[TdW 168] Echokammern, Filterblasen, Postfaktisch - Ist der Realität noch zu trauen?

Nach langer Zeit mal wieder ein TdW von mir und da man keine halbe Sachen machen soll, dachte ich mir wir stellen in diesem TdW gleich mal die ganze Realität in Frage...:D
In letzter Zeit gab es mehr als genug Gründe an der Realität zu zweifeln oder auch zu verzweifeln, aber zunächst sollte man vielleicht klären was diese Realität überhaupt ist. Ein kurzer Blick in die Wikipedia ist oft nützlich, wenn es darum geht sich einem großen Begriff mal ganz grundsätzlich anzunähern und tatsächlich liefern schon die ersten zwei Sätze eine Definition, die gut zu dem Thema dieses TdW passt:
Als Realität (lateinisch realitas, ‚Wirklichkeit‘; über res, ‚Sache‘, ‚Ding‘, ‚Wesen‘) wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Gesamtheit des Realen bezeichnet. Als real wird zum einen etwas bezeichnet, das keine Illusion ist sowie nicht von den Wünschen oder Überzeugungen eines Einzelnen abhängig ist.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Realität

In diesem Sinne ist Realität also etwas greifbares, objektives, etwas das nicht im Auge das Betrachters liegt. Anders gesagt könnte man Realität also als etwas empirisch erfassbares und somit messbares bezeichnen. Nun sind sich aber leider nicht einmal Philosophen und Wissenschaftstheoretiker einig was nun wirklich real ist (wer sich dafür interessiert sollte mal nach Schlagworten wie Konstruktivismus oder Positivismus suchen), doch für diesen Thread finde ich die Definition mehr als ausreichend: Realität ist nicht von Wünschen oder Überzeugungen abhängig.
Doch ist das wirklich so? Leben ein Pegida-Anhänger, der sich in Dresden vor Islamisierung fürchtet, und ein Flüchtlingshelfer, der glaubt jeder hilfsbedürftige Mensch hätte ungeachtet von Herkunft und Religion jederzeit Anspruch auf Hilfe, wirklich in der gleichen Realität? Nehmen sie diese Realität also nur unterschiedlich wahr? Zu diesem speziellen Thema, aber auch ganz allgemein zur Realität, bzw. zu deren Wahrnehmung konnte man in letzter Zeit sehr viel in den Medien sehen / hören / lesen.
Ganz offensichtlich nehmen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten, die Realität auf unterschiedliche Weise wahr - schon alleine weil sie bestimme Aspekte unterschiedlich gewichten und bewerten. Daraus folgt auch, das Menschen mit ähnlichen Ansichten solche Aspekte ähnlich gewichten und ähnlich bewerten - sie sehen die Realität (bezogen auf die fraglichen Aspekte) also auch ähnlich. Sind wir also vor allem von Menschen umgeben, die ähnliche Ansichten haben wie wir (und Menschen neigen dazu sich solche Gesellschaft zu suchen), dann können wir schnell zu der Auffassung kommen, dass unsere Sichtweise die wahre Realität widerspiegelt. Hier müssen wir die Begriffe Filterblase und Echokammer einführen. Den Begriff Filterblase prägte Eli Pariser und er meinte damit das durch Verwendung von Algorithmen, die basierend auf Daten über den Nutzer versuchen dessen Suchanfragen zu interpretieren und die Ergebnisse entsprechend zu filtern, Informationen verworfen werden. Auf diese Art bewegt sich ein Nutzer sozusagen in einer Filterblase, in der ihm z. B. beim googeln von Begriffen nur Ergebnisse angezeigt werden, die der Algorithmus für erwünscht bzw. passend hält. Der Begriff der Echokammer führt diesen Gedanken im Grunde weiter, denn wer z. B. seine Informationen hauptsächlich im Internet besorgt, wo die Filterblase für eine vorselektierte Auswahl sorgt, der bekommt irgendwann fast nur noch solche Informationen, die seine ohnehin bereits bestehende Meinung bestärken. Der Begriff der Echokammer ist aber weiter gefasst und nicht nur auf das Internet bezogen - auch die Milieus (im soziologischen Sinne) in denen wir uns bewegen (z. B. der Freundeskreis) können eine Echokammer sein.
In den USA beobachten Soziologen seit längerem den Trend, das Menschen dazu neigen in Nachbarschaften zu ziehen, in denen mehrheitlich Menschen mit ähnlichen Ansichten leben. Vereinfacht gesagt Menschen mit einem eher liberalen Weltbild die die Demokraten wählen, ziehen in Demokraten-Hochburgen, Menschen die eher konservativ eingestellt sind und die Republikaner wählen, ziehen in Republikaner-Hochburgen. Auch so entstehen natürlich Echokammern und diese Partei-Hochburgen erlauben, dem Data-Mining sei Dank, tatsächlich so etwas wie eine Wahlmanipulation, in dem man die Wahrkreise entsprechend anpasst (Stichwort: Gerrymandering). Tatsächlich hat Donald Trump die Wahl gewonnen, obwohl die Clinton mehr Stimmen bekam - weil Trump mehr Wahlmänner gewinnen konnte. Ob Gerrymandering oder Big-Data die Wahlen wirklich beeinflusst haben sei mal dahin gestellt, Fakt ist das es möglich ist "Echokammern" zu identifizieren und die Menschen dort gezielt mit Informationen zu versorgen oder eben darauf zu verzichten. Beide Seiten haben im Wahlkampf (und nicht erst in diesem!) auf solche Analysen zurückgegriffen um festzulegen in welchen Gebieten sich Wahlkampf lohnt, wo er überflüssig ist (eigene Hochburgen) und wo er sinnlos ist (gegnerische Hochburgen).
Der US Wahlkampf bringt uns aber auch direkt zu dem nächsten Begriff: Postfaktisch. Postfaktisch wurde gerade erst zum Wort des Jahres gekürt und es wurde von der Historikerin Jill Lepore geprägt, die versuchte eine Erklärung dafür zu finden das im Vorwahlkampf der Republikaner nicht Fakten entscheidend waren, sondern möglichst spektakuläre und somit unterhaltsame Lügen. Tatsächlich bezeichneten sich alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten gegenseitig als Lügner. Besonders häufig bezeichnete Trump jeden Kritiker als Lügner (obwohl er als prominenter Vertreter der Birther-Bewegung es offensichtlich mit Fakten selbst nicht so genau nimmt). Und wo wir gerade bei Fakten sind, können wir auch gleich den Begriff Fake-News einführen - also Falschmeldungen die absichtlich lanciert werden um einen gewünschten Effekt zu erzielen (z. B. um Meinungen zu manipulieren).
Wir leben also in einer Welt wo Filterblasen und Echokammern unsere Wahrnehmung der Realität verzerren können und wo postfaktische Argumentationen und Fake-News unsere Ansichten manipulieren sollen...:rolleyes:

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute also die Frage: Ist der Realität eigentlich noch zu trauen?


Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Realität
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerrymandering
http://www.spiegel.de/netzwelt/netz...rung-mit-der-alles-sinn-ergibt-a-1124439.html
http://www.zeit.de/kultur/2016-12/postfaktisch-wort-des-jahres-post-truth-demokratie-jill-lepore
http://www.zeit.de/2016/46/wissenschaft-fakten-politik-postfaktisches-zeitalter
https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-strafanzeige-101.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Barack_Obama_citizenship_conspiracy_theories
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-12/fake-news-nachrichten-journalismus
http://www.zeit.de/2016/51/fake-news-glaubwuerdigkeit-sam-wineburg-stanford
 
Zuletzt bearbeitet:
Realität

Hallo

@tara
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute also die Frage: Ist der Realität eigentlich noch zu trauen?

Der Realität schon, nur eben nciht allen Quellen, die über die realität berichten.

Wer sich sein Weltbild primär aus Socialmedia bildet, der wird die Realität verzerrt wahrnehmen. Wer unreflektiert alles was dort berichet wird, als wahr nimmt, dem ist eh nicht mehr zu helfen.

Zum anderen fährt Rußland in den sozialen Medien eine Propagandalinie, die ihresgleichen sucht, das verzerrt die Wahrnehmung in den Medien erheblich.


mfg
schwedenmann
 
Hallo,

für mich sind das eher Begriffe, die das Rad neu beschreiben. Lügen im Wahlkampf, Missinformation um an die Macht zu gelangen und Gruppen, welche sich untereinander ihre Wahrheit zurechtbiegen - sowas gab es eigentlich schon immer. Warum sich erst jetzt Menschen darüber wundern und deswegen sogar verstört sind, entgeht mir. Und nein, ich halte es nicht für die Verantwortung sozialer Netzwerke solche "Algorithmen" aufzubrechen. Es ist normal und sogar in der Natur der Sache, dass sich Menschen zusammen tuen und innerhalb dieses Kreises Informationen austauschen. Ist es einfacher durch das Internet? Ja. Ist es grundsätzlich etwas neues? Nein.

An sich gab es dagegen die Bewegung der Aufklärung. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob es tatsächlich eine objektive Wahrheit/Wahrnehmung gibt. Die Frage war, ob der Realität noch zu trauen wäre. Die Antwort ist: Meine Realität ist die wahrste für mich!

