Deutsche Kultur - Was ist das eigentlich?

Moin,
da hier zuletzt in einigen Threads von deutscher Kultur und der Identifikation mit deutscher Kultur die Rede war, habe ich mir dazu ein paar Gedanken gemacht und versucht für mich eine Definition der "deutschen Kultur" zu finden. Ich muss sagen das ist gar nicht so leicht...:rolleyes:

Zum einen ist ein abstrakter Begriff wie Kultur per se schwer zu definieren, nach einem Blick in die Wikipedia und einigen anderen Lexikas scheint dies die allgemein akzeptierte Definition zu sein: Kultur ist alles was der Mensch gestaltend hervorbringt. Demzufolge sind Kulturleistungen formende Umgestaltungen eines gegebenen Materials wie sie etwa Handerwerk, Technik und die bildenden Künste hervorbringen - aber auch geistige Konstrukte wie Ethik, Religion, Philosophie und die juristische Gesetzgebung. Das ist schon einmal ein ziemlich weites Feld, hm?
Noch komplizierter wird es wenn man Kultur mit dem ebenfalls abstrakten Konzept eines Nationalstaats verbindet, denn praktisch kein Staat dieser Erde ist ein homogenes Gebilde, auf Deutschland bezogen dürfte ein Ostfriese deutsche Kultur ganz anders definieren als etwa ein Bayer - den beide entstammen einem gänzlich anderen Umfeld und einer Gesellschaft mit ganz anderen Bedürfnissen & Traditionen. Im Falle unseres Staates kommt erschwerend hinzu das dieses Konstrukt alles andere als konsistent war und im Laufe der Zeit einem steten Wandel unterworfen war - vor allem in den letzten 200 Jahren waren Land, Gesellschaft, Regierungsform & Kultur immer wieder von starken Umwälzungen betroffen.
Von welcher deutschen Kultur reden wir also? Von der Kultur des wiedervereinten Deutschlands, das in seiner jetzigen Form gerade einmal seit 20 Jahren existiert und erst damit begonnen hat eine neue Identität und Tradition zu entwickeln? Von der Kultur des Nachkriegsdeutschlands die immerhin 45 Jahre, von 1945 bis 1990, bestand hatte, aber die sich in die unterschiedlichen Kulturen der BRD und der DDR aufspaltete? Oder gar die Kultur des Terrors der Nazi-Herrschaft, die dunklen 12 Jahre von 1933 bis 1945, die geprägt waren von Totalitarismus, Rassenwahn, Herrenrassen-Ideologie, Krieg & Völkermord? Oder doch die Kultur der Weimarer Republik, des ersten ernsthaften demokratischen Gehversuchs der Deutschen, der lediglich die Zeit von 1918 bis 1933 überdauerte? Oder das von Preußen dominierte deutsche Kaiserreich, tatsächlich das erste Mal das ein Deutschland als politische Einheit existierte - das aber auch lediglich 47 jahre, von 1871 bis 1918, bestand hatte... Oder die Kulturen der verschiedenen deutschen Fürstentümer und Länder aus der Zeit von Restauration und Reaktion, also etwa von 1815 bis 1871, die sich allenfalls in wechselnden Koalitionen und Bünden zusammenschlossen? Oder die Kultur aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, von 1792 bis 1815, in deren Rahmen die Eliten übrigens zum ersten Mal versuchten so etwas wie deutschen Nationalstolz und Zusammenghörigkeitsgefühl zu wecken - als nützliches Werkzeug um die Bürger der verschiedenen deutschen Staaten dazu zu bringen vereint gegen die Franzosen zu kämpfen... Oder doch die Kultur des Heiligen Römischen Reiches, das aus dem Ostfränkischen Reich hervorgegangen war und etwa seit dem 10. Jahrhundert bis zum jahr 1806 existierte. Ein beeindruckend langer Zeitraum. Allerdings war das Heilige Römische Reich von Beginn an ein Vielvölkerstaat, indem die Deutschen lediglich die größe Bevölkerungsgruppe waren - so gesehen ist MultiKulti eine der ältesten und wichtigsten deutschen Traditionen überhaupt... Tja, was also ist deutsche Kultur?
Ich muss gestehen ich weiss es nicht. Ich vermute jeder definiert deutsche Kultur anders und das auch völlig zurecht. Kultur ist nicht erstarrt und unbeweglich, sie pulsiert und ist ständig im Wandel - wäre das anders wäre sie tot... Wenn ich persönlich an deutsche Kultur denke kommt mir direkt der alte Spruch vom Volk der Dichter und Denker in den Sinn. Ich finde im Laufe der Zeit haben wir viele großartige Dichter, Schriftsteller, Musiker aber auch Philosophen, Erfinder und Wissenschaftler hervorgebracht und das ist etwas mit dem ich mich identifizieren kann und auf das ich auch stolz sein kann. Meiner Meinung nach ist deutsche Kultur also nichts was dazu dienen kann andere auszugrenzen oder auf andere herabzublicken - sie ist unser Geschenk an die Menscheit, unser Beitrag zur Weltkultur...

