[TdW 115] Leben wir im Informations- oder Desinformationszeitalter?

Vermutlich hat jeder schon einmal den Begriff Informationszeitalter gehört, immerhin leben wir angeblich in diesem ominösen Zeitalter. Einige von uns sind noch im guten alten Industriezeitalter geboren und aufgewachsen und dieser Begriff erschliesst sich einem irgendwie leichter: Im Industriezeitalter basierte der Wohlstand einer Gesellschaft vor allem auf der Produktion von Waren. Mit der Verwandlung der hochentwickelten Industriestaaten zu High-Tech Staaten und der wachsenden Bedeutung von elektronischer Datenverarbeitung und Kommunikationsnetzwerken, wurde aus dem Industriezeitalter das Informationszeitalter. Doch dieser Begriff ist weniger eingängig: Was bedeutet das eigentlich? Wenn man den Begriff ähnlich interpretiert wie das bereits erwähnte Industriezeitalter, dann basiert im Informationszeitalter der Wohlstand einer Gesellschaft vor allem auf der Informationsgewinnung & Verarbeitung - weniger auf realen Werten und Warenproduktion. Doch ist das so?
Tatsächlich scheint die Entwicklung in diese Richtung zu gehen - man denke nur an die globalisierten Finanzmärkte, die längst von der Realwirtschaft abgekoppelt wurden. Ein gutes Beispiel ist auch der Hochfrequenzhandel, bei dem die Reaktionszeit auf Informationen im Nanosekundenbereich den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust bedeuten. Natürlich scheiden Menschen hier als Akteure aus (wenn man davon absieht das die Algorithmen die im Nanosekundentakt Milliardenwerte verschieben von Menschen programmiert wurden) - der Hochfrequenzhandel ist vollautomatisiert und findet nur durch den Datenaustausch zwischen Computern statt. Laut Wikipedia hat der Hochfrequenzhandel bereits 2010 über 50% des Umsatzvolumens des US-amerikanischen Aktiengeschäfts erwirtschaftet. Selbst unsere Währung ist längst von realen Werten entkoppelt, denn der Goldstandard ist schon lange Geschichte und seit den 70ern wird der Wert einer Währung nicht durch Goldreserven oder andere reale Rohstoffe gesichert, sondern durch Vertrauen in den Staat, der für dieses Fiat Money bürgt.
Mit Vertrauen in Staaten ist es aber so eine Sache, Ratingagenturen können es mit ihrer Einschätzung über die Kreditwürdigkeit eines Staates z. B. erschüttern. Auch Informationen über Skandale, Fehlentwicklungen oder Versäumnisse einer Regierung können das Vertrauen in den Staat erschüttern. Das ganze geht auch eine Nummer kleiner: So ist es noch gar nicht so lange her, da wurde z. B. der Plan der Schufa bekannt, Informationen über Menschen in sozialen Netzwerken wie Facebook zu sammeln, auszuwerten und in den Score der Kreditwürdigkeit dieser Personen einfliessen zu lassen. So gesehen scheinen Informationen und deren Auswertung heutzutage schon enorme Bedeutung und auch spürbare Auswirkungen auf unseren Alltag zu haben. Daraus folgt auch, dass es ein vitales Interesse daran gibt den Informationsfluss zu kontrollieren und zu beeinflussen.
Die meisten Menschen beziehen z. B. ihre Informationen über das Weltgeschehen aus der Presse oder über die neuen Medien. Wer also seine Version eines Ereignisses in den Medien lancieren kann, der kann auch beeinflussen wie dieses Ereignis in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Ein aktuelles Beispiel ist der Ukraine Konflikt im allgemeinen und das Drama um Flug MH17 im speziellen: Sowohl die Regierung, als auch die Separatisten weisen sich nicht nur in den Medien gegenseitig die Schuld zu, sie versuchen auch ihre Version in der Wikipedia zu verankern. Ähnliche Phänomene konnte man auch schon in diversen Wahlkämpfen beobachten, wenn die Wikipedia Einträge von Kandidaten wieder und wieder editiert wurden, um sie abwechselnd überhöht darzustellen oder zu verdammen. Die Wikipedia ist ein gutes Beispiel, denn sie hat in der Internetgemeinde sozusagen das Informationsmonopol. Es ist leicht ein Thema schnell in der Wikipedia nachzuschlagen und sich zu informieren - ich selbst habe vermutlich in fast jedem TdW mindestens einen Wikipedia-Artikel verlinkt. Aber genauso leicht ist es auch einen Wikipedia-Artikel zu verändern oder einen Artikel zu verfassen, von dessen Inhalt man im Grunde keine Ahnung hat. Das ist das Dilemma mit digitalen Informationen: Sie sind leicht zugänglich, aber auch leicht zu manipulieren und ofmals schwer zu verifizieren. Passend dazu wurde erst kürzlich durch Edward Snowden enthüllt das z. B. der britische Geheimdienst GCHQ über ausgereifte technische Mittel verfügt um Daten im Internet zu manipulieren und z. B. Online-Umfragen zu verändern, die Besucherzahl von Webseiten zu verändern, unliebsame Beiträge von Webseiten zu entfernen, E-Mail Accounts zu kapern und gefälschte Nachrichten zu verschicken und vieles, vieles mehr um gezielte Desinformationskampagnen zu führen und die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen.
Eine große Überraschung war das indes nicht, schon vor Jahren wurde im Zuge des HBGary Hacks bekannt, das HBGary an technischen Möglichkeiten arbeitete im Internet Meinungsmehrheiten zu simulieren, die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen und Kritiker mundtot zu machen. Interessenten waren neben Geheimdiensten auch Banken und Konzerne...