Auch die "öffentlichen" Medien schießen sich andauernd ins Bein (siehe Tagesschau mit dem Nicht-Berichten), wodurch diese als eine endgültig glaubwürdige und vertrauensschaffende Instanz eher selbst zu marode sind. Somit bleibt nur der Vergleich von Quellen und die daraus resultierende Schnittmenge als tendenziell wahr zu betrachten. Ist das nun die Realität - also was objektiv vorgefallen ist? Glaube ich nicht. Auch diese Schnittmenge ist meistens aus "deutscher" und "westlicher" (egal ob rechts, links, Mitte oder grün) Sichtweise geprägt. Somit müsste man auch ausländische Medien zu Themen zu rate ziehen und diese miteinbeziehen. Ganz gutes Beispiel: Sparpolitik in den südeuropäischen Ländern. Innerdeutschland wird das Geld "hinausgeworfen" und diesen Ländern in den Popo geblasen - zumindest wird auch in den konservativen Medien diese Bereitschaft Geld zu stellen hinterfragt. Wenn man nun außerdeutschland die Medien betrachtet, wird dieses Geld meist als Ankettung ganzer Länder an die Geldpolitik Deutschlands gesehen. Man sieht, dass der objektive Vorgang des Geld-Gebens, meistens und beinahe ausschließlich in einen subjektiven Kontext gezerrt wird. Der Grund ist dabei trivial: Es geht um mich - also wird es für mich in meinen subjektiven Zusammenhang gepresst: Als Südeuropäer schulde ich Geld, somit bin ich abhängig. Als Deutscher gebe ich Geld, somit fehlt es mir für Renten, etc.
Eigentlich wäre es hier für jedes Medium - egal ob Netzwerke oder Medien - das Ziel, Dinge objektiv zu betrachten. Leider stößt man sich dabei den Kopf. In diesem Beispiel kann man teilweise nur spekulieren und auch als Wirtschaftsjournalist hat man meistens nur Teilaspekte der Verhandlungen/Beziehungen vorliegen. Somit ist in den meisten Fällen eine objektive Berichterstattung unmöglich. Man kann auch hier beispielhaft eine "Berichterstattung" über eine Schießerei hernehmen: Terrorakt? Erweiterter Suizid? Racheakt? Alles wahr und falsch im gleichen Moment: Keiner hat eine Ahnung, was eigentlich passiert.

Ich denke, dass heutzutage schlicht viel mehr zum Vorschein kommt, als noch vor ein paar Jahren. Wir werden überflutet mit Meldung von solch unterschiedlichem Ausmaß, dass teilweise die Trennung von Angelina und Brett im gleichem Atemzug genannt wird wie ein Terroranschlag mit mehreren Toten. Wir sollten zu beiden Dingen etwas fühlen - reagieren. Jedoch wird das meist reduziert auf ein "Like" oder ähnlichem. Mit solch einem Abschmirgeln unserer Sensitivität, ist es ein normales Schutzverhalten, dass man nur noch Meldungen emotionale Gewichtung schenkt, falls diese uns in unserer Wahrnehmung ernsthaft nahegehen. Somit ist verständlicherweise für einen der Kriegsflüchtling emotional präsenter, für den anderen das hungernde Hartz4-Kind/Rentner.
Ich denke, dass es falsch ist, eine Wahrnehmung der anderen vorwegzunehmen. Immerhin sind beide Teil einer Gesellschaft und zielen beide auf ein sozialeres Beisammensein ab.

In diesem Sinne noch ein "Witz": Banker, Bürger und Flüchtling sitzen an einem Tisch mit 20 Keksen. Der Banker nimmt sich 19 und sagt zum Bürger: "Schau auf den Flüchtling, der nimmt dir deinen Keks weg!"

Grüße,
Scutus
 
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute also die Frage: Ist der Realität eigentlich noch zu trauen?

Warum eigentlich noch? War der Realität schon jemals zu trauen? Dass die Diskussion rund um Filterblasen jetzt hochkocht, liegt doch lediglich daran, dass die "Herrscher" der alten Blasen ihre Felle davon schwimmen sehen. Mit anderen Worten: Die Leute informieren sich schlicht nicht mehr über die traditionellen Medien sondern suchen sich neue, vermeintlich interessantere oder objektivere, Informationsquellen. Dabei wechseln sie aber lediglich von einer Filterblase in eine andere. Tatsache ist doch, dass auch schon vor dem Internet die Menschen sich in den Medien informiert haben, die am ehesten ihre eigenen Ansichten vertraten. Die Linken haben taz gelesen, die Neokonservativen eher die Welt, die Liberalen die FAZ usw..

Durch das Internet haben sich jetzt plötzlich Filterblasen gebildet, auf die die traditionellen Medien und damit die jeweiligen Staaten weniger Einfluss nehmen können. Früher konnte ein Pressesprecher in der BPK "unter 3" Dinge nennen, die nie an die Öffentlichkeit kamen. Heutzutage wird der Kram geleakt und über Kanäle verbreitet, die es nahezu unmöglich machen den jeweiligen Leaker zu ermitteln. Früher konnte ein Kanzler die Chefs der grossen Zeitungen zu sich zitieren und denen "einflüstern", dass sie über Thema X oder Y nicht schreiben sollen oder dass sie diese Themen in ein bestimmtes Licht rücken sollen. Und oft genug hat das funktioniert. Heutzutage betreiben diverse unabhängige Leute, die mehr oder weniger Fachleute sind, ihre eigenen Online-Medien und bringen dadurch Informationen in Teile der Öffentlichkeit, die von Politik und Medien dort lieber nicht gesehen werden. Mit anderen Worten: die staatlichen Filterblasen aka Mainstream-Medien versagen mehr und mehr. Und die Leute suchen sich halt neue Filterblasen, von denen sie zumindest denken, dass diese nicht durch die "herrschende Klasse" (d.h. Politik und Wirtschaft) beeinflusst werden. Es ist schlicht nun bereits Allgemeinwissen, dass Verlage aufgrund von Werbung und internen Vorgaben diverse Themen nur sehr einseitig beleuchten.

Keine Zeitung wird einen Beitrag über politische Unruhen in Land XY als Aufmacher verwenden, wenn ein Reiseveranstalter eine 2-seitige Anzeige zu Reisen in dieses Land schaltet. Und keine Zeitung wird über ein Unternehmen negativ berichten, wenn dieses Anzeigen bei dieser Zeitung schaltet. Die Synchronisation von Werbung und redaktionellem Inhalt wurde ja nun auch bereits erforscht und dabei kamen die großen Zeitungen nicht gerade gut weg. Was die Leute also immer gedacht/gefühlt haben, ist mittlerweile ausreichend belegt. Vorfälle wie auffällig einseitige Berichterstattung zum Beispiel zur Euro-Krise (Stichwort: "die Ersparnisse sind sicher") oder dem Konflikt in der Ukraine, haben den Leuten die Filterwirkung der Medien mehr als deutlich vor Augen geführt. Die Filterblasen in den neuen Medien haben hingegen den Vorteil, dass sie scheinbar unabhängig sind, denn sie finanzieren sich zwar auch durch Werbung, sind dabei aber nicht von bestimmten Unternehmen abhängig. Die Werbung wird ihnen einfach durch Ad-Plattformen zugewiesen. Dadurch können sie sich darauf verlassen, dass sich die Werbung nach ihrem Inhalt richtet und nicht umgekehrt, wie es bei klassischen Verlagen der Fall ist.

Da die neuen Filterblasen eher geeignet sind um radikalere Ansichten oder schlicht Ansichten, die nicht der Richtung der derzeitigen Politik entsprechen, zu bündeln und zu organisieren, werden sie mittlerweile auch von der Politik als Gefahr angesehen. Sinkende Zustimmungswerte zeigen recht deutlich, dass die neuen Filterblasen wirken. Das Monopol der sogenannten Volksparteien schwindet und die Zahl von Nichtwählern und radikalen Wählern nimmt zu, weil die Leute Veränderung wollen. Diese Veränderungen sind für sie mit den bisherig dominanten Parteien kaum vorstellbar. Also resignieren die Wähler (unterstützt durch ihre Filterblasen), weil sie ja eh nichts ändern können, oder sie gehen in eine Widerstandshaltung (auch unterstützt durch neue Filterblasen) und stärken radikale Kräfte, weil sie die radikalen Wege als die einzigen betrachten, die den Filz der letzten Jahrzehnte noch aufbrechen können.

Mit anderen Worten: Die Macht der Filterblasen hat sich verschoben, weg von der Politik und den klassischen Verlagshäusern hin zu vermeintlichen Fachleuten und unabhängigen Berichterstattern. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

schwedenmann hat gesagt.:
Zum anderen fährt Rußland in den sozialen Medien eine Propagandalinie, die ihresgleichen sucht, das verzerrt die Wahrnehmung in den Medien erheblich.

Eine Aussage, die sehr gut zeigt, dass auch die klassischen Medien nur Filterblasen bilden. Fährt die USA etwa keine Propaganda-Linie? Oder Israel, oder die BRD, oder England oder Griechenland? Jede herrschende politische Klasse eines jeden Landes ist mittlerweile in sozialen Medien aktiv und versucht seine Meinung dort als die einzig richtige darzustellen. Abhängig von den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln sind sie damit mehr oder weniger erfolgreich. Das Internet ist nunmal die ideale Plattform für einen Informationskrieg. Die Anti-Russland-Stimmung in deutschen Medien ist z.B. maßgeblich den USA zu verdanken:

STRATFOR: US-Hauptziel seit einem Jahrhundert war Bundnis Russland+Deutschland zu verhindern - YouTube

Die Anti-USA-Stimmung in Teilen der Bevölkerung wiederum Medien wie RTdeutsch, die vor allem dadurch Erfolg haben, dass sie die Einseitigkeit der klassischen Medien aufzeigen und sich selbst damit als objektiv darstellen können.

Insgesamt denke ich, dass es eine objektive Berichterstattung eigentlich gar nicht geben kann. Jede Berichterstattung ist durch den jeweiligen Berichterstatter subjektiv gefärbt. Will man die objektiven Fakten, muss man sich die Meldungen zu einem Thema aus gegenpoligen Medien nehmen und den kleinsten gemeinsamen Nenner in diesen Meldungen finden. Dann hat man eventuell ein objektives Bild. Das wird dann allerdings durch die eigene Erziehung und die eigenen Ansichten auch sofort wieder subjektiv gefärbt.

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Und daher gilt: De omnibus dubitandum.
 
Propaganda

Hallo

@bitmuncher
Fährt die USA etwa keine Propaganda-Linie? Oder Israel, oder die BRD, oder England oder Griechenland?

Wo ?

