Heute beschäftigt sich das TdW wieder einmal mit einem Thema das derzeit nicht direkt in den Medien ist (obwohl praktisch ständig über Symptome & Auswirkungen berichtet wird), welches aber fraglos zu den großen Themen unserer Zeit gehört: Dem Kapitalismus.
Kapitalismus ist ein großes Wort und es beschreibt ein komplexes, vielschichtiges Konstrukt das unsere Welt & unsere Gesellschaft(en) auf vielfältige Weise beeinflusst & verändert. Kapitalismus ist mehr als eine Wirtschaftsform, es ist eine Gesellschaftsordnung und als solche auch eine Ideologie. In kapitalistischen Gesellschaften bestimmt der Kapitalismus eben nicht nur die Wirtschaft, er bestimmt auch die Regeln nach denen die Politik handelt, die geistige und kulturelle Entwicklung und die sozialen Normen und Maßstäbe der Gesellschaft.
Für die Wirtschaft bedeutet Kapitalismus vor allem Handlungsfreiheit - das Credo von den "freien Märkten" gehört vermutlich zu den ältesten und wichtigsten Grundsätzen des Kapitalismus. Ursprünglich bedeutete es vor allem ein Mindestmaß an Beschränkungen, denn wenn man in der Geschichte bis zu den Wurzeln des Kapitalismus zurückgeht, dann landet man mindestens im 17. Jahrhundert und in einer Welt voller Monarchien (in denen die Rechtsprechung oftmals eher willkürlich ist), Kleinstaaten (also viele Grenzen, Währungen, unterschiedliche Rechtsprechungen & Vorschriften) und wenig Rechtssicherheit für einen international agierenden Unternehmer. Diese Unternehmer träumten natürlich von einer Welt mit möglichst wenigen Grenzen (und somit auch wenigen Zöllen & Währungen), mit möglichst einheitlicher Rechtsprechung und Vorschriften und einer Welt wo ein verschuldeter Potentat nicht mittels eines plötzlich verabschiedeten Willkür-Gesetzes mal eben sämtliche Waren besteueren, pfänden oder beschlagnahmen konnte. Und je mehr sich diese Träume realisierten, desto mehr blühte die Wirtschaft auf. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel: Napoleon selbst erzwang eine Reduzierung von etwa 300 Staaten des Heiligen Römischen Reiches auf 60 Staaten, nach Napoleons Niederlage schlossen sich 36 Staaten im Zuge des Wiener Kongresses zum Deutschen Bund zusammen und daraus ging letztendlich der Nationalstaat Deutschland hervor. Wirtschaftlich entwickelte sich Deutschland während dieser Zeit von landwirtschaftlich geprägten Agrarstaaten, zu einer modernen und reichen Industrienation. Vielleicht waren es solche Erfolgsbeispiele, die bei im Kapitalismus sozialisierten Ökonomen den Glauben an die (All)Macht der freien Märkte zu einem quasi-religiösen Dogma erhoben. Eine durchaus nachvollziehbare Entwicklung, wenn man bedenkt welche Blüte die europäischen Staaten erlebten, die sich mehr und mehr dem Kapitalismus verschrieben und die sich nicht nur im wachsenden Wohlstand, sondern auch in der wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Entwicklung widerspiegelte. So ist der Kapitalismus nicht nur untrennbar mit der Industrialisierung verbunden, sondern auch mit wissenschaftlichen & technischen Meisterleistungen. Der Kapitalismus erwirtschaftete nicht nur das Kapital das nötig war um Forschung zu finanzieren, er verstand es auch wissenschaftliche Erkenntnisse - die vormals häufig abstrakt blieben - praktisch anzuwenden und so neue Profite zu generieren. Die Eisenbahn, Telegraphie, Elektrifizierung, Flugzeuge, Automobile, Telefonie und Funk & Fernsehen sind nur einige Beispiele, die dazu beitrugen die Welt zu verändern.
Im gleichen Maße wie der Kapitalismus zum Motor des Fortschritts wurde, wurde er auch mehr und mehr zur Ideologie überhöht. Konzepte & Ideen die eigentlich für wirtschaftliches Handeln am Markt gedacht waren, bekamen gesellschaftliche & politische Bedeutung. Wohlstand wurde zum Maß aller Dinge in zunehmend materialistischen Gesellschaften, bald definierte vor allem der Reichtum an Geld (als messbarer Indikator für Wohlstand) den Platz eines Individuums in der Hierarchie der kapitalistischen Gesellschaften. Das führte auch zu einer Werteverschiebung in den Gesellschaften, ursprünglich negativ behaftete Begriffe wie Egoismus oder Gier wurden relativiert und neu definiert - heute spricht man ganz selbstverständlich von "gesunden Egoismus" und einer Fußballmannschaft die das siegen verlernt hat, wirft man vor nicht gierig genug zu sein.
Allerdings war der Kapitalismus lange Zeit nicht unangefochten, gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, entwickelte sich der Sozialismus / Kommunismus mehr und mehr zum großen ideologischen Gegenspieler des Kapitalismus. Große Denker wie Karl Marx betrachteten des Kapitalismus in seiner Gesamtheit (also auch die Schattenseiten die ich hier bislang noch gar nicht, bzw. nur am Rand angesprochen habe) und kamen zu dem Schluss das der Kapitalismus ein Irrweg ist, der die Gesellschaft letztendlich spalten und die Gesellschaftsordnung somit vernichten wird. Diese Konfrontation gipfelte im Kalten Krieg und prägte die Welt mindestens von 1945-1990. Sie endete mit dem Untergang der Sowjetunion und dem Zerfall des Ostblocks, da sich letztendlich herauststellte das der Kommunismus dem Kapitalismus zumindest wirschaftlich nicht gewachsen war. Wissenschaftliche, technische und kulturelle Meisterleistungen gab es im Osten genauso wie im Westen, aber wirtschaftlich scheiterte der Ostblock an dem Versuch in dem wahnwitzigen Wettrüsten (das mit erheblichen finanziellem Aufwand verbunden war) mit dem Westen mitzuhalten. Am Ende führte dieser finanzielle Wettlauf erst zum wirtschaftlichen Ruin und dann zum völligen Zusammenbruch des Ostblocks.
Doch natürlich blieb das nicht ohne Folgen für den Kapitalismus, denn ohne seinen ideologischen Widersacher und (scheinbar) notwendigen Gegengewicht und Korrektiv, zeigte sich der Kapitalismus schon bald von seiner hässlichsten Seite. Ohne die Last beweisen zu müssen das der Kapitalismus nicht nur die bessere Wirtschaftsform, sondern auch die bessere Gesellschaftsordnung ist (und vermutlich berauscht vom Siegesgefühl), begann eine Entwicklung die den Kapitalismus mehr und mehr die Gestalt annehmen ließen, vor denen kritische Geister immer gewarnt hatten. Es gibt einige Schlagworte die diese Entwicklung anschaulich machen: z. B. Outsourcing, Profitmaximierung, Minijobs, Niedriglohnsektor, Leiharbeit, befristete Verträge oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Der Kapitalismus scheint mittlerweile eher ein Teil des Problems, als ein Teil der Lösung zu sein. Die letzte große Wirtschaftskrise ist noch nicht vollständig überwunden (in Europa wurde sie z. B. zur Schulden & Eurokrise) und sie entstand nichtzuletzt durch die Zockerei der Banken auf entfesselten Finanzmärkten. Banker galten lange Zeit als Sinnbild des seriösen, zuverlässigen Spiessers - heute sehen viele Menschen in Bankern nur noch gierige Egomanen, die sich nur für den eigenen Bonus interessieren und selbst die eigenen Kunden skrupellos abzocken. Schuld daran ist nicht nur die Banken- & Finanzkrise die für viele Menschen dramatische Folgen hatte, sondern auch die unzähligen Manipulationsskandale, die seit dem bekannt wurden. Kurz gesagt: Die Banken haben Vertrauen verspielt und im Grunde hat damit auch der Kapitalismus Vertrauen verspielt. Im Spiegel konnte man gerade das dazu lesen:
Tatsächlich hat die Banken- & Finanzkrise, ihre Folgen und vor allem der staatliche Umgang mit der Krise vielen Menschen die Augen geöffnet: Vieles was uns neoliberale Marktfundamentalisten als Wahrheiten verkaufen wollen, sind Lügen. Das fängt damit an das die unsichtbare Hand eben doch nicht auf zauberhafte Weise dafür sorgt, dass auf freien (oder eher entfesselten) Märkten - auf denen jeder Teilnehmer egoistisch agiert - letztendlich das beste für die Gemeinschaft herauskommt. Die Entstehung und die Folgen der Finanzkrise und die Art wie die Staaten mit ihr umgegangen sind, haben nicht nur das Vertrauen der "einfachen" Menschen erschüttert - sie haben sogar bisherige Verfechter dieses Systems nachdenklich gemacht. In England fasste der konservative Publizist Charles Moore die Krise & ihre Folgen z. B. mit diesen Worten zusammen:
Sowohl Moore als auch der leider verstorbene Frank Schirrmacher, der Moores Gedanken in der konservativen FAZ aufgegriffen hat, kommen zu dem Schluss das vieles woran sie fest geglaubt haben entweder Lügen oder Irrtümer waren. Und beide sehen dafür vor allem die neoliberalen, marktradikalen Kräfte in der Verantwortung und beschwören die Gesellschat geradezu dazu sich gegen diese Kräfte aufzulehnen:
Trotz dieser Erkenntnisse, die offenbar auch bei Teilen des konservativen Lagers angekommen sind, hat sich seit der Banken- & Finanzkrise wenig geändert. Die Finanzmärkte haben sich einer Regulierung & Kontrolle entzogen (insofern hatte Otte leider recht) und bestenfalls wurden Bauernopfer gebracht und ein paar Gesichter ausgetauscht. Gleichzeitig haben Schwankungen der Märkte in den letzten Tagen schon zur bangen Frage geführt, ob nicht schon die nächste große Wirtschaftskrise vor der Tür steht.
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW also heute die Frage wie es mit dem Kapitalismus im allgemeinen und Deutschland im speziellen weitergeht. Denn während Politiker & Wirtschaftslobbyisten in Hinterzimmern Geheimverandlungen über Freihandelsabkommen führen (TTIP, CETA & Co), schwindet in den Bevölkerungen zunehmend das Vertrauen das die Spitzen von Politik und Wirtschaft überhaupt noch die Interessen des Bürgers im Blick haben. Und während die sogenannte Erste Welt langsam die Folgen der Finanzkrise abschüttelt, stottert der Wirtschaftsmotor vieler Schwellenländer und dieses Stottern könnte durchaus der Auslöser für die nächste große Krise werden. Dessen ungeachtet riskieren praktisch täglich unzählige Menschen aus der Dritten Welt Leib und Leben in dem Versuch in die reichen Industrienationen des Westens zu fliehen...
All diese Entwicklungen können einen schon ziemlich nachdenklich stimmen, daher also die Frage: Quo Vadis, Kapitalismus?
Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus
http://www.sueddeutsche.de/wirtscha...igungsverhaeltnisse-arm-trotz-arbeit-1.177181
Alternatives Management: Vertrauen als Ressource für Unternehmen - SPIEGEL ONLINE
https://de.wikipedia.org/wiki/Unsichtbare_Hand
https://en.wikipedia.org/wiki/Charles_Moore_(journalist)
http://www.sueddeutsche.de/wirtscha...iechenland-und-spanien-aus-dem-euro-1.1131801
http://www.faz.net/aktuell/wirtscha...na-wird-ein-unsicheres-pflaster-13773752.html
Kapitalismus ist ein großes Wort und es beschreibt ein komplexes, vielschichtiges Konstrukt das unsere Welt & unsere Gesellschaft(en) auf vielfältige Weise beeinflusst & verändert. Kapitalismus ist mehr als eine Wirtschaftsform, es ist eine Gesellschaftsordnung und als solche auch eine Ideologie. In kapitalistischen Gesellschaften bestimmt der Kapitalismus eben nicht nur die Wirtschaft, er bestimmt auch die Regeln nach denen die Politik handelt, die geistige und kulturelle Entwicklung und die sozialen Normen und Maßstäbe der Gesellschaft.
Für die Wirtschaft bedeutet Kapitalismus vor allem Handlungsfreiheit - das Credo von den "freien Märkten" gehört vermutlich zu den ältesten und wichtigsten Grundsätzen des Kapitalismus. Ursprünglich bedeutete es vor allem ein Mindestmaß an Beschränkungen, denn wenn man in der Geschichte bis zu den Wurzeln des Kapitalismus zurückgeht, dann landet man mindestens im 17. Jahrhundert und in einer Welt voller Monarchien (in denen die Rechtsprechung oftmals eher willkürlich ist), Kleinstaaten (also viele Grenzen, Währungen, unterschiedliche Rechtsprechungen & Vorschriften) und wenig Rechtssicherheit für einen international agierenden Unternehmer. Diese Unternehmer träumten natürlich von einer Welt mit möglichst wenigen Grenzen (und somit auch wenigen Zöllen & Währungen), mit möglichst einheitlicher Rechtsprechung und Vorschriften und einer Welt wo ein verschuldeter Potentat nicht mittels eines plötzlich verabschiedeten Willkür-Gesetzes mal eben sämtliche Waren besteueren, pfänden oder beschlagnahmen konnte. Und je mehr sich diese Träume realisierten, desto mehr blühte die Wirtschaft auf. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel: Napoleon selbst erzwang eine Reduzierung von etwa 300 Staaten des Heiligen Römischen Reiches auf 60 Staaten, nach Napoleons Niederlage schlossen sich 36 Staaten im Zuge des Wiener Kongresses zum Deutschen Bund zusammen und daraus ging letztendlich der Nationalstaat Deutschland hervor. Wirtschaftlich entwickelte sich Deutschland während dieser Zeit von landwirtschaftlich geprägten Agrarstaaten, zu einer modernen und reichen Industrienation. Vielleicht waren es solche Erfolgsbeispiele, die bei im Kapitalismus sozialisierten Ökonomen den Glauben an die (All)Macht der freien Märkte zu einem quasi-religiösen Dogma erhoben. Eine durchaus nachvollziehbare Entwicklung, wenn man bedenkt welche Blüte die europäischen Staaten erlebten, die sich mehr und mehr dem Kapitalismus verschrieben und die sich nicht nur im wachsenden Wohlstand, sondern auch in der wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Entwicklung widerspiegelte. So ist der Kapitalismus nicht nur untrennbar mit der Industrialisierung verbunden, sondern auch mit wissenschaftlichen & technischen Meisterleistungen. Der Kapitalismus erwirtschaftete nicht nur das Kapital das nötig war um Forschung zu finanzieren, er verstand es auch wissenschaftliche Erkenntnisse - die vormals häufig abstrakt blieben - praktisch anzuwenden und so neue Profite zu generieren. Die Eisenbahn, Telegraphie, Elektrifizierung, Flugzeuge, Automobile, Telefonie und Funk & Fernsehen sind nur einige Beispiele, die dazu beitrugen die Welt zu verändern.
Im gleichen Maße wie der Kapitalismus zum Motor des Fortschritts wurde, wurde er auch mehr und mehr zur Ideologie überhöht. Konzepte & Ideen die eigentlich für wirtschaftliches Handeln am Markt gedacht waren, bekamen gesellschaftliche & politische Bedeutung. Wohlstand wurde zum Maß aller Dinge in zunehmend materialistischen Gesellschaften, bald definierte vor allem der Reichtum an Geld (als messbarer Indikator für Wohlstand) den Platz eines Individuums in der Hierarchie der kapitalistischen Gesellschaften. Das führte auch zu einer Werteverschiebung in den Gesellschaften, ursprünglich negativ behaftete Begriffe wie Egoismus oder Gier wurden relativiert und neu definiert - heute spricht man ganz selbstverständlich von "gesunden Egoismus" und einer Fußballmannschaft die das siegen verlernt hat, wirft man vor nicht gierig genug zu sein.
Allerdings war der Kapitalismus lange Zeit nicht unangefochten, gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, entwickelte sich der Sozialismus / Kommunismus mehr und mehr zum großen ideologischen Gegenspieler des Kapitalismus. Große Denker wie Karl Marx betrachteten des Kapitalismus in seiner Gesamtheit (also auch die Schattenseiten die ich hier bislang noch gar nicht, bzw. nur am Rand angesprochen habe) und kamen zu dem Schluss das der Kapitalismus ein Irrweg ist, der die Gesellschaft letztendlich spalten und die Gesellschaftsordnung somit vernichten wird. Diese Konfrontation gipfelte im Kalten Krieg und prägte die Welt mindestens von 1945-1990. Sie endete mit dem Untergang der Sowjetunion und dem Zerfall des Ostblocks, da sich letztendlich herauststellte das der Kommunismus dem Kapitalismus zumindest wirschaftlich nicht gewachsen war. Wissenschaftliche, technische und kulturelle Meisterleistungen gab es im Osten genauso wie im Westen, aber wirtschaftlich scheiterte der Ostblock an dem Versuch in dem wahnwitzigen Wettrüsten (das mit erheblichen finanziellem Aufwand verbunden war) mit dem Westen mitzuhalten. Am Ende führte dieser finanzielle Wettlauf erst zum wirtschaftlichen Ruin und dann zum völligen Zusammenbruch des Ostblocks.
Doch natürlich blieb das nicht ohne Folgen für den Kapitalismus, denn ohne seinen ideologischen Widersacher und (scheinbar) notwendigen Gegengewicht und Korrektiv, zeigte sich der Kapitalismus schon bald von seiner hässlichsten Seite. Ohne die Last beweisen zu müssen das der Kapitalismus nicht nur die bessere Wirtschaftsform, sondern auch die bessere Gesellschaftsordnung ist (und vermutlich berauscht vom Siegesgefühl), begann eine Entwicklung die den Kapitalismus mehr und mehr die Gestalt annehmen ließen, vor denen kritische Geister immer gewarnt hatten. Es gibt einige Schlagworte die diese Entwicklung anschaulich machen: z. B. Outsourcing, Profitmaximierung, Minijobs, Niedriglohnsektor, Leiharbeit, befristete Verträge oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Der Kapitalismus scheint mittlerweile eher ein Teil des Problems, als ein Teil der Lösung zu sein. Die letzte große Wirtschaftskrise ist noch nicht vollständig überwunden (in Europa wurde sie z. B. zur Schulden & Eurokrise) und sie entstand nichtzuletzt durch die Zockerei der Banken auf entfesselten Finanzmärkten. Banker galten lange Zeit als Sinnbild des seriösen, zuverlässigen Spiessers - heute sehen viele Menschen in Bankern nur noch gierige Egomanen, die sich nur für den eigenen Bonus interessieren und selbst die eigenen Kunden skrupellos abzocken. Schuld daran ist nicht nur die Banken- & Finanzkrise die für viele Menschen dramatische Folgen hatte, sondern auch die unzähligen Manipulationsskandale, die seit dem bekannt wurden. Kurz gesagt: Die Banken haben Vertrauen verspielt und im Grunde hat damit auch der Kapitalismus Vertrauen verspielt. Im Spiegel konnte man gerade das dazu lesen:
Quelle: Alternatives Management: Vertrauen als Ressource für Unternehmen - SPIEGEL ONLINEVertrauen wird oft als Schmiermittel der Wirtschaft bezeichnet. [...] Denn tatsachlich sinkt das Vertrauen in die Wirtschaft und das Misstrauen steigt. [...] Wenn man sich anschaut, was so alles passiert ist in den vergangenen Jahren, verwundert das kaum: Bankenkrise, Fehlberatung bei Geldanlagen, Lebensmittelskandale, die Aufdeckung miserabler Produktionsbedingungen, der systematisch aufgezogene Vertrieb von Schrottimmobilien, Rückrufaktionen und so weiter. Selbst die aus Verbrauchersicht "vertrauenswürdigsten Branchen" wie etwa die Automobilhersteller erhalten im Index nur rund 40 von 100 möglichen Punkten. Noch schlechter steht es um Energieversorger, Banken und vor allem Lebensmittelhersteller.
Tatsächlich hat die Banken- & Finanzkrise, ihre Folgen und vor allem der staatliche Umgang mit der Krise vielen Menschen die Augen geöffnet: Vieles was uns neoliberale Marktfundamentalisten als Wahrheiten verkaufen wollen, sind Lügen. Das fängt damit an das die unsichtbare Hand eben doch nicht auf zauberhafte Weise dafür sorgt, dass auf freien (oder eher entfesselten) Märkten - auf denen jeder Teilnehmer egoistisch agiert - letztendlich das beste für die Gemeinschaft herauskommt. Die Entstehung und die Folgen der Finanzkrise und die Art wie die Staaten mit ihr umgegangen sind, haben nicht nur das Vertrauen der "einfachen" Menschen erschüttert - sie haben sogar bisherige Verfechter dieses Systems nachdenklich gemacht. In England fasste der konservative Publizist Charles Moore die Krise & ihre Folgen z. B. mit diesen Worten zusammen:
Quelle: Bürgerliche Werte:„Die Stärke der Analyse der Linken“, so schreibt der erzkonservative Charles Moore im „Daily Telegraph“, „liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern. ,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“
[...]
„Denn wenn die Banken, die sich um unser Geld kümmern sollen, uns das Geld wegnehmen, es verlieren und aufgrund staatlicher Garantien dafür nicht bestraft werden, passiert etwas Schlimmes. Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert.“
Sowohl Moore als auch der leider verstorbene Frank Schirrmacher, der Moores Gedanken in der konservativen FAZ aufgegriffen hat, kommen zu dem Schluss das vieles woran sie fest geglaubt haben entweder Lügen oder Irrtümer waren. Und beide sehen dafür vor allem die neoliberalen, marktradikalen Kräfte in der Verantwortung und beschwören die Gesellschat geradezu dazu sich gegen diese Kräfte aufzulehnen:
Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung kam der deutsche Ökonom Max Otte, nur das sein Fazit bereits nach Resignation klingt:Ein Bürgertum, das seine Werte und Lebensvorstellungen von den „gierigen Wenigen“ (Moore) missbraucht sieht, muss in sich selbst die Fähigkeit zu bürgerlicher Gesellschaftskritik wiederfinden.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtscha...iechenland-und-spanien-aus-dem-euro-1.1131801"Das wird politisch an der Finanzoligarchie scheitern, sie ist inzwischen so stark, dass sie immer Mittel und Wege finden wird, sich der Aufsicht zu entziehen, um weiter ihren Zockergeschäften zu frönen. Wir schützen die Reichen, die den Staat gekapert haben."
Trotz dieser Erkenntnisse, die offenbar auch bei Teilen des konservativen Lagers angekommen sind, hat sich seit der Banken- & Finanzkrise wenig geändert. Die Finanzmärkte haben sich einer Regulierung & Kontrolle entzogen (insofern hatte Otte leider recht) und bestenfalls wurden Bauernopfer gebracht und ein paar Gesichter ausgetauscht. Gleichzeitig haben Schwankungen der Märkte in den letzten Tagen schon zur bangen Frage geführt, ob nicht schon die nächste große Wirtschaftskrise vor der Tür steht.
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW also heute die Frage wie es mit dem Kapitalismus im allgemeinen und Deutschland im speziellen weitergeht. Denn während Politiker & Wirtschaftslobbyisten in Hinterzimmern Geheimverandlungen über Freihandelsabkommen führen (TTIP, CETA & Co), schwindet in den Bevölkerungen zunehmend das Vertrauen das die Spitzen von Politik und Wirtschaft überhaupt noch die Interessen des Bürgers im Blick haben. Und während die sogenannte Erste Welt langsam die Folgen der Finanzkrise abschüttelt, stottert der Wirtschaftsmotor vieler Schwellenländer und dieses Stottern könnte durchaus der Auslöser für die nächste große Krise werden. Dessen ungeachtet riskieren praktisch täglich unzählige Menschen aus der Dritten Welt Leib und Leben in dem Versuch in die reichen Industrienationen des Westens zu fliehen...
All diese Entwicklungen können einen schon ziemlich nachdenklich stimmen, daher also die Frage: Quo Vadis, Kapitalismus?
Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus
http://www.sueddeutsche.de/wirtscha...igungsverhaeltnisse-arm-trotz-arbeit-1.177181
Alternatives Management: Vertrauen als Ressource für Unternehmen - SPIEGEL ONLINE
https://de.wikipedia.org/wiki/Unsichtbare_Hand
https://en.wikipedia.org/wiki/Charles_Moore_(journalist)
http://www.sueddeutsche.de/wirtscha...iechenland-und-spanien-aus-dem-euro-1.1131801
http://www.faz.net/aktuell/wirtscha...na-wird-ein-unsicheres-pflaster-13773752.html
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