[PF] 14 - Autonome Drohnen, endlich die Befreiung von allen moralischen Lasten?

LX hat gesagt.:
Worum es mir mit meinem Beitrag eigentlich nur ging, war das Bild des edlen Soldaten, der zur Gnade fähig ist, auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Na ja, das Bild des edlen Soldaten wollte ich eigentlich gar nicht vermitteln - mir ging es nur darum aufzuzeigen das ein Mensch zu so etwas fähig ist, während ein Roboter definitiv nur Befehle abarbeitet. Um es mathematisch auszudrücken: Bei einem Menschen ist die Chance auf Milde größer als Null, bei einem Roboter ist sie genau Null - daher plädiere ich für menschliche Soldaten...;)

LX hat gesagt.:
Mir ist es letztlich lieber, wenn da ein Haufen Blech aufeinander losgeht als Menschen.
Wenn es nur darum ginge das ein Haufen Blech aufeinander losginge, würde ich diese Diskussion gar nicht führen. Es geht aber leider darum, dass Menschen einen Haufen Blech auf andere Menschen hetzen.

Aber vielleicht bin ich auch nur zu sehr durch Asimov beeinflusst, so das mir die Vorstellung, dass Roboter explizit dafür gebaut werden Menschen zu jagen und zu töten, einfach zutiefst verhasst ist...:(
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstmal muss man auch ethisch eine grundlage festlegen auf welcher wir hier eigentlich argumentieren.

ich gehe mal davon aus wir sind hier größtenteils unter konsequentialisten verschiedenster geschmacksrichtungen (moralisches bewerten einer handlung abhängig ihrer folgen) und eher weniger unter deontologen (moralische bewertung einer handlung abhängig der handlung selbst) und noch weniger unter anderen lagern (z.B. kantianische pflichtenethik oder tugendethiken etc.)

demnach erschließt sich erstmal direkt das "die befreiung von allen moralischen lasten" an sich nicht erreicht wird ... es wird lediglich eine andere handlungsweise gewählt, die folgen jedoch bleiben auf das relevante bezogen weitestgehend die selben (kriegsführung, töten von menschen)

ich halte es für einen irrtum davon auszugehen dass nur weil man einen knopf drückt und irgendeine rumdüsende drone gemäß der programmierung autonom menschen tötet die moralische last in irgendeiner form gemäßigt wird - schließlich sind die handelnden (in diesem fall halt diejenigen welche dronen einsetzen) über die konsequenzen bestens bewusst.

das problem liegt eher im bereich der angewandten ethik - wo es natürlich deutlich leichter fällt wenn eine maschine "selbst" tötet, anstelle den entsprechenden befehl geben zu müssen bzw. den eigenen truppen diese "bürde" aufzuerlegen - schließlich kippen in der drone nur ein paar transistoren und ein algorithmus führt zur tötung - völlig frei jeglicher moralischer last ... so mag man denken. selbstverständlich kann etwas dass über kein bewusstsein als solches verfügt eine moralische entscheidung treffen bzw. moralische last erfahren ... umso mehr liegt diese dann bei denjenigen welche die drone losgeschickt haben.

befiehlt ein general einem trupp soldaten eine kriegshandlung so ist zwar vorgesehen, dass die soldaten diesen befehl bestmöglich erfüllen, dennoch ist der general in der lage zumindest einen teil der moralischen last dieses befehls auf die soldaten zu übertragen, da diese eben als bewuste wesen gefälligst auch mindestens ihrer subjektiven moral entsprechend rechnung zu tragen haben. da dies jedoch bei dronen nicht möglich ist obliegt die gesamte(!) last dem befehlshaber

natürlich stützt sich diese argumentation auf einem bestimmten ethischen modell, nämlich dem nicht klassischen gerechtigkeitsutilitarismus, welchen ich allerdings für recht plausibel halte ... in ganz grober form(!) lässt er sich etwa so als prämissen darlegen:

  • (konsequentialismus) eine handlung sollte anhand ihrer folgen moralisch bewertet werden
  • (utilitarismus) es sollte die handlung gewählt werden welche das meiste "glück" (im sinne menschlichen wohlergehens zu verstehen) im handlungsalternativenraum maximiert
  • (nicht klassischer gerechtigkeitsutilitarismus) dabei sollten allerdings gerechtigkeitsfaktoren relevanz finden nach welchen für die verschiedenen agenten ihr erwartungsnutzen (glück) faktorisiert wird

es sollte allerdings aufgeführt werden dass kriegsführung als solche in den meisten fällen diesem modell gemäß moralisch (stark) verwerflich ist
 
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Was in der Gesamten Diskussion, bis auf Ornis letzten Satz, gar keinen Anklang gefunden hat, ist die Tatsache, dass Drohnen überhaupt gar keine Daseinsberechtigung haben.

Ein Angriffskrieg ist, seit den Nürnberger Prozessen, eine scheußliche, menschenrechtsverletzende Straftat. Ich glaube der Richter damals drückte sich in etwa so aus, dass der Angriffskrieg sich vom Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheide, dass erstere die letzteren anhäufe.
Es war ein amerikanischer Richter der das Urteil sprach und es waren amerikanische Regierungen, die dem als erste westliche Zivilisation zuwiderhandelten.
Es gibt auch überhaupt gar keine Berechtigung für einen Angriffskrieg. Warum maßen wir uns an uns immer in anderer Länder Angelegenheiten mischen zu müssen? Und wenn wir das schon tuen müssen: warum sind wir dabei so inkonsequent und "helfen" nur den erdöl- bzw. rohstoffreichen bzw. strategisch wichtig gelegenen, schwachen Nationen indem wir ihre Städte bombadieren? Warum dürfen Saudi-Arabien, Syrien, die SU, Nazideutschland, China aber auch über viele Jahrzehnte Lybien Unrecht begehen ohne dass es jemanden kümmert?

Desweiteren sind Drohnen in dieselebe Kategorie einzuordnen, wie Bomben: Man kann mit beidem keinen Krieg gewinnen. Kriege gewinnt (wenn man überhaupt von "gewinn" sprechen kann) man immer nur mit Bodentruppen. Bomben - und nun auch Drohnen - setzt man nur ein, um unter billigender Inkaufnahme enormer zivilier "Kollateralschäden" die Kampfkraft des Gegeners zu schwächen und so die eigenen Verluste bei der folgenden Bodenoffensive zu reduzieren. Frei nach dem Motto: lieber 100 "feindliche" zivile NICHTkombatanten, als ein eigener Soldat.