Von Moskau wird massiv in den Sozialen-Medien Stimmung geamcht, mit ganz bewußten Falschmeldungen. Ich wüßte nicht, das die USA, Israel oder die BRD eine politisch gelenkte Propanganda betreiben würden, geht auch gar nicht, da wir hier immer noch unabhängige Medien haben (wenn man von ein paar Medienhäusern absieht, aber die Gesamtheit ist unabhängig und berichtet nach dem Berufsethos der Journalisten), in Rußland sind die Medien mittlerweile gleichgeschaltet, es gibt nur ncoh sehr wenige unabhängige Redaktionen und die sind permanenten Drück, verhaftungen Durchsuchungen durch den FSB ausgesetzt, sowas gibt es im Westen m.WQ. nicht.

Im übrigen @bitmuincher, du solltest weniger Youtube, oder Koppverlag lesen, sowas als objektive Quelle anzusehen, ist schon recht "amüsant".

Dem Wahrheitsgehalt der sozialen Medien wird viel zu hoher Stellenwert eingeräumt, anstatt die klassischen Medien zu benutzen, deren reportagen sind imho mehr an der Wahrheit, da objektiver (Recherche, Profis,etc).

mfg
schwedenmann
 
Was anderes als Propaganda ist es, wenn Parteien in sozialen Medien kommentieren und ihre Beiträge schalten? Oder wenn sie NGOs finanzieren um sich in den sozialen Medien einzumischen? Und die von Snowden geleakten Informationen sind scheinbar auch an dir vorbeigegangen? Aus denen geht recht klar hervor, dass Geheimdienste wie der GCHQ und der CIA über Tools verfügen, die explizit gemacht wurden um Daten in sozialen Medien zu manipulieren. Oder was ist mit Dokumenten wie https://file.wikileaks.org/file/cia-afghanistan.pdf aus denen die Einflussnahme des CIA auf westliche Medien hervorgeht? Auch die Economic Hitman sind ja nun mittlerweile kein Geheimnis mehr genau so wenig wie deren Einflussnahme auf Medien auf der ganzen Welt.

Von Moskau wird massiv in den Sozialen-Medien Stimmung geamcht, mit ganz bewußten Falschmeldungen.
Und welche Beweise hast du dafür, ausser irgendwelche Pressemeldungen, die selbiges behaupten? Die ganz bewussten Falschmeldungen könnte man auch unseren Journalisten unterstellen. Es ist aber nunmal so, dass diese Meldungen lediglich durch subjektive Sichtweisen und oft durch schlichte Unkenntnis zu den Thematiken gefärbt sind. Mein liebstes Beispiel ist dabei die Berichterstattung über die E-Zigaretten, wo diverse Zeitungen bis heute fest behaupten, es gäbe zur Schädlichkeit selbiger keine verlässlichen Studien. Wer sich mit der Thematik aber mal eingehender beschäftigt, der findet mehr als 200 Studien von teilweise sehr renommierten Instituten dazu. Die Journalisten plappern in dem Fall lediglich das nach, was ihnen einige wenige Quellen vorgeben, die wiederum nachweislich durch Pharma-Konzerne mitfinanziert werden, die Rauchentwöhnungsprodukte herstellen. Journalistische Sorgfaltspflicht? Fehlanzeige! Oder wie war das mit dem vermeintlich vollen Stadion, wo die Menschen den Sieg auf dem Maidan feierten? Auch dort verliessen sich die westlichen Medien auf den Bericht einer einzelnen Organisation in der Ukraine und verwendeten ein Bild von dieser, auf dem jubelnde Menschen zu sehen waren. Letztendlich entpuppte sich das volle Stadion als 3 besetzte Reihen in lediglich einem Rang des Stadions. Der Rest des Stadions war gähnende Leere. Wäre das nicht durch die sozialen Medien gegangen, hätten unsere Medien diese Meldung nie korrigiert.

Ich wüßte nicht, das die USA, Israel oder die BRD eine politisch gelenkte Propanganda betreiben würden, geht auch gar nicht, da wir hier immer noch unabhängige Medien haben (wenn man von ein paar Medienhäusern absieht, aber die Gesamtheit ist unabhängig und berichtet nach dem Berufsethos der Journalisten), in Rußland sind die Medien mittlerweile gleichgeschaltet, es gibt nur ncoh sehr wenige unabhängige Redaktionen und die sind permanenten Drück, verhaftungen Durchsuchungen durch den FSB ausgesetzt, sowas gibt es im Westen m.WQ. nicht.
Stimmt, sowas gibt es im Westen nicht, da Journalisten, die nicht nach den Vorgaben der Verlage berichten, schlicht schnell ihre Jobs verlieren und keinen neuen mehr finden.

Im übrigen @bitmuincher, du solltest weniger Youtube, oder Koppverlag lesen, sowas als objektive Quelle anzusehen, ist schon recht "amüsant".
Im übrigen solltest du weniger Unterstellungen machen. Das letzte Mal, dass ich was vom Kopp-Verlag gelesen habe, dürfte bereits viele Monate zurückliegen. Ich lese aber viele internationale Medien, z.B. aus Peru, Bolivien, Ecuador, Italien und ja auch aus Russland. Willst du behaupten, diese Länder haben alle keine unabhängigen Medien und keine Journalisten, die nach ihrem Berufsethos arbeiten? Ich vergleiche diese Meldungen allerdings auch mit dem, was z.B. durch meine DLF24-App läuft oder durch Google News, wo ja auch primär die grossen Verlagshäuser unseres Landes vertreten sind. Bei vielen Themen findet man da signifikante Unterschiede. Mal scheinen die einen, mal die anderen etwas glaubwürdiger.

Dem Wahrheitsgehalt der sozialen Medien wird viel zu hoher Stellenwert eingeräumt, anstatt die klassischen Medien zu benutzen, deren reportagen sind imho mehr an der Wahrheit, da objektiver (Recherche, Profis,etc).
Du willst also behaupten, dass ein Finanzprofi, der Jahrzehnte an der Börse zu tun hatte, vom Finanzmarkt weniger Ahnung hat als ein Journalist, der eine Börse höchstens mal besucht hat? Als Beispiel sei hier Dirk Müller genannt, der fast ausschliesslich in sozialen Netzwerken und auf seiner eigenen Seite berichtet. Du willst auch behaupten, dass ein Journalist, der Syrien nur von der Landkarte kennt, mehr Ahnung von dem Konflikt dort hat als ein Priester oder Arzt, die dort direkt vor Ort sind und humanitäre Hilfe leisten? Auch diese Menschen berichten fast ausschliesslich über soziale Medien.

Wenn man sich in den sozialen Medien die richtigen Filterblasen sucht, findet man zu diversen Themen weitaus realitätsnähere Berichte, als in unseren Zeitungen. Denn unsere Journalisten berichten zu >90% über Länder, die sie selbst oft noch nichtmal bereist haben, geschweige denn dort einigermaßen gut vernetzt sind.
 
Realität lag schon immer im Auge des Betrachters und von objektiver Realität
zu sprechen ist schon sehr mutig. In diesem Bereich kann man nur noch
einfachste Abläufe/Zustände beschreiben.
Sobald man anfängt Ursachen oder gar Folgen zu erkunden wird das Ganze
zu einer sehr persönlichen Realität. Fällt z.B. bei der Weihnachtsbäckerei ein
Ei von der Arbeitsplatte so ist dafür erst einmal das Kind verantwortlich,
welches dieses aus dem Eierkarton dort abgelegt hat. Geht man weiter kann
man den Eltern die Verantwortung geben, die ihrer Aufsichtspflicht nicht
genügend nachgekommen sind. Diese könnten den Küchenbauer
verantwortlich machen, welcher die Platte nicht 100% ins Wasser gesetzt
hat, wobei hier zu klären wäre ob sich nicht eventuell nach dem Einbau sich
der Küchenboden oder das ganze Haus gesetzt hat und ob dies im Vorfeld zu
erkennen war. So ergibt sich eine Vielzahl möglicher Ursachen und
Teilverantwortlicher, welche sich je nach eigenem Standpunkt gegenseitig
ihre Realität vorwerfen könnten. Die objektive Realität ist das zerbrochene Ei
auf dem Boden, alles andere sind persönliche Ansichten des Betrachters und
seines Wissens über die Zusammenhänge bzw. wie weit er die Recherche
treiben will. Der Populist hat mit so etwas natürlich gar kein Problem,
er unterstellt dem Kind einfach Absicht.

Im Bereich der Medien machen mir Filterblasen und Echokammern eigentlich
recht wenig Sorgen. Sie sind relativ einfach zu erkennen und wer sich ihnen
hingibt tut und tat dies meiner Meinung nach durchaus bewusst. Ich sehe das
Problem eher in der schwindenden Medienvielfalt. Es gibt nur noch wenige
Presseverlage und auch die Privatisierung beim Fernsehen hat meiner
Meinung nach keinerlei Vielfalt hervorgebracht, sondern eher zu einer
stupiden Dauerberieselung geführt. Ähnlich verhält es sich inzwischen auch
im Internet es wird täglich schwieriger aus der schieren Masse die Klasse zu
finden. Hier könnten Filterblasen die man bewusst mit den richtigen Daten
füttert und pflegt sogar positiv wirken.

Am Ende ist man jedoch immer selbst dafür verantwortlich, wie real die eigene Realität
ist und man kann noch so viele Quellen in Betracht ziehen man wird
höchstens Neutralität erreichen mit Sicherheit aber keine Objektivität.

Gruss
 
Hier könnten Filterblasen die man bewusst mit den richtigen Daten
füttert und pflegt sogar positiv wirken.

Wie kann ich die Filterblase bewusst füttern? Jeden Tag paar bestimmte Links ansurfen wird es wohl nicht langen. Man muss schon das ganze Umfeld ändern.

Vielleicht könnte man da eine Geschäftsidee draus machen? "Ihnen gefällt ihre Realität nicht mehr, mit den Tool haben sie die Filterblase eines anderen?"
 