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute die Frage: Leben wir im Informationszeitalter oder im Zeitalter der Desinformation? Welche Risiken birgt die zunehmende Bedeutung von Informationen und Daten und deren Manipulation für unsere Gesellschaft?

Mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Informationszeitalter
https://de.wikipedia.org/wiki/Hochfrequenzhandel
https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Edit-War
Weitere Snowden-Enthüllungen: Britischer Geheimdienst kann Internet manipulieren - Politik - FAZ
HBGary-Hack schlägt weitere Wellen | heise Security
 
Zuletzt bearbeitet:
Wiedermal eine sehr interessante Frage, großes Lob dafür.

Interessant ist die Frage insbesondere, weil man sie nur differenziert beantworten kann.
Denn ich denke, dass es weder schwarz, noch weiß ist. Es ist tatsächlich ein Informationszeitalter in dem wir leben. Das Internet spielt dabei natürlich die größte Rolle, Noch nie in der Geschichte der Menscheit war es so einfach an fast jede gewünschte Information zu kommen. Nicht nur an Texte, nein, auch Bilder, Videos, ja sogar Karten und Satellitenaufnahmen sind für jeden zu fast jedem Thema frei zugänglich. Mit etwas Selbsthass und Suchwillen kommt man sogar leicht an Material, das nach gesellschaftlichem Konsens lieber verborgen bliebe - Stichwort: Deep Internet.
Aber nicht nur das Vorhandensein von Information ist unglaublich gewachsen. Wahrscheinlich noch viel bedeutsamer ist die Suchbarkeit. Als Kind habe ich tatsächlich noch in der Bücherei in Karteien nach dem gewünschten Buch gesucht bzw. Referate für die Schule mit Hilfe von Lexika und Sachbüchern vorbereitet. Heutige Kinder können fast nicht mehr mit Stichwortverzeichnissen umgehen, so gewohnt ist es geworden, dass man einfach alles im allmächtigen google eintippen kann (wobei das noch nichteinmal bei Allen angekommen zu sein scheint, die dieses Board hier nutzen wollen...) .
Gleichzeitig ist aber auch die Distribution von Propaganda, Desinformation oder schlichtweg schierem Unsinn so einfach geworden wie nie zuvor. Man möge sich nurmal die Unzahl an Videos zu Gemüte führen, die einem vorgeschlagen werden, wenn man wiedermal "in dieser Ecke" von YouTube gelandet ist. Das Spektrum reicht von Filmchen, die einem erklären, warum der aktuelle US-Präsident in Wirklichkeit ein reptiler Außerirdischer ist bis hin zu solchen, die darüber "informieren", dass die Nazis eine geheime Basis auf dem Mond haben.
Aber abseits von Lächerlichkeiten wird es immer schwieriger korrekte Information von falscher zu unterscheiden. Wir sollten uns daher Gedanken darüber machen, wie man den Nutzern und natürlich auch sich selbst, einen Filtermechanismus antrainieren kann. Und das möglichst bald, am besten schon vor 15 Jahren.