Und wie definierst Du deutsche Kultur?
 
IMO erfolgt diese Abgrenzung auf Grund der gleichbedeutenden (kennt einer das Adjektiv zu Synonym) Verwendung von Kultur mit Lebensgewohnheiten/Gesetze/Regeln/Sprache.

Sicher sind diese auch ein Teil der Kultur, aber wenn ein Abgrenzungskriterium gesucht wird, wird natürlich immer jenes gesucht, welches am offensichtlichsten ist.
Ergo Sprache und Lebensgewohnheiten, da diese bei z. B. Zugewanderten als erstes auffallen.
Das DE z. B. sehr eigen ist was das Regulative angeht (Amtsdeutsch/-prozesse) und sich seiner Sprache angeblich sehr bewusst ist (5 Minuten Fernsehen sollten diese Aussage eigentlich widerlegen, aber das scheint den meisten egal zu sein) ist bekannt und wird auch pauschal als positive Abgrenzung hervorgehoben.

Ergo hat der Culture-Clash, wenn man sich deiner o. gegebenen Definition anschließt nur bedingt etwas mit Kultur zu tun - eher mit fadenscheinigen Argumenten zur gewollten Abgrenzung.

Wenn man es gewollt auf die unterste Ebene der Definition herunter bricht, ist jeder Mensch seine eigene Form von Kultur - dies ist auch die Beschreibung des Begriffes, die mir am besten gefällt.

lG
 
(kennt einer das Adjektiv zu Synonym
Schreib es einfach klein bzw. je nach Verwendung im Satz mit Endung e oder es.

Kultur ist nichts nationales, sondern in erster Linie Einzelleistungen.
Hieraus folgen zwar regionale und überregionale Nachahmereffekte oder Anerkennung,
diese sind aber eher Moden auf keinen Fall nationale Kultur.
Welcher Nation willst du zum Beispiel einen englischsprachigen Rap, der von
einem Türken in Berlin geschrieben wurde national zuordnen?

Gruss
 
Zuletzt bearbeitet:
Da es hier nicht um Kultur im eigenen Sinne geht, sondern im Zusammenhang von Integration verwendet wird - ich gehe davon aus, dass eine Definition der dt. Kultur hier auch nur in dem Zusammenhang gefragt ist. Man sollte nicht so sehr von Kultur, als von Eigenarten sprechen. Wer diese nicht auf den ersten Blick erkennt, sollte eine Zeit ins Ausland gehen um die Unterschiede schneller festzustellen, von daher typisch Deutsch ist:

  • Bürokratie
  • respektvoller/zurückhaltender Umgang (sobald die Menschen reifer sind)
  • Pünktlichkeit
  • Gleichbehandlung der Geschlechter
  • starke Trennung von Staat und Kirche
Ich denke, dass sind die Hauptpunkte, die sich jeder hier in Deutschland zu eigen machen sollte, wenn er in der Gesellschaft akzeptiert werden möchte. Vor 8-10 Jahren hätte ich noch Niveau dazu geschrieben, aber mittlerweile...
 
starke Trennung von Staat und Kirche
Reden wir vom selben Deutschland?
Überall wo ich hier hingehe, hat die Kirche ihre Finger im Spiel.
Sei es auf dem Einwohnermeldeamt, wo man mich nach meiner Religion fragt (who cares?), in der Schule, wo der Biologieunterricht beschnitten wird oder in verschiedenen Einrichtungen, wo man nicht eingestellt wird, weil man kein Christ ist.

Pff... Säkularisierung ist zwar angedacht, aber noch lange nicht umgesetzt.

@end4win: thx :)
 
  • Bürokratie
  • Pünktlichkeit
Ich denke, dass sind die Hauptpunkte, die sich jeder hier in Deutschland zu eigen machen sollte, wenn er in der Gesellschaft akzeptiert werden möchte. Vor 8-10 Jahren hätte ich noch Niveau dazu geschrieben, aber mittlerweile...

Upps, ich bin Ausländer :D
Ich muss mit meiner Mutter reden.

Gruss
 
Typisch Deutsch (mal ganz pragmatisch betrachtet) finde ich bspw. Deutsches Bier. (Reinheitsgebot, was einmaliges...)
 
  • Gleichbehandlung der Geschlechter
Auch hier möchte ich dir leider widersprechen. Per Gesetz mag das so sein, aber wenn man sich zu Beispiel mal die Einkommensverteilung in Deutschland anguckt, oder sich überlegt, wie viele Frauen in Führungspositionen sitzen oder wie der Verteilung zwischen Hausfrauen und Hausmännern ist, so rückt die Vorstellung der "Gleichbehandlung" in weite Ferne.
 
@Brabax, end4win, csde_rats, LaNdRiX: da seht ihr mal wie deutsch ihr seid ;) euch sind die Punkte, die ich geschrieben habe noch nicht stark genug umgesetzt. Nun geht aber mal in andere Länder (zugegebener Maßen konnte ich hauptsächlich nur europäische Länder als Vergleich nehmen), dann werdet ihr sehen, wie stark die geschriebenen Punkte hier gelten, zb Italien+Pünktlichkeit/Organisiert.