Bei SpOn gibt es heute einen Artikel, der sich mit dem Thema verzerrte Wahrnehmung der Realität beschäftigt, beim lesen musste ich direkt an diesen Thread denken:
Deutsche Befragte gaben im Durchschnitt an, hierzulande sei etwa jeder fünfte Bürger (21 Prozent) muslimischen Glaubens. In Wahrheit ist es nur etwa jeder Zwanzigste, der Anteil der Muslime an der Bevölkerung beträgt gute fünf Prozent, zeigen Zahlen des Bundesamts für Migration und des Statistischen Bundesamtes.
[...]
Auch was den Zuwachs der muslimischen Bevölkerung angeht, empfinden viele Deutsche falsch. 2020, so die deutschen Befragten, werde der Anteil der Muslime in etwa ein Drittel erreichen. Das Institut Pew Research Center berechnet, in vier Jahren werde ihr Anteil 6,9 Prozent betragen.
[...]
Ähnliches gilt für gleichgeschlechtliche Partnerschaften: Die Deutschen denken, ein Drittel der Menschen hierzulande würde homosexuelle Partnerschaften ablehnen. In einer Umfrage zum Thema gaben jedoch nur acht Prozent an, sich gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen zu stellen.
Quelle: Gefuhlte Wahrheit: Deutsche schatzen Anteil der Muslime viel zu hoch - SPIEGEL ONLINE

Und in seiner Kolumne beschäftigt sich Sasche Lobo diesmal mit dem Thema Fake News, was ja auch gut hier rein passt: Gegen Fake News hilft kein Gesetz - Kolumne - SPIEGEL ONLINE

Und auf keinen Fall möchte ich euch den exzellent recherchierten Ratgeber des Postillon zum Thema Fake News vorenthalten: Der Postillon: Ratgeber: Alles, was Sie jetzt uber Fake-News wissen mussen

Chakky hat gesagt.:
Vielleicht könnte man da eine Geschäftsidee draus machen? "Ihnen gefällt ihre Realität nicht mehr, mit den Tool haben sie die Filterblase eines anderen?"
Klingt gut. So eine App sollten wir wirklich auf dem Markt bringen, als zusätzliches Feature könnte sie auch alle schlechten Nachrichten aus einer Zeitung filtern & durch Katzenbilder ersetzen. Und wer die werbefreie Vollversion kauft, bekommt noch eine rosarote Brille für den Offline-Gebrauch dazu...:D
 
Ich denke Ihr macht bei der Diskussion um die Tatsache der Existenz solcher Blasen etc. einen Fehler - nämlich den Versuch daraus immer etwas abzuleiten wie zB. die Ansicht, dass die Leute damit ein Problem haben.

Die Elite und die Presse hatte mit der Desinformation der letzten 30 Jahre überhaupt gar kein Problem, solange sich die Gesamtheit in einem Modus befindet, der mit den Absichten unserer ökonomischen Spielemacher harmoniert. Wir alle akzeptieren den Dorn im Finger, solange es unterm Schnitt gut für uns läuft.

Darüber hinaus ist "Wahrheit" jenseits der Naturwissenschaften (und letztlich ja nicht einmal dort!) immer (salopp gesagt) eine Ansichtssache.

Das Vernünftige, Richtige, Gute usw. ist in erster Linie eine variable Größe, die zuallererst im eigenen ganz persönlichen Umfeld gültig ist und bis hinein in den eigenen Kulturraum reicht.

@Tara
Deutsche Befragte gaben im Durchschnitt an, hierzulande sei etwa jeder fünfte Bürger (21 Prozent) muslimischen Glaubens. In Wahrheit ist es nur etwa jeder Zwanzigste, der Anteil der Muslime an der Bevölkerung beträgt gute fünf Prozent, zeigen Zahlen des Bundesamts für Migration und des Statistischen Bundesamtes.

Diese Meldung ist eine klassische Verzerrung. Es kommt nämlich darauf an WO man die Menschen fragt. Es gibt Stadtteile und Städte in Deutschland, wo man völlig berechtigt den Eindruck hat, man ist als deutscher in der Minderheit. Städter sind zudem Habituell ziemlich Sesshaft. Wer am Kotti groß wird, dessen Einzugsbereich ist eben auch dort. Wer auf dem Hamburger Kiez wohnt, dessen Habitat ist eben der Kiez - die Leute bleiben idR. in "ihrer Ecke". Lebst du dein Leben lang am Hannover Kröpke, so bist du de-fakto als Deutscher in der Minderheit und hast eine ganz andere Sicht (Wahrheit) anzubieten, als jemand, der sein Leben in Ostfriesland verbringt.
Der Gesamtdurchschnitt mag so sein. Aber es spielt für die unmittelbar erfahrbare Lebenswirklichkeit eines Menschen an einem bestimmten Ort keine Rolle, wie denn der Gesamtdurchschnitt ist. Oder meinst du, der Leiharbeiter mit 1025 € netto wird durch die Tatsache beruhigt, dass der Durchschnitt bei 1800 € liegt?

Zudem lassen sich Effekte von Ballungsgebieten und eine Konzentration bestimmter Bevölkerungsgruppen nicht mit Statistik beschreiben.

Ist die Diskussion über Neugeborene in Berlin mit Migrationshintergrund (an die 50% schreibt eine Berliner Zeitung), irrelevant, weil der Bundesdeutsche Durchschnitt komplett anders liegt?

Das sind unmittelbare Erfahrungen, die die persönliche "Wahrheit" eines jeden einzelnen prägen und für jeden Menschen zuallererst der Antrieb sind. Unsere Gesellschaftliche "Individualisierung" ist mit ein Grund dafür, dass unsere persönliche individuelle Haltung diejenigen des anderen geringschätzt. Begrifflichkeiten wie "Mitbürger" sind abstrakt und die Vorstellung eines "Landsmannes" wird schon beinahe als unfein empfunden.

Ein weiteres Problem, was nahezu jeden hier betrifft, ist die absolute Unfähigkeit, Tatsachen wertfrei zur Kenntnis zu nehmen und von der Diskussion ob man das gut findet oder nicht - zu entkoppeln. Dabei wäre das Gebot das Ergebnis zu hinterfragen und dann darüber zu sprechen ob man damit leben kann und will - und zwar alle.

Das sind Gründe für die fortschreitende Spaltung unserer Gesellschaft, in der unangenehme Tatsachen nicht genannt werden können, ohne das es personalisiert wird und die Illusion dass die eigene Wertvorstellung über der des anderen steht.

Natürlich vertritt jeder Mensch zuerst die persönliche Meinung. Aber als Gesellschaft brauchen wir eine Balance - das ist der Konsens. Um Konsens herzustellen ist JEDE Meinung erstmal gleichwertig relevant und weder wahr noch falsch. Klammerst du Menschen aus dem Konsens aus, so bekommst du ein Problem wenn sich eine kritische Menge ausgeklammert _fühlt_. Das haben wir de-facto in Europa, wo einfach zu viele Menschen sich nicht als Teil eines Konsens "fühlen". Man sagt dann dass die Menschen sich "abgehängt" fühlen was gleichfalls eine krasse emotionale Implikation ist. Die "Abgehängten" sind alle die, die nicht mitkönnen, die von gestern, die ungebildeten etc.. Dabei habe ich noch niemals jemanden sagen hören dass er sich "abgehängt" fühlt... Die Leute sagen "Unverstanden", nicht "wahrgenommen" oder nicht "ernst genommen" (praktisches Beispiel: Wenn deine Frau sich mal wieder unverstanden fühlt, dann erkläre ihr mal, dass sie doch eigentlich "abgehängt" ist ;) ).


Jedenfalls erzeugt es ein Vakuum und ein solches ist, ueberall und zu jeder Zeit, der Nährboden für eine "Alternative". Mal ist es das absolut radikale, mal das absolut friedliche, mal eine intellektuelle Bewegung oder eben, schlichter Populismus.

Auch was den Zuwachs der muslimischen Bevölkerung angeht, empfinden viele Deutsche falsch. 2020, so die deutschen Befragten, werde der Anteil der Muslime in etwa ein Drittel erreichen. Das Institut Pew Research Center berechnet, in vier Jahren werde ihr Anteil 6,9 Prozent betragen.
[...]
Und bist der Meinung dass dieser Laden, eine Tochter eines Öl/Gasmultis, die in den USA sitzt, die Entwicklung der Muslime in Deutschland bewerten kann (zumal sich Muslime nicht mal zählen lassen) und ohne dass du Informationen darüber hast, wie ein solches Ergebnis zustande kommt?


Angst ist irrational. Aber Angst ist nicht irrelevant. (Robinson)


@End4win
Ich sehe das
Problem eher in der schwindenden Medienvielfalt. Es gibt nur noch wenige
Presseverlage und auch die Privatisierung beim Fernsehen hat meiner
Meinung nach keinerlei Vielfalt hervorgebracht, sondern eher zu einer
stupiden Dauerberieselung geführt.
Tatsache ist, dass die deutsche Medienlandschaft noch immer nahezu Beispiellose Vielfalt bietet und das Kultur und Dokumenatationsangebot seines Gleichen sucht.
Nenne gerne Länder, die mit einer solchen Fülle an Dokumentation und politischen Diskussionen im Rundfunk und TV mithalten können.
Es könnte immer besser sein, ja. Aber deine Darstellung ist falsch.
 
Angst ist irrational. Aber Angst ist nicht irrelevant. (Robinson)

Zu diesem Zitat würde mich mal der Kontext interessieren, konnte leider nichts finden.

Ansonsten möchte ich gerne mal widersprechen, denn Angst ist nicht irrational
sondern macht irrational. Ihre Aufgabe ist es nun mal Entscheidungswege abzukürzen,
weshalb sie eben in einer Gefahrensituation den Ratio umgeht.
Angst ist aber selten ein guter Berater, weshalb das Schüren von Ängsten auch noch
nie etwas Gutes bewirkt hat. Daraus ergibt sich dann, dass Ängste zwar im Alltag
nicht irrelevant sind, aber gerade die Irrationalen, welche so gerne von den
Populisten geschürt werden, dürfen sich nicht in politischen Entscheidungen
niederschlagen, sondern müssen relativiert werden.

