Richtiges LinuxServer Buch?

Huhu liebes Forum,

ich habe mal eine Frage an euch. Ich versuche es einmal kurz zu fassen:

Ich mache mich zurzeit selbständig (Etablierung eines eigenen Produktes bzw. einer Produktlinie). Verkauft und verpackt wird start-up typisch aus den Kellerräumen unseres Hauses. Ein späterer Umzug steht aber außer Frage.

Wir brauchen ein ERP-System (Warenwirtschaftssystem). Das ist eine Software, die auf einem Server läuft, darüber macht man soetwas wie Buchhaltung aber auch Lagerhaltung und Logistik. Es werden dort also eigentlich alle Unternehmensvorgänge abgebildet. z. B. sind dort auch Scanner integriert, die verkaufte Artikel vom Lagerbestand abziehen.

Problem: Ich kenne mich nicht mit Server-Technologien aus, bin aber IT-mäßig nicht auf den Kopf gefallen (4 Semester Wirtschaftsinformatik-Studium, allgemeines Interesse an IT) und irgendwie auch nicht bereit, hier für ein System-Haus oder einen Cloud-Anbieter zu bezahlen.

Ich kann Linux installieren und partitionieren. Es geht mir eher um das danach. Ich brauche ein Buch oder eine Webseite (gerne auch in Englisch), dass mir ein Workaround zu Linux gibt. Darunter verstehe ich eine allgemeine Einführung, wie ich mich auf einem Linux-System als Administrator zurechtfinde. Dinge die wohl unbedingt behandelt werden müssen, sind so Sachen wie Sicherheit - wie ich einen Linux Server allgemein absichere, da es sein kann das ich den irgendwann ans Netz anschließen muss, Monitoring, Backups usw. usf.

Ich habe da ja nur einen sage ich mal "sehr eingeschränkten" Anwendungsbereich. Ich muss also nicht zum Super-Linux Guru ausgebildet werden. Es soll erstmal nur alles soweit vermittelt werden, dass ich einen Linux Server einigermaßen administrieren, Datenbestände sichern und mich selbst um die Sicherheit kümmern kann. Alles andere ist eh learning by doing.

Die Frage ist nur, welches Buch/Webseite wäre da denn empfehlenswert?
 
DAS Linux-Server-Buch gibt es nicht. Jeder Server ist anders, jede Distribution weist Eigenheiten auf, die es zu beachten gilt. Daher gibt es Bücher, die sich mit den spezifischen Server-Programmen beschäftigen und mit spezifischen Distributionen. In Büchern, die sich als „umfassendes Server-Handbuch“ ausgeben, lernst du maximal die Grundlagen, aber keineswegs ausreichend um darauf Systeme eines Unternehmens aufbauen zu können, die ja dann doch erfahrungsgemäss etwas höhere Anforderungen haben als der private Rootserver.

Ein halbwegs brauchbares „All-in-One-Paket“ bekommst du aber mit einem SuSE-Linux-Paket (die Kauf-Version mit DVDs und Büchern). Zum einen ist das System relativ leicht zu konfigurieren, da es ein zentrales Konfigurationswerkzeug beinhaltet, mit dem man auch diverse Server-Komponenten wie den Webserver verwalten kann. Zum anderen sind die wichtigsten Einstellungen in diversen Büchern recht gut dokumentiert und es gibt bei Bedarf auch (kostenpflichtigen) Support vom Hersteller.

Allerdings wirst du ähnliche „Bücher“ in digitaler Form als „User Guides“ auch für fast alle anderen Distros finden:

- CentOS - CentOS-5 Documentation
- Debian - https://www.debian.org/doc/
- …

Da muss man dann einfach in den sauren Apfel beissen und sich da durchwühlen, so wie es jeder Sysadmin auch muss. Das kostet Zeit… viel Zeit. Zeit, die Unternehmer meiner Erfahrung nach nicht haben. Deswegen wenden sie sich üblicherweise an freiberufliche Sysadmins und lassen diese die Arbeit machen oder stellen sich einen Admin ein, wenn die Arbeit zur Vollzeit-Arbeit wird, weil das System immer weiter wächst.