Im Informationszeitalter befinden wir uns allerdings auch, weil jeder Mensch immer gläserner wird. Eine orwell'sche totale Überwachung ist so nahe, wie es noch vor 25 Jahren Utopie war.
Allerdings erscheint mir das Szenario, nur Sekunden nachdem ich es getippt habe, tatsächlich eher, wie es Huxley befürchtete. Denn wir begrüßen die Überwachung implizit. Wenn einpaar Spinner auf seltsame Geek-Demonstrationen für Datenschutz gehen, ist das eher die nerdige Ausnahme. Real geben wir private Informationen in kaum fassbaren Umfang bereitwillig preis. Sei es um irgendwelche Punkte zu sammeln, an Rabattaktionen teilzunehmen oder weil wir die kostenlose Bequemlichkeit von google, facebook und co. so sehr schätzen und es uns überhaupt nicht kümmert, dass unsere Daten dabei in den tiefen des Internets versickern und/oder großzügig von händereibenden Geheimdiensten abgeschöpft und manipulativ ausgenutzt werden.
Sehr interessant, dass wir als Gesellschaft ebensowenig mit diesem neuen Zeitalter umgehen können und ebenso in jedes soziale, kulturelle und politische Fettnäpfchen tappen, wie schon unsere Vorfahren beim Anbruch des industriellen Zeitalters.
 
Meine Diagnose: Wir haben uns das Interesse an Wissen abgewöhnt und sind dazu übergegangen leicht verdauliche Informationshäppchen zu konsumieren.
Zwar gibt es enorme Qualitätsunterschiede zwischen diesen Häppchen - aber Häppchen bleiben sie. Sie liefern gerade soviel Informationen um sich irgendwie am Tagesgeschehen zu beteiligen und mitzureden. Zwar nicht wirklich fundiert, aber das stört niemanden und fällt auch eigentlich nicht auf.

Zweifelsohne leben wir in einer Informationsgesellschaft.

Wir leben aber nicht in einer Gesellschaft des Wissens.
 
Meine Diagnose: Wir haben uns das Interesse an Wissen abgewöhnt und sind dazu übergegangen leicht verdauliche Informationshäppchen zu konsumieren.
Zwar gibt es enorme Qualitätsunterschiede zwischen diesen Häppchen - aber Häppchen bleiben sie. Sie liefern gerade soviel Informationen um sich irgendwie am Tagesgeschehen zu beteiligen und mitzureden. Zwar nicht wirklich fundiert, aber das stört niemanden und fällt auch eigentlich nicht auf.

Zweifelsohne leben wir in einer Informationsgesellschaft.

Wir leben aber nicht in einer Gesellschaft des Wissens.

Ich bin der gleichen Meinung.
Was ich immer mehr beobachte (vielleicht sollte ich hier kurz erwähnen das ich ~25 Jahre alt bin) ist das es scheinbar immer die am einfachsten zu verdauenden Häppchen , um mal bei dieser schönen Analogie zu bleiben , in die Meinung , oder in das Weltbid der meisten Leute schafft.
Zwar ist es es unglaublich schwer , nahezu unmöglich bei solchen Themen
zu verallgemeinern , zB in dem man von "den meisten" oder von "der Bevölkerung" spricht , aber ich werde es trozdem versuchen.

Wenn ich mich in einem Umfeld bewege in dem wenige Leute affin sind für Themen rund um den Bereich der Informationsgesellschaft und unseren Umgang und Interaktionen mit diesem Teil der Gesellschaft
fällt mir oft auf das nahezu nichts hinterfragt wird.
Wenn man sich mal die breite Masse der Medien anschaut werden meiner Meinung nach viel
zu vorschnell Spekulationen verbreitet.
Als aktuelles Beispiel mal den Absturz (ohne jetzt über irgendwelche Ursachen spekulieren zu wollen) der MH-17.
Die ersten Headlines zu dem Thema waren so nach dem Motto
"Wurde MH-17 abgeschossen ?"
Natürlich deutet vieles darauf hin , aber die Rezipienten dieser Nachricht (aus der oben erwähnten Gruppe) werden nicht zum denken bzw zum hinterfragen angeregt.
Was sich einprägt ist nicht etwa die Information an sich , sondern die Spekulation die mit so einer Meldung einhergeht.
Es setzt direkt ein Warten auf das nächste Informationshäppchen ein , was dann auch direkt kommt.
Anstatt das die Medien nüchtern und sachlich über so ein Ereigniss berichten wird einfach das reposted was sich gut verkaufen lässt , und das ist bei so einem Fall natürlich politische Propaganda und Halbwahrheiten.
Ein Warten auf wissenschaftliche Analysen und Fakten ist gar keine Option mehr.
Diese Art von Darstellung kann man auf fast alle Medien übertragen.
Gerade bei Dingen die einen politischen Hintergrund haben wird oft genug nur spekuliert statt aufgeklärt.