Zu deinen sonstigen Ausführungen kann ich eigentlich nur sagen:
Trau keiner Statistik/Umfrage, welche du nicht selbst in Auftrag gegeben und interpretiert hast.
Allerdings ist es schon auffällig, dass der größte Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik
aus Gegenden kommt wo es die Wenigsten gibt. Dort bekommt man auch keine
konkreten Antworten auf die Frage nach Problemen, sondern eben nur diese Populistenpropaganda.
Fragst du allerdings in den wirklich problematischen Gebieten wird aus den dort
gegebenen Antworten sehr schnell klar, dass es sich weniger um ein Ausländer-,
sondern um ein soziales Problem handelt.

So nun noch zu den Medien. Masse hat noch lange nichts mit Klasse zu tun.
90% deiner politischen Diskussionen sind doch parteipolitische Wahlkampfshows,
dort wird doch nicht diskutiert, sondern das Parteiprogramm propagiert meist sogar
mit den immer gleichen Köpfen. Ähnlich verhält es sich mit deinen Dokumentationen,
der Großteil ist doch belangloser, veralteter Randomplay.
Sicher schlimmer geht es immer. Doch eine Bereicherung durch die privaten Sender
hat meiner Meinung nach nicht stattgefunden und die besten Formate im Bereich
Information und Kultur liefert immer noch der öffentlich rechtliche Bereich der Medien.

Gruss
 
Ansonsten möchte ich gerne mal widersprechen, denn Angst ist nicht irrational sondern macht irrational. Ihre Aufgabe ist es nun mal Entscheidungswege abzukürzen, weshalb sie eben in einer Gefahrensituation den Ratio umgeht.
Dann nimm eine Phobie oder Höhenangst, die in einer bestimmten Situation objektiv völlig grundlos und damit nicht rational - also irrational - ist. Darüber hinaus ist das Haarspalterei.
Im übrigen widersprichst du dir selbst, denn die "Angst" vor Flüchtlingen ist ja in denen Augen völlig grundlos - also ebenfalls irrational.

Allerdings ist es schon auffällig, dass der größte Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik aus Gegenden kommt wo es die Wenigsten gibt.
Komisch, in vielen Kommunen oder Städten wie Delmenhorst ist das völlig im Einklang mit einem lange offenbarten Unmut und der tatsächlichen Situation.

Dort bekommt man auch keine
konkreten Antworten auf die Frage nach Problemen, sondern eben nur diese Populistenpropaganda.
Naja - bei SPD/CDU/Grün/Links bekomme ich auch keine Antworten. Und statt Fakten oder Optionen bekomme ich hohle Phrasen ...
Vielleicht bin ich dafür nicht konditioniert genug aber ich sehe da keinen substanziellen Unterschied...

90% deiner politischen Diskussionen sind doch parteipolitische Wahlkampfshows, dort wird doch nicht diskutiert, sondern das Parteiprogramm propagiert meist sogar mit den immer gleichen Köpfen.
Erstens gibt es durchaus andere Sendungen und zweitens ist es nun mal so, dass in politischen Diskussionen auch Politiker vertreten sind ^^
Vielleicht geht dir ja jetzt ein Licht auf denn es geht immer nur um eine Meinung und selten um Fakten.

Doch eine Bereicherung durch die privaten Sender
hat meiner Meinung nach nicht stattgefunden und die besten Formate im Bereich Information und Kultur liefert immer noch der öffentlich rechtliche Bereich der Medien.
Die großen Privatanbieter sind auch kaum der Rede Wert, wenn es um Berichterstattung geht. Nichtsdestotrotz existiert, vielleicht gerade deswegen, diese Vielfalt?

Aber davon mal abgesehen ist es richtig, dass speziell die AfD wohl im Fahrwasser der Flüchtlingspolitik erstarkt. Aber was ist daran problematisch? Die Linken haben ihre Propaganda, die Grünen profitieren von den Explosionen irgendwelcher Atomkraftwerke und selbst die CDU überschlägt sich mit Maßnahmen, wenn der Hund eines Idioten ein Kleinkind beißt.
Es ist akzeptabel dass dir das persönlich nicht passt. Trotzdem ist das stinknormale politische Handwerksarbeit.

Und nicht vergessen: The time made the man - face your fate!
 
Chromatin hat gesagt.:
Diese Meldung ist eine klassische Verzerrung.
Eine Statistik, die die Differenz zwischen geschätzten Zahlen und den überprüfbaren Zahlen aufzeigt, ist eine klassische Verzerrung? Interessante Sichtweise...

Chromatin hat gesagt.:
Es kommt nämlich darauf an WO man die Menschen fragt. Es gibt Stadtteile und Städte in Deutschland, wo man völlig berechtigt den Eindruck hat, man ist als deutscher in der Minderheit.
Ich vermute einmal Dir ist schon bewusst das bei Statistiken für gewöhnlich nicht die unbearbeiteten Rohdaten, sondern mit inferenzstatistischen Methoden (z. B. um stichprobenbedingte Verzerrungen zu eliminieren) ausgewertete Ergebnisse veröffentlicht werden?

end4win hat gesagt.:
Trau keiner Statistik/Umfrage, welche du nicht selbst in Auftrag gegeben und interpretiert hast.
In der Regel reicht es die vollständige Dokumentation einer Statistik zu kennen (die ist aber nicht immer frei zugänglich und für Laien ohnehin meist unverständlich). Mit Angaben zu Stichprobenumfang & Methodik lässt sich der Informationsgrad schon recht gut einschätzen...;)

end4win hat gesagt.:
Allerdings ist es schon auffällig, dass der größte Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik
aus Gegenden kommt wo es die Wenigsten gibt.
Das ist nicht nur auffällig, sondern auch empirisch belegt. In der Soziologie und der Sozialpsychologie spricht man in diesem Kontext auch von der Kontakthypothese:
= K.) [engl. contact hypothesis], [SOZ], die K. wurde 1954 von G. Allport entwickelt und besagt, dass häufiger Kontakt zu Mitgliedern anderer Gruppen (ingroup, outgroup) (z.B. ethnische Minoritäten) die Vorurteile gegenüber diesen Gruppen reduziert. Dies sollte nach Allport besonders dann der Fall sein, wenn die Personen in der Kontaktsituation (1) kooperative Ziele verfolgen (Kooperation), von (2) gleichem Status sind, (3) miteinander interagieren müssen, um ihre Ziele zu erreichen, und der Kontakt (4) von Autoritäten unterstützt wird. Pettigrew und Tropp konnten in einer Metaanalyse mit mehr als 250000 Befragten zeigen, dass der Effekt robust ist und auch auftritt, wenn die Bedingungen von Allport nicht oder nur teilweise erfüllt sind. Wagner et al. (2006) konnten in repräsentativen Surveys für Dt. zeigen, dass in Bezirken mit zunehmendem Ausländeranteil die Vorurteile sinken. In letzter Zeit wurden positive Effekte auch für nur vorgestellten Kontakt (imagined contact) und für indirekten Kontakt (extended contact, d.h. wenn man Freunde hat, die Kontakt haben) gefunden.
Quelle: https://portal.hogrefe.com/dorsch/kontakthypothese

Studien von Ulrich Wagner und Rolf van Dick bestätigen diesen Zusammenhang nicht nur für Deutschland, sondern führen darauf sogar den Unterschied zwischen Ost und West zurück:
Einer der am besten gesicherten Befunde aus dem Bereich der Vorurteilsforschung
ist, dass sich das Ausmaß der Ablehnung fremder ethnischer Gruppen reduziert,
wenn die Mitglieder der beteiligten Gruppen unter bestimmten Umständen
miteinander in Kontakt kommen (Pettigrew & Tropp, 2000). Umgekehrt formuliert
bedeutet dies, dass Vorurteile umso stärker sind, je weniger Kontakt mit Mitgliedern
der anderen Gruppe besteht.
[...]
Wagner et al. (under editorial review) haben anhand von drei großen Stichproben
(Allbus, 1996; Shell Jugendstudie, 2000; eine eigene Umfrage aus dem Jahr 1992;
N = 7.222) die Frage geprüft, ob die unterschiedliche Neigung zu Vorurteilen in Ost-
und West-Deutschland mit unterschiedlichen Kontakterfahrungen zusammenhängt.
Der Ausländeranteil im Osten Deutschlands ist mit 1.9% bedeutend niedriger als im
Westen (9.7%). Möglichkeiten für Kontakte sind in Ostdeutschland somit geringer
als in Westdeutschland. Dies sollte dazu führen, dass ostdeutsche im Vergleich zu
westdeutschen Befragten auch über weniger Kontakte im Wohnumfeld und am
Arbeitsplatz bzw. in der Schule berichten, was wiederum die Zahl persönlicher
Bekanntschaften und Freundschaften sowie als subjektiv wichtig erachtete
Beziehungen zu "Fremden" begrenzen sollte. Tatsächlich können Wagner et al. mit
Hilfe von Strukturgleichungsanalysen zeigen, dass die unterschiedliche
Vorurteilsneigung in Ost- und Westdeutschland durch Kontakterfahrungen der
Befragten mediiert wird.
Quelle: https://www.online.uni-marburg.de/isem/WS02_03/docs/fremd1.pdf
 
Einer der am besten gesicherten Befunde aus dem Bereich der Vorurteilsforschung
ist, dass sich das Ausmaß der Ablehnung fremder ethnischer Gruppen reduziert,
wenn die Mitglieder der beteiligten Gruppen unter bestimmten Umständen
miteinander in Kontakt kommen (Pettigrew & Tropp, 2000). Umgekehrt formuliert
bedeutet dies, dass Vorurteile umso stärker sind, je weniger Kontakt mit Mitgliedern der anderen Gruppe besteht.