Ich arbeite selbst aktuell in einem Versand-Unternehmen. Allein für unsere Lagerhaltung gibt es ein eigenes IT-Team. Wir beschäftigen Entwickler, die dieses System an die immer weiter wachsenden Anforderungen des Unternehmens anpassen. Ein weiteres IT-Team (Operation + Entwickler) kümmert sich um den Online-Shop. Das Sysadmin-Team nur für den Shop umfasst 4 Leute. Ok, wir haben auch allein >20 Datenbank-Server laufen, fast genau so viele Webserver und diverse Nebensysteme, aber ich hoffe dass dadurch trotzdem klar wird, was für ein technischer Aufwand dahinter steckt. Wenn dein Produkt tatsächlich ein Erfolg wird und richtig im Markt einschlägt, muss dein System ggf. sehr schnell nach oben skalieren. Ohne Sysadmin, der weiss wie man auch externe Ressourcen einbindet um das System zu erweitern oder der es innerhalb von Stunden auf eine Cloud-Plattform umziehen kann, bist du dann ziemlich aufgeschmissen. Ich glaube daher, dass du dir das etwas zu einfach vorstellst.

Man könnte dir sicherlich Bücher empfehlen. Aber dann müsste man einiges mehr zum geplanten System wissen.
- Welche Distibution willst du einsetzen? = Handbuch für diese Distro
- Welche Server-Software wird benötigt (Datenbank relational oder Key-Value-Store, Webserver, Remote-Desktop etc.)? = Handbücher für diese Software
- Wie gross soll das System werden und welches Wachstum wird erwartet? = Bücher zu Deployment-Strategien, Systemverwaltung, Skalierung etc.
- Welche Sicherheitsanforderungen wird es geben? Besteht z.B. die Gefahr der Industriespionage, weil es ein Patent-geschütztes Produkt ist? = entsprechende Bücher zu den notwendigen Sicherheitstechnologien

Meine Empfehlung daher: Such dir einen freiberuflichen Admin, der dir deinen Server am Anfang einrichtet und der von Anfang an eine Skalierbarkeit mit einplant. Kostet im Normalfall nicht die Welt und du bekommst eine wesentlich solidere Leistung, als du sie in der Kürze der Zeit erbringen könntest.

Btw. finde ich es immer wieder erstaunlich, wie Leute auf die Idee kommen, dass sie das, was Sysadmins in 2 Jahren Ausbildung lernen aus einem Buch erfahren können. Und kein Unternehmen, das halbwegs seinen Verstand einsetzt, wird einen Admin, der frisch aus der Ausbildung kommt, seine Server einrichten lassen. Denn zum Server verwalten gehört auch Erfahrung. Allein der Bereich Sicherheit füllt ganze Bücher. Du findest ganze Bücher nur zur Verwaltung einer einzelnen Webserver-Software wie Apache oder eines Datenbank-Systems wie MySQL. Wie soll es da ein Buch geben, dass diese ganzen Bücher alle umfasst?
 
Die erste Frage ist doch, was ihr für ein ERP-System habt und was das für Systemanforderungen stellt. Wenn hier schon Windows gefordert wird, was bei ERP und Standardsoftware nicht gerade unüblich ist, dann bringt dir "Linux" überhaupt nichts. Konzentriert euch aufs Geld verdienen, nicht auf den unwichtigen Teil dahinter.
 
Es gibt genug ERP-Lösungen, die auch auf Linux laufen. Die Zeiten, in denen das ein Windows-Monopol war, sind bereits seit Jahren vorbei. Mittlerweile gibt es sogar ERP-Lösungen wie Tryton, die speziell an die Anforderungen in Deutschland angepasst sind.
 
