[TdW 141] Wie geht es im Nahen Osten weiter?

Diesmal blickt das TdW wieder in den Nahen Osten, einer Region die schon seit Jahrzehnten immer wieder die Nachrichten beherrscht und von Journalisten seit jeher gern als Pulverfass bezeichnet wird. Der augenscheinlichste Konflikt ist naürlich der Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der immer wieder einmal eskaliert, aber nie ganz erlischt. Doch es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Konflikte in dieser Region, Konflikte zwischen Religionen, zwischen Stämmen und um Ressourcen. Der sogenannte arabische Frühling hat nicht gerade dazu beigetragen die Region zu stabilisieren, es wurden einige alte Diktatoren durch neue Regime ersetzt, andere wehren sich so vehement gegen den Machtverlust das sie ihre Heimat in blutigen Bürgerkriegen zerstören. Alte Allianzen sind zerbrochen, neue Bündnisse entstehen, kurz gesagt: Die ganze Region ist in Aufruhr. Doch wo wird das enden?
Ein zentraler Konflikt ist wie bereits erwähnt der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Allein dieser Konflikt ist sehr kompliziert, vielschichtig und facettenreich, denn es ist im Grunde auch ein Konflikt zwischen Israelis und Arabern, zwischen Juden und Moslems und im Grunde sogar zwischen Tradition und Moderne. Israel ist ein junger Staat, ein demokratischer und kapitalistischer Staat - mitten in einer Region voller Monarchien und Diktaturen. Ein Grund für Israels Stärke ist Israels Wirtschaft, die den Staat in Rekordzeit von einem Agrarstaat zu einem modernen High-Tech Industriestaat gewandelt hat. Der zweite Grund für Israels Stärke ist das enge Bündnis mit den USA. Die militärische und wirtschaftliche Supermacht USA hat stets ihre schützende Hand über das von Feinden umgebene Israel gehalten. Und die Veto-Macht USA hat stets verhindert das die UN Resolutionen gegen Israel erlässt.
Doch wer die Nachrichten verfolgt, dem wird nicht entgangen sein das beide Fundamente der israelischen Macht in den letzten Jahren Risse bekommen haben. Israel krankte zuletzt an den selben Symptomen wie alle westlichen Staaten: Die vom Neoliberalismus entfesselten Hunde des Kapitalismus nagen am Fundament der israelischen Gesellschaft. Viele Israelis haben nicht mehr das Gefühl an Reichtum und Wirtschaftswachstum des Landes teil zu haben. Dieses Gefühl trieb sogar ganze Massen auf die Strasse um für mehr soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. Auch wenn die Massendemonstrationen mittlerweile wieder verebbt zu sein scheinen, ist das Gefühl sozialer Ungerechtigkeit jedoch scheinbar noch nicht verflogen. Wie sonst könnte ein simples Facebook-Posting über den Preis von Pudding in Berlin dazu führen, dass der israelische Finanzminister den Urheber des Postings, einen jungen Israeli, in den Medien als "Antizionisten" beschimpft? Wie sonst ist es zu erklären das innerhalb von nur vier Tagen mehr als eine Million Israelis sein Posting gelesen haben (Israel hat übrigens nur etwas mehr als 8 Millionen Einwohner)? Israel gehört zu den reichsten Staaten dieser Erde, doch auch die Armut ist in Israel weit verbreitet und eine wachsende Gruppe von Israelis arbeitet nur noch um Mieten und Lebenshaltungkosten begleichen zu können.
Doch auch die zweite Machtbasis Israels, der Schulterschluss mit den USA, zeigt Risse. Es ist kein großes Geheimnis das Präsident Obama und Premier Netanjahu sich nicht besonders mögen. In letzter Zeit hatte es da jedoch einige Entwicklungen gegeben, die noch vor kurzem als undenkbar gegolten hätten. So hat Netanjahu z. B. eine Einladung der Republikaner nach Washington angenommen (ohne Rücksprache mit Präsident Obama!) und eine Rede vor dem Kongress gehalten. Der Präsident blieb der Rede nicht nur fern, aus seinem Umfeld wurde verlautbart das er sich nicht einmal die TV Aufzeichnung angeschaut hat. Gemessen an diplomatischen Gepflogenheiten war sowohl Netanjahus Rede, als auch Obamas demonstrative kalte Schulter ein klarer Affront. Wie tief der Riss zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem israelischen Premier inzwischen ist, zeigt auch das Obama mehrere Tage gewartet hat, bevor er Netanjahu zu seiner Wiederwahl gratuliert hat - geradezu eine diplomatische Ohrfeige vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Netanjahus Wiederwahl ist ein guter Punkt, denn sie war bis zuletzt fraglich und wurde wohl nicht zuletzt durch Netanjahus Äußerung mit ihm werde es keinen Palästinenserstaat geben befeuert. Diese klare Äußerung brachte Netanjahu einerseits Stimmen der extremen Rechte ein, sorgte jedoch außerhalb Israels für allerlei Kopfschütteln. Nach dem Wahlsieg ruderte Netanjahu zwar umgehend zurück und sagte er sei nicht prinzipiell gegen eine Zweistaatenlösung, aber derzeit sei die Zeit einfach nicht reif - die Replik aus Washington war jedoch ebenso klar, wie schroff:
"Wir nehmen ihn beim Wort, wenn er sagt, dass es während seiner Regierungszeit nicht geschehen werde, und deshalb müssen wir andere vorhandene Optionen prüfen, um sicherzustellen, dass wir keine chaotische Situation in der Region erleben", sagte Obama.
Quelle: Status quo in Nahost "unhaltbar": Obama r

