[TdW 59] Der Mensch - Egoschwein oder geborener Sozialist?

Auf Anregung von SchwarzeBeere wird das TdW diesmal ziemlich philosophisch (sTEk möge mir verzeihen;)) und beschäftigt sich mit einer interessanten Frage der Sozialethik: Ist der Mensch von Natur aus ein Egoschwein oder eher ein geborener Sozialist?
Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Begriffe Sozialist (bzw. Sozialismus) und Egoschwein nicht eindeutig definiert sind, dennoch sollte jedem klar sein worauf die Frage abzielt.
Also - was denkt Ihr? Sind Menschen eher egoistisch oder doch sozial veranlagt?
 
Hier sind die Meisten geborene Sozialisten, ansonsten würde das Forum ja nicht laufen. Man fragt nach Hilfe und man versucht anderen zu helfen (natürlich gibts starke Gruppen die jeweils nur fragen/antworten aus Erfahrungsgründen).
 
Niemand muss einem Obdachlosen einen Schlafplatz anbieten, da wir als gesamtes Land sozial sind. Und das Sozialsystem in Deutschland unterstützt jeder Steuerzahler.
 
Wir sind keines von beidem absolut.

Wären wir rein egoistisch, würden wir sozial verarmen und dadurch unglücklich werden.
Wären wir rein sozial, gäbe es keine Ungerechtigkeit.

Da wir weder alle unglücklich noch alle gleich behandelt sind, sind wir wohl nicht so leicht in eine Kategorie zu pressen...
 
Aber alleine die Existenz eines Sozialsystems sollte Beweis genug sein, dass man sich offensichtlich nicht darauf verlassen kann, dass genug Menschen freiwillig Geben - nein, man muss sie durch Steuern zwingen (= im Falle einer Zuwiderhandlung droht Strafe) und selbst bei den Steuern versucht eine Mehrheit drumherum zukommen, sei es, dass bei der Entlohnung von Handwerken der Umweltaktivist erwacht (aka sparen wir uns das Papier und machen es ohne Rechnung) oder (sobald es sich dann lohnt) Geld lieber ausländischen Finanzbehörden/-institutionen/-instrumenten anvertraut wird.


Meint ihr ein Sozialsystem oder ein System der Wohlfahrt? :p
 
Da man jede soziale Eigenschaft ins egoistische Muster ziehen kann (Sozialsystem -> der einzelne will ja nur Planungssicherheit, dieses Egoschwein), kann man ja gleich sagen: die Asozialen sind die kleinsten Egoschweine. Natürlich wirste dann wieder sagen, dass die Asozialen auch Egoschweine sind, weil sie keinen Cent für ihre Gemeinschaft überhaben.

Der Vergleich, Egoschwein oder Sozialist, hinkt einfach jedes mal, weil man das Egoschwein immer deuten kann (sei es sogar nur die Befriedigung eines ideelen Denkers, welcher massiv das Gemeinwohl verbesserte).
 
Der Mensch ist von Natur aus auf seinen eigenen Erfolg getrimmt. Wie die Vorposter schon geschrieben haben, kann man den Grund jeder Aktion auf den eigenen Vorteil reduzieren.
Allerdings ist das auch gut so. Würden sich alle Leute ähnlich zu Ameisen benehmen gäbe es quasi keinen Fortschritt. Dieser entsteht immer dann, wenn zwei Personen/Gruppen gegeneinander im Wettstreit stehen und sich in bestimmten Disziplinen überbieten müssen. Ohne diesem Druck, scheint der Mensch keinen Anlass daran zu finden etwas weiter zu entwickeln oder zu forschen.
Würden alle Menschen ultimativ sozial sein [jeder Mensch kümmert sich nur um das Wohl der Gemeinschaft, absolut keine Diskriminerungen oder Differenzierungen aufgrund der Herkunft, Hautfarbe, etc.], würden wir als Spezies vor uns hin vegetieren. Es gäbe keinen Anlass zu Erneuerungen, Ideen, Kunst oder anderen kulturellen Errungenschaften.
Schlecht wäre das aber ganz sicher nicht. Zumindest ich stelle es mir sehr angenehm vor, wenn man überhaupt gar keinem Druck ausgesetzt ist und man sich keine Gedanken über persönliche Probleme machen muss.