Diese Aussage zeigt, wie sehr selbst kleinste Wortgruppen eine Rolle spielen können. "...wenn die Mitglieder der beteiligten Gruppen unter bestimmten Umständen miteinander in Kontakt kommen". Wenn die Mitglieder der beteiligten Gruppen hingegen nicht unter diesen bestimmten Umständen in Kontakt kommen, sondern primär negative Erfahrungen miteinander machen, dann werden die Vorurteile genauso verstärkt als hätten sie keinen Kontakt. Damit ist also der Umkehrschluss aus dieser Aussage "dass Vorurteile umso stärker sind, je weniger Kontakt mit Mitgliedern der anderen Gruppe besteht" so nicht korrekt. Wenn der Bautzener auf seinem Marktplatz primär mit jungen männlichen Flüchtlingen zu tun hat, die Frauen schräg von der Seite anmachen, nicht aber mit den vielen Flüchtlingen, die ihr Flüchtlingsheim kaum verlassen, dann werden seine Vorurteile dadurch verstärkt. Die Umstände sind also entscheidend, nicht der Kontakt an sich. Und das zeigt mir, dass offenbar auch die Vorurteilsforschung sich in einer Filterblase bewegt, weil sie sich nur auf Statistiken bezieht, nicht aber auf die Lebensumstände der Menschen, die weitaus mehr ausschlaggebend sind. Einer dieser Umstände ist, dass Flüchtlinge, die zur Kriminalität neigen wesentlich eher die Innenstädte aufsuchen als jene, die friedlich auf ihren Bescheid warten. Ein Großteil der Flüchtlinge verlässt die Unterkunft höchstens zum Einkaufen und bleibt dann zumeist auch noch im direkten Umfeld. Wer hingegen "auf Beutezug" gehen will, der wird im direkten Umfeld nicht fündig und wagt sich eher unter die Einheimischen. Die meisten Flüchtlinge trauen sich das schon aufgrund der Sprachbarriere nicht. Der Kontakt der Einheimischen wird dadurch wesentlich eher negativ geprägt und es treten eben nicht die "bestimmten Umstände" ein, von denen die Vorurteilsforschung ausgeht. Die Menge der Ausländer in einem Ort sagt übrigens auch nichts darüber aus wie oft Einheimische mit denen Kontakt haben. Wenn ich ein Flüchtlingsheim in Neukölln eröffne, wird von den Flüchtlingen kaum jemand was mitbekommen und nicht mehr oder weniger mit ihnen Kontakt haben als mit anderen Einwohnern dort auch. Eröffne ich hingegen in Groß Briesen ein Flüchtlingsheim, werden die Einwohner dort sehr viel mehr Kontakt mit den Flüchtlingen haben, weil das Nest schlicht nur knapp 200 Einwohner hat und jedes neue Gesicht sofort auffällt. Selbst wenn man dort nur 20 Flüchtlinge unterbringt, werden die Einwohner dort mehr mit denen Kontakt haben als wenn man 30000 in Neukölln unterbringt.

Das zeigt uns allerdings auch deutlich, dass selbst das Reallife Filterblasen für uns bereithält, weil unsere Wahrnehmung nunmal eine lokale ist und nur selten über das eigene Lebensumfeld hinausreicht. Dass sich das dann im Internet auch abbildet sollte uns eigentlich nicht verwundern. Und es zeigt uns, dass Statistiken relativ wenig soziales Verhalten erklären können, denn dieses hängt nunmal von der sozialen Interaktion ab und nicht von Mathematik. Die Menschen bzw. die Emotionen der Menschen sind nicht logisch. Sie mit einem logischen System erklären zu wollen, kann eigentlich nur scheitern. Wenn wir soziale Belange verstehen wollen, müssen wir uns die Umstände anschauen und nicht die Statistiken. Vor allem die Statistiken bezüglich Ausländern in Deutschland geben keineswegs die Realität wieder. Glaubt man diesen, gibt es im gesamten Osten nur ca. 266.000 Ausländer (1.9 % von 14 Mio). Allerdings hat allein in Berlin knapp jeder 3. einen Migrationshintergrund, also etwa 1 Mio.. Auch die ca. 200.000, die während der Wende in der DDR verteilt waren und zum größten Teil hier geblieben sind, werden in dieser Statistik nicht erfasst. Es tauchen nur jene auf, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber dauerhaft hier leben. Also selbst die Flüchtlinge mit einer temporären Aufenthaltserlaubnis sind nicht dabei. Wie viele also tatsächlich als Ausländer wahrgenommen werden, erfasst die Statistik nicht. Diese Zahlen dürften für Ost und West gleichermaßen wesentlich höher liegen. Und die Wahrnehmung ist nunmal das, was für das Sozialverhalten ausschlaggebend ist, nicht die Statistik.
 
Eine Statistik, die die Differenz zwischen geschätzten Zahlen und den überprüfbaren Zahlen aufzeigt, ist eine klassische Verzerrung? Interessante Sichtweise...
Das liegt doch auf der Hand. Die Statistik mag für einen (Bundes)-Durchschnitt korrekt sein., was aber nichts daran ändert, dass an bestimmten Stellen die Situation anders gewertet wird. Eine statistische Aussage auf ein individuelles Problem(oder Sichtweise) anzuwenden ist Nonsens und eben nur - Statistik. Zumal auch du nur Statistiken zitierst, die in deiner Echokammer valide sind ;)


Zum Thema Flüchtlinge - ich glaube hier gibt es ein großes Missverständnis.Es geht den meisten Menschen imho um das abstrakte Problem DES Flüchtlingsandranges und viel weniger um ganz persönliche Erfahrungen mit Individuen. Diese Unterscheidung ist wichtig.
Ein Mensch muss nicht erst eine Anzahl Menschen persönlich kennenlernen um das Problem (oder eine Situation) abstrakt zu erfassen. Z.B. Kultureinflüsse, Sprachprobleme, finanzielle und medizinische Aspekte usw. Um mir hier ein Urteil zu bilden, muss ich nicht einen einzigen Menschen persönlich kennenlernen, sondern es reichen die Metadaten völlig aus.
 
Ein Mensch muss nicht erst eine Anzahl Menschen persönlich kennenlernen um das Problem (oder eine Situation) abstrakt zu erfassen. Z.B. Kultureinflüsse, Sprachprobleme, finanzielle und medizinische Aspekte usw. Um mir hier ein Urteil zu bilden, muss ich nicht einen einzigen Menschen persönlich kennenlernen, sondern es reichen die Metadaten völlig aus.

.. und wie genau wird das Problem erfasst, wenn nicht durch die eigene Erfahrung? Was unterscheidet die Problemerfassung und implizite Schlussfolgerung nun noch von einem Vorurteil?
 
.. und wie genau wird das Problem erfasst, wenn nicht durch die eigene Erfahrung?

Mit Kenntnissen über einen fremden Kulturraum kann ich mir eine Meinung bilden. Ebenso kann ich mir gewisse Dinge ausrechnen ohne direkt damit in Berührung zu kommen. Ich kann Informationen über Religionen und Geschichte aufnehmen ohne in eine Kirche zu gehen usw. usw.
Jeder Mensch erfasst doch jeden Tag Dinge richtig oder falsch, ohne direkt mit Subjekt oder Objekt in Kontakt zu kommen. Ist hieran irgend etwas bemerkenswertes?
Dabei ist beides gleichwertig gültig - eine eigene unmittelbare Erfahrung - und eine distanzierter Betrachtung. Man darf aber nicht den Fehler machen, das eine gegen das andere aufzuwiegen. Das funktioniert auf sozialen Feldern weniger gut..


Was unterscheidet die Problemerfassung und implizite Schlussfolgerung nun noch von einem Vorurteil?

Das eine ist reflektiert - indem man sich über eine Sache angemessen informiert hat. Das andere ist wenig reflektiert.

"Die meisten Flüchtlinge sind Verbrecher" - das ist ein unreflektiertes Vorurteil.

"Die meisten Flüchtlinge sind gebildet" - das ist ein ebenso unreflektiertes Vorturteil.

Letzteres Vorurteil ist Salonfähig.
 
Ich kann mir kaum vorstellen, daß Filterblasen an und für sich ein Problem sind. Wie bereits gesagt-gab es schon immer. Auf achgut.com gibt es einen sehr schönen Kommentar dazu.
Postfaktische Filterblasen 216. Dummdeutsch reloaded – DIE ACHSE DES GUTEN. ACHGUT.COM

Eigentlich ist die subjektive Wahrnehmung eines Individuums ein ganz wesentliches Element in der Demokratie. Dadurch, daß eben jedes (stimmberechtigte) Individuum die gleiche Stimme hat, ergibt sich ein gewisses Korrektiv. Nicht immer zum Besten, allerdings werden Extreme recht zuverlässig umgangen.Schlimm wird es dann wenn versucht wird, dieses Gleichgewicht zu manipulieren. Das geht eine Zeit lang gut-bis das Pendel wieder in die Gegenrichtung ausschlägt, dann natürlich auch umso weiter. In dieser Phase befinden wir uns momentan, würde ich sagen.

Dem Wahrheitsgehalt der sozialen Medien wird viel zu hoher Stellenwert eingeräumt, anstatt die klassischen Medien zu benutzen, deren reportagen sind imho mehr an der Wahrheit, da objektiver (Recherche, Profis,etc).
Diese Haltung halte ich für irgendwo zwischen gewagt bis gefährlich. Freilich, es entlastet von der Mühe selber zu denken und die Politik hat keine Angst vor solchen Bürgern. Wer so denkt, der fühlt sich in der "offiziell richtigen" Filterblase wohl. Demokratie lebt aber davon, daß möglichst viele Individuen selber denken.