Aber um zurück zum eigentlichen Thema zu kommen weg von den Einzelfällen , im Großen und Ganzen würde ich sagen das wir in einer Informationsgesellschaft leben , allerdings mit der Einschränkung das Information heute nicht mehr die Information ist die sie mal war.
(Oder vielleicht doch ? Wäre mal ne nette Diskussion wert :))
In unserer heutigen Zeit ist Information oft genug nur die halbe Wahrheit , gepaart mit Spekulation und/oder Interessen dritter.
Das Problem ist das vielen Leuten es schlicht zu viel Aufwand ist die Hintergründe zu recherchieren oder die Information zu be oder wiederlegen anhand anderer Quellen.
Ein Ziel in unserer Informationsgesellschaft sollte es sein seine Bürger so zu erziehen das man einen gesunden Umgang mit Medien entwickelt.
Leider wird dies meiner Meinung nach viel zu wenig gemacht , vielleicht auch aus dem Grund weil die Leute die wirklich etwas bewirken könnten einfach ein anderer Jahrgang sind (nicht böse gemeint ;)) und das Thema nicht in der breiten Masse angekommen ist.

Wie Chromatin schon sagte ist es heute für den Otto Normalbürger auch nicht mehr wichtig die Hintergründe zu kennen um "up 2 date" zu bleiben.
Das Weltbild wird oft genug einfach nur durch die Realität geprägt die die eigenen peer group vertritt und akzeptiert.
Obwohl wir die Möglichkeit und Technologien haben das sich jeder sein eigenes Weltbild aneignen kann wird einfach nur das Weltbild genommen was gerade in der peer group als richtig und akzeptiert gilt.
Das reicht dann über die Auswahl der Quellen über die Auswahl eines personellen Umfeldes bis zur Verbreitung der Informationen , hier kann man wieder sich die Häppchenanalogie vorstellen , kleine Häppchen kann man einfacher verbreiten als breitgefächerte Hintergründe und Aufklärung.

Ich denke auf den Punkt gebracht könnte man sagen das wir durchaus in einem Informationszeitalter leben , zwar in einem wo es noch einiges zu tun gibt damit es dies bleibt bzw wird (Stichwort Geheimdienstaffaire) , aber in einem wo dieser Vorteil kaum ausgenutzt wird von einem breiten Teil der Gesellschaft.
 
Wie Chromatin schon sagte ist es heute für den Otto Normalbürger auch nicht mehr wichtig die Hintergründe zu kennen um "up 2 date" zu bleiben.

Ich muss mich da selbst korrigieren - das war schlecht geschrieben.

Ich meinte mit "Wir haben uns das Interesse an Wissen abgewöhnt" eigentlich eher den Stellenwert von Wissen einerseits - und die nahezu abhanden gekommene Fähigkeit "nützliches" von "überflüssigem" Wissen trennen zu können, bzw. dahingehend eine Bewertung vorzunehmen.

Hier kann man natürlich einwenden dass eine solche Bewertung ziemlich subjektiv ist - und das war tatsächlich mal anders. Hier ist es (gefühlt) jedem selbst überlassen, welches Wissen einem selber als nützlich erscheint. Das war und ist Bereichsweise auch richtig, denn ein Tischler braucht eher Wissen über Holzbeschaffenheit als über digitale Speichermedien.

Darüber hinaus fehlt es uns aber an Fürsprechern für ein anderes Wissen (z.B. Geist-Körper Dualismus vs. Bullshit). Schaut man in die Lehrpläne, so liegt der Fokus auf einem "Wissen" welches unmittelbar anwendbar - und auf eine berufliche Ausrichtung konzentriert ist. Es fehlt sehr offensichtlich an Wissen, welches den "Zweck", hat sich in dieser Welt zu verstehen und sich mit der ureigenen Existenz auseinanderzusetzen (Ethik, Geschichte, Religion, Kultur).

Kurzum: Man erachtet ein Wissen höher, je mehr es uns zu produktiven Mitgliedern einer Gesellschaft macht - im Hinblick auf Konsum und die eigenen Eigenschaften als Leistungsträger: Uns wird gelehrt dass der Mensch stets einen Mehrwert zu schaffen hat und das der geschaffene Mehrwert zu nutzen ist.

