[TdW 65] Die AfD - echte Alternative oder Piraten-Klon für Spießer?

Diesmal beschäftigt sich das TdW mit der AfD, die just am heutigen Tag ihren offiziellen Gründungsparteitag begeht. Die AfD betrachtet sich als echte Alternative für konservative Wähler und hat dieses Motto auch direkt zum Namen gemacht: AfD = Alternative für Deutschland.
So wie Kritiker den Piraten stets vorhalten, sich nur für ihr Lieblingsthema Internet zu interessieren und höchstens von netzpolitischen Themen Ahnung zu haben, so attestieren Kritiker der AfD sich nur auf ihr Reizthema Euro zu fokussieren. Tatsächlich ist die geordnete Auflösung des Euro-Raums bislang die einzige bekannte zentrale Forderung der Partei, weitere Ziele sind ein vereinfachtes Steuerrecht und der Schutz der Bevölkerung vor den Folgen der Energiewende.
Während die Piraten überdurchschnittlich viele Netizens anziehen, scheint die AfD einen besonderen Reiz auf Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsvertreter auszuüben. So gilt es als sicher, dass der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke zum ersten Vorsitzenden gewählt wird und der von schwarz-gelb enttäuschte frühere BDI-Präsident Olaf Henkel dürfte zu den prominentesten Unterstützern der noch jungen Partei zählen.
Interessant ist in jedem Fall der Zeitpunkt der Parteigründung: So kurz vor der Wahl und in immer noch durch die Banken- & Eurokrise geprägten Zeiten, könnte diese konservative Alternativ-Partei der Union und der FDP tatsächlich gefährlich werden und ihnen möglicherweise für eine Mehrheit wichtige Stimmanteile abspenstig machen.
Für viele konservativ positionierte Kritiker ist die AfD daher auch nur ein Sargnagel für Schwarz-Gelb, der eine Große Koalition erforderlich machen könnte - oder gar ein Steigbügelhalter für Rot-Grün.
Andere Kritiker sehen in der Sehnsucht der AfD nach der D-Mark einen Beweis dafür, dass es sich um eine Partei ewig gestriger handelt und argwöhnen gar es mit Rechtspopulisten zu tun zu haben.
Grund genug für das TdW zu fragen: Ist die AfD eine echte Alternative für Deutschland oder ein Piraten-Strohfeuer für Konservative?
 
Kritik am Euro und an der EU ist sicherlich angebracht, aber die Forderungen der AfD könnten populistischer nicht sein. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Partei sich gerade jetzt bildet, d.h. in einer Zeit, in der Europa den Zusammenhalt der Staaten mehr als nötig hätte. Dass die Entwicklung zu einem Gesamt-Europa im Sinne der europäischen Idee bzw. eines europäischen Leitbilds ohne Grenzen und Völkerfreundschaft nicht nur Höhepunkte hat, war doch auch vorher klar. Daher erscheinen mir die jetzigen Fordungen zur Abschaffung des Euro (Auflösung des Euro-Raums, Kritik an der "Rettungspolitik", Schuldenschnitte, ..) eher als Farce zum Machtgewinn, gewürzt mit Meinungen von Personen mit Professorentiteln. Es gibt auch Professoren, die für die NPD stimmen.. so nebenbei. Wenn man das Wahlprogramm weiter liesst geht es dann über zur Degradierung der kompletten EU hin zu einem vollständig undemokratischen Wirtschaftsraum, der mit dem europäischen Leitbild nichts mehr zu tun haben wird (Gesetzgebung, Haushaltspolitik, Abbau von Bürokratie in der EU, Abschaffung des europäischen Parlaments).

Schaut man weiter im Wahlprogramm wird es immer allgemeiner und kaum noch von links und rechts unterscheidbar: Volksabstimmungen, direkte Demokratie, Meinungsfreiheit, Volk hier, Volk da, bla bla bla. In Hinblick auf Finanzen siehts genauso mau aus: Da wird dann mal die Einhaltung der (für die Volkswirtschaft mMn gefährliche) Schuldenbremse gefordert, oder die allseits immer willkommene Vereinfachung des Steuerrechts. Im Bereich Familie wird dann noch gefordert, dass Deutschland kinder- und familienfreundlicher werden muss. Konkrete Vorschläge dafür gibt es nicht. Einheitliche Bildungsstandards, Aussagen wie "Nichts ist wichtiger als die Bildung unserer Kinder" und eine Reformation des Universitätssystems, natürlich wieder ohne konkrete Voschläge, bestimmen die Bildungspolitik. Dann noch ein bisschen was zur Energiepolitik/EEG (das freut Hans-Günther Appel..) und Integration gut-qualifizierter Ausländer. Natürlich muss man dann noch anmerken, dass nur "ernsthaft" politisch verfolgte Asylsuchende in Deutschland aufgenommen werden sollten. Typisch konservativ.

