@Bit
Wie wäre es mit "virtueller Platz", "virtueller Raum"... ? Darauf liessen sich komplett neue Gesetzgebungen aufbauen, die unabhängig von der bestehenden Gesetzgebung für physische Gegebenheiten existieren.
Das ist genau das, was getan werden "müsste". Jedoch muss es ja das Ergebnis einer Legitimationskette sein. Das "Virtuelle", sich über Ländergrenzen hinwegsetzende, ist nicht in unseren Gesetzen definiert.
@Beere
Das sehe ich anders. Das Internet krempelt das Leben nicht derart um, als dass wir extra hierfür neue Gesetze bräuchten. Nahezu alle Gesetze lassen sich auch problemlos auf den "virtuellen Raum" ausdehnen. Du sprichst hier explizit den Begriff des Privaten und des Öffentlichen an. Beide Begriffe sind aber durchaus im Internet präsent, z.B. in den Standards des IP-Protokolls und der Internetarchitektur, in Form privater und öffentlicher IP-Adressen.
Ich meinte explizit keine Adressräume
Beliebtes Beispiel: Nehme einen Park als öffentlichen Raum. Du kannst dich in diesen öffentlichen Raum begeben und gemäß deiner Bürgerrechte doch auch frei agieren. In diesem öffentlichen Raum kannst du auch privaten Raum schaffen, indem du dich mit einer Gruppe dort niederlässt.
Du entscheidest in diesem öffentlichen Raum selbst über die Reichweite deiner Kommunikation: Du kannst deiner Freundin etwas zuflüstern oder du kannst herumbrüllen, sodass es der halbe Park mitbekommt.
Du kannst auch privaten Raum schaffen, indem du dich in den Wald zurückziehst oder an einem See ein Picknick machst, mit einer Gruppe von Freunden. Oder zu ziehst dich in deine Wohnung zurück.
Willst du alle diese Räume, öffentlich, privat, semi-privat usw. treffend beschreiben, so hast du immer eine rein physikalisch-räumliche Komponente. Du kannst dir "draußen" privaten Raum schaffen, einfach indem du die physikalischen Parameter entsprechend "modifizierst". Auch deine Kommunikation ist an einem solchen Ort "direkt".
Du kannst all diese Umstände nicht 1:1 ins Netz übertragen denn öffentlicher Raum, zb. auf einer Plattform wie Facebook erlaubt diese Differenzierung nicht. Auch der private Raum, wie geschlossene Gruppen, ist kein wirklich privater Raum. Die Entscheidung darüber, was privater Raum ist (in einem Verständnis der Offline Gesetze), triffst nicht mehr Du selbst durch dein Handeln, sondern der Inhaber des Codes des Angebots (wie z.B. Facebook).
Facebook und Google benutzen zwar dieselben Begriffe, doch sind es grundverschiedene Dinge.
Zu den Gesetzen und der Argumentation:
Offline kannst du öffentliche und private Räume begründen mit: Persönlichkeitsrechten, Versammlungsrecht und Recht auf freie Rede usw.
Beim privaten Raum gibt es im GG die sog. "Abwehrgrundrechte". Art 13 GG ist so ein besonders starkes recht und betrifft die "Unverletzlichkeit der Wohnung". Der Rechtsstaat kann natürlich diese Rechte aufheben. Jedoch Bedarf es dazu idR. sehr belastende Gründe. In jedem Fall aber gibt es für die "Offline" Fälle eine Reihe von Gesetzen die Grundrechte sind.
Online werden diese äquivalente Fälle aber mehr oder weniger über Datenschutzgesetze geregelt. Es gibt kein Grundrecht auf "Informelle Selbstbestimmung", welches auch nur ein annähernd so starkes Recht ist, wie das Grundrecht auf freie Rede oder körperliche Unversehrtheit.
Es braucht in dieser Zeit also ein _Grundrecht_ auf informelle Selbstbestimmung, welches sich über Personenrechte definiert und nicht, wie aktuell, durch ein BGH Urteil im Bereich des Datenschutzgesetzes.
Hätten wir so ein Grundrecht, würde die Verletzung der Privatsphäre ein Grundrechtsverstoß gegen einen Staatsbürger bedeuten, anstatt, wie jetzt, eine "Bagatelle" im Datenschutzrechtlichen Kontext, die bewusst einkalkuliert wird - da es ja nur um Geld geht.
Unsere Aufgabe ist es also, solche neuen Grundrechte zu "denken" und sie in Einklang mit der technischen Realität und Völkerrechtlichen Aspkete zu bringen.
Ein wesentlicher Unterschied ist zudem noch, dass wir offline als Person betrachtet werden. Dein Recht ist nicht an eine Aktion / Reaktion gekoppelt. Du besitzt es eben, einfach weil Du 1. Mensch und 2. Bürger dieses Staates bist. Online sind wir nicht Person, sondern eher "Handlung" in einem System aus verschiedensten Rückkopplungen. So ist deine virtuelle Identität bei Facebook nicht (virtuelle)Person - sondern lediglich Handlung.
Stell die mal vor, wenn die virtuelle Manifestation deiner Person ähnliche Rechte enthielte wie du als Mensch?
Zweifelsohne würde das aber auch eine verlässliche Identifikation voraussetzen... die "Kehrseite" eben
Ich sehe derzeit das Problem nicht in fehlenden Gesetzen, sondern im fehlenden Verständnis vieler Menschen darüber, was Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung überhaupt bedeuten und worin diese Gesetze begründet werden.
Letztendlich geht es uns doch allen so? Im Grunde sind unsere (digitalen) Rechte in der digitalen Welt nicht hinreichend definiert. Es ist ein Flickwerk welches nicht weit genug in ein Grundrecht rein.
Wir bauen nutzlose Gesetze und produzieren Papiertiger. Typische deutsche Beamtenkultur, die hier auf die EU abfärbt
Weil es eben ein großes Problem ist. Meine Theorie ist es, dass so etwas wie informelle Selbstbestimmung einen durchaus (rechts)philosophischen Character hat und man darf nicht aus einer momentanen Befindlichkeit heraus Grundrechte definieren. Und schon gar nicht aus einer Befindlichkeit des Volkes!
Ein Grundrecht stellt sich selbst aus einer philosophischen Überlegung heraus auf. Während so etwas wie Datenschutzgesetze am Ende irgendwo sehr viel weiter oben über den Grundrechten stehen (man denke sich das Recht als Baum, wobei ein Grundrecht der Stamm ist und das Erdreich die Moral und Vernunft).
Btw - Ist die EU in Ihren Bemühungen weiter als die BRD
Siehe die EU Grundrechte Charte Art. 8 (
http://www.europarl.de/resource/static/files/europa_grundrechtecharta/_30.03.2010.pdf)
Das ist eine Herkulesaufgabe in der politischen Welt und es gibt auch sehr viel Bestrebungen in dieser Richtung. Trotzdem müssen wir auch versuchen unseren "eigenen" Leuten klarzumachen dass das wahnsinnig kompliziert ist und viel viel Energie benötigt.
Das stumpfe geblöke gegen unsere Politiker in Sachen "Datenschutz" ist hier aber halt, auch wenn von Teilen der (mitunter selbsternannten) geistigen Elite, eben doch nur geblöke.