Weiter gibt es auch kaum noch kriegerische zwischenstaatliche Konflikte. Die mehrzahl der modernen Konflikte sind intra oder infra staatliche Konflikte, die nicht von Staaten, sondern von Bevölkerungsgruppen oder Terroristen ausgehen. Wie will man da mit Drohnen gegen vorgehen?
Drohnen wurden und werden in Afghanistan gegen die Taliban eingesetzt und zeigen praktisch keine Wirkung, außer, dass sie die zivile Bevölkerung terrorisieren.
Mal abgesehen davon, dass man prinzipiell ohnehin kein Recht dazu hat, wie oben ausgeführt.

Zu guter Letzt bleibt nur noch der präventive Einsatz von Drohnen in bewohnten Gebieten. Dabei richten sich diese Drohnen WIEDER gegen potenziel zivile Nichtkombatanten. Wieder werden Kollateralschäden billigend in Kauf genommen! Waffen, insbesondere schwere oder automatische Waffen, haben NICHTS in zivilen Gebieten verloren! Schon gar nicht präventiv! Schon gar nicht in demokratischen Rechtsstaaten!

Irgendein kluger Mensch hat mal gesagt, dass die regierenden dieser Welt doch bitteschön jeder ihren erstgeborenen Sohn in den Frontdienst stellen sollten, dann würde sich die Zahl der Kriege drastisch reduzieren. Damit stimme ich vollkommen über ein.

Ein anderer kluger Mensch, diesmal hier im Forum, hat ebenfalls etwas gesagt, dem ich aber doch widersprechen möchte. Jemand meinte weiter oben, dass ein moderner Menschenrechtler sich nicht wesentlich von einem antiken Griechen unterscheidet. Das sehe ich doch anders. War es früher üblich die feindlichen Verwundeten auf dem Feld zu töten oder liegen zu lassen, ist das heute strengstens verboten. Auch Folter oder Angriffe gegen die Zivilbevölkerung ist, im Gegensatz zu früher, geächtet. Da aber immernoch die Stärkeren die Gesetze schreiben hält sich da freilich nicht jeder Rechtsstaat dran.

ich halte es für einen irrtum davon auszugehen dass nur weil man einen knopf drückt und irgendeine rumdüsende drone gemäß der programmierung autonom menschen tötet die moralische last in irgendeiner form gemäßigt wird - schließlich sind die handelnden (in diesem fall halt diejenigen welche dronen einsetzen) über die konsequenzen bestens bewusst.
NEIN! Überhaupt nicht! Es ist ein viel schwerer Gewissenskonflikt für einen Menschen einen anderen direkt mit seinen Händen oder einem Messer oder etwas ähnliches zu töten, ihm dabei vielleicht in die Augen zu sehen, das Blut zu sehen, zu riechen, sein geröchel, gestöhne zu hören, seine Zuckungen zu fühlen, als wenn man einen Menschen durch ein Zielfernrohr betrachtet und auf 1000m Entfernung erschießt, oder gar nur eine Bombe abwirft und die Folgen für die menschlichen Individueen gar nicht erst wahrnimmt! Je unpersönlicher das Töten wird, desto leichter wird es. Auch das ist ein Grund, warum die Todesspritze in den USA immer von mehreren verabreicht wird, warum Erschießungskommandos immer zu mehreren bestehen oder warum man in solchen Fällen gerne auch teilweise Platzpatronen bzw Spritzen mit Kochsalzlösungen verwendet. Man will auf diese WEise einerseits die alleinige Schuld verhindern oder gar dem Gewissen das Hintertürchen bieten: "Vielleicht war ich es ja gar nicht!".
Im Übrigen haben die Menschen, die an der Waffenproduktion beteiligt sind in der Regel auch keine oder geringe Gewissensbisse.
 
Was in der Gesamten Diskussion, bis auf Ornis letzten Satz, gar keinen Anklang gefunden hat, ist die Tatsache, dass Drohnen überhaupt gar keine Daseinsberechtigung haben.
Es gibt auch überhaupt gar keine Berechtigung für einen Angriffskrieg.

ich halte es ebenfalls für einen irrtum etwas (völlig egal was) kategorisch abzulehnen; seien es angriffskriege, folter, mord, terrorismus oder was auch immer. eine solche deontologische sichtweise ist echtes glatteis ... schließlich lassen sich für jede dieser handlungen gedankenexperimente formulieren in welchen die handlung plötzlich nicht mehr so moralisch verwerflich scheint - oder sogar moralisch geboten ist.

(subjektiv) muss ich einfach sagen, dass der konsequentialismus eine deutlich plausiblere methodik an die hand gibt - nach welcher die genannten dinge nunmal in der praxis ebenfalls in den allermeisten fällen moralisch verwerflich sind, aber mit dem unterschied dass man auch weiß warum - und der möglichkeit in entsprechenden situationen auch zu erkennen dass sie möglicherweise moralisch geboten sind.

angriffskriege und dronen sind nunmal dinge die möglicherweise faktisch bisher nie moralisch vertretbar eingesetzt wurden, und vielleicht auch nie werden - mag sein. daraus aber zu folgern dass diese kategorisch abzulehnen sind ist ein logischer fehlschluss.

NEIN! Überhaupt nicht! Es ist ein viel schwerer Gewissenskonflikt für einen Menschen einen anderen direkt mit seinen Händen oder einem Messer oder etwas ähnliches zu töten, ihm dabei vielleicht in die Augen zu sehen, das Blut zu sehen, zu riechen, sein geröchel, gestöhne zu hören, seine Zuckungen zu fühlen, als wenn man einen Menschen durch ein Zielfernrohr betrachtet und auf 1000m Entfernung erschießt, oder gar nur eine Bombe abwirft und die Folgen für die menschlichen Individueen gar nicht erst wahrnimmt! Je unpersönlicher das Töten wird, desto leichter wird es. Auch das ist ein Grund, warum die Todesspritze in den USA immer von mehreren verabreicht wird, warum Erschießungskommandos immer zu mehreren bestehen oder warum man in solchen Fällen gerne auch teilweise Platzpatronen bzw Spritzen mit Kochsalzlösungen verwendet. Man will auf diese WEise einerseits die alleinige Schuld verhindern oder gar dem Gewissen das Hintertürchen bieten: "Vielleicht war ich es ja gar nicht!".
Im Übrigen haben die Menschen, die an der Waffenproduktion beteiligt sind in der Regel auch keine oder geringe Gewissensbisse.

was du hier beschreibst ist ein pragmatischer abbruch - ein großes problem in der angewandten ethik, aber nunmal kein fehler im moralsystem - sondern in dessen anwendung. abermals lässt dies logisch nicht die folgerung zu dass das moralsystem abzulehnen sei - bzw. dessen methodik. von daher (im bezug auf den ersten satz deiner antwort): eben doch.

post scriptum:

ich muss allerdings sagen dass deine hinter deinen aussagen steckende intuition selbstverständlich als tugendhaft anzusehen ist und ich mir vorstellen kann dass wir weitestgehend in praktischen fragen auf übereinkunft kommen würden, jedoch halte ich in solchen diskussionen eine logische, begriffliche und methodologische präzision für notwendig.
 
