geschichte der BRD nicht im Bundestag vertreten ist. Die SPD konnte sich zwar ebenfalls verbessern, blieb aber weit hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Ein kleiner Gewinner sind die Linken, die sich als drittstärkste Kraft etablieren konnten. Kleiner Verlierer sind die Grünen, die nach ihrem Allzeithoch nach Fukushima wieder in der harten, einstelligen Realität angekommen sind und ihren Platz als drittstärkste Partei an die Linken abtreten mussten. Die Piraten und die AfD sind nicht über die 5% Hürde gekommen.
Und was bedeutet das jetzt? Die Union ist nach dem sensationellen Erfolg die mit Abstand stärkste Partei im Bundestag, dennoch gibt es keine knappe "linke" Mehrheit. Die Union benötigt zum regieren also einen Partner - besonders lieb wäre der Union wohl die SPD, die über enormen Einfluss im Bundesrat verfügt. Die SPD ist jedoch ein gebranntes Kind: Die letzte Großen Koalition hat ihr enorm geschadet, der Union aber Auftrieb gegeben. Auch Schwarz-Grün wäre eine Option, doch die Gräben zwischen den Parteien sind tief und es fällt schwer sich die CSU und die Grünen in einer gemeinsamen Koalition vorzustellen. Rot-Rot-Grün wäre rein rechnerisch auch eine Option - wird von der SPD und den Grünen jedoch seit jeher ausgeschlossen. Theoretisch möglich wäre auch eine Minderheitsregierung der Union - doch das hat Merkel bereits ausgeschlossen.
Die Situation in Deutschland nach der Wahl ist kurios: Obwohl es eine klare Siegerin gibt, ist es noch völlig unklar wie die nächste Regierung aussehen wird. Das TdW stellt daher die Frage: Deutschland nach der Wahl - quo vadis?
 
Ich persönlich bin der Meinung, dass es eine Große Koalition geben wird, bei der die Union (auch gegen Seehofers Widerstand) ein ganzes Stück auf die SPD zugehen wird. Die SPD ist, denke ich, nahezu gezwungen, in die Große Koalition zu gehen, die Alternative wäre eine Rot-Rot-Grüne Regierung, die noch stärker abgelehnt wird oder Neuwahlen. Da diese aller Wahrscheinlichkeit der SPD angelastet würden, würde sie bei eine potentiellen Neuwahl massiv an Stimmen verlieren.

Der große Vorteil, den ich in einer Großen Koalition sehe, ist der, dass die CSU im Verhältnis zu CDU und SPD ein deutlich kleineres Stimmengewicht hat, als bei einer 'regulären' Koalition. Da die CSU (derzeit) eine der populistischsten wichtigen Parteien ist, schadet es ihr nicht, wenn sie hier ein bisschen an die Leine genommen wird.
 
Die Union ist nach dem sensationellen Erfolg die mit Abstand stärkste Partei im Bundestag, dennoch gibt es keine knappe "linke" Mehrheit.

Sollte wohl "eine knappe linke Mehrheit" heissen.

Ansonsten sehe ich eigentlich keinen wirklichen Sieger. Der Erfolg der CDU/CSU
sehe ich eher als Pyrrussieg. Zwar konnten sie ihre Leihstimmen an die FDP von
der letzten Wahl zurückgewinnen, allerdings haben sie dadurch auch ihren schwachen
Koalitionspartner verloren und damit erstmal eine bequeme Möglichkeit an der Macht
zu bleiben.

SPD und Grüne haben sich mit dem Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der Linken
die Chance genommen selbst an die Regierung zu kommen und damit auch
einen grossen Teil ihrer Wahlkampfforderungen auf den Weg bringen zu können.
Gerade im Steuer-, Arbeitsrecht und Energiebereich gab es dort durchaus eine beachtliche
Schnittmenge. Selbst wenn ein solches Bündnis im Laufe der Legislaturperiode
gescheitert wäre, hätte man hierfür wohl allein die Linke verantwortlich gemacht.

Für Schwarz/Grün sehe ich überhaupt keine Möglichkeit, es sei denn die Grünen
möchten das gleiche Schicksal erleiden wie die FDP.

In einer grossen Koalition wird die SPD wahrscheinlich nur wenig bewegen können.
Ich persönlich rechne eher wie beim letzten Mal mit einem Reformstau und Minimalerfolgen.
Diese minimalen "Erfolge" werden vermutlich die Wähler nicht anerkennen und
bei der nächsten Wahl zum Teil zu Grünen und der Linken abwandern.
Der einzige "Vorteil" wäre wohl eine Europapolitik ohne Überraschungen.
Dies wird wohl nur der CDU helfen deren Wähler sind das Aussitzen gewohnt.
Ich fürchte jedoch die SPD wird auch diesmal Merkel den Gefallen tun mit
der Konsequenz, dass, egal wie lang es bis zur nächsten Wahl dauert, es keine
linke Mehrheit mehr geben wird. Da wird dann wohl zumindest FDP oder AfD
den Einzug in den Bundestag schaffen eventuell auch Beide. Für Rot/Grün
sehe ich allerdings dann keine Chance, eher noch für eine Mehrheit für die CDU.

