Mal abgesehen davon, dass ich dieses dreimonatige Moratorium für Schwachsinn halte, da sich weder die Sicherheit unserer Kraftwerke seit Freitag verändert, noch die Erdbeben-/Tzunamigefahr für Deutschland zugenommen hat, ist es schlimm ansehen zu müssen, wie die Medien in Deutschland -mal wieder- zur Überdramatisierung* neigen, Äpfel mit Birnen vergleichen werden, das Leid anderer für den Wahlkampf genutzt wird und Realitätsverlust (aber das ist in DE nichts neues und daher entschuldbar) stattfindet.
Überdramatisierung: Man gewinnt den Eindruck, dass in Japan bereits Hopfen und Malz verloren sind, dabei ist es der Behälter in dem die Brennstäbe sind, der über die Sicherheit entscheidet. Da diese bis zum aktuellen Zeitpunkt dicht halten und gut gekühlt werden, ist eine teilweise Kernschmelze (!= Atomexplosion, sondern bedeutet lediglich, dass die Brennstäbe heißer werden, als man es will und dann in flüssiger Form auf den Boden des Behälters tropfen) nicht annähernd so schlimm wie geschildert. Auch wird eine erhöhte Strahlenbelastung, welche Gesundheitlich unbedenklich ist, gerne als "verstrahlt" dargestellt: Kleiner Vergleich: Im Zigarettenrauch ist bekanntlich auch ein radioaktives Isotop enthalten, jemand der nun eine Schachtel pro Tag raucht, lässt seine Lunge in einem Jahr in dem Ausmaß strahlen, wie es ein nicht-Raucher, der 200mal im Jahr seine Lunge röntgten lässt. Oder: Wenn man mit dem Flugzeug über den Teich fliegt, ist die Strahlenbelastung um ein vielfaches höher als sie derzeit in Japan ist. Aber in Japan ist alles verstrahlt...
Apfel vs. Birne: Zwar betonen alle immer wieder, dass man eigentlich keinen Vergleich mit Tschernobyl ziehen darf, weil es was ganz anderes war (bis hierhin gut), weisen sie im gleichen Atemzug auf die Folgen von 1986 und das damit in Japan auch zu rechnen wäre (=FAIL).
Wahlkampf: "Jetzt ist nicht die Zeit um Wahlkampfspielchen zu treiben, sondern man müsse jetzt vor allem erst einmal den Japanern helfen", so hieß es einstimmig aus allen Parteien (sogar von den Grünen). Naja zu mind hielt dieser Gedanke ca. Tag in den Köpfen fest, am nächsten Tag wurden die alten Argumente/Vorurteile beider Seiten hervorgeholt und das Bashing ging von vorne los.
Realitätsverlust: Nun wird zu Recht oder zu Unrecht das sofortige Abschalten von sämtlichen Reaktoren gefordert. Es gibt ein paar interessante Fakten:
- Um uns herum schießen Reaktoren aus dem Boden wie Unkraut (China fängt damit an, die Anzahl der Reaktoren zu vervierfachen), die oft suggerierte Rettung der Welt durch "wir-schalten-ab" ist dadurch hinfällig, also holt man die gute alte Vorbildfunktion hervor und fühlt sich moralisch weiterhin überlegen - klappt nur nicht, Bsp: in den meisten Ländern ist die Todesstrafe abgeschafft, den Rests interessierts trotzdem nicht.
- Autounfälle haben bis jetzt mehr Tote gefordert als sämtliche Tote die mit Kernenergie zusammen kommen, trotzdem hält man an dieser gefährlichen Technologie fest, gerade wir Deutschen
- es ist NIEMAND bereit für Strom mehr Geld zu bezahlen und das wird kommen, wenn die AKWs abgeschaltet werden. Bestes Beispiel: E10 - bevor man in der Bev. der einhelligen Meinung war, dass es mehr Schaden anrichtet**, als Nutzen bringt, wurde es abgelehnt, da dadurch der Benzinpreis gestiegen ist. Keiner will für essen mehr Geld ausgeben, auch wenn es gesünder ist. Aber mit erhobenen Fahnen gegen AKWs protestieren und sich moralisch überlegen fühlen - Herzlichen Glückwunsch zum Doppelmoralmeistertitel.
- Durch sehr scharfe Richtlinien gilt selbst die kleinste (unbedenkliche) Abweichung als Störfall.
Ja die Realität ist schon was fieses, vor allem, wenn sie auf Idealismus trifft.
Es mag hier jetzt erscheinen als ob ich der totale AKW-Anhänger sei, dem ist nicht so, ich sehe aber im Moment keine BRAUCHBARE Alternative. Mein Tipp an alle "Alternativ-Anhänger": Hört auf zu protestieren, gründet ein Forschungszentrum, stopft dort jeden Cent rein, den ihr erübrigen könnt und präsentiert eine Lösung, die allen frei zugänglich ist (keine Lizenzkosten!) und eine wirkliche Alternative zu Öl und Atom darstellt (= gleiche Effizienz).
* mit Überdramatisierung meine ich NICHT das Leid der Menschen, sondern die Sachlage der AKWs in Japan.
** man begnügt sich in dem Fall auch mit scheinheiligen Argumenten, dass 0,01% der Autos den neuen Sprit nicht vertragen - ist doch Super, dann müssen die alten Drecksschleudern eben Superplus tanken, wo noch mehr Geld für die Regierung abfällt, die sie in neue alternative Energien stecken kann. Oder diese Leute fahren weniger Auto. Oder diese Leute kaufen sich ein neueres Auto (spätestens hier wird wieder der Realitätsverlust deutlich).
ps: Aber die Hauptsache ist, man kann sich mit idiotischem Idealismus moralisch überlegen fühlen und denjenigen, die in der Realität*** leben ein "Told u so!" vorhalten.
*** aka "kein Ponyhof"