Hmm Orni, ich weiß ja nicht.

Du versuchst mich da in eine Schublade zu stecken, in die ich nicht passe.
Du hast für dich persönlich den Konsequentialismus gewählt. Schön und gut. Aber für mich, insbesondere als Christ, ist gerade dies ein schwerer Konflikt. "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Denn ein guter Baum bringt stets gute und ein fauler Baum stets fauler Früchte hervor."
Genau das ist ein zentrales Problem für mich: Laut diesem Satz ist eine Tat stets Konsequentialistisch zu beurteilen, aber es widerspricht meinem persönlichen Gefühl. Ich weiß nicht, ob es gut sein kann einen Menschen zu töten, wenn etwas gutes dabei rauskommt. Es kommt mir aber dennoch in der Regel schlecht vor. Hingegen: kann es schlecht sein, wenn ich mit guten Absichten etwas tue und damit aber eine, von mir nicht steuerbare, Kettenreaktion auslöse, die zu etwas schlechtem führt?
Insbesondere ist dies bei Entscheidungen ein wichtiger Punkt: Ein Konsequentialist kann prinzipiell nicht wissen, wie seine Handlungen ausgehen, weiß aber, dass die Handlungen gut waren, wenn etwas gutes dabei herausgekommen ist. Ein Tugendethiker (und davon will ich mich nicht distanzieren!) oder ein Deontologe weiß, dass er nur das zu tun braucht, womit er das Beste zu erreichen hofft und kann dennoch ein relativ ruhiges Gewissen haben, selbst wenn es zu einer Katastrophe führt.
Ich stehe da irgendwo zwischen diesen Drei. Also katalogisiere mich bitte nicht vorzeitig! :)

ich halte es ebenfalls für einen irrtum etwas (völlig egal was) kategorisch abzulehnen; seien es angriffskriege, folter, mord, terrorismus oder was auch immer. eine solche deontologische sichtweise ist echtes glatteis ... schließlich lassen sich für jede dieser handlungen gedankenexperimente formulieren in welchen die handlung plötzlich nicht mehr so moralisch verwerflich scheint - oder sogar moralisch geboten ist.
Aber auch deine konsequentialistische Sicht kann dich aufs Glatteis führen! Zumindest aus meiner Sicht. Du wirkst ein wenig nihilistisch auf mich.
Es gibt Dinge, die nach nicht-nihilistischer Sicht, per defintionem moralisch verwerflich sind. Zum Beispiel Mord: Totschlag aus niederen (also moralisch verwerflichen Beweggründen)
Oder Terrorismus: Mord und/oder Gewalt und/oder Mord- und/oder Gewaltandrohung AUCH gegenüber UNSCHULDIGEN, um seine Ansichten durchzusetzen oder sich Gehör zu verschaffen.
Gerade diese beiden Begriffe kann, glaube ich, niemand als ein Nihilist im Sinne Nietzsches als nicht kategorisch moralisch verwerflich ansehen. Auch der Terror im Rahmen der französischen Revolution (der einzige im Selbstbegriff staatliche Terror der mir gerade einfällt) war in höchstem Maße Nihilistisch (im Sinne Nietzsches natürlich), auch wenn es den Begriff damals noch nicht gab, denn es galt die (vermeintlichen) christlichen, feudalen aber auch aufkommenden bourgoisen Werte zu überwinden und neuzugestalten.



angriffskriege und dronen sind nunmal dinge die möglicherweise faktisch bisher nie moralisch vertretbar eingesetzt wurden, und vielleicht auch nie werden - mag sein. daraus aber zu folgern dass diese kategorisch abzulehnen sind ist ein logischer fehlschluss.
Ich habe, bitte, keinen logischen Schluss gezogen, da ich das aus meiner philosophischen WEltanschauung heraus nicht machen kann. Ich habe lediglich meine, auf dem deutschen Grundgesetz, den Menschenrechten, den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und meiner christlichen Wertevorstellung begründete Meinung wiedergegeben.



was du hier beschreibst ist ein pragmatischer abbruch - ein großes problem in der angewandten ethik, aber nunmal kein fehler im moralsystem - sondern in dessen anwendung. abermals lässt dies logisch nicht die folgerung zu dass das moralsystem abzulehnen sei - bzw. dessen methodik. von daher (im bezug auf den ersten satz deiner antwort): eben doch.
Ich muss offen sagen: Ich verstehe nicht!
Was meinst du mit "pragmatischem Abbruch"?
Beziehst du die Pragmatik auf mich oder auf die Standgerichte/Henker?
Und warum nimmst du an, dass ich Fehler im Moralsystem sehe? Oder dieses gerade ablehne?

Du wirst doch sicherlich mit mir übereinstimmen, dass es "leichter ist" und weniger Gewissenskonflikte verursacht, wenn ich von zu Hause aus, wie im Computerspiel, Menschen töte, als wenn ich dasselbe mit dem Bajonett täte? EIn Bomberpilot kann allerhöchstens VERSUCHEN sich vorzustellen, was seine Opfer durchmachen. Aber er wird es sich nie vollständig vorstellen können, es sei denn er gerät mal tatsächlich in ein Bombardement. Denn er sieht, hört, riecht, fühlt die Menschen nicht, die durch ihn sterben. Der Messerstecher aber, hat sein Opfer direkt vor sich und nimmt die Scheußlichkeit seines Handelns direkt und mit allen Sinnen wahr und als solche wird sie auch in seinem Gedächtnis bleiben.

EDIT: Beachte auch bitte mein Beispiel mit der Waffenproduktion. Die meisten Menschen in der modernen Waffenproduktion haben kein schlechtes Gewissen, dass sie indirekt am Tod vieler, potentiell unschuldiger Menschen mitwirken. Weil sie eben die Folgen ihres Handelns nicht direkt sehen, aber natürlich genau wissen, was passiert - wie beim Bomberpiloten.
 