Gruss
 
Die Regierungsbildung wird in jedem Fall spannend, es könnte sich lohnen strategische Popcorn-Reserven anzulegen...;)

Horst Seehofer (CSU) hat gerade eine Koalition mit den Grünen rundweg abgelehnt:
"Ich werde solche Gespräche jedenfalls nicht führen. Damit hat sich das", sagte Seehofer dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.
Quelle: Koalitionsgespräche: Seehofer lehnt Gespräche mit Grünen ab | ZEIT ONLINE
Damit schließt er Schwarz-Grün nicht nur aus, er liefert mit dem "Damit hat sich das" auch einen kleinen Vorgschmack auf den Politikstil, den die wiedererstarkte CSU wohl pflegen wird. Interessant wird das z. B. auch im Hinblick auf die PKW-Maut ohne die Seehofer, wie er vor der Wahl ausdrücklich sagte, keinen Koalitionsvertrag unterschreiben wird. Merkel sagte jedoch im TV-Duell vor laufenden Kameras das es mit ihr keine PKW-Maut geben wird - ich schätze einer von beiden wird Wortbruch begehen müssen...

Auf der anderen Seite, bei der SPD, setzt sich einer mächtigsten Landesverbände gegen eine Große Koalition ein. Bei Ministerpräsidentin Kraft klingt das noch verhalten:
"Wir werden nicht mit wehenden Fahnen in eine Große Koalition gehen. Wir werden uns an Inhalten orientieren."
Landtagsfraktionschef Norbert Römer wird da schon deutlicher:
"Wir streben eine Große Koalition nicht an, und am Ende wird es auch keine geben"
Quelle: NRW-SPD stemmt sich gegen Große Koalition - SPIEGEL ONLINE

Es bleibt spannend!
 
Verschwörungstheorie:

Die CDU/CSU ist gar nicht an einer Regierungsbildung interessiert, ihr ist es viel
lieber wenn SPD und Grüne in eine Koalition mit der Linken gedrängt werden
und diese dann früh scheitert, zum Beispiel an der Europapolitik. Dann hätte
sie wohl beste Chancen auf eine Mehrheit bei vorgezogenen Neuwahlen. 8)
Die Chancen stehen ja nicht schlecht. Steinbrück steht nach seiner Aussage
für eine mögliche Koalition (schwarz/rot und rot/rot/grün) nicht zur Verfügung.
Da kann Gabriel locker sagen ich habe so etwas nie gänzlich ausgeschlossen.
Die Grünen formieren sowieso ihre Spitze neu, da können dann neue Leute
auch neue Ideen einbringen.

Gruss

Wie weit sind eigentlich die Weltherrschaftspläne?
Könnten wir den Laden nicht kurzfristig übernehmen, lang halt ich das Elend
nicht mehr aus.
 
end4win hat gesagt.:
Die CDU/CSU ist gar nicht an einer Regierungsbildung interessiert, ihr ist es viel
lieber wenn SPD und Grüne in eine Koalition mit der Linken gedrängt werden
und diese dann früh scheitert, zum Beispiel an der Europapolitik.
Wie die meisten guten Verschwörungstheorien ist das gar nicht so abwegig - es gibt bestimmt den einen oder anderen Unionspolitiker mit Zockermentalität, der so denkt...;)

Allerdings haben bestimmt auch am späten Wahlabend viele bei den Grünen, den Linken und der SPD darauf gehofft, dass die Union eine absolute Mehrheit kriegt. Das klingt nur auf dem ersten Blick absurd, denn eine Unionsregierung mit einer absoluten (aber hauchdünnen) Mehrheit wäre mit ziemlicher Sicherheit spätestens bei kritischen Abstimmungen zu Rettungspaketen über Abweichler gestolpert. Schon bei der komfortablen schwarz-gelben Mehrheit wurde enormer Druck auf die eigenen Leute ausgeübt (man denke nur an Pofallas "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen"-Entgleisung gegen Bosbach), bei einer Mehrheit von nur zwei oder drei Sitzen wäre der Druck ungleich höher. Dazu kommt natürlich das eine absolute Unionsregierung im Bundesrat keine Chance hat - dort könnte sie ohne Zustimmung der Opposition nicht einen Beschluss durchbringen.

Es bleibt also spannend, auch wenn die Große Koalition die wahrscheinlichste Variante ist. Die SPD müsste schon gute Gründe finden um dem Volk, von dem sich scheinbar ein großer Teil eine Große Koalition wünscht, zu erklären warum sie Koalitionsverhandlungen platzen lassen. Aber vielleicht helfen ihnen dabei ja Dampfpolterer wie Seehofer oder Gröhe...:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bringe mal noch eine weitere Verschwörungstheorie ein. Wenn CDU/CSU + SPD koalieren, werden sämtliche Werkzeuge, die der Opposition bleiben, wenn sie z.B. verfassungswidrige Gesetze verhindern will, ausgehebelt. Für fast alle Regulierungsmaßnahmen, die die Opposition nutzen kann, werden min. 20% (z.B. zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts) oder 25% (z.B. zur Einberufung eines Untersuchungsausschusses) der Stimmen benötigt. Und nun rechnet mal durch. 503 von 630 Stimmen für Schwarz-Rot. Na, merkt ihr was?