Vielleicht sollte ich die Liste um:

  • chronische Nörgler
  • reformresistent
erweitern :)
 
da hier zuletzt in einigen Threads von deutscher Kultur und der Identifikation mit deutscher Kultur die Rede war, habe ich mir dazu ein paar Gedanken gemacht und versucht für mich eine Definition der "deutschen Kultur" zu finden. Ich muss sagen das ist gar nicht so leicht...:rolleyes:
:thumb_up:

Es gab mal Zeiten da waren die deutschen bekannt fuer ihre Eloquenz, ihre Musikalitaet und der Liebe zur Dichtung. Darueber hinaus sagte man uns Erfindungsreichtum und Eifer, Hoeflichkeit und Anstand nach und wir waren generell fuer unsere gute BIldung bekannt - ueberhaupt fuer unser Bildungssystem und andere sozialstaatliche Einrichtungen.


Ich glaube heute sind eher Döner, Schulden und schlechte Frisuren typisch fuer uns. Schade eigentlich.
 
:thumb_up:

Es gab mal Zeiten da waren die deutschen bekannt fuer ihre Eloquenz, ihre Musikalitaet und der Liebe zur Dichtung. Darueber hinaus sagte man uns Erfindungsreichtum und Eifer, Hoeflichkeit und Anstand nach und wir waren generell fuer unsere gute BIldung bekannt - ueberhaupt fuer unser Bildungssystem und andere sozialstaatliche Einrichtungen.


Ich glaube heute sind eher Döner, Schulden und schlechte Frisuren typisch fuer uns. Schade eigentlich.

Wann war das?
Ich Google dir die Probleme der entsprechenden Epoche.
Wir leben hier und jetzt mit den Problemen und Künstlern unserer Zeit.
Egal ob zur Zeit Bach´s, Eichendorff´s, Wieland´s, Beethoven´s oder sonst
einem grossen Deutschen lebte man in Deutschland nicht auf einer Insel der
Glückseligkeit, ausser die Priviligierten wie Heute.

Gruss
 
Zuletzt bearbeitet:
Wann war das?
Ich Google dir die Probleme der entsprechenden Epoche.
Wir leben hier und jetzt mit den Problemen und Künstlern unserer Zeit.
Egal ob zur Zeit Bach´s, Eichendorff´s, Wieland´s, Beethoven´s oder sonst
einem grossen Deutschen lebte man in Deutschland nicht auf einer Insel der
Glückseligkeit, ausser die Priviligierten wie Heute.

Hier gings doch um Kultur - um unsere deutsche Kultur? Ich sehe keine Kulturvertreter, ausser man zaehlt dass, was gemeinhin vertreten wird, zur Kultur. Und da ueberwiegen, zumindest in meinem Sichtfeld, schlechte Frisuren, Döner und Schulden. Und natuerlich ist auch mein Sichtfeld begrenzt - Ich achte mehr auf echte Menschen von daher fehlt mir wohl die durch Medien getruebte Sicht auf die Dinge.
 
na selbst in den Medien findet man hin und wieder echte Meisterwerke,
halt mit den Mitteln unserer Zeit z.B. Film, Musikvideos Kabarett ....
und früher war auch Kunst nicht jedem zugänglich und wurde von noch Wenigern
als solche verstanden.
Das meiste war auch flache Unterhaltung durch fahrendes Volk was die
Mehrheit wollte. Viele von unseren grossen Deutschen konnten kaum
oder gar nicht ihren Lebensunterhalt mit ihrer Kunst bestreiten und wurden
erst post mortem anerkannt.
Lies mal Goethe
Nathan, der Weise -- Integrationsproblematik pur

Der Zauberlehrling -- Moderne Technik, wem darf man sie unbeaufsichtgt überlassen
......

Sie machten sich zum Teil Gedanken zu den gleichen Problemen wie wir.

Gruss
 
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Der Zeitgeist deutscher Kultur ist denke ich gepägt durch die Sprache (Deutsch, Türkisch), Werte (Hab und Gut Freunde), Religion (Ursprung taditionell Christlich, Muslimisch, Atheistisch), Bräuche (deren Wurzeln reichen bis zu den Kelten, Germanen zurück), Soziales Gefüge (z.B. Stellung der Frau in der Gesellschaft etc.), Politik (scheinbare Demokratie), Wirtschaft (ist im Umschwung war aber einmal soziale Marktwitschaft), Familie (wie ist sie strukturiert z.B.), Kunst (Musik etc), Bauwerke, Wissenschaft, Technik, Umgang mit der Natur, Bildungsniveau...

Aktuell findet ein Umschwung in einigen Bereichen statt. Nicht jeder Deutsche spricht noch Deutsch z.B. Den ersten Elternbrief erhielt ich auf Türkisch aus Versehen ;) die werden hier standartmäßig in zwei Sprachen versandt. Das war früher bestimmt nicht so. Ich kenne die aktuelle Kultur nicht, sie ist mir aber fremd und anders, wie vor 20 Jahren.
 
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