Unserer momentaner Gesellschaftszustand zeigt uns jedoch, dass der Mensch nicht ultimativ sozial ist, obwohl wir schon herausgefunden haben, dass eigentlich alle Handlungen auf den puren Eigennutz hinausführen.
Deswegen sollte man den Begriff "egoistisch" anders auslegen. Für mich persönlich ist Egoismus eine Handlungsweise, in der der eigene Vorteil sehr klar im Vordergrund steht.
Mit dem Begriff "sozial" verhält es sich analog. Soziale Aktionen würde ich dadurch definieren, dass sie der Gemeinschaft einen vielfach grösseren Nutzen bringen als der ausübenden Person.

Fazit: Der Mensch als Individum arbeitet für seinen persönlichen Erfolg in der Gemeinschaft. Ein einzelner Mensch würde keinen Sinn darin erkennen, tolle Bilder zu malen oder ein Auto zu bauen. Er würde wahrscheinlich argumentieren, dass er die Beendigung des Projektes eh nicht mehr erleben wird und deswegen lieber faul in der Sonne liegt und ab und zu mal was isst.
Optimalerweise muss der Mensch einen Mittelweg zwischen Egoismus und Sozialismus finden, um seinen Erfolg zu maximieren. Total assoziale Aktionen werden von der Gruppe hart bestraft, während lang anhaltende rein soziale Aktionen [siehe meine Definition oben] dem Individuum keinen ernsthaften Vorteil gegenüber den anderen verschaffen.
 
Würden sich alle Leute ähnlich zu Ameisen benehmen gäbe es quasi keinen Fortschritt.

Als Hobby-Ameisenforscher:
1. gibt es auch bei Ameisen soziologische und "technische" Entwicklung
2. ist das Lebenskonzept der Ameise als Art sehr erfolgreich, denn die machen das schon seit über 100 Millionen Jahren (!). Während der letzte überlebende der "Homo Art" wohl nichtmal eine halbe Million schaffen wird.
3. Es ist ein Gerücht, dass ein Ameisenleben innerhalb einer Kolonie geringschätzt oder leichtfertig vergeudet wird, auch kennen Ameisen keine Todessehnsucht (da waren die Japaner weitaus extremer :p )


Würden alle Menschen ultimativ sozial sein [jeder Mensch kümmert sich nur um das Wohl der Gemeinschaft, absolut keine Diskriminerungen oder Differenzierungen aufgrund der Herkunft, Hautfarbe, etc.], würden wir als Spezies vor uns hin vegetieren.
Also ist Rassismus, auch in "sanfter" Form eine Art sozialer Innovationsmotor, eine Antriebsfeder um als "Spezies" voranzukommen?


Die Krux ueber sozial oder nicht sozial liegt alleine in der Begrifflichkeit. "Sozial sein" ist ein menschengemachtes Gebilde. Eine Art festgemauerter Massstab an dem wir Handlungen und gesellschaften zu messen versuchen und wir scheitern regelmaeszig damit.

In deutschland ist es zB "sozial" einem Bedürftigen Geld zu geben, aus öffentlichen Mitteln. Es ist aber in gleichem Maße unsozial genau diesen zum Schneeschippen zu verdonnern um die Gemeinde (die ihn finanziall traegt) zu entlasten.

Die Problematik sehe ich ganz einfach im Mensch-sein. Es ist gut und gesund sich selbst der nächste zu sein, aber dann sollte auch schon direkt der andere kommen. Unser Problem ist der Rahmen dieses "sich selbst der nächste zu sein" und wie weit wir ihn fassen. Für eine halbwegs "soziale" Umgangsform steht uns das Mensch-sein im Wege, denn wenn ich viel habe, oder die Aussicht darauf habe, dann sind die anderen erstmal sehr weit weg, solange sie nicht zu erreichtung meines Ziels nützlich sind.

