[TdW 102] Wird Krieg wieder salonfähig?

Diesmal beschäftigt sich das TdW mit dem einen großen Thema, dass uns Menschen vermutlich seit dem Anbeginn aller Zeiten begleitet, beschäftigt, entsetzt und doch auch fasziniert: Krieg.
In der ersten Euphorie nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion, als das Damoklesschwert eines Dritten Weltkriegs sich scheinbar über Nacht in Luft auflöste, riefen Optimisten bereits das Ende des Zeitalters der Kriege aus. Tatsächlich hatten Kriege, zumindest in den westlichen Bevölkerungen, mittlerweile ein eher schlechtes Image, galten bestenfalls als verzweifelte Notlösung und überhaupt als ziemlich unzivilisiert. Natürlich gab es immer noch Kriege, aber die waren in der Regel weit weg und regional begrenzt. Diese Stimmung im Volk blieb den Regierungen natürlich nicht verborgen und spiegelte sich auch in der politischen Rhetorik wider: Wenn ein westliches Land doch einmal auf militärische Mittel zurückgriff, wurde in der Regel auf Teufel komm raus versucht den unpopulären Begriff Krieg zu vermeiden. Viel lieber sprach man von friedenssichernden Maßnahmen, militärischen Sanktionen, begrenzten Luftschlägen oder asymetrischen Konflikten. Obwohl sich natürlich hinter all diesen Begriffen immer noch die alte, hässliche Fratze des Krieges verbarg, liess sich diese Politik besser verkaufen.
Politik? Ja, denn schon der preußische General Clausewitz bezeichnete in seinem berühmten Werk Vom Kriege den Krieg, als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Mit anderen Worten: Wenn man seine Ziele weder durch politische, diplomatische oder wirtschaftliche Maßnahmen erreichen kann, greift man zur Waffe und versucht die Ziele eben mit militärischen Mitteln durchzusetzen. In der guten alten Zeit war das noch einfach, da konnte sich z. B. ein König hinstellen und sagen "Wir wollen diesen Teil eures Landes, ihr wollt ihn uns aber nicht geben, jetzt schicke ich meine Soldaten und nehme ihn mir!". Und alles hatte sein Richtigkeit, heute ist das schon etwas komplizierter, denn Kriege sind nicht nur verpönt, sondern verstoßen grundsätzlichen gegen das Völkerrecht (Artikel 2, Ziffer 4 der UN Charta). Wer heute einen schönen Angriffskrieg führen will, muss zumindest Situationen konstruieren oder Beweise fälschen, die den Angriffskrieg eher als aktive Form der Verteidigung erscheinen lassen. Krieg soll eben nicht mehr die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein, sondern im Idealfall nur der Selbstverteidigung eines Staates dienen.
Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass Kriege immer noch aus viel profaneren Gründen, wie z. B. wirtschaftliche Interessen, geführt werden. Ein Zeit lang schien man diesen Umstand möglichst unter den Teppich kehren zu wollen, so ist Ex-Bundespräsident Köhler z. B. noch zurückgetreten, weil seine Äußerung über Krieg zur Wahrung von nationalen Interessen eine Welle der Empörung hervorrief. Das war vor ziemlich genau vier Jahren - doch ich frage mich ob seine Äußerung immer noch solche Kontroversen auslösen würde? Wenn man z. B. die Leserkommentare zu den Ereignissen in der Ukraine liest, kann man schon den Eindruck gewinnen, dass die Menschen mittlerweile wieder eine eher "pragmatische" Haltung zum Krieg haben. Das TdW stellt daher heute die Frage: Wird Krieg wieder salonfähig?
 
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Ich denke nicht, dass Krieg in der deutschen Gesellschaft Akzeptanz findet. Unsere Präsenz in Afghanistan wird von vielen Menschen der Bevölkerung inzwischen als kritisch gesehen, gerade. Milliarden-Ausgaben, dutzende Tote oder das Problem, dass dem Einsatz kein wirklich gutes Zeugnis bescheinigt wurde kommen nunmal in der Bevölkerung nicht gut an. Dazu kommt, dass wir anfangs noch von einem Konflikt gesprochen haben, jedoch schnell klar wurde, dass es sich um Krieg handelt. Das ist sicherlich auch wieder einer der Gründe (neben den juristischen), warum der Begriff Krieg nicht besonders oft von verantwortlichen Politikern gebraucht wird: Er kommt in der Bevölkerung nunmal nicht gut an.

Allerdings ist Krieg auch nur ein Begriff ohne genaue Definition. Wann wir uns im Konflikt, im Krieg oder nur in freundschaftlichen Meinungsverschiedenheiten befinden, ist immer Definitionssache der Politiker und Politikerinnen. Hätten wir zu Anfang des Bundeswehreinsatzes von Krieg gesprochen, wär der Einsatz anders verlaufen, wenn überhaupt. Ein anderes Beispiel ist die Überwachung durch die NSA. Die Reaktionen gingen von "maßlos" (De Maiziere) bis hin zu "inakzeptabel" (Merkel). Mehr nicht. Oder die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen durch die Geheimdienste der USA, Chinas und Russland? Wieder kein Wort von Konflikt, und von Krieg sowieso nicht. Oder die Angriffe auf Estland, was die NATO auf Schirm gerufen hat? Nichts.

In dem Sinne ist Krieg auch wieder salonfähig: Solange die Bevölkerung nichts vom Krieg weiß, weil man ihn nicht bekannt macht, er nicht fassbar ist oder man ihn nicht Krieg nennt, dann kann man sich als Politikerin oder Politiker in gewisser Weise der Zustimmung durch sie sicher sein. Dann ist Krieg salonfähig.
 
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