[TdW 101] Sicherheitspolitik oder: Wer schützt uns vor den Beschützern?

Ihr habt es so gewollt: Das Thema der Woche geht in die nächste Runde! Ab heute neu im Habo: TdW 2.0 - jetzt mit 100% mehr Inhalt und Polemik...:D

Und natürlich muss sich das TdW mit dem ewigen Thema Sicherheitspolitk (oder besser Wahn?) vs. Bürgerrechte beschäftigen. Die meisten dürften es mitgekriegt haben: Der europäische Gerichtshof hat gerade die Vorratsdatenspeicherung gekippt - nach Meinung der Richter ist der Eingriff in die Privatsphäre zu tief und mit den Grundrechten unvereinbar. Ganz ähnlich hatten sich ja auch schon die Richter des Bundesverfassungsgericht geäußert, als sie 2010 das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig einstuften. Die Richter in Karlsruhe und Luxemburg haben somit klar gemacht, dass die Wünsche der sogenannten Sicherheitsexperten in der Politik, aber auch von Vertretern der Polizeibehörden und Nachrichtendiensten unvereinbar mit Grundrechten und freien Gesellschaften sind. Aber obwohl z.B. der Europäische Gerichtshof klar machte, dass die Gesetzgeber ihre Kompetenzen eindeutig überschritten haben, hört man kein Wort der Reue oder der Einsicht aus den Reihen der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Im Gegenteil: Man wird nicht müde die Vorratsdatenspeicherung als unverzichtbares Instrument der Ermittlungsbehörden zu beschreiben - auch wenn diese Behauptung bislang nicht glaubhaft belegt werden konnte. So musste etwa Uwe Schünemann (CDU), der Ex-Innenminister von Niedersachsen, 2011 zugeben das die Aufklärungsquote ohne die Vorratsdatenspeicherung nicht zurückgegangen ist. Trotzdem kommentierte z. B. Marco Wanderwitz (CDU) das Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung mit den Worten "ein Feiertag für das organisierte Verbrechen". Und auch Innenmister de Maizière will nach wie vor an der Vorratsdatenspeicherung festhalten.
Es ist, meiner Meinung nach, zutiefst bedenklich das ausgerechnet die Bundesinnenminister, also die obersten Hüter des Grundgesetzes, so wenig Respekt vor den Bürgerrechten haben, dass sie sich auch von klaren richterlichen Ansagen nicht eines besseren belehren lassen.
Und die Vorratsdatenspeicherung ist ja nur ein Beispiel - man denke an die Snowden-Leaks oder an die jüngsten Enthüllungen über die CIA Foltermachenschaften in den USA. Die CIA soll nicht nur die eigenen Politiker über das wahre Ausmaß ihres Folterprogramms absichtlich im Unklaren gelassen haben - auch die so gewonnenen Erkenntnisse sollen dramatisch geschönt worden sein, um den Foltermethoden somit eine Bedeutung zu verleihen die sie niemals hatten (tatsächlich scheinen kaum brauchbare Informationen gewonnen worden zu sein). Ähnlich ist ja auch die NSA vorgangen, als sie behaupete ihre Überwachung hätte unzählige Terroranschläge in aller Welt verhindert - die Zahl wurde irgendwie immer kleiner, je kritischer nachgefragt wurde. Und genauso wird eben auch die Bedeutung der Vorratsdatenspeicherung gerne überhöht, weil man sie um jeden Preis durchsetzen will.
Man kann daraus im Grunde nur die Schlußfolgerung ziehen das es unter Politikern, Polizeibehörden und Nachrichtendiensten so starke Befürworter der totalen Überwachung gibt, dass sie breit sind dafür auch zu täuschen, zu lügen und verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden...X(
Das TdW stellt daher heute die Frage: Wer beschützt uns vor den Beschützern? Oder für Lateiner: Quis custodiet ipsos custodes?

Zum Schluß noch ein denkwürdiges Zitat von Benjamin Franklin:
Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.
 
