[TdW 116] CETA & TTIP: Investorenschutz vs. Schutz vor Investoren

Die meisten wissen das derzeit Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA laufen - Verhandlungen die gerade in der europäischen Bevölkerung sehr kontrovers diskutiert werden. Zum einen fürchten viele durch ein solches Abkommen würden europäischen Verbraucherschutzstandards unterlaufen (Stichwort: Chlor-Hühnchen), zum anderen sehen viele den sogenannten Investorenschutz als ein großes Problem. Für gewöhnlich enthalten bilaterale Handelsabkommen Klauseln, wie bei juristischen Differenzen zwischen Wirtschaftsvertretern der einen Seite, mit der Regierung der anderen Seite zu verfahren ist. Die Wirtschaft pochte dabei vor allem auf Rechtssicherheit und argumentiert, dass sie bei einem juristischen Streit mit einer beliebigen Regierung vor Gerichten dieses Staates nicht unbedingt mit Objektivität rechnen kann. Daher enthalten Handelsabkommen in der Regel Klauseln für den sogenannten Investorenschutz, die es z. B. ermöglichen das ein Konzern eine Regierung verklagt, die schärfere Umweltauflagen verabschiedet. Verhandelt wird dann nicht vor einem nationalen Gericht, sondern vor einem geheim tagenden internationalen Schiedsgericht - die Regeln über die Zusammensetzung und die Befugnisse dieser Schiedsgerichte, werden üblicherweise in den Handelsabkommen festgelegt. Kritiker monieren das diese Handelsabkommen in Geheimverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden und das auch die Schiedsgerichte geheim tagen. Hier wird, laut Kritikern, unter Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit geradezu eine Schattenjustiz installiert und ein höchstmögliches System der Intransparenz erschaffen.
In diesem Kontext ist es interessant das die deutsche Regierung scheinbar gerade das Handelsabkommen CETA mit Kanada platzen lassen will und zwar genau wegen den Investorenschutzklauseln die in ihrer derzeitigen Form unaktzeptabel wären:
Deutsche EU-Diplomaten bestätigten am Freitag in Brüssel, dass die Bundesregierung das Abkommen mit Kanada "so, wie es jetzt verhandelt ist", nicht unterzeichnen könne. Deutschland sei zwar grundsätzlich bereit, das Abkommen im September zu paraphieren, allerdings sei das Kapitel zum rechtlichen Schutz von Investoren "problematisch" und derzeit nicht zu akzeptieren.
Quelle: Berlin lehnt Freihandelsabkommen mit Kanada vorerst ab - Wirtschaft - Süddeutsche.de
Interessant wird diese Ankündigung vor allem mit Blick auf TTIP, denn auch dort gibt es umfangreiche Klauseln für den Investorenschutz. Wenn Berlin Zugeständnisse beim Investorenschutz verweigert und daher CETA platzen sollte, müsste man konsequenterweise auch TTIP platzen lassen.
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute die Frage: Investitionsschutz oder Schutz vor Investoren - was wiegt schwerer?

Mehr zum Thema:
Berlin lehnt Freihandelsabkommen mit Kanada vorerst ab - Wirtschaft - Süddeutsche.de
Informationen zu CETA* - Attac Deutschland *- www.attac.de
Freihandelsfalle TTIP* - Attac Deutschland *- www.attac.de
https://www.youtube.com/watch?v=kWFGIC7dNm0
Schiedsgerichte: Justitia verzieht sich ins Hinterzimmer - Industrie - Unternehmen - Wirtschaftswoche
 
In der ARD lief gestern eine interessante Doku zu dem Thema Geheimverhandlungen für das TTIP: Video "Der große Deal - Geheimakte Freihandelsabkommen" | ARD Mediathek | Reportage / Dokumentation

Besonders vielsagend fand ich den Umstand, dass selbst Abgeordnete Schwierigkeiten haben Details über Inhalte und Stand der Verhandlungen in Erfahrung zu bringen, mehrere befragte Wirtschaftslobbyisten aber geradezu von dem regen Austausch und dem guten Informationsfluß zwischen Unterhändlern und Wirtschaft schwärmen...X(

Sollte das Abkommen zustande kommen, wird es das Leben aller Bürger in den USA und der EU direkt beeinflußen, aber die Verhandlungen finden im Geheimen statt - die einzigen die in den Prozeß einbezogen werden, sind Wirtschaftslobbyisten. Wie Fefe sagen würde: Die beste Demokratie die man für Geld kaufen kann!
 
In den sozialen Netzwerken ist die Doku dank Campact mittlerweile unter dem Titel "Peinlich: EU-Kommissar kennt eigene TTIP-Studie nicht" verbreitet. Schon das finde ich vielsagend genug. Die Doku zeigt weiterhin auf wie viel die Öffentlichkeit gerade zu diesem Thema belogen wird. Es geht nicht um Gesundheitsversorgung, Wasserversorgung und Energie bei TTIP, wird immer behauptet. Tatsache ist aber, dass es darum eben doch geht.

Was die Doku aber nicht aufzeigt ist, dass die meisten Bereiche, die TTIP nicht umfasst bereits durch Verträge geregelt sind. Wie könnte Vattenfall sonst Deutschland wegen des Atomausstiegs verklagen? Wie könnten sonst private Unternehmen aus der ganzen Welt Wasserwerke in Deutschland kaufen bzw "leasen"?

Imo muss TTIP vollständig unterbunden werden. Was dort verhandelt wird, wird (mal wieder) nur der US-Wirtschaft Vorteile bringen und deren Pleite evtl. noch etwas herauszögern. Denn um nicht's anderes geht es der US-Verhandlungsseite. Europa wird dabei den Kürzeren ziehen und mit ihm die Lebensqualität für unsere Bevölkerung.
 
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