Gemessen an diplomatischen Standards ist das schon fast als Drohung zu verstehen, in jedem Fall scheinen israelische Befindlichkeiten keine große Rolle für amerikanische Außenpolitik zu spielen, solange Obama noch der Päsident der USA ist.
Tatsächlich wurde sogar öffentlich die Politik der Vetos gegen jede israelkritische Resolution angezweifelt:
«Die von den USA bei den Vereinten Nationen unternommenen Schritte gründeten auf der Idee, dass die Zweistaatenlösung das beste Ergebnis ist», sagte US-Präsident Barack Obamas Sprecher Josh Earnest am Donnerstag.«Nun hat unser Verbündeter in diesen Gesprächen gesagt, dass er sich dieser Lösung nicht länger verpflichtet fühlt», fügte Earnest hinzu. «Das bedeutet, dass wir unsere Position in dieser Angelegenheit neu bewerten müssen, und das werden wir nun tun.»
Quelle: USA stellen Veto-Schutz für Israel infrage - News Ausland: Amerika - tagesanzeiger.ch

Mitten in einer Zeit in der Palästina dem internationalen Strafgerichtshof beigetreten ist und zweifellos eine Anklage Israels wegen Kriegsverbrechen anstrebt und in der Russlands Präsident Putin (im Zuge seines eigenen Konflikts mit den USA) angekündigt hat eine Zweistaatenlösung voranzutreiben, ist das Bündnis zwischen Israel und den USA so fragil wie nie zuvor. Sollten sich die beiden Regierungen nicht zusammenraufen, könnten die letzten Monate von Obamas Amtszeit für Israel dramatische Folgen haben.
Abseits dieses Dauerkonflikts sind es vor allem die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und dem Westen und islamistische Terrormilizen, die die Region in Atem halten. Die Einladung der Republikaner an Netanjahu war Teil ihrer Strategie die Atomverhandlungen zu sabotieren. Auch außerhalb Israels, das sich durch das iranische Atomprogramm direkt bedroht fühlt, gibt es viele Parteien die sich ein Scheitern der Verhandlungen wünschen. Die republikanischen Falken scheinen einen Kompromiss als Zeichen der Schwäche zu werten, die Saudis fürchten durch eine Entspannung des Verhältnisses zwischen dem Iran und den USA ihre Schlüsselrolle als wichtigster strategischer Partner der Amis in der Region zu verlieren und vermutlich fürchten schlichtweg alle sunnitischen Staaten der Region einen weiteren Machtgewinn des schiitischen Irans. Nicht wenige sehen bereits im Jemen einen regelrechten Stellvertreterkrieg zwischem dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran. Während die arabischen Staaten dem Treiben der sunnitischen Terror-Miliz IS weitgehend tatenlos zusehen, hat sich gegen die schiitischen Huthi-Rebellen unter der Führung von Saudi-Arabien recht schnell eine Allianz gebildet, die aktiv in die Kämpfe im Jemen eingreift. Zuletzt gab es sogar die Ankündigung der arabischen Liga eine eigene multi-nationale Eingreiftruppe aus Elitesoldaten zu gründen (eine Ankündigung die in Israel sicherlich für Unruhe sorgt).
Und das alles in der Zeit wo der IS versucht mit Terror & Gewalt einen sunnitischen Gottesstaat zu etablieren, wo Kurden für ihren alten Traum von einem souveränen, kurdischen Staat kämpfen, wo Syrien seit Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg versunken ist und wo Staaten wie Ägypten und Libyen immer noch mit den Folgen des arabischen Frühlings ringen...
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW daher heute die Frage: Wie geht es im Nahen Osten weiter?

Quellen & mehr zum Thema:
Demonstrationen für soziale Gerechtigkeit - Warum die Proteste in Israel das Land verändern - Politik - Süddeutsche.de
Israel und Berlin: Auf Facebook starten Pudding-Proteste - SPIEGEL ONLINE
http://www.tagesschau.de/ausland/netanjahu-rede-101.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-03/israel-benjamin-netanjahu-usa-wahlsieg-bundesregierung
Status quo in Nahost "unhaltbar": Obama r
http://www.zeit.de/news/2015-03/22/...in-nahost-an-zweistaatenloesung-fest-22092407
http://sputniknews.com/politics/20150328/1020136637.html
http://www.spiegel.de/politik/ausla...richtshof-beginnt-ermittlungen-a-1013494.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-03/jemen-huthi-saudi-arabien-buergerkrieg-bombardements
https://de.wikipedia.org/wiki/Huthi-Rebellen
http://www.zeit.de/politik/ausland/...n-konflikt-gemeinsame-streitmacht-extremismus
http://www.faz.net/aktuell/politik/...-iran-hier-beginnt-das-endspiel-13511093.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/naher-osten-chaotischer-hegemon-1.2412970
 
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