[Buchtipp] Die globale Überwachung von Glenn Greenwald

Nach längerer Zeit hier mal wieder ein Buchtipp von mir, diesmal allerdings kein Science-Fiction Roman - auch wenn das Buch streckenweise durchaus eine Dystopie sein könnte.

Inhalt
Das Buch gliedert sich im Grunde in drei Teile, von denen der erste Teil die Entstehungsgeschichte der Snwoden-Leaks beleuchtet. Vor allem dieser Teil liest sich wie ein Spionage-Roman (als jemand der alle John le Carré Bücher gelesen hat, weiß ich wovon ich spreche ;)) und beginnt mit der ersten Kontaktaufnahme Snowdens, der sich unter dem Pseudonym Cincinnatus per E-Mail an Greenwald wendete und ihm wichtige Informationen anbot, falls dieser in der Lage wäre eine mittels PGP verschlüsselte E-Mail zu entschlüsseln. Cincinnatus kam nach erfolgloser Suche nach Greenwalds öffentlichen Schlüssel zu der korrekten Schlussfolgerung das der Journalist kein PGP verwendete. Cincinnatus erläuterte Greenwald das unverschlüsselte Kommunikation für alle Beteiligten ein Riskio wäre und belegte die Aussage direkt mit dem Beispiel von General Petraeus, dessen Karriere kein abruptes Ende genommen hätte, wenn er sich die Mühe gemacht hätte die E-Mails an seine Geliebte zu verschlüsseln. Hier wäre die Geschichte, zumindest für Greenwald, beinahe erledigt gewesen, denn obwohl es einen weiteren Austausch zwischen den beiden gab, war Greenwald zu träge um Cincinnatus Angebot sich bei der Einrichtung von PGP helfen zu lassen anzunehmen. Wochen später wendete sich dann die Dokumentarfilmerin Laura Poitras mit der Bitte um ein Treffen an Greenwald, wie sich herausstellte hatte sie Kontakt zu einem Informanten der so brisante Unterlagen der NSA in seinem Besitz hatte, dass Poitras für deren Veröffentlichung Greenwald und den Guardian ins Boot holen wollte. Erst später in Hong Kong, wo sich die Journalisten erstmals persönlich mit Snowden trafen, erfuhr Greenwald das Snowden kein anderer als Cincinnatus war. Neben diesen Anekdoten erzählt Greenwald in diesem ersten Teil auch, wie heftig der Konflikt zwischen journalistischer Entschlossenheit, juristischen Bedenken und der Furcht vor staatlichen Repressionen hinter den Kulissen geführt wurde. Beinahe hätten Snowden, Greenwald & Poitras die Unterlagen auf einer eigens geschaffenen Website veröffentlicht, weil ihnen der Guardian zu zögerlich vorging.
Im zweiten Teil beschäftigt sich Greenwald mit dem Inhalt der Dokumente, fasst noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und zeigt auch immer wieder Auszüge aus den Originalunterlagen - wer die Berichterstattung der letzten Monate auch nur halbwegs aufmerksam verfolgt hat, wird hier jedoch nichts neues erfahren.
Deutlich interessanter ist dann wieder der letzte Teil, in dem sich Greenwald zunächst ganz allgemein mit Massenübewachung und deren Folgen beschäftigt und schließlich ziemlich konkret auf die Erosion von Rechtstaatlichkeit, Bürgerrechten und Pressefreiheit eingeht. Gerade dieser letzte Teil liegt einem schwer im Magen, denn Greenwald beleuchtet hier nicht nur die staatlichen Strategien zur Diffamierung von Whistleblowern und zur Kriminalisierung von Journalisten die geheimes Material veröffentlichen - er zeigt auch anschaulich das hierbei viele Jounalisten willfährige Komplizen des repressiven Staates sind. Gerade das letzte Kapitel Die vierte Gewalt ist eine Abrechnung mit dem Journalismus der Gegenwart und man merkt deutlich das Greenwald sich hier nicht nur Frust, sondern auch ehrliches Entsetzen von der Seele schreibt.

Fazit
Ich fand die Lektüre des Buches kurzweilig, erhellend, spannend und auch erschreckend. Greenwald hat einen erfrischend einfachen Schreibstil und versucht weder besonders intellektuell zu wirken, noch erliegt der Jurist der Versuchung in den Tonfall eines ausufernden Plädoyers zu verfallen. Gerade der erste Teil ist kurzweilig, spannend und voller Selbstironie. Die volle Wucht entfaltet das Buch jedoch imho im letzten Teil, wo Greenwald nicht nur die Unvereinbarkeit von anlaßloser Massenüberwachung mit demokratischen Grundrechten offen legt, sondern auch beleuchtet wie eng die Verflechtung von etablierten Medien und Staatsmacht mittlerweile geworden ist und wie sehr sich die journalistische Kultur (aber auch der staatliche Umgang mit dem Thema Pressefreiheit) in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Über den Autor
Glenn Greenwald ist Journalist, Blogger, Autor und Jurist und lebt in Rio de Janeiro. Der Amerikaner arbeitete zunächst als Rechtsanwalt und befasste sich vor allem mit Fällen bezüglich Bürger- und Verfassungsrechten. 2005 beendete er seine anwaltliche Tätigkeit und konzentrierte sich auf politische Berichterstattung - nach eigenen Angaben weil er sich vom Schreiben mehr Einfluss auf die Welt erhoffte und ihn die Tätigkeit als Prozessanwalt mittlerweile langweilte. Weltberühmt wurde Greenwald durch die Veröffentlichung der NSA Dokumente, die ihm der Whistleblower Edward Snowden zugänglich machte.

Die globale Überwachung
Glenn Greenwald
ISBN 978-3-426-27635-8
 
Ich habe mir das englischsprachige 'Original' gekauft. Bis jetzt bin ich noch im ersten Teil, da ich gerade studientechnisch nicht so viel Zeit habe. Wäre das Studium nicht so wichtig, hätte ich das Buch definitiv schon durchgelesen. Wie Tarantoga geschrieben hat, könnte man meinen, der erste Teil sei aus einem Spionagethriller entnommen. Er ist spannend und einfach geschrieben, ich habe teilweise mitgefiebert, was als nächstes passiert.

Ich finde das Buch gut geschrieben und sehr informativ. Es ist auch in der englischen Fassung sehr angenehm zu lesen.

mfg
justj
 
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