Insofern indentifiziere ich auch diese Gefälle zwischen viel und wenig als Ansporn oder minderung in der Frage wie und ob ich was verteile oder wie und ob ich anderen Freiheiten gewaehre.

Dieses Problem ist in jedweder Religion ein zentrales Thema und wurde intensiv beleuchtet: Gier, Neid, Geltungssucht, Masslosligkeit um nur einige Elemente des Mensch-seins zu nennen.

Das perfide daran ist: Menschen haben das seit jeher erkannt und nutzen unsere Schwächen aus. Heute nennen wir das Marketing, wobei aus allen Rohren auf diese primitiven Trigger geschossen wird.
 
Chromatin hat gesagt.:
1. gibt es auch bei Ameisen soziologische und "technische" Entwicklung
Inwiefern? Falls du dich gerade auf genetische Veränderungen beziehst, reden wir wahrscheinlich aneinander vorbei. Falls sie tatsächlich in der Lage sind aus eigenem Antrieb ihr Gesellschaftssystem/Wirtschaftssytem zu ändern wäre ich ziemlich beeindruckt.

Also ist Rassismus, auch in "sanfter" Form eine Art sozialer Innovationsmotor, eine Antriebsfeder um als "Spezies" voranzukommen?
Wenn man damit Krieg zwischen zwei Gruppen meint, anscheinend schon. Schliesslich war der erste und zweite Weltkrieg ein Innovationsmotor.
In der ursprünglichen Defintion bringt er jedoch keinen Fortschritt, da er Personen aufgrund ihrer Herkunft/Hautfarbe trotz ihrer Qualifikation von bestimmten Ämtern ausschliesst.
@night@ hat gesagt.:
Würden alle Menschen ultimativ sozial sein [jeder Mensch kümmert sich nur um das Wohl der Gemeinschaft, absolut keine Diskriminerungen oder Differenzierungen aufgrund der Herkunft, Hautfarbe, etc.], würden wir als Spezies vor uns hin vegetieren.
Ich formuliere diesen Satz nochmal neu: Würden Menschen keinerlei Konkurrenzdruck verspüren [weder von Gruppenangehörigen, noch von ausserhalb der Gruppe], würde es höchstwahrscheinlich deutlich weniger technischen Fortschritt geben, weil es aus Sicht des Individuums keinen konkreten Anlass dazu geben würde.

Chromatin hat gesagt.:
Die Problematik sehe ich ganz einfach im Mensch-sein. Es ist gut und gesund sich selbst der nächste zu sein, aber dann sollte auch schon direkt der andere kommen. Unser Problem ist der Rahmen dieses "sich selbst der nächste zu sein" und wie weit wir ihn fassen. Für eine halbwegs "soziale" Umgangsform steht uns das Mensch-sein im Wege, denn wenn ich viel habe, oder die Aussicht darauf habe, dann sind die anderen erstmal sehr weit weg, solange sie nicht zu erreichtung meines Ziels nützlich sind.
Ich stimme zu 80% zu, glaube aber nicht, dass dies nur ein Problem ist. Man muss sich die Frage stellen, was überhaupt das Ziel ist. Der Mensch ist, zumindest laut irgendeiner Zeitschrift, die ich letztens irgendwo im Schaufenster gesehen habe, das dominierende Säugetier. Und dies hat er nach meiner Meinung auch seinen egoistischen Antrieben zu verdanken.
Wenn man allerdings möglichst lange als Spezies überleben will, stellt dies wohl eher ein Problem dar, da es zu massiver Verschwendung führt.

Der Mensch ist nun mal eine Mischung aus Ameise und klischeehafter einsamer Wolf. Und dieser Umstand hat uns zur heutigen Situation und der vergleichsweise komplexen Gesellschaftsordnung geführt. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen, aber wenn es im Sinne der Evolution keinen Sinn machen würde, hätte sich der Mensch definitiv nicht annähernd so stark durchgesetzt.