Allein am Wahlprogramm sieht man leicht, dass die Partei ihre Macht auf Basis von populären und unreflektierten Meinungen aufzubauen versucht. Die Schuldenkrise ist für die meisten Menschen nicht zu verstehen, daher ist die Forderung zur Abschaffung des Euro nicht mehr als populistisches Geschwafel ohne ernsthafte Vorschläge zur Umsetzung. In Hinblick auf alle anderen Politikfelder gibt es allgemein nicht mehr als allgemeines Geschwafel.
 
Selbst wenn die Gründungsidee gut wäre (wie bei den Piraten damals), so wird die Partei schon von Leuten überrannt, die vom "beginnenden jüdischen Nationalsozialismus" reden, genau wie die Piraten von Leuten überrannt wurden, die mit den ursprünglichen Zielen in der Netzpolitik nichts zu tun haben. Der Unterschied ist, das die Piraten eine Lücke zwischen Linkspartei und Grünen geschlossen haben. Wo die AfD Wähler finden will ist mir nicht klar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich teile eure Kritik an dieser seltsamen Partei und ihren Zielen eher nicht.

Ich muss zugeben, dass ich mich nicht ernsthaft mit ihren Forderungen beschäftigt habe, aber man hört doch so einigen in Nachrichten, Talk-Shows und der heute show (aus der der Titel des Threads geklaut wurde :p).

Zurück zur D-Mark: Ich glaube mittlerweile fordern sie etwas leicht anderes. Wenn man etwas mit der Geschichte des Euro und Euroas vertraut ist, dann weiß man, dass die wirklich gute Währung "Deutsche Mark" auf dem Opferalter gelandet ist um Europa enger zusammenzuschließen und Deutschland zu einen. Kein vernünftiger deutscher Politiker hätte jemals diese starke Währung, die zeitweise sogar den Dollar als Leitwährung abzulösen drohte, abschaffen wollen. Deutschland ging es gut mit der Mark und man hatte auch noch die Entscheidungsgewalt was denn mit deren Wert, was also mit Inflation ist, wie hoch die Zinsen für Schatzbriefe und welche Preise im In- und Ausland zu zahlen sind. Sicherlich hatte jeder Politker Bauchschmerzen dabei, aber man muss nunmal Kompromisse eingehen. Dennoch bleibt es dabei: Die Abschaffung der D-Mark war grundsätzlich und absehbar schlecht für Deutschland. Demzufolge ist es eine, aus wirtschafts- und finanzpolitischer Sicht, vernünftige und gute Forderung, wenn man wieder eine unabhängige Währung will.

Euroraum aufteilen: Mittlerweile fordern sie einen geteilten Euroraum: wirtschaftlich schwache Staaten, die auch vor der Einführung des Euro hohe Zinsen gezahlt und den Segen einer schwachen Währung genossen haben, sollen eine andere Währung bekommen als starke Staaten. Auch diese Forderung ist sehr, sehr sinnvoll unter den oben genannten Einschränkungen. Warum ist Deutschland im Euro, Großbrittanien aber nicht? Beide Staaten hatten eine starke Währung, relativ niedrige Zinsen und eine vergleichsweise niedrige Inflation. Aber: Deutschland wollte was von der europäischen Gemeinschaft und musste Gegenleistungen bringen - die Briten nicht. Ein gemeinsamer Euro ohne gemeinsame Finanzpolitk, die im Übrigen auch zwangsläufig gewaltige, solidarische Transferleistungen tätigen muss, führt zu negativen Effekten. Tatsächlich sind die Effekte etwas anders als erwartet: Der Euro ist auch nach der Einführung unfassbar stark geblieben und die Zinsen niedrig. Der Verlust für Deutschland war, dank einer Absenkung der Inflation nicht vorhanden. Aber: dank niedriger Zinsen finanzierten sich nun haufenweise Länder, die vorher deutlich höhere Zinsen zu zahlen hatten auf Pump. Gleichzeitig nahm aber die Konkurrenzfähigkeit dieser Länder ab, weil der Euro DEUTLICH stärker war und ist, als die jeweiligen Landeswährungen. Ich erinnere mich noch gut, als ich meine Mickey Maus für eine oder zwei Mark gekauft habe und da immer auch der Preis in anderen Währungen draufstand. In italienischen Lira kostete sie 1000 oder 2000. Plötzlich steigen also die Preise in Spanien, Portugal, Italien und Griechenland - typische Urlaubsländer. Deshalb fahren die Menschen eben verstärkt nach Tunesien, Ägypten, Bulgarien oder in die Türkei. Entsprechend boomt dort auch der Tourismus. Wir haben also zwei sinnvolle Möglichkeiten: Geteilter Euroraum oder riesiger Transferleistungen. Letzterer Punkt ist aber nur sinnvoll, wenn auch eine gemeinsame Finanzpolitik besteht.