Eine grosse Koalition könnte problemlos Gesetze erlassen, die gegen die Verfassung verstossen und niemand könnte sie daran hindern. Und diese Parteien sind nicht gerade dafür bekannt, dass ihre Gesetzgebung besonders verfassungstreu ist.

Und ihr nennt das noch immer Demokratie? :rolleyes:
 
Eine grosse Koalition könnte problemlos Gesetze erlassen, die gegen die Verfassung verstossen und niemand könnte sie daran hindern.

Diese Aussage würde ich nicht so unterschreiben. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen, dass es durchaus zu eigenständigem Handeln in der Lage ist, wenn ein Gesetzt seiner Meinung nach nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieses Vorgehen stieß so einigen Politikern sauer auf.

Zudem hätte eine Große Koalition den starken "Makel", dass sie im Bundesrat keine Mehrheit zusammenbekommt. Alle Länder, in denen die Grünen an der Landesregierung beteiligt sind, müssen sich bei Abstimmungen im Bundesrat enthalten, wenn sich die beiden Regierungsparteien nicht einig werden. Dieses Recht haben sich die Grünen in den jeweiligen Koalitionsverträgen gesichert. Und zustimmungspflichtig sind viele Gesetze.
 
Im Bundesrat wird die Opposition auf 19 von 69 Stimmen kommen. Und dort braucht's zumeist eine 2/3-Mehrheit (z.B. für Änderungen an der "Verfassung").
 
Wenn du nach den Parteien gehst, hätte eine Große Koalition gerade einmal 27 Stimmen im Bundesrat. Nimmt man an, dass die FDP mitzieht, wären es 36 (alte Verhältnisse in Hessen). Erst, wenn die anderen Parteien mitziehen, kann also die Zweidrittelmehrheit erreicht werden. In den meisten Koalitionsverträgen ist eine Sperrklausel enthalten, dass sich die Vertreter des Landes enthalten müssen, wenn sich die Landesregierung zu einem Thema nicht einigen kann. Also können die Vertreter nicht aufgeteilt nach dem Verhältnis der jeweiligen Regierung abstimmen. Dieses Verhalten macht der jeweils amtierenden Bundesregierung auch immer wieder Probleme, da die einzelnen Landesverbände immer häufiger anderes im Sinn haben, als die Bundespartei.

Edit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrat_(Deutschland)#Stimmabgabe hat gesagt.:
Das Grundgesetz schreibt in Art. 51 Abs. 3 Satz 2 vor, dass die Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden können. Dies bedeutet, dass alle einem Land zustehenden Stimmen gleich lauten müssen, also „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“. Da für Beschlüsse mindestens die absolute Mehrheit der Stimmen (zurzeit 35 Stimmen), bei Grundgesetzänderungen auch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, werden bei den Abstimmungen nur die Ja-Stimmen gezählt. Damit wirken Enthaltungen nicht neutral, sondern wie Ablehnungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann bleibt ja eigentlich nur rot-rot-grün, mit einer Union als alleiniger und sehr starker Opposition - wer gegen rot-rot-grün ist, ist ein Feind der Demokratie...:D
Wobei die Union als Opposition im Bundesrat nicht viel zu melden hätte - also vielleicht doch lieber Neuwahlen? Die Union legt zu, kann die absolute Mehrheit gerade so erringen und sieht sich dann einer starken Opposition gegenüber, die im Bundesrat den Ton angibt.
 
Naja wer auch immer mit der CxU eine Koalition eingeht darf sich dann bei
der nächsten Wahl mit der FDP in einer Ecke als Zuschauer positionieren. :rolleyes:
Wenn die erstmal fertig sind und ihre Koalition haben werden sowieso erstmal
ein paar Steueranpassungen vorgenommen... aber die CxU ist absolut
eigentlich dagegen aber wegen der Koalition müsse man leider diesen
Kompromiss eingehen. Der böse Koalitionspartner ist an allem Schuld...

Was sonst noch so passiert?
(hatte das schon geschrieben vor der Konferenz der Verkehrspolitiker)
Ich denke PKW Maut wird mit ein paar Tricks kommen, wird halt bei der
nächsten Steuer ein Mautaufkleber beigelegt und die Steuer etwas erhöht
dann stimmt auch die EU sicherlich zu weil dann ja jeder für die Straßen
zahlen muss und nicht nur Ausländer... und viele konservative Wähler freuen
sich dann das endlich für unsere Straßen der selbe Betrag wie immer zur
Verfügung steht aber die Ausländer dafür zahlen.

Der Alternativlose wiederausstieg in Umweltschonende Atomenergie...
Energieunternehmen beschweren sich das der Handel mit Strom zu billig ist
und die Bürger dürfen immer mehr zahlen obwohl man immer mehr spart.
:rolleyes: Das obwohl man auch schönen Ökostrom aus Norwegen bekommen
kann/könnte Ökostrom aus Norwegen blockiert - REPORT MAINZ | SWR.de

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