Eine Statistik, die die Differenz zwischen geschätzten Zahlen und den überprüfbaren Zahlen aufzeigt, ist eine klassische Verzerrung? Interessante Sichtweise...
Tiefes Misstrauen in Studien und Statistiken ist in Zeiten wie diesen mehr als wichtig-und vor allem berechtigt. Ich persönlich nehme Studien zu vielen Themen schlichtweg nicht mehr ernst. Zu viele geschönte Halbwahrheiten, fehlende Teilaspekte, und immer öfter auch schlichtweg fehlerhafte Interpretationen. Da wird teilweise der Schlußabsatz zitiert und breit durch die Leitmedien palavert, wobei sich dessen Aussagen mit den vorgelegten Zahlen kaum belegen lassen oder gar grob widersprechen. Oder die Schlußfolgerungen jeglichem gesunden Menschenverstand widersprechen, oder nach und nach zurechtgebogen werden (Kriminalität von Flüchtlingen ist da ein schönes Beispiel).

Auch die von dir zitierte Studie, das Deutsche den Anteil von Muslimen in Deutschland falsch einschätzen, wirft eher Fragen auf als sie beantwortet. Wenn Muslime tatsächlich eine derartige Minderheit in D ausmachen wie es die Studie suggeriert, warum:
-wird dann an jeder Ecke des öffentlichen Lebens (z.B. Kantinenessen, öffentlich sichtbare Symbole/Traditionen mit christlichen Wurzeln, z.B. Weihnachtsmärkte=>Wintermärkte, christliche Elemente in Weihnachtsbeleuchtungen, usw.) mit der Begründung "Muslime nicht beleidigen" unsere eigene Kultur stückchenweise eliminiert?
-Gelangen Forderungen nach gesetzlicher Verankerung muslimischer Feiertage überhaupt jedes Jahr wieder in die öffentliche Debatte?
-Machen muslimische Befindlichkeiten z.B. im Bildungsbereich (Schwimmunterricht, Schweinefleisch im Schulessen, schulfrei zum Zuckerfest, usw.) größer organisierte Regelungen nötig?
-usw...

Allerdings ist es schon auffällig, dass der größte Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik aus Gegenden kommt wo es die Wenigsten gibt. Dort bekommt man auch keine
konkreten Antworten auf die Frage nach Problemen, sondern eben nur diese Populistenpropaganda.
Wer in der DDR aufgewachsen ist ist gut darauf konditioniert, wenn zu viele Medien und Parteien in zu vielen Fragen eine zu große Schnittmenge bilden-und begegnet diesem mit tiefem (und aus der eigenen Erfahrung wohlbegründetem!) Mißtrauen. Außerdem-woher weißt du, daß man dort nur die Populistenpropaganda bekommt wenn man dort jemanden fragt? Hast du dich selber davon überzeugt?



Ich persönlich nutze die Leitmedien wie FAZ, Spiegel, Zeit, Welt, aber auch die Öffentlichen usw. nicht mehr als primäre Informationsquelle. Ich schaue zwar oft noch bei Google News rein um einen möglichst umfassenden Überblick zu behalten, und lese dann auch mal den ein oder anderen Artikel, aber zu meiner Meinungsbildung tragen diese kaum noch bei. Mit werden dort zu viele Dinge mit zweierlei Maß bewertet und teilweise falsch dargestellt, z.B. durch das Betonen und/oder weglassen ausgewählter Teilaspekte, gelegentlich sogar sachlich falsch. Und gebärden sich dabei als unerträglich arrogant, selbstgefällig und offen bevormundend. Ein paar Beispiele:

  • Es wird mit dem Vorwurf der, ich fasse es mal unter dem Begriff "emotionale Verklärung" zusammen, nur so um sich geworfen. Alles Populisten, schüren nur diffuse Ängste, keinerlei sachliche Begründung, spielen mit Emotionen, usw. Ist mal jemandem aufgefallen, wie sehr genau diese o.g. Medien jedoch mit Schuldgefühlen spielen? 2015 wurde so gut wie jeder Artikel je nach Inhalt über Flüchtlinge mit Bildern von süßen kleinen, schutzlosen Kindern mit großen Augen, oder irgendwelchen Schreckensbildern versehen. Immer mit der unterschwelligen Botschaft "Das kannst du nicht wollen das DIESES Kind sterben muß, du bist doch gut, und wenn nicht solltest du dich schämen...". Andersmeinende oder Kritiker waren und sind das mediale Äquivalent zu Hexen und Teufelsanbetern zu anderen Zeiten.

    Und ich persönlich kann diese Form der Manipulation überhaupt nicht ausstehen. Und zunehmend mehr Menschen sehen das anscheinend ähnlich bzw. kriegen das allmählich mit (siehe Geschäftszahlen verschiedenster Nachrichtenunternehmen).

  • Vermischung mit Politik. Ich kenne Leute, die für die AfD im Brandenburger Landtag sitzen. Zwar nur oberflächlich (Unternehmer, haben einen Laden in einer kleinen Stadt, wo ich aufgewachsen bin, wohne dort aber schon sehr lange nicht mehr), aber es ist interessant von Internen zu hören und dann o.g. Medien zu lesen. Berichterstattung und Wirklichkeit klaffen da maximal denkbar auseinander. Da kommt die AfD mit einer Reihe Vorschlägen, die nach Verlesung kommentarlos abgelehnt werden. Zwei Wochen später kommt die CDU mit inhaltlich (und auf weiten Strecken sogar wörtlich) identischen Punkten, die dann ausführlich beraten und besprochen werden.

    Ähnliches bei Pegida. Ich war auf einigen Demos dabei, das war noch, bevor jede Zeitung irgendwas über Flüchtlinge schrieb. (Danach hab ich keinen Sinn mehr gesehen hinzugehen, denn die Zeit des Diskutierens und Meinungkundgebens war in 2015, eigentlich schon 2014, vorbei. Das Problem war da.)

    Wieviel Kritik haben eigentlich andere Parteien erfahren? Merkel wird oft kritisiert-liest man in o.g. Medien oft. Von wem eigentlich? Das liest man schon seltener. Wurde Merkel in diesen Medien schonmal kritisiert, gerade und vor allem für ihre Flüchtlingspolitik? Vor allem in 2015? Mag sein, dann war das allerdings sehr verhalten. Wenn diese Medien sie heute schelten, dann würde ich das eher Opportunismus zurückführen.

    Ich persönlich möchte über Politik informiert werden-aber nicht auf eine politische Richtung hingebürstet werden.
  • Falsche Tatsachenbehauptung/darstellung ist/war in Bezug auf AfD und Pegida von o.g. Medien schon fast alltäglich. Siehe dazu die mediale Aufbereitung von Pirinccis KZ-Aussage, Petrys Schießbefehl-Forderung, aber auch: Flüchtlinge seien mehrheitlich gut ausgebildete Fachkräfte, sind nahezu alle gesund und belasten das Gesundheitssystem keinesfalls, und was nicht noch alles für Müll behauptet wurde. Gerade in Bezug auf Flüchtlinge gab es auch immer tolle Studien und Statistiken. In BaWü hat der ORF für die Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser im Sommer ein paar Flüchtlinge dabei gefilmt, wie sie Sperrmüll aus überschwemmten Kellern trugen-nachdem sie den Müll ohne Kamera erstmal wieder reingetragen haben. Wurde dann als große Flüchtlinge-helfen-Deutschen-Aktion breitgelatscht-eine Aktion, die es nie gab.

    Nicht anders in anderen Themen. Russland, Ukraine. Timoschenkow wurde stets als die Unschuld vom Lande präsentiert, Ooooch, die Arme, Jakunowitsch hat ihr den Keks geklaut. Diese komische Pussy-Riot-Truppe, dürfen nicht nackt auf Altären in Kirchen tanzen, ochgottogottogott...
    Putin der Hund, will in Ungarn (und zwei anderen Ländern, die mir nicht mehr einfallen) militärisch einmarschieren!!! Aggressor!!!
    Für diese steile Lüge wurde irgendein Zitat von Putin, ich glaube aus einem Telefonat, zerstückelt und neu zusammengewürfelt.
  • Arroganz und Selbstherrlichkeit. O.g. Medien behaupten ja oft, die Populisten und deren Anhängerschaft würden einfache Erklärungen bevorzugen und wären nicht in der Lage, komplexere Zusammenhänge zu begreifen, daher würde der einfache Bürger sie nicht mehr verstehen. Blogger, Facebookschreiber, Twitterer, usw. könnten ja gar nicht alles so gut recherchieren wie sie.

    "Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion wäre teurer als die Rettungspakete", "Deutschlands Außengrenzen zu schützen sei nicht möglich", "Putin hat die Krim widerrechtlich eingenommen", "Die Flüchtlinge sind vielfach gut ausgebildet und bereichern den Arbeitsmarkt", ...

    In dieser Richtung haben eigentlich alle der o.g. Medien berichtet. Vermutlich liegt es ja an meiner Bildung, daß ich in dieser Berichterstattung keine komplexen Sachverhalte einfach erklärt vorgefunden habe. Ich hab ein Studium (eines mit der höchsten Abbrecherquote) erfolgreich abgeschlossen, ich hätte wohl besser zwei Semester Theaterwissenschaften studieren oder Taxifahrer werden sollen. Dann wäre mir gewiss aufgefallen, wie brillant in diesen Redaktionen gearbeitet wird, mein Verständnis über das politische Vorgehen würde erheblich bereichert und die Entscheidungen unserer weisen Volksvertreter viel verständlicher. Und ich würde endlich erkennen, daß es Propaganda nur in Russland und Nordkorea gibt...


Mein Posting ist an dieser Stelle ziemlich lang geworden-und dennoch waren das alles nur ein paar Ausschnitte, die mir grad auf die Rasche eingefallen sind. Vieles davon ist auch schon länger her, 2014 und teilweise vielleicht auch schon aus 2013. Daran sehe ich gerade, wie lange die o.g. Medien an ihrem miesen Ruf bereits gearbeitet haben.


Und jetzt sind Fake-News auf einmal ein Thema?


Ich behaupte mal, daß Fake-News jetzt primär aus einem ganz bestimmten Grund so heftig debattiert werden, gerade von der Politik. Auch der gemeine Bürger hat jetzt eine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt einer Nachricht zu prüfen, ohne daß das so einfach kontrolliert werden kann. Man kann sich nicht mehr nur über Zeitungen über die Folgen der Energiewende und der aktuellen Energieerzeugung informieren. Sondern auch auf Blogs/Internetseiten von Fachleuten. Läßt man sich komplexe Zusammenhänge lieber von Fachleuten oder von Journalisten erklären?