Vielen Dank für die sehr kompetente und ausführliche Antwort von dir bitmuncher. Auch dir ein Dankeschön SchwarzeBeere.

Ersteinmal möchte ich mich entschuldigen und zwei Dinge richtig stellen. Ich finde den Berufsstand des Systemadministrators sehr Ehrenwert und möchte diesen keinesfalls streitig machen oder abwerten. Ich denke das unsere Anforderung zurzeit nicht dem Niveau eines Administrators entsprechen - dazu gleich mehr - und wir haben nur ein knappes Budget. Mir ist auch klar, dass mir ein Buch nicht das vermitteln kann, was ein Administrator während der Ausbildung lernt, wo wir wieder bei dem angesprochenen Niveau wären.

Vielleicht muss ich erst einmal kurz erläutern was genau geplant ist.

Ziel ist ein solides mittelständisches Familienunternehmen, ca. 10 Personen. in dem wirklich auch nur Familie arbeitet. Wir haben eine Produktlinie, die sich nicht durch ihre Einzigartigkeit (Patent) sondern durch Ihre Qualität einen Namen machen wird. Der Ertrag ist hoch. Wir rechnen mit einer langsamen Skalierung. Nach unseren Berechnungen sind 350-500 Bestellungen täglich von Endkunden insbesondere über Amazon/Ebay zu erwarten. Um dieses Ziel zu erreichen benötigen wir rund 2 Jahre. Wenn wir Rücklagen erwirtschaftet haben, möchten wir gerne über Distributoren expandieren.

Es fängt also zunächst sehr klein an. Es sind erstmal nur wenige Bestellungen pro Tag zu erwarten. Die Käuferschicht die wir haben ist Wählerisch, sich einen Namen zu machen benötigt etwas Zeit. Wir gründen also nicht das nächste Zalando. Von daher sind auch unsere Anforderungen an den Server begrenzt, theoretisch könnten wir auch zunächst alles manuell machen, allerdings ist das meistens nervig und auf Dauer nicht praktikabel. Also:

Es muss ein ERP System laufen, womit wir unsere Buchhaltung machen und Rechnungen ausstellen können. Es muss von Anfang an eine Anbindung an Amazon und Ebay bestehen. Es wird zunächst kein Webshop laufen und es ist auch fraglich ob dieser nicht direkt (auch zwecks besserer Anbindung) ohnehin ausgelagert wird auf einem professionellen Webspace. Die Anbindung wäre dann von da aus an unser ERP. Welches ERP System läuft, wissen wir momentan noch nicht 100%ig. Aber es gibt wie Bitmuncher sagt, durchaus auch OpenSource Lösungen, z. B. OpenERP, OpenZ, Nuclos

Unser Produkt ist noch nicht fertig. Wir haben gerade die ersten Samples der ersten Fertigung erhalten. Den gewünschten Qualitätsstandard zu erreichen dauert sicherlich noch bis zum dritten Quartal dieses Jahres. Diese Zeit habe ich, um zumindest grundlegend hier in unserem Keller ein ERP System ans laufen zu kriegen, das uns zumindest etwas Automatisierung in die Abläufe bringt, damit wir eben nicht die einfachsten Dinge manuell machen müssen.

Spontan dachte ich da einfach mal mit Ubuntu zu beginnen (vll. mit dem "the offical Ubuntu Server Book"?).

Vielleicht müssen wir wirklich einen Administrator hinzuziehen, allerdings dachte ich, dass die Systeme in Zeiten von Raspberrypi & co. heute schon soweit sind, dass man so einfache grundlegende Sachen auch selber stemmen kann. Wenn es natürlich ein Großunternehmen werden würde, keine Frage - da würde ich dir zustimmen, dass es keinen Sinn machen wird sich damit selbst zu beschäftigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf jeden Fall solltest du dir zumindest mal eine Beratung von einem Admin holen, der mit ERP-Lösungen vertraut ist. Mir ist kein auf Linux basierendes ERP bekannt, das von sich aus Schnittstellen für Ebay und Amazon mitbringt. Es könnte da also ggf. etwas Entwicklungsaufwand notwendig werden.