Bürokratieabbau und Abschaffung des EU-Parlaments: Soviel, wie der Verein zu sagen hat, kann man ihn auch glatt abschaffen. Die EU ist herzlich undemokratisch. Das Parlement ist nur zum abnicken da. Will die Kommission (die nicht gewählt wird) einen Gesetzesvorschlag durchbringen, ändert sie ihn einfach nur lang genug ab. Mag die Kommission einen Gesetzesvorschlag nicht, ändert sie ihn so ab, dass das Parlament ihn abschmettern muss. So gehen dann Vorschläge, Gegenvorschläge, Änderungen in grünen, blauen, schwarzen, gestreiften und geblümten Büchern hin und her, und bis ein Gesetz, was schonmal gut einige Monate bis zu anderthalb Jahren dauern kann, angenommen ist, wird ein halber Regenwald für die sinnlose Papierflut abgeholzt. Der gesamte Gesetzgebungsprozess ist extrem langwierig, teuer, undurchsichtig und kompliziert. Kaum ein Bürger blickt da durch oder will dort überhaupt durchblicken. Es gibt ein Parlament, eine Kommission, einen Rat der EU und einen europäischen Rat. Kein Mensch weiß, was welcher Teil eigentlich macht, welchen Teil man wie oder überhaupt wählen kann und wie die Teile miteinander verknüpft sind. Demenetsprechend geht auch kein Mensch zu den Europawahlen und nach Brüssel werden nur Politiker geschickt die sich im Heimatland unbeliebt gemacht haben. Toll.
Auch der Wirtschaftsraum ist alles andere als Demokratisch. So hat jedes größere Unternehmen, dank Lobbyismus, mehr Einfluss als ich, oder 1000 meinesgleichen zusammen, auf den Gesetzgebungsprozess.

Die aktuelle Europolitik schadet dem Frieden, Zusammenhalt und der Wirtschaftsleistung der EU: So seltsam die Forderungen der AfD auch klingen, was praktisch gemacht wird ist noch seltsamer. Da zwingt man, auf höchst undemokratischem Wege, Staaten dazu ihre Bürger in Hunger und Elend zu treiben, damit sie Geld zur Rettung, nein nicht zur Rettung des Staatshaushaltes oder der verzweifelten Bürger, sondern zur Rettung der Banken bekommen und stellt das ganze in echten Propagandafeldzügen vor der deutschen Bevölkerung als alternativlos hin. Man behauptet die Länder vor dem Bankrott zu bewahren, aber tatsächlich presst man, wie ein guter Insolvenzverwalter, soviel Geld, wie nur irgend möglich aus den Ländern raus um die Schulden bei den Banken, die sich verspekuliert haben zu begleichen. Die ganze Situation ist pervers: Im Ausland denkt man Deutschland kaufe die insolventen Länder auf, im Inland stellt man die unfassbare Steuerverschwendung als edelherzige Rettungsaḱtion dar und in Wahrheit pustet man nur endlose Mengen an Steuergeld in den Allerwertesten der Banken indem man die Schulden an die Banken auf die Schultern der solventen Staaten umschuldet.

Demzufolge sind alle mir bekannten, oder hier erwähnten Forderungen durchaus gerechtfertigt und vernünftig. Der Euro ist Murks der allen Schaden, die EU-Regierung undemokratisch und das Parlament machtlos. All das gehört dringend reformiert, da haben die Herren von der AfD schon recht.
Leider sind das aber alles Leute aus der Wirtschft oder Wirtschaftswissenschaft. Deshalb begreifen sie nicht, oder wollen nicht begreifen, warum der Euro eingeführt wurde, warum die Regierung so komplex und aufgebläht ist und warum man all diese Missstände gar nicht oder nur extrem langsam und mit viel Arbeit (und Regenwaldpapier) bessern kann.
 
Soweit ich das sehe, sind zumindest kompetente Leute dabei, die ihr spezielles Fach verstehen. Sollte die Partei bei ihren Kernaufgaben bleiben, so sehe ich gute Moeglichkeiten vor eine beachtliche Stimmenanzahl.

Die Summe der Protestwähler dürfte jedenfalls auf ihr Konto gehen, nach das mit den Piraten ja in die Hose ging.
 
xrayn hat gesagt.:
Ich würde nicht so weit wie bit gehen bzgl. Kritik an der EU, es ist jedoch schon etwas unschön wie oft Gesetze, die auf Vorgabe von Brüssel, erlassen wurden, innerhalb kürzester Zeit von Karlsruhe wieder gekippt werden. Hier lohnt es sich evtl. die Weisungsbefugnis der EU nochmal zu überdenken.
Wobei natürlich auch umgekehrt ein Schuh draus wird, denn man kann auch versuchen Gesetze, die das Bundesverfassungsgericht eigentlich abgeschmettert hat, über den Umweg Brüssel trotzdem durchzusetzen.
Wirklich erschreckend ist, wieviele Gesetze Schwarz-Gelb erlässt, die von Karlsruhe als verfassungswidrig eingestuft werden - gerade erst bekam ja zum Beispiel Innenminister Friedrich für die "Anti-Terror-Datei" mal wieder eins auf die Finger...;)
 
Hi, also meine persönliche Meinung zur der Partei ist, dass sie genau so wie die Piratenpartei nur kurz für Furore sorgen kann. Ohne hin finde ich den Hauptpunkt der Partei, also den Ausstieg aus dem Euro als nicht sinnvoll. Grüße
 
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