Ok, diese Möglichkeiten existieren schon über ein Jahrzehnt. Heute machen aber weitaus mehr Menschen davon Gebrauch, Facebok und Twitter machen es aber deutlich leichter. (Möglicherweise stehen deshalb auch eigentlich immer nur Facebook und Twitter als Sündenbock da, über die diese bösen Fake-News verbreitet werden.)






PS: Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr. :)
 
Heute machen aber weitaus mehr Menschen davon Gebrauch, Facebok und Twitter machen es aber deutlich leichter.

In weiten Teilen stimme ich dir zu. Was aber den Gebrauch von Informationen aus sozialen Netzwerken angeht, so rate ich zu äußerster Kritik.

In der etablierten Medienlandschaft haben wir noch eine gewisse Selbstkontrolle die man nicht außen vor lassen sollte. Bei Blogs und in den sozialen Netzwerken fehlt das völlig. Und es ist sehr leicht einen Artikel fachmännisch aussehen zu lassen und noch leichter ist es, Informationen einfach falsch darzustellen. Das war schon im normalen Fernsehprogramm schlimm und im Netz ist es um Faktoren übler.

Jetzt kommt dummerweise noch dazu, dass die meisten Menschen der sog. modernen Gesellschaften überhaupt keine Vorstellung mehr davon haben, was "Wissen" ueberhaupt ausmacht. Das zeigt sich in ALLEN Medien deutlich. Sprache wird simpler, Informationen kürzer. Es ist den Leuten auch kaum noch zu erklären dass man um das lesen von Büchern (meistens nicht nur eines) nicht herum kommt, wenn man einer Sache wirklich mal nahe kommen möchte. Die Menschen versorgen sich fast nur noch über komprimierte Zusammenstellungen ueber irgendwas. Und hier gibt es überhaupt kein Qualitaetsstandard.

Ich möchte hier auch das Beispiel der Krim aufgreifen.
Die Leute haben zu 99% keine Ahnung was da los ist. Die Information stammt aus den Nachrichten, die im Westen pro-Ukraine sind. In den sozialen Medien sind sie sowie als auch und in den russischen Medien natürlich pro-russisch. Keine Sau schaut in die Geschichtsbücher wer da überhaupt lebt und kaum einer weiß ueberhaupt was es mit der Krim historisch auf sich hat. Würde man sich das gründlich ansehen, so sieht man sofort, dass unsere westliche Berichterstattung darüber völliger Bullshist ist und das die Ukraine hier ein ganz uebles Spiel spielt.
Ich beziehe hier keine Position, aber nach gründlicher Recherche kommt man Zwangsweise zu dem Schluss, dass sie alle, durch die Bank eine ganz persönliche Agenda verfolgen und alle weit daneben liegen, mit der alleinigen Absicht uns bei der Meinungsbildung zu beeinflussen.

Jedenfalls lässt sich der Wahrheitsgehalt einer Aussage in einem sozialen Netzwerk nur durch gründliche Recherche mit ruhigem Gewissen bestätigen. Insofern sind diese Quellen zwar durchaus nützlich um zu sehen DAS irgendwas ist. Aber für die eigentliche Information, sind diese Quellen völlig nutzlos geworden. Nicht zuletzt eben auch dadurch dass die Maschinen uns mittlerweile tatsächlich ausgesprochen gut täuschen können.

Ich bin dieser Tage über die Diskussionen mit Adorno zum Thema Fernsehen aus den 60ern wieder an die Frage gestoßen - wo denn das Vermächtnis der damaligen Vorhaben geblieben ist. Vor knapp 70 Jahren führte man bereits eine sehr intensive Debatte über das was wir heute Medienkompetenz nennen. Nämlich die Frage, wie wir das nützliche und das gefährliche unter einen Hut bringen. Diese Frage wurde nie beantwortet und setzt sich in der Zeit des Internets fort und eines ist mir hier wirklich so langsam klar geworden: Die Leute wollen gar nichts lernen - Sie wollen bloß informiert werden. Und je dümmer sie sind, desto mehr streben sie nach dieser Art Information und desto weniger sind sie am Wissen interessiert.
 
Es ist immer wieder paradox, dass niemand die weit verbreiteten Meiden ließt, hört oder sieht, aber dennoch jegliche Aspekte der, sich im Gegensatz zu vielen Blogs durchaus selbstkritisch betrachtenden Mainstreammedien zu kritisieren versucht. Oder die dort angeblich genannten Meinungen (das mit dem die Flüchtlinge seien gut ausgebildet habe ich noch nirgends gelesen..). Hauptsache, man wird nicht an der Kritik gemessen, sondern nur an der Anzahl der Ausrufezeichen. Maulen und Kritik sind gut, Verbesserungen sind aber dann doch zu anstrengend: "Kommt wir schaffen ARD, ZDF und Co. ab, RTL2 reicht doch voll und ganz."

Da zeigt sich wieder: Jeder ist sich selbst der Nächste. Nicht nur im Sein, sondern auch in der eigenen Meinung. Da stellt man sich über Journalisten, über Ärzte und Poltikerinnen und Politiker sowieso. Und gleichzeitig wird allen anderen Arroganz vorgeworfen. Paradox.

Letzten Endes zeigt die Diskussion, dass die heutige Form einer Filterblase nicht mehr nur die Meinungsbildung beeinflusst - man hat schon immer auf Journalisten geschimpft -, sondern insbesondere die Meinungsäußerung. Social Media, Userkommentare, Blogs und ebenso dieses Forum ermöglichen es x-beliebigen Menschen ihre Meinung zu äußern, sie zu verteidigen (oder auch nicht..) und die Meinung der anderen als Aspekt in die eigene Meinung einfließen zu lassen - und die dann wieder als eigene Meinung zu verkaufen. Und das zu jeder Zeit, von jedem beliebigen Ort aus. Die Filterblase verstärkt sich von selbst, aus Bildung wird immer schneller Äußerung und, was die Vergangenheit nun mehrfach gezeigt hat, Aktion zugleich. Auf Aktio folgt Reaktio, was die einzelnen Filterblasen sogar noch zu verstärken scheint. Im Unterschied zu Börsenblasen habe ich jedoch noch keine Filterblase platzen sehen. D.h. am Ende führt die heutige Form der Filterblasen also doch zu einem Problem: Sie führt zu einer noch stärkeren Abgrenzung zueinander, zu noch tieferen Gräben, zu noch höheren Mauern. Sie führt NICHT zu mehr Auseinandersetzung oder Bildung.

Und das ist nichtmal erstaunlich. Immerhin wissen wir seit Jahren, dass negative Meinungen im Internet vorherrschen. Dazu wissen wir, dass die meisten selbsternannten "Experten", Fachmännern, Studenten des Lebens, Laienwissensschaftler, oder allgemeine diejenigen, die im Web 2.0 ihre meistens perfekt recherchierte Meinung zum besten geben, alle mit hoher Wahrscheinlichkeit völlig inkompetent sind (Dunning-Kruger Effekt in Verbindung mit Statistiken zu Intelligenz und Bildung), denn nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Bevölkerung wäre zu einer akkuraten Bewertung einer Lage fähig - oder dazu, die Meinung eines wirklichen Experten überhaupt zu verstehen.

In Bezug auf das Internet lässt sich damit behaupten, dass es schlichtweg gesellschaftlich verblödet. Wir lassen uns im Internet maßgeblich von inkompetenten Hetzern und "Hatern" beeinflussen.

Das traurige ist, die meisten merken es nichtmal, denn sie können es nicht. Stattdessen lassen Sie sich im Strudel der Negativität mitziehen. Nochmal: Filterblasen verstärken dieses Problem exponentiell: Je mehr Anhänger eine negative Meinung hat, desto mehr Anhänger zieht sie an. Dafür gibt es auch bereits einen Begriff, der es zumindest im zeitlich begrenzten Rahmen verdeutlicht: Shitstorm.

Was hilft? Bildung. Bildung. Bildung. Das, was das Bundesamt für politische Bildung seit Jahrzehnten macht. Das, was das Öffentliche-Rechtliche seit Jahren macht. Das, was viele politische, gesellschaftliche oder soziale Organe seit Jahren machen. Ich spreche eine Empfehlung immer wieder gerne aus, jetzt sogar mit noch mehr Nachdruck, da chromatin den Zeitaufwand zum Hören angesprochen hat: Deutschlandfunk und DeutschlandradioKultur brauchen und fordern die Zeit, sie fordern die Auseinandersetzung. Und hier bekommt man Qualität, die man bei vielen anderen Medien, insbesondere dem Internet, vermisst.

Und nicht vergessen auch mal zuzugeben, dass man Unrecht oder - ich weiß, das ist unwahrscheinlich - einfach mal keine Ahnung vom Thema hat. Und in dem Land, dass man gerade diffamiert, Urlaub zu machen. So ganz altmodisch: Offline.

@chromatin: Noch zum vorherigen Post: Kenntnisse alleine reichen nicht aus, denn Kenntnisse können wiederum aus Vorurteilen, Annahmen oder kruden Theorien bestehen. Die wenigsten waren in Saudi Arabien - aber alle wissen, wie dort zugeht. Reflektion, wie du sie beschreibst, ist in der heutigen Zeit nicht zu erwarten, weder im einen, noch im anderen Salon. Metadaten sind so wahr, wie sie falsch sein können. Erfahrung ist das, was zählt. Sie sind einseitig und subjektiv, ja. Aber sie bilden die Grundlage unseres politischen Denkens und Handelns. Und je mehr man sammelt, je mehr man mit anderen Erfahrenden spricht, um so objektiver können sie werden. Bildung braucht Zeit. Und die ist rar heutzutage.

Wo wir gerade dabei sind: Honore de Balzac: "Von Edelfedern, Phrasendreschern und Schmierfinken" - "Zeilenangler" aufgepasst
 
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