Ich kenne selbst einen Obdachlosen, welcher mir auch des öfteren aus seinem Leben erzählt. Leider sind dies immer mehr unterschiedliche Geschichten, einmal ein studierter Wirtschaftswissenschaftler, ein anderes Mal ein Arbeiter, welcher seinen Job verloren hat. Was soll ich nun glauben? Wem kann ich glauben? Die meisten erzählen doch nur Geschichten, niemand steht wirklich dazu, niemand würde einem Fremden seine Geschichte anvertrauen. Das ist doch nur menschlich. Reden ist eben in 99% der Fällen nicht förderlich für den eigenen Geldbeutel.
Und trotzdem gebe ich ihm Geld, weil ich weiss, dass er jeden Tag an der selben Stelle steht und bettelt, weil er dort bis Nachts um 2 steht, weil er nicht pöbelt, nicht säuft und die Leute nicht nervt mit seinem "ey haste mal ne Mack?". Oder auch, weil er lernt, weil er sich mit seiner Armut beschäftigt, Lösungsmöglichkeiten durchsucht, welche er sich in der Bibliothek ausgedruckt und kopiert hat - weil er den Mut gehabt hat, zu fragen, ob er auch einmal etwas kostenlos kopieren kann, und dabei nicht seine Obdachlosigkeit in den Vordergrund gestellt hat.
Mir ist es primär persönlich egal, was einem Menschen zugestoßen ist. Ich höre zu, weil ich denke, dass sich die Menschen von mir Hilfe erhoffen und ich ihnen hierbei vielleicht auch helfen kann. Allerdings sehe ich keinen Grund jemanden zu unterstützen, der sich mir gegenüber wie ein Assozialer benimmt, jegliche Leute in seiner Umgebung beleidigt oder das Geld, welches ich ihm zum Leben gebe, für Bier raus haut, auch wenn er meint, dass es ihm hilft. Und hier widerspreche ich bitmuncher ganz klar: Was für ein Sinn hat etwas, was die Wirklichkeit für ein paar Stunden ausblendet, das eigentliche Problem jedoch nicht löst, neue Probleme schafft und von dem jeder weiss, dass es nie die Lösung sein kann?
Wie gesagt: Es gibt Situationen, aus denen man nicht mehr anders hinaus kommt. Bei denen man das Sternendach als einziges Dach über dem Kopf jedem anderen Dach bevorzugt. Diesen Leuten würde jeder gerne helfen, der es kann, aber warum wird es nicht gemacht? Weil man diese Leute nicht kennt, weil es für diese Leute keine Anlaufstelle gibt, welche nicht auch von den 'Deppen' missbraucht werden, weil Streetworker selbst nicht die Möglichkeit zur Aufklärung, geschweige denn die Mittel, dazu besitzen. Wir besitzen nicht das Problem, dass die Welt nicht sozial ist, wir besitzen das Problem, dass das Problem selbst nicht erkannt wird.
Dagegen wird man als Punk selbst wissen, dass man von der Gesellschaft als Nichtsnutz dargestellt und abgestempelt wird. Warum also so benehmen? Weil die es tun, die einen unterstützen? Weil das Äussere, die roten und grünen Haare, die absichtlich verratzen Klamotten, der Biergestank, die Verhaltensweise gegenüber "feindlich-gesinnten" Mitmenschen der Gesellschaft doch irgendwo ein Gemeinschaftsgefühl innerhalb dieser Gruppe schafft - und somit stärker gewichtet wird, als die inneren Werte? Ich sehe persönlich keinen Grund, sollte ich je obdachlos werden, mich einer solchen Gruppe von Menschen anzuschliessen. Dafür gibt es viele andere Mittel und Wege. Als 'normaler' Obdachloser wirst du besser gefördert, hast ein höheres Ansehen. Mit etwas Benehmen werden sich die Leute auch mit dir unterhalten und dir etwas mehr Geld geben, welches dich deinem Ziel näher bringt.
So sehe ich das. Und ich habe mich mit Obdachlosen unterhalten, welche ebenfalls dieses Bild eines Punks haben.