Ubuntu ist jedenfalls das denkbar schlechteste System für Server. So zumindest meine Erfahrung. Es ist mit viel unnötigem Zeug zugemüllt und jedes unnötige Programm auf einem Server stellt eine potentielle Sicherheitslücke dar. Nimm dir lieber das Original, von dem Ubuntu ursprünglich abstammt, also Debian. Die Online-Doku ist äusserst umfangreich und sollten doch mal Probleme auftreten, gibt's ja noch das HaBo. ;)

Die Haupt-Doku von Debian hab ich ja bereits verlinkt, allerdings ist die Kategorie-Liste der Howtos auch kein schlechter Einstiegspunkt (ist auch in der Doc-Übersicht verlinkt): Categorized List of HOWTOs Ausserdem bietet Debian auch ein recht gutes Sicherheits-Manual: https://www.debian.org/doc/manuals/securing-debian-howto/

Für die eingesetzte Server-Software musst du dir dann aber entsprechende Anleitungen für diese Software nehmen.

Insgesamt hab ich persönlich mit den Online-Manuals der Distros wesentlich bessere Erfahrungen gemacht als mit Print-Büchern. Sie sind zumeist wesentlich aktueller und mit Google und den Suchbegriffen 'distroname +softwarename' findet man auch zu fast jeder Software noch extra Anleitungen, in denen der Autor oft auch auf Erfahrungen, mögliche Stolpersteine usw. eingeht, wofür in Büchern einfach der Platz fehlt.
 
Es gibt genug ERP-Lösungen, die auch auf Linux laufen. Die Zeiten, in denen das ein Windows-Monopol war, sind bereits seit Jahren vorbei. Mittlerweile gibt es sogar ERP-Lösungen wie Tryton, die speziell an die Anforderungen in Deutschland angepasst sind.

Das mag durchaus sein und will ich auch garnicht bestreiten. Man wählt nur nicht seine Anforderungen nach dem OS wählen, sondern umgekehrt. Warum sollte man Linux einsetzen, wenn man sich nicht mit Linux auskennt? Vor allem, wenn man für einen Linux-Spezialisten kein Geld ausgeben möchte/kann? Gleichzeitig ist die Zeit zur Einarbeitung in Linux aus Business-Perspektive verschenkte Zeit, in der man sich nicht mehr auf die eigentliche Wertschöpfung konzentrieren kann. Sie ist damit vielmehr schädlich fürs Unternehmen.

Mit der Einstellung, einfach zu OpenSource zu greifen, "weil es kostenlos ist", fährt man meiner Erfahrung nach gegen die Wand. Die Wahl des ERP-Systems essentiell und sollte wohl überlegt sein. Ein ERP-System wechselt man in in der Regel nicht einfach so und wenn, dann nur mit viel Aufwand. Das macht aber eine professionelle Dienstleistung (Herstellersupport mit SLAs, professionelle IT-Dienstleister, Cloud-Hosting) umso wichtiger - und ist letzten Endes einfache Risikobehandlung, denn was passiert, wenn das ERP mal nicht mehr funktioniert oder gar weiterentwickelt wird? Oder das mit eurem Wachstum nicht standhalten kann? Das z.B. zukünftige Systeme, z.B. CRMs oder ähnliches, nicht integriert? Niemand entwickelt ein ERP-System für lau, gerade nicht, wenn die Endnutzer damit Geld verdienen wollen ;)

Deswegen: Erst ein ERP-System suchen, dass euren Business-Anforderungen (!!!) entspricht. Dann die vom System gestellten Anforderungen umsetzen. Nicht umgekehrt.
 
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