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ich sehe halt dass du sozialwahltheoretisch zwischen den stühlen zu sitzen scheinst. das spiegelt sich auch in deinen aussagen wieder - da diese teilweise miteinander im konflikt stehen (würde man sie formalisiert zu ende denken)

abgesehen von thema hier kann ich dir daher raten da subjektiv mehr klarheit zu verschaffen - versuch dir ein moralsystem zu erarbeiten (oder wahrscheinlich eher auszusuchen) welches deine moralischen intuitionen wiederspiegelt. das erlaubt dir vor allem deine ethik besser formalisieren zu können und deine moralische entscheidungsfindung zur präzisieren. es sollte halt vermieden werden vor einer handlung zu stehen und nicht sicher zu sein wie diese moralisch zu werten ist, bzw. kein vertretenes moralisches system zur hand zu haben womit dies zu lösen wäre.


bezüglich der defizite des konsequentialismus:

du hast völlig recht das es schwierigkeiten gibt ... es ist kaum möglich die folgen einer handlung korrekt vorauszusehen. somit wird meist eine approximation getroffen und auch diese spiegelt häufig nicht das wieder was am ende tatsächlich rumkommt. einfach weil so vieles zu beachten ist (vorallem drittbetroffene und deren subjektive ethik, siehe auch paternalismus-debatte)
das was übrig bleibt ist der in der philosophie sehr stark diskutierte begriff des erwartungsnutzens. und ich für meinen teil muss einfach damit leben dass meine konsequentialistische moral wohlmöglich in ihrer anwendung nie idealen charakter erreicht, sondern durch verschiedenste faktoren erschwert wird. ich muss einfach damit leben meinen handlungsalternativenraum nach bestem wissen und gewissen zu evaluieren.
nichts desto trotz halte ich den konsequentialismus (im besonderen den von mir vertretenen nicht klassischen gerechtigkeitsutilitarismus) für das plausibelste ethikkonzept

soviel zur meta-ethik.
zurück zum thema:

was ich meine ist folgendes:

sicher ist es für einen bomberpiloten "einfacher" eine bombe abzuwerfen als für einen frontsoldaten eine granate in eine gegner menge zu werfen. angenommen jedoch beide handlungen führen zum selben negativen nutzen (das mag für nicht philosophen makaber klingen so von tot und leid zu reden) so halte ich beide handlungen für äquivalent verwerflich. kurzgesagt, ob der selbe mensch durch ein messer in den rücken, einen scharfschützen oder eine drone getötet wird halte ich für eine moralisch gleich-schlimme tat (wobei davon ausgegangen wird, dass die tötung in allen fällen aus selben gründen vollführt wird und auch ansonsten keine differenzen abgesehen von der wahl der tötungsart existieren) ebenfalls wird vernachlässigt dass die verschiedenen tötungsvarianten verschieden viel leid hervorrufen (sicher ist es schlimmer jemanden folternd, quälend langsam zu töten als durch einen direkt den tot einleitenden kopfschuss - aber das ist nicht das worauf ich hinaus will)
das was die tat, bei größerer distanz oder steigend indirekter kausaler verkettung zwischen direkter handlung und tötung, einfacher macht ist allerdings dass die handelnde person erstens weniger direkt mit der konsequenz konfrontiert wird (beispielsweise feuern spiegelneuronen im gehirn wenn leid beobachtet wird, welches empathie hervorruft und möglicherweise den scharfschützen eher zögern lässt den abzug zu drücken als den bomberpiloten).
zum anderen jedoch fällt es zunehmend leichter seine handlung gar nicht erst moralisch zu evaluieren sondern stattdessen einen pragmatischen abbruch zu tätigen (ich hoffe der begriff wird damit klar). es fällt einem bomberpiloten deutlich einfacher seine handlung gar nicht erst moralisch zu betrachten als einem frontsoldaten. entsprechend einfacher fällt es dem befehlshaber einer drone.

das ist jedoch ein problem in der anwendung der moraltheorie (welcher auch immer) - und nicht der moraltheorie selbst.
 
@Orny

ich halte es für einen irrtum davon auszugehen dass nur weil man einen knopf drückt und irgendeine rumdüsende drone gemäß der programmierung autonom menschen tötet die moralische last in irgendeiner form gemäßigt wird - schließlich sind die handelnden (in diesem fall halt diejenigen welche dronen einsetzen) über die konsequenzen bestens bewusst.

Und es wird viel dafür getan, dass es so bleibt.
Am Ende lässt sich eine moralische Verantwortung kaum noch festmachen, weil diese sich letztlich im System (Hierachieverteilung) zerteilt.
Solche Schwierigkeiten gab es bei vielen Prozessen nach der Nazizeit, was btw. in gut in den Prozessen um Eichmann klar wird (Arendt). Ich sehe jedenfalls die Möglichkeit, dass sich die hochtechnologisierung im Krieg durchaus erfolgreicher eines Urteils entzieht, als es bisher ohnehin schon so ist.
 
Du, orni, ich sag doch dasselbe. Ich hatte den Eindruck dass du mir da widersprichst.

Einzig mit dem "erarbeiten eines Moralsystems" stimme ich nicht mit dir überein. Ich sehe auch nicht ein, dass ich teilweise widersprüchliche Aussagen von mir geben. Du maßt dir nur eine falsche Interpretation an :)

Ich habe ein ziemlich festes und eindeutiges (christliches, pazifistisches) Moralsystem, mit den einfachen Grundwerten, wie: du sollst nicht töten, stehlen, lügen, ehebrechen, du sollst deinen nächsten lieben, wie dich selbst, usw..
Das ist auch alles schön einfach und klar. Aber es gibt Situationen in denen man nicht zwischen schwarz und weiß unterscheiden kann. Situationen in denen es vielleicht auch kein pauschales schwarz oder pauschales weiß gibt. Und ich wage auch zu behaupten, dass diese Situationen nicht kollisionsfrei aus christlicher Sicht gelöst werden können.
Aber das geht nun schon arg OT.
 