Das Reduzieren des Menschen auf ein einziges Egoschwein wäre dennoch nicht sinnvoll, weil man das mit jedem Lebewesen machen kann. Selbst mit Ameisen.
Ich zitiere mal Crowley von Terry Pratchett:
Terry Pratchett & Neil Gaiman hat gesagt.:
Und wenn man endlich daran glaubte, dass Menschen zu mehr Bosheit fähig waren als die Mächte der Finsternis, da zeigten sie plötzlich eine Güte, die der Güte des Himmelns in nichts nachstand. Manchmal betraf dieses Phänomen sogar ein und dasselbe Individuum. Freier Wille und so. Beim Satan höchstpersönlich: Das menschliche Verhalten war immer für eine Überraschung gut. Es war schon eine Plage.
 
@night
Inwiefern? Falls du dich gerade auf genetische Veränderungen beziehst, reden wir wahrscheinlich aneinander vorbei. Falls sie tatsächlich in der Lage sind aus eigenem Antrieb ihr Gesellschaftssystem/Wirtschaftssytem zu ändern wäre ich ziemlich beeindruckt.

Ich meine damit eher die Art wie sie Nester und Kammern bauen und dazu ein Belüftungssystem, welches fuer konstante Temperaturen im Nestkern sorgt. Da hat jede Art so seine eigene Methode. Und das ist in gewisser Hinsicht selbstverständlich eine technologische Entwicklung (gewesen) an der sich jetzt wenig aendert, da sie kaum effizienter zu gestalten ist. Die Effizienz ihrer Arbeitswege, benutzung von Werkzeugen etc. gehoert ebenfalls dazu. Gleiches trifft fuers GEsellschaftsystem zu.

Wenn man damit Krieg zwischen zwei Gruppen meint, anscheinend schon. Schliesslich war der erste und zweite Weltkrieg ein Innovationsmotor.
Dein Innovationsfeld erscheint mir ziemlich beschraenkt.

In der ursprünglichen Defintion bringt er jedoch keinen Fortschritt, da er Personen aufgrund ihrer Herkunft/Hautfarbe trotz ihrer Qualifikation von bestimmten Ämtern ausschliesst.
Ich habe da eine andere Theorie: Könnte es vielleicht gerade am Ausschluss liegen, dass die Schwarzen Intellektuellen "damals" dann plötzlich Musiker waren? Miles Davis, Mingus, Ellington, Monk, Parker etc etc und viele andere waren schon eher "Celebralmonster". Was waere gewesen wenn sie auf eine ganz normale Uni gegangen waeren und zb Mathemathik studiert haetten?
Wir haben sehr viele Fälle von Spezialisierung einer Gruppe durch Ausschluss aus anderen.


Ich formuliere diesen Satz nochmal neu: Würden Menschen keinerlei Konkurrenzdruck verspüren [weder von Gruppenangehörigen, noch von ausserhalb der Gruppe], würde es höchstwahrscheinlich deutlich weniger technischen Fortschritt geben, weil es aus Sicht des Individuums keinen konkreten Anlass dazu geben würde.
Das ist schon anthropologisch gesehen ziemlicher blödsinn. Der Antrieb etwas zu erfinden oder zu schaffen ist dem Menschen ohnehin gegeben. Ich denke ohne massiven Konkurrenzdruck würde es weitaus weniger "falschen" technologischen Fortschritt geben. Im übrigen ist der technologische Fortschritt nicht das "Masz der Dinge" an dem sich die Menschheit messen lassen sollte.

Der Mensch ist, zumindest laut irgendeiner Zeitschrift, die ich letztens irgendwo im Schaufenster gesehen habe, das dominierende Säugetier.
Diese Herrschaft ist nur leider keine "Kompetenzherrschaft". Wir sind nach meinem Wissen eine der jüngsten "Arten" ueberhaupt und die letzte überlebende Gruppe der "Homo". Trotzdem haben wir komischerweise die Gabe uns in der Welt wahrzunehmen und sie zu getalten. Aus evolutionstechnischer Sicht ist unser ausgepraegtes Bewusstsein eher ein Fehltritt.

Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen, aber wenn es im Sinne der Evolution keinen Sinn machen würde, hätte sich der Mensch definitiv nicht annähernd so stark durchgesetzt.
Schon wieder dieses "im Sinne der Evolution"... was genau soll das bedeuten?
 
Zurück
Oben