Die Frage ob wir einen Mehrwert irgendwo brauchen oder ob der Mehrwert denn auch wirklich ein Mehrwert ist - wird _uns_ nicht mehr gestellt und man gibt sich allergrößte Mühe uns von Wissen fernzuhalten, welches uns ermöglicht genau darüber nachzudenken.
 
Wenn ich hier so lese, dass sich die Menschen ihr Interesse am Wissen abgewöhnt haben und Informationen nur noch häppchenweise konsumiert werden, dann frage ich mich, ob das früher wirklich anders war.
Waren die Leute früher wirklich alle besser informiert oder haben sich auch die früheren Generationen mit dem Häppchen an Information, das die tägliche Lektüre/BILD zu bieten hatte, zufriedengegeben?
Klar, der intellektuelle Teil der Bevölkerung wird sich wohl ernsthaft mit den zeitgemäßen Thematiken auseinandergesetzt haben, aber der Großteil wird sich doch eher mit den Informationshäppchen, die man halt so aufschnappt (Zeitung/Alltag/Stammtisch) begnügt haben.

Die Frage ob wir einen Mehrwert irgendwo brauchen oder ob der Mehrwert denn auch wirklich ein Mehrwert ist - wird _uns_ nicht mehr gestellt und man gibt sich allergrößte Mühe uns von Wissen fernzuhalten, welches uns ermöglicht genau darüber nachzudenken.
Klingt (meiner Meinung nach) viel zu sehr nach Verschwörung. Mag sein, dass das Wissen, welches uns in der Schule gelehrt wird, stark auch von den Ansprüchen der Wirtschaft bestimmt wird und man durchaus andere Prioritäten bei den Lehrplänen setzen sollte.
Aber wenn ich lese, dass man sich "allergrößte Mühe" gibt, um uns vor diesem Wissen fernzuhalten, klingt das einfach zu stark nach einer Verschwörung aller Schulen, Lehrpersonen und alltäglichen Medien gegen uns, um uns zu dummen Arbeitsvieh zu erziehen. Und an solche Verschwörungen glaube ich ehrlich gesagt nicht.
 
Aber wenn ich lese, dass man sich "allergrößte Mühe" gibt, um uns vor diesem Wissen fernzuhalten, klingt das einfach zu stark nach einer Verschwörung aller Schulen, Lehrpersonen und alltäglichen Medien gegen uns, um uns zu dummen Arbeitsvieh zu erziehen. Und an solche Verschwörungen glaube ich ehrlich gesagt nicht.

Eine Verschwörung habe ich nicht gemeint, sondern die Tatsache dass einem jungen Menschen "vorgeschrieben" wird, was erlernt werden soll - Schule, Gemeindewesen, Elternhaus etc.. Das ist normal und geht auch nicht anders.

Die Beweggründe die für eine Entscheidung sorgen was gelehrt wird sind sicher vielfältig. Jedoch fällt insgesamt das Ungleichgewicht zugunsten einer praktischen Zweckmäßigkeit im Sinne der Teilhabe an einem Lebenskonzept, welches stark darin ist zu fragen "Wie (kann man das machen)" und schwächer wird in der Frage "ob (wir das machen sollten)": Es ist ausgerichtet auf eine Teilhabe am jeweiligen Wirtschaftssystem - nicht daran es kritisch zu hinterfragen oder selbstbewusst genug zu werden um Eigeninitiative zu entwickeln.


@xrayn
Musik: Wurden uns ab Oberstufe auch nur noch irgendwelche Komponisten vorgesetzt und wir durften dann raten, was die uns damit sagen wollten oder was wo die Unterschiede lagen..
Kunst: wurden gefühlt sämtliche Epochen durch genommen und zu jeder durfte man dann mal ein Bild malen..
Ja - das sind auch meine Lieblingsbeispiele für die Schwachköpfe die Lehrpläne verzapfen wo man solchen Stuss lernt der völlig Substanzlos ist.
Warum nicht die Rolle der Musik in Kulturen und Kulturumbrüchen? Warum nicht etwas über Herkunft und Kulturvermischung gerade über Musik? Warum nicht über den Kulturtransfer mit und durch Musik? Warum nichts über die spirituelle "Macht" von Musik etc.pp?


Geschichte: seit der 5ten!!! 3xNazis, DDR, Griechen, Römer, