[TdW 160] Sicherheit um jeden Preis?

Was meinst Du damit wir haben überhaupt keinen Wortschatz um die inneren Prozesse in einem Selbstmordattentäter zu beschreiben?
Psychologen können das imho ganz gut und haben auch schon eine Menge zu dem Thema Amoklauf mit Selbsttötung und / oder erweiterter Suizid geschrieben. Theologen, bzw. Gläubige (vor allem in der radikalisierten Form) können das sicherlich auch, hier würde man unter dem Stichwort Sendungsbewusstsein vermutlich zahlreiche religiöse Rechtfertigungen finden. Die Christen im Mittelalter hatten eine solche Rechtfertigung sogar in einen griffigen Slogan verpackt: Deus lo vult! ("Gott will es!")
Es ist richtig, dass viel geschrieben wird. Trotzdem habe ich noch keine Ausführung gesehen, die mich *begreifen* lässt, was in einem solchen Menschen vorgeht. Genauso wenig kann ich bis jetzt nicht *begreifen* wie ein Familienvater Juden in einem KZ bewacht und drangsaliert. Durch Sprache können solche Abgründe nicht annähernd vermittelt werden. Hier stößt das rationale Fassungsvermögen ein seine Grenzen.
Möglicherweise haben ist unser Anspruch an Verstehen auch nicht der gleiche.

Könntest Du die Quelle etwas präzisieren? Meinst Du vielleicht John Carew Eccles?
Ja, Evolution des Gehirns im Zusammenhang mit Popper, Dualismus, "Welten" usw. Die Fähigkeit zu "Glauben" ist elementarer Bestandteil unseres Geistes.

Mit zunehmender Religiosität sinkt die Intelligenz. Unterscheidet man religiöse von nicht-religiösen Menschen, dann zeigen Erstere im Durchschnitt einen um zwischen 4.1 und 7.8 Punkten geringeren IQ als Letztere. Demnach kann es als gesicherter Befund gelten, dass Religion letztlich an Dummheit appelliert oder, anders herum formuliert, dass Religion für Intelligente nichts zu bieten hat.
Der Herr hat den englischen Text leidlich verstanden und offenbar sehr selektiv übersetzt, was übrigens keine seriöse Berichterstattung ist. Es ist zb die Rede von Erklärungsversuchen und nicht von Erkenntnissen ;)
Ein Erklärungsversuch in der Liste ist zB:

Third, several functions of religiosity, including compensatory control, self-regulation, self-enhancement, and secure attachment, are also conferred by intelligence. Intelligent people may therefore have less need for religious beliefs and practices.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sie der Überzeugung sind, dass Religion ihnen nichts zu bieten hat, weil sie überzeugt sind, dass sie es selbst besser wissen. So geschehen in allen möglichen Gesellschaften dieser Welt und überall wo Religion "abgeschafft" wurde, trat umgehend eine Ideologie in dieses Vakuum, welches, möglicherweise, für intelligente und selbstbestimmte Menschen attraktiver war - aber nicht automatisch "klüger" gewesen ist. Es ist glaubhaft, dass Spiritualitaet/Glaube für eine rational geeichte Person nicht anziehend ist. Aber vielleicht nur, weil das spirituelle einem solchen Menschen nicht zugänglich ist. Und das ist nicht einmal weit hergeholt, denn Glaube ist nun mal nicht rational zu erfahren. Diese Beobachtung lässt aber nicht den Schluss zu, dass Glaube oder Spiritualitaet im allgemeinen sich mit rationaler Intelligenz in einem Qualitaetsrahmen vermessen lassen.

Es ist OK und nachvollziehbar dass rational intelligentere Menschen keinen Zugang zu Religion haben. Andererseits ist menschliche Intelligenz auch noch den Beweis schuldig, Menschen auch klüger handeln zu lassen...


Folglich können Ideologen nicht intelligent sein, denn wären sie es, sie wären keine Ideologen.

Jetzt muss diesem Anfänger nur noch erklärt werden, dass diese Welt von Ideologien genauso durchdrungen ist, wie von Religion....
 
Es ist richtig, dass viel geschrieben wird. Trotzdem habe ich noch keine Ausführung gesehen, die mich *begreifen* lässt, was in einem solchen Menschen vorgeht.
Ist Dir schon einmal der Gedanke gekommen das es gut ist das Du das nicht wirklich begreifen kannst? In einem sind wir uns doch vermutlich einig: Ein Mensch, der es für gerechtfertigt hält andere Menschen aus religiösen oder ideologischen Gründen - also sozusagen als bloße Botschaft für die eigenen Anschauungen - zu töten, bei dem ist etwas in der geistigen Entwicklung völlig falsch gelaufen oder im Laufe der Zeit zumindest gänzlich aus den Fugen geraten. Wer solche Verhaltensweisen also wirklich versteht - und nicht nur intellektuell mögliche Motivationen nachvollziehen kann - der wird darin wohl auch einen tieferen Sinn erkennen und somit ähnliche Probleme haben. Wie sagte schon Nietzsche? Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, so blickt der Abgrund auch in dich hinein.
Der Ansatz der Psychologen, die zu diesem Themenkomplex forschen, ist auch eigentlich nicht unbedingt die Täter zu verstehen, sondern eher welche Entwicklung diese durchgemacht haben, welche Faktoren für diese fatale Entwicklung relevant und welche Verhaltensweisen typisch sind. Mit Hilfe solcher Prädiktoren lassen sich künftige Amokläufe möglicherweise verhindern, in dem gefährdete Personen frühzeitig identifiziert und (hoffentlich) therapiert werden können.


Ja, Evolution des Gehirns im Zusammenhang mit Popper, Dualismus, "Welten" usw. Die Fähigkeit zu "Glauben" ist elementarer Bestandteil unseres Geistes.
Thx, hatte mir schon gedacht das Du Eccles meinst, aber ich war mir nicht sicher.
 
Der Ansatz der Psychologen, die zu diesem Themenkomplex forschen, ist auch eigentlich nicht unbedingt die Täter zu verstehen, sondern eher welche Entwicklung diese durchgemacht haben, welche Faktoren für diese fatale Entwicklung relevant und welche Verhaltensweisen typisch sind. Mit Hilfe solcher Prädiktoren lassen sich künftige Amokläufe möglicherweise verhindern, in dem gefährdete Personen frühzeitig identifiziert und (hoffentlich) therapiert werden können.

Was sie machen ist hinterher eine Sammlung darzustellen die mögliche Erklärungen liefert (im übrigen ist das ebenso dem Drang alles verstehen zu wollen geschuldet). Was dabei herauskommt ist oberflächlichste Betrachtung: Kindheitstrauma, Killerspiele(wie jüngst auch gerade wieder), Depressionen usw..

Und auch hier gilt, dass es nicht um die exogen eingestreute Entwicklung geht, sondern darum, wie das Individuum mit diesen Faktoren in Wechselwirkung tritt. Eine Milliarde Menschen verarbeiten ihre Welt auf eine Milliarde verschiedene weisen. Sicherlich - es gibt Verhaltensmuster - aber das Detail ist kaum zu ergründen. In dieser Hinsicht ist auch die Psychologie eher Religion, die alle 25 Behauptet, jetzt endlich zu wissen, wie wir ticken ;)

Die Retrospektive ist verhältnismäßig leicht herzuleiten. Aber daraus verlässliche Prädiktoren zu entwickeln ist doch auf absehbare Zeit sehr unwahrscheinlich. Im übrigen müsste man dafür über jeden Menschen relativ gut Bescheid wissen ;)


Ist Dir schon einmal der Gedanke gekommen das es gut ist das Du das nicht wirklich begreifen kannst?
Gut oder nicht, ist mir egal. Ich weiß dass hier eine Grenze des erfahrbaren existiert und die rational nicht überwunden werden kann.

Das gilt im übrigen auch für jede spirituelle/religiöse Erfahrung und obwohl du rational weißt, das es nicht erfahrbar ist, urteilst du ;)
 
Tarantoga;372588' hat gesagt.:
Der Ansatz der Psychologen, die zu diesem Themenkomplex forschen, ist auch eigentlich nicht unbedingt die Täter zu verstehen, sondern eher welche Entwicklung diese durchgemacht haben, welche Faktoren für diese fatale Entwicklung relevant und welche Verhaltensweisen typisch sind. Mit Hilfe solcher Prädiktoren lassen sich künftige Amokläufe möglicherweise verhindern, in dem gefährdete Personen frühzeitig identifiziert und (hoffentlich) therapiert werden können.

Das Ergebnis endet vermutlich in einem Szenario wie in Minority Report. Weg gesperrt oder tiefgefroren wie in Demolition Man. [emoji16]
 
Wir sind weit davon entfernt, zu einem Polizeistaat zu werden und tatsächlich sind die Verhaltensweisen von Polizei im Gegensatz von vor 35 Jahren echt moderat.

In einem Polizeistaat werden viele Arbeiten ja auch durch Geheimdienste erledigt. Aber hier mal ein paar Entwicklungen der letzten Jahre:

- Überwachungsbefugnisse wurden in den letzten Jahren massiv ausgebaut
- Fluggastdaten werden erfasst
- Ein- und Ausreisen an europäischen Grenzen werden erfasst
- die Zusammenarbeit der Geheimdienste in Europa wurde und wird immer weiter ausgebaut, wodurch auch innereuropäische Grenzübertritte dokumentierbar gemacht werden sollen
- es werden aktuell Stellen aufgebaut, die einen Fokus auf die Entschlüsselung verschlüsselter Kommunikation haben werden
- Telefonüberwachung insgesamt hat massiv zugenommen und wird mittlerweile sogar für die Aufklärung geringfügiger Straftaten angefordert und angeordnet
- Standortbestimmungen durch Abfrage der Daten ganzer Zellen wird immer häufiger eingesetzt
- Bundeswehreinsätze im Inland werden wieder diskutiert
- immer mehr martialisches Auftreten der Polizei bei Demonstrationen (einfach mal Bilder der Polizei aus den 90ern und heute vergleichen)
- Einsatz von Tränengas hat sich in den letzten Jahren vervielfacht

Und das ist nur eine kleine Auswahl dessen, was sich bei Polizei und Geheimdiensten in den letzten Jahren getan hat. Die Tendenz geht also zu mehr Überwachung und Kontrolle der Bürger. In kleinen Tippelschritten werden die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten immer weiter ausgebaut. Im Hintergrund wird auch weiter an Programmen wie INDECT gearbeitet.
 
@bit

Trotzdem ist "Polizeistaat" ein großes Wort. Vieles im Rahmen der Überwachung ist viel eher die Konsequenz der Möglichkeiten als gezielte und forcierte Ausweitung von Befugnissen.

Auch wenn manche Entwicklung fraglich und/oder unnötig ist, so lässt sich keine _Intention_ für den Bau eines Polizeistaates erkennen.

Die Intentionen der Wirtschaft, wie Europa umgestaltet wird, ist da sehr viel deutlicher ;)
 
Naja.
Ich glaube es geht Bit, genauso wie vielen anderen nicht darum wieso etwas aufgebaut wird/wurde.
Sondern das.
Klar kann ich Weissen Orleander anbauen weil ich ihn toll finde, und nicht weil ich jemanden vergiften will, aber den gebrauch einer Sache ändern ist einfacher als eine Sache zu einem bestimmten Zweck aufzubauen.
Es heisst nicht umsonst man solle den Anfängen währen.
Gruß

Fluffy
 
Man kann aber nicht immer allem misstrauen, weil es staatlich ist. Ich denke solange wir hier noch einen demokratischen Rechtsstaat haben kann man das als Volk viel besser im Auge behalten. Wie Chromatin schon sagt geht da beunruhigenderes von der Wirtschaft aus und das unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wie wären denn die Meinungen, wenn der Staat nichts unternehmen würde?
 
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