Mund-Art

  • Themenstarter Themenstarter non
  • Beginndatum Beginndatum
N

non

Guest
MUND-ART
Kanak-Sprak für Anfänger

Von Tanja Kokoska



In Frankfurt zieht es Besucher meist unwillkürlich auf die große
Einkaufsmeile - die "Zeil" -, die an ihren beiden Enden in die Haupt-,
respektive Konstablerwache mündet. Einige der dort Wachhabenden zählen
zu der besonderen Spezies der so genannten Kanak-Deutschen, deren
multikulturelle Herkunft sich auch in einem höchst kreativen
Sprachgebrauch niederschlägt. Der versierte Gast ist daher im Sinne
einer friedlichen Verständigung auf Ansprachen wie "Was guckst du?"
lautsprachlich bestens vorbereitet.

Standardphrasen: Korrekt, krass, konkret. Diese Worte dürfen eine
Joker-Funktion für sich beanspruchen, ergeben an jeder nur denkbaren
Satzposition einen sinnvollen Zusammenhang und dienen als leicht
verständlicher Adjektiv-Ersatz: "Krasse Audi, konkret." Zugleich sind
sie in jeder beliebigen Reihenfolge und Häufigkeit zu verwenden ("Is
konkret krasse Audi korrekt"), ohne den Inhalt der Aussage zu
entstellen. Üblicherweise finden sie als Lob einer Sache oder eines
Lebewesens Verwendung: "korrekte Anzug" lobpreist die Garderobe, "krasse
Pitbull" bringt die körperlichen Vorzüge eines Hundes zum Ausdruck,
"konkrete Alte" würdigt Geschmack bei der Damenwahl. Bei Ausruf eines
Fluches sollen sie allerdings ausschließlich die Verärgerung des
Rufenden verdeutlichen: "Verpiss dich konkret!" An dieser Stelle ist
Vorsicht geboten! Grundsätzlich sollten Sie jeden Satz mit der Phrase
weissu? (Hochdeutsch: weißt du?) beschließen, im Sinne einer Analogie zu
bundesweit üblichen Rudimenten wie "ne" oder "gell". Das schafft
Vertrauen, ohne anbiedernd zu wirken.

Aussprache und Grammatik: Der Kanak-Deutsche spricht kein stimmhaftes
"t", sondern weicht es zu einem "d" auf. Zudem wird das "r" leicht
gerollt, und das "ch" gerne zum "sch" erweitert. Steht ein "k" mitten im
Wort, spricht man es als "g" aus. Ausnahme: In der Initialstellung wird
es als "k" gesprochen. Sprechen Sie zur ersten Übung die oben
aufgeführten Sätze laut vor sich hin ("Kongrrrede Alde"; "Verpiss disch
kongrrret" und so weiter). Charakteristisch ist zudem der inflationäre
Gebrauch des Dativ. Alle anderen Formen wie Nominativ, Genitiv und
Akkusativ können Sie getrost außer Acht lassen. Ortsunkundige fragen:
"Wo is hier konkret dem Römer?", Hungrige: "Kennsu dem korreggde
Dönerbude?", und Singles, die eine attraktive Dame erspäht haben, räumen
vorab mögliche Konkurrenz- oder Eifersuchtsbekundungen wie folgt aus dem
Weg: "Wem seine is die krasse Alde?"
Kontaktaufnahme: In Charme und Eindeutigkeit ungeschlagen ist folgender
Annäherungsversuch: "Mach disch naggisch, isch hab hart." Dennoch sollte
die Sprache sparsam und der jeweiligen Situation angemessen gebraucht
werden, um nichts an Glaubwürdigkeit einzubüßen.

Landestypischer Fluch: Scheißndreck; auf alles und jeden anwendbar.
 
Zurück
Oben