Einzig mit dem "erarbeiten eines Moralsystems" stimme ich nicht mit dir überein. Ich sehe auch nicht ein, dass ich teilweise widersprüchliche Aussagen von mir geben. Du maßt dir nur eine falsche Interpretation an :)

Ich habe ein ziemlich festes und eindeutiges (christliches, pazifistisches) Moralsystem, mit den einfachen Grundwerten, wie: du sollst nicht töten, stehlen, lügen, ehebrechen, du sollst deinen nächsten lieben, wie dich selbst, usw..
Das ist auch alles schön einfach und klar. Aber es gibt Situationen in denen man nicht zwischen schwarz und weiß unterscheiden kann. Situationen in denen es vielleicht auch kein pauschales schwarz oder pauschales weiß gibt. Und ich wage auch zu behaupten, dass diese Situationen nicht kollisionsfrei aus christlicher Sicht gelöst werden können.

das ding ist:

welche moral auch immer du vertrittst, du brauchst eine quelle für moralischen wert. ob diese quelle deontologisch ist, konsequentialistisch oder tugendethisch (oder was anderes) ist ja erstmal egal.

allerdings springst du da so ein wenig durch alle lager. mal orientierst du dich an christlichen werten (deontologie), gestehst aber zu dass diese situativ ihren wert verlieren (richtung konsequentialismus, wenn auch nicht so klar gesagt) und zum anderen definierst du dich dann auch noch über deinen charakter und sprichst dich der tugenethik nicht ab.

nun ist es sogar auch ok wenn man mehrere moralwert quellen in seiner sozialwahltheorie zulässt - was man dann allerdings zwingend braucht ist ein meta-prinzip welches darüber entscheidet wann welche quelle relevant wird, bzw. irrelevant.

und dieses prinzip hast du afaik nicht - was dann natürlich ein ordentliches problem darstellt (ergo wiederspruch in deiner moral)

und wegen off-topic ... so what, interessante diskussionen sind da um geführt zu werden und wir sind ja nicht komplett off topic da wir hier meta-ethik auf basisniveau diskutieren und das thema eine klare ethische frage darstellt
 
Ich denke dein Problem ist das Schubladendenken. Du willst mich einfach in irgendeine Kategorie pressen, die du kennst. Warum darf es denn nicht etwas dazwischen geben? :)

Ich habe eigentlich nur eine Wertequelle, nämlich das Christentum. Dieses ist aber keiner deiner drei Kategorieren eindeutig zuzuordnen. Daraus entsteht mein Dilemma, was dich offenbar sogar noch mehr stört als mich.

Ich habe sogar ein Metaprinzip: nämlich - du wirst es erraten - das Christentum. Welches allerdings immernochnicht weiterhilft.

Vielleicht sollte ich dir einfach ein Beispiel geben:
Vielleicht ist dir das Kiva-Projekt bekannt. Es geht dabei darum, dass normale Menschen Geld über dieses Projekt an Bedürftige in der Dritten Welt oder in Schwellenländern verleihen können und nach einem Jahr zinsfrei zurückkriegen. Hintergrund ist der, dass Spenden Mist sind und nur die lokale Wirtschaft zerstören. Wichtig ist Entwicklungshilfe. Also gibt man findigen Menschen Geld und die bauen sich ein Geschäft auf. Gute Idee -> Christ will mitmachen.
Wenn man sich einließt, stellt man fest, dass das Geld von der Organisation zu Zinsen über 10% verliehen wird, einige Menschen können diesen Kredit nicht bedienen und geraten in einen Abwärtsstrudel der oft in Selbstmord endet.

Wie ist also der ganze Spaß zu bewerten? Du machst es dir einfach und sagst:
Ein Deontologe findet das Toll, weil man Menschen helfen soll.
Ein Konsequentialist findet es teilweise, weil es teilweise zu schlechten Folgen führt; weiß aber auch nicht ganz weiter, da es auch sehr positive Folgen hat.

Mir fällt es ebenfalls schwer, weil man helfen will, damit aber auch schaden kann. Da hilft kein christlich fundiertes Metaprinzip weiter, sondern nur ein künstliches philosophisches (a la soll man einen Menschen opfern um 10 zu retten?).
In dieser Diskussion läuft es für dich darauf hinaus zu entscheiden, ob das christliche WErtesystem deontologisch oder konsequentialistisch ist. Ich sage es ist irgendwo dazwischen, mit gewissen tugendethischen Anteilen.

Tut mir leid, orni, du wirst deine Schubladen zersägen müssen, damit das da reinpasst :p
 
das problem ist weniger das klassische schubladendenken als viel eher dass diese sichtweisen untereinander in direktem konflikt stehen (können)

erstmal: 1 menschen zu opfern um 10 zu retten sollte eine klassische dilemma situation sein die dein moralsystem zu lösen vermag. und zwar sowohl auf erklärungs- als auch auf rechtfertigungsebene.

des weiteren ist es mir recht egal ob das christliche "system" deontologisch oder konsequentialistisch ist - worauf es ankommt ist dass es höchst problematisch ist, und das schon alleine nur für sich (geschweige denn meta-ethisch)

lass mich dir ein beispiel geben:

stell dir vor du stehst vor einer handlung mit 3 handlungsalternativen: A, B, C

da deine moral zumindest teilweise autoritativ argumentiert ist (nebenbei ist dies ein logischer fehlschluss) und in einer von dir vertretenen bibelpassage nun drin steht dass A verboten sei, oder der theologe deines vertrauens dir das sagt.

so - nun ist es allerdings so das A in der situation deiner intuition zu folge moralisch deutlich besser ist als B, obgleich es gegen das eben genannte prinzip ja verstoßen würde so zu handeln. du würdest nun aber wohlmöglich entweder ein anderes prinzip aus einer anderen stelle anwenden (welches dann das vorherige entkräftet), hast dann allerdings das problem das du ein wiederum weiteres prinzip brauchst um zu entscheiden wann welches prinzip über das andere zu setzen ist.
die andere möglichkeit wäre es zu sagen, dass A zu deutlich besseren folgen führt als B (wie diese Folgen nun als "besser" evaluiert werden ist auch noch nen großes thema). allerdings brauchst du halt trotzdem nen prinzip mit dem du entscheiden kannst wann du nun auf die folgen schaust und wann auf die deontoligschen anweisungen.

handlung C dagegen ist für dich intuitiv völlig abzulehnen ... allerdings findet sich (wie so oft) eine bibelstelle die genau das von dir fordert (und daher auch in konflikt zu A steht). nun brauchst du abermals einen grund eines von beiden zu verwerfen. du würdest vielleicht irgendwie so argumentieren zu sagen, dass diese bibelstelle deinem glauben gemäß "nicht relevant" ist, beispielsweise weil das christliche lager dem du angehörst sie kategorisch ablehnt.
der andere weg wäre es zu sagen dass es nicht deinem persönlichen charakter entspricht, gewissermaßen deiner "überzeugung" oder "tugend", wenn du handlung C wählen würdest. allerdings hast du auch hier das problem zu entscheiden wann nun deine tugend deine anderen moralwert quellen dominiert.

jetzt damit argumentieren zu wollen dass es doch sicher in deinem christlichen moralsystem für alles irgendwelche meta-prinzipien gäbe ist ziemlich unplausibel. denn diese müssten dann recht allgemein gehalten sein - was sie allerdings in ihrer anwendung nahezu ad absurdum führt, da eben situative und externe faktoren für die wirklich knackigen dillemata verantwortlich sind.

kurz:

es geht nicht darum dich irgendwo einzuordnen - sondern dir aufzuzeigen dass es zwischen den schubladen nunmal bei genauer betrachtung keinen platz gibt.
selbstverständlich kannst du dir auch deine eigene "schublade" zusammenbasteln und dich in der bequem machen - allerdings muss diese dann auch als system vollständig sein und probleme der obrigen art lösen können (sowie zahlreiche andere die in der ethik diskutiert werden)

vielleicht hast du allerdings auch gar nicht erst den anspruch an deine moral dass diese ein vollständiges system darstellt und somit für jegliche handlungssituation anwendbar ist (bzw. zu einer "lösung" führt). sodass du schlussendlich in gewissen situationen irgendwelche anderen prinzipien zu hand nimmst (zum beispiel willkür).
sollte dies der fall sein so stellen wir uns unter moral was ziemlich anderes vor. ich werde mal einfach ein paar der notwendigen bedingungen die ich an ein moralsystem stelle auflisten:

  • (erklärungsebene) muss eine erklärung liefern können warum man eine gewisse handlungsalternative wählt
  • (rechtfertigungsebene) muss eine rechtfertigung liefern können warum dies die "richtige" handlung ist
  • (rationalität) muss rational sein
  • (metaphysische plausibilität) muss in ihren metaphysischen annahmen (subjektiv) plausibel sein
  • (vollständigkeit) muss in der lage sein auf jede handlungsalternativenmenge anwendbar zu sein
  • (logische korrektheit) (folgt aus rationalität) darf keine logischen widersprüche enthalten

ich halte alle genannten bedingungen für plausibel und ich glaube (hoffe) du stimmst da überein.

so wie ich deine moral allerdings verstehe erfüllt sie diese bedingungen nicht vollständig - und das ist was ich dir aufzuzeigen versuche.


/edit:

bezüglich:
Ein Konsequentialist findet es teilweise, weil es teilweise zu schlechten Folgen führt; weiß aber auch nicht ganz weiter, da es auch sehr positive Folgen hat.
genau das ist nicht der fall - da der konsequentialismus in nahezu allen geschmacksrichtungen eben formal exakt darlegt wie dies aufzulösen sein - und so auch genau zeigt welche handlungsalternative nun zu wählen ist.
ob dies praktikabel ist (zum beispiel aufgrund zeitaufwand) steht auf einem völlig anderen blatt
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, orni, du machst es mir zu einfach.

Du hängst da einem Klischee hinterher, dass ich trotz intensivem Nachdenken geraden nicht bestätigen kann. Es ist tatsächlich nicht so, dass sich Bibelstellen mit konkreten Geboten oder Verboten widersprechen. Was oft missverstanden wird ist, etwa, die Wirksamkeit der Gebote - weil die Bibelstelle zum beispiel aus dem erklärenden Kontext gerissen wird - oder die Hirarchie in der Anweisungen. Etwa wenn Jünger Jesu in den apostolischen Briefen plötzlich Gesetze außer Kraft setzen oder abändern oder ergänzen (z.B. Beschneidung). Es wird oft auch nicht beachtet, dass die, auf das Individuum selbst bezogenen, deutlich strengeren Gesetze im NT eine Verschärfung vieler AT Gesetze darstellen.
Widersprüche fallen mir eigentlich nur bei den geschichtlichen Teilen auf (zwei SChöpfungserzählungen).

Das Einzige worüber man vielleicht streiten könnte ist die Vollständigkeit.
 
also teilst du die von mir genannten notwendigen bedingungen an ein moralsystem?

dann lass uns die doch mal stück für stück durchgehen:

  • (erklärungsebene) muss eine erklärung liefern können warum man eine gewisse handlungsalternative wählt

hier werfe ich dir hauptsächlich das vor was ich im letzten beitrag thematisiert habe. mir scheint es als gäbe es eine signifikante willkür-komponente in deiner ethik (und vermutlich auch in derer der meisten christen), da du trotz des zulassens verschiedener moralwertquellen keine plausiblen meta-prinzipien aufbringst

  • (rechtfertigungsebene) muss eine rechtfertigung liefern können warum dies die "richtige" handlung ist

du weist ja selbst darauf hin dass die verschiedenen grundlagen (i.d.R. bibelstellen) deiner christlichen moral durch deren kontext und gesamteinbettung ihren "echten" sinn erhalten.
dies scheint mir jedoch ein ziemlich problematischer prozess zu sein - schließlich erfordert es zum einen eine hohe interpretationsleistung (wodurch theologen immerhin einiges zu tun haben) und zum anderen allerdings auch eine hohe abstraktionsleistung: es ist nicht zwangsläufig offensichtlich dass eine bibelstelle die sich auf ein moralisches gebot im rahmen der damals geltenden sozialen normen bezog sich auch noch heute entsprechend auswirkt - möglicherweise (bzw. sogar wahrscheinlich) gilt sie nämlich in ihrer damaligen form nicht mehr. allerdings versuchen christen (meines verständnisses nach) ja die dahintersteckende bedeutung/intuition zu erfassen und die anweisung entsprechend umzuwandeln, sodass ihr "gottgegebener sinn" erhalten bleibt und sie auch heutztage anwendbar bleibt. das alles steht aber auf mehr als wackeligen beinen (aufgrund hoher interpretation/abstraktion).

das wirkliche problem auf der rechtfertigungsebene ist allerdings das selbe der meisten religionen: die wahrheitsquelle der rechtfertigungsquelle.
gemeint ist damit dass man natürlich gott und die bibel vorn anstellen kann, allerdings verpflichtet einen dies auf der rechtfertigungsebene auch dazu darzulegen warum dies "das richtige" sei; woher also gott und die bibel ihre autorität erhalten? (abgesehen davon das ein autoritätsargument einen klassischen logischen fehlschluss darstellt).

  1. (rationalität) muss rational sein
  2. (logische korrektheit) (folgt aus rationalität) darf keine logischen widersprüche enthalten

siehe letzten absatz - religiöse argumentationen sind stets von logischen widersprüchen/fehlschlüssen durchzogen.
wenn du hier wirklich klare beispiele brauchst kann ich dir gerne welche nennen - allerdings würde ich die dann auch formal logisch darlegen (und die mühe will ich mir nicht machen sofern es nicht notwendig ist)

  • (metaphysische plausibilität) muss in ihren metaphysischen annahmen (subjektiv) plausibel sein

wenn für dich die existenz eines omnipotenten wesens sowie so etwas wie seelen und "leben nach dem tot" plausibel klingt - nun gut, subjektiv kann ich dagegen natürlich nichts aufbringen. (außer die üblichen plausibilitätsargumente hoch und runter zu reden, siehe z.B. "the god delusion", trotz dessen das das buch seine macken hat ist es dennoch eine der besten darlegungen dieser thematik die ich bisher gelesen habe)

  • (vollständigkeit) muss in der lage sein auf jede handlungsalternativenmenge anwendbar zu sein

auch den punkt habe ich schon erörtert und du scheinst mir ja auch zuzustimmen
 
Ich weiß ja nicht ...
Irgendwie reden wir entweder über dasselbe oder wir verstehen uns gegenseitig nicht.

Wie oben dargelegt finde ich spontan keine Widersprüche in dem Gesetzeswerk. Von daher wäre es wohl nicht schlecht konkrete Beispiele für alles, was dir an meinem Moralsystem nicht gefällt, zu hören. Allerdings müsstest du für diesen Beispielen die Prämisse von der Existenz Gottes oder zumindest von der allgemeinen Gültigkeit dieser Gesetze für den gläubigen Menschen akzeptieren. Argumente wie: "Es kommt eh nicht von Gott und hat daher keine Gültigkeit" können da nicht gelten.

Ich will aber noch zwei Dinge anmerken:
Erstens bist du in der luxoriösen Situation, dass du dir offenbar tiefe Gedanken darüber gemacht hast, während ich schlicht und ergreifend versuche nach den gegebenen Regeln zu leben ohne mir groß Gedanken über die philosophische Einordnung zu machen.

Zweitens verstehe ich nicht, wie ich in die Position geraten bin mich rechtfertigen zu müssen. Du verlangst von mir eine philosophische Begründung und katalogisierung, die ich dir nicht geben kann, weil ich nicht gebildet genug bin. Abseits dessen behaupte ich einfach, dass meine Wertegrundlagen nicht in dein, von mir als äußerst künstlich empfundenes System, passen werden.
 
Auch Telepolis-Redakteur Florian Rötzer beschäftigt sich gerade mit der Frage über die Folgen des Einsatzes autonomen Waffensystemen, wobei er sich auf einen Bericht von Human Rights Watch bezieht. Da der Artikel im Grunde unsere Diskussion in diesem Thread widerspiegelt (wobei die Position von HRW in etwa meiner Haltung entspricht, während Florian Rötzer eher im Sinne von xrayn oder LX argumentiert), dachte ich mir ich stelle den Link mal hier rein: Werden Kriege durch autonome Waffensysteme schrecklicher? | Telepolis

Btw: Ist es nicht schön zu sehen wie dem HaBo thematisch alle hinterherhinken? Wir haben die Diskussion immerhin schon vor Wochen begonnen...:D
 
Zweitens verstehe ich nicht, wie ich in die Position geraten bin mich rechtfertigen zu müssen. Du verlangst von mir eine philosophische Begründung und katalogisierung, die ich dir nicht geben kann, weil ich nicht gebildet genug bin. Abseits dessen behaupte ich einfach, dass meine Wertegrundlagen nicht in dein, von mir als äußerst künstlich empfundenes System, passen werden.

Das ist ja gerade der Trick: Man wird einem methodischen/didaktischen Formalismus unterworfen in dem die "Quelle" völlig aussen vor bleibt. In der Hoffnung uns dann mit "Logos" infiziert (oder dressiert) zu haben, sollen wir erkennen was für ein Mumpitz der Glaube eigentlich ist :)

Insofern sind Ornys Postings durchaus die Gedanken Wert: Wir leben als Christen in einer harten Zeit und Ignoranz ist nicht gewollt - sondern Erkenntnis. Es ist also vielmehr unsere Pflicht uns auf solche Gedanken einzulassen und den eigenen Glauben immer wieder auf den Prüfstand zu heben. Das war schon immer ein Problem: Der Glaube mit Scheuklappen ist nicht nur unerfüllt, sondern auch gefährlich und das muss überwunden werden.
 
@Tarantoga: Mensch, jetzt lenk doch nicht vom Thema ab :p

@Chromatin: Christentum hat doch nichts mit Ignoranz zu tun :(
Allerdings geht es Orni, denke ich, nicht um Glauben oder Christentum. Vielmehr scheint es sein Ziel zu sein ein Wertesystem abseits davon zu etablieren. Ich nenne das Nihilismus.
 
@Chromatin: Christentum hat doch nichts mit Ignoranz zu tun
Allerdings geht es Orni, denke ich, nicht um Glauben oder Christentum. Vielmehr scheint es sein Ziel zu sein ein Wertesystem abseits davon zu etablieren. Ich nenne das Nihilismus.

Ich meinte die Ignoranz der Christen, wenn er mit weltlichkeit konfrontiert wird. Nehmen wir zB. wissenschaftliche Erkenntnisse zur allen möglichen Dingen. Ein ignoranter Christ dreht sich um und ignoriert es und beruft sich auf einen starken Glauben. Manch einer wendet sich dem Kreationismus zu.

Allerdings ist das keine Stärke, sondern Ignoranz und ich glaube dass ist einer der Gründe warum sich die Leute vermehrt aus den Kirchen (nicht aus dem Glauben) zurückziehen.

Ein "mutiger" Christ nimmt die Herausforderung an und lässt sich besonders auf die Naturwissenschaften ein. Es ist demnach leicht, sich einfach wegzudrehen anstatt den (eigenen) Glauben wirklich zu verteidigen. Schliesslich geht es nicht nur um die Gefahr enttäuscht zu werden, sondern auch um die Chance, dem gegenüber Aspekte des Glaubens nahezubringen. Und sowas muss von einem Glauben ausgehalten werden können und es gibt viele viele Christen, die sich genau damit beschäftigen.

Ich denke also die Christen müssen wieder zurück zur christlichen Philosophie, zum DENKEN und auf den Weg der Erkenntnis - Traditionen und Liturgie mit dem modernen Leben in Einklang bringen. Das ist das Feuer, durch das wir müssen - unter intensiver Auseinandersetzung mit den ganzen Realisten den Glauben wahren (und ihn stählen) ;)

Und ich denke Orny wendet das frisch erlernte einfach praktisch an :D
 
Christentum hat doch nichts mit Ignoranz zu tun :(
Allerdings geht es Orni, denke ich, nicht um Glauben oder Christentum. Vielmehr scheint es sein Ziel zu sein ein Wertesystem abseits davon zu etablieren. Ich nenne das Nihilismus.

ich fürchte du hast entweder nihilismus oder meine position nicht wirklich verstanden, beide sind nämlich ziemlich inkompatibel zu einander

zudem ist nihilismus ein sehr vager und schlichtweg unpraktischer begriff - weswegen er in der philosophie meist lediglich in drei aufspaltungen anwendung findet (wenn überhaupt)

was ich behandelt habe hat nichts damit zu tun - es ist weder metaphysischer nihilismus (darüber haben wir überhaupt nicht geredet), noch logischer nihilismus (auch darüber haben wir nicht geredet) und auch nicht ethischer nihilismus (den ich sowie die meisten atheisten strikt ablehnen)

der vowurf des nihilismus ist etwas das (besonders konservative) christen oft gegen atheisten und säkularisten gerne hervorbringen - jedoch keinerlei argumentationsgrundlage dafür besitzen

und zum ersten satz:
Christentum hat doch nichts mit Ignoranz zu tun :(

ich wünschte das wäre so. allerdings zeichnet erstens die geschichte ein sehr anderes bild (was mich allerdings eher weniger interessiert da ich mich der analytischen philosophie angehörig fühle) und zum anderen sind zahlreiche christliche argumentationen und werte nunmal ignorant fundiert.

als einfaches beispiel dient schon die erwähnte rechtfertigungsargumentation des christlichen glaubens - also warum es das richtige sei gott, der bibel, etc. überhaupt zu folgen.

in nahezu allen fällen bekommt man von christen nunmal logische fehlschlüsse und scheinargumente erwidert. und zwar die gesamte palette: argumentum ad populum (beweise durch's volk), autoritätsargumente, slippery slope argumente, cherry picking der fakten, tu quoque erwiderungen, emotionsargumente, beweis-bringeschuld-fehlern oder auch einfach nur argumentum ad hominem.

allesamt zeugen nunmal von tiefgreifender ignoranz.

sicher ist diese ignoranz häufig nicht nur einseitig - aber das mildert die ignoranz religiöser argumentationen in keinster weise.

ich habe absolut nichts gegen christen (oder andere glaubensarten) die rational sind (und die entsprechenden implikationen teilen) - allerdings wird das eis für rationalen glauben ziemlich dünn

was ich jedoch ziemlich verstörend finde sind glaubenssysteme die entweder schlichtweg nicht konsequent zu ende gedacht (pragmatik) werden (wordurch sich logische fehlschlüsse aufdecken ließen) und/oder die nicht rational sind (wodurch das aufdecken dieser logischen fehlschlüsse auch zum verwerfen entsprechender prämissen bzw. ändern des systems führen würden)
 
Hmm. Eine Rechtfertigungsargumentation wird aber in der Regel von Atheisten initiiert, die (religiös) Gläubigen Irrationalität oder Ähnliches vorwerfen.

Ich wüsste nicht, wie man einen Glauben rechtfertigen könnte. Zumindest nicht mit Mitteln, die nicht aus dem Glauben selbst heraus entstehen.
Dein ganzer Ansatz den Glauben rational, pragamatisch, philosophisch erklären oder gar rechtfertigen zu lassen ist doch arg Problematisch. Glauben und Religion ist keine Wissenschaft, ist in erster Linie nicht das, was du unter rational verstehst und ist, nach meiner festen Überzeugung, nicht durch nachdenken entstanden.
Ich wüsste auch nicht, warum man Glauben überhaupt begründen müsste, es sei denn zu Missionszwecken.

Du sprichst von der Fundierung christlicher Werte. Nennst es ignorant. Wahrscheinlich meinst du eher irrational. Ein Christ nach meinem Verständnis fundiert seine Werte auf seinem Glauben an seinen liebenden Schöpfer. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun.

Du wirfst Christen Ignoranz gegenüber, und nicht-Anwendung vor, philosophischer Anschauung vor. Und zumindest bei mir hast du da auch durchaus Recht. Aber das ist doch nur zu Selbstverständlich, wenn du bedenkst, dass ethische und metaphysische Philosophie eher Gegenkonzepte zur Religion sind.

Das Grundlegende Problem bei solchen Diskussionen sind die Prämissen beider Seiten. Meine Prämisse lautet: Es gibt einen liebenden Gott und er hat mir bestimmte Regeln für ein gutes Leben gegeben.
Deine Prämisse ist vermutlich: Vernunft ist alles. Und alles abseits der Vernunft hat sich dieser unterzuordnen.
Genauso, wie meine Prämisse dir lächerlich, kindisch, naiv vorkommen mag, genauso kann ich mir nicht anmaßen, dass ich meine Vernunft über Fragen des Glaubens stellen kann. Ein Glaubenssystem kann nicht rational sein, sonst wäre es kein GLAUBENSsystem mehr.

Ich persönlich bin bisher immer kläglich darin gescheitert den ständigen Streit zwischen Wissenschaft und Religion und verstehen. Genauso scheitere ich grad daran zu begreifen, warum du deine philosophischen Konzepte auf meinen Glauben anwenden willst. Für mich schlossen sich Wissenschaft und Religion niemals aus, sondern gehörten schlicht unterschiedlichen Bereichen des Lebens an, die sich gegenseitig nicht tangierten. Die moderne Beweihräucherung der Vernunft erscheint mir persönlich immer als arrogante, maßlose Selbstüberschätzung.


Was den Nihilismus-Begriff angeht: Stimmt. Leider muss ich eingestehen, dass ich ihn, aus Gewohnheit, falsch verstanden habe. Was ich meinte, war die von Nietzsche propagierte Loslösung aller Ethik und Moral vom Christentum und eine neufundierung selbiger auf säkulare Wissenschaft/Philosophie. Wenn ich mich hier nicht wieder täusche sollte das zunächst über einen ethischen Nihilismus laufen. Tut mir leid. Grober Fehler meinerseits. :)
 
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