Ich denke es gibt zwei Bereiche, die man da betrachten muss:

Erstens ist da die Gesellschaft welche auf die politische Situation Einfluss nehmen kann. Die Sicherheitspolitik ist meiner Meinung nach zum Großen Teil Ausdruck von mangelndem Bewusstsein über die Konsequenzen, Kurzschlusshandelnds und Lobbyismus - viele folgen halt immer noch der "ich habe doch nichts zu verbergen" Mentalität. Aufgrund Motiven wie unnötiger Angst vor Terrorismus, vermeintlichem Ausufern von Kinderpornographie usw. unterstützen dann auch noch viele solche Maßnahmen. Dazu kommen natürlich noch entsprechender Lobbyismus seitens der Wirtschaft die auch zahlreiche Interessen am Aufweichen von Datenschutz und Überwachung hat.
Momentan gibt es immer noch ausreichend intelligente Leute in wichtigen Positionen, z.B. beim Verfassungsgericht, einige Poltiker, manche Medien ... aber durch Salamitaktik werden halt Rechte nach und nach aufgeweicht. Solange sich da nicht eine breite gesellschaftliche Ablehnung durch alle politischen Lager hinweg bildet sehe ich da wenig Hoffnung, dass sich die Gesetzgebung ändern wird.

Die zweite Komponente ist denke ich der Selbstschutz. Zumindest gegen Überwachung kann man sich im privaten durch technische Maßnahmen noch ganz gut schützen, das scheitert dann aber teilweise wieder am Bewusstsein der Mitmenschen. Im öffentlichen Bereich hat man aber meistens leider keine Wahl.

Als Fazit würde ich ziehen, wir, die Gesellschaft müssen und selbst vor den Überwachern schützen. Jeder für sich individuell und zudem organisiert um auf die Politik einzuwirken und ein Bewusstsein zu schaffen.
 
Erstens ist da die Gesellschaft welche auf die politische Situation Einfluss nehmen kann. Die Sicherheitspolitik ist meiner Meinung nach zum Großen Teil Ausdruck von mangelndem Bewusstsein über die Konsequenzen, Kurzschlusshandelnds und Lobbyismus - viele folgen halt immer noch der "ich habe doch nichts zu verbergen" Mentalität. Aufgrund Motiven wie unnötiger Angst vor Terrorismus, vermeintlichem Ausufern von Kinderpornographie usw. unterstützen dann auch noch viele solche Maßnahmen. Dazu kommen natürlich noch entsprechender Lobbyismus seitens der Wirtschaft die auch zahlreiche Interessen am Aufweichen von Datenschutz und Überwachung hat.

Vor ein paar Jahren noch hätte ich Dir unbesehen zugestimmt.
Mittlerweile, nach vielen Gedanken und einiger Lektüre - glaube ich nicht mehr daran, dass die Wahl in diesem Land eine politische Konsequenz hat, solange die Wahl auf die Mitte fällt (Tatsächlich haben wir in diesem Staat ja eigentlich nur 2 Parteien, die fähig sind, eine Regierung zu bilden. In manchen Staaten (im Osten) würde man das hier eine Scheindemokratie nennen). Und diese sog. "politische Mitte" ist seit Jahrzehnten fest in wirtschaftlicher Hand (was glaubt man wohl wer einen Euro wollte?).

Und jetzt ein paar wesentliche Eckpunkte, wo der Staat auf Bundes- und Europaebene ganz offensichtlich Entscheidungen trifft, von denen AUSSCHLIESSLICH große Unternehmen profitieren.

- Umweltpolitik:
--- Massentierhaltung
--- Gentechnologie im Agrarsektor (auch Saatgut) Bundes- und Europaweit

- Bildungspolitik
--- absolut unzureichende Konzepte: Das deutsche Bildungswesen ist eine Dressur und hat mit Wissenserwerb wenig zu tun. Hier werden systematisch Billigarbeiter herangezüchtet (diese Position zu vertreten waere ein eigenes TDW wert ;) )

- Energiepolitik, EEG etc.pp.

- Grundrechte, Spionage, NSA etc.pp.

- Euro, Zölle, Freihandelsabkommen.

Möglicherweise ist das ein Stück zu weit hergeholt aber der deutsche Staat wirkt auf mich wie der Handlanger der Wirtschaft (wäre ich Zyniker, haette ich Hure geschrieben). Die Tatsache warum er sich jetzt mit Fragen der Sicherheitspolitik herumschlagen muss, ist wohl eher dem Impact durch Snowden geschuldet. Die Politik hat daran wenig Interesse - warum sonst passiert da sowenig?

Und auch hier:

Frau Merkel - und ihre Regierung - nimmt eine offensichtliche Verletzung der Grundrechte (so sind sie bisher noch verbrieft, aber schaeuble hat ja schon angemerkt, man solle sich hueten die Verfassung als "in Stein gemeisselt" zu betrachten) hin - und es passiert nichts.

Würde man Merkels Eid gegen sie halten, hätten wir sie längst aus der Stadt jagen müssen - Chase those crazy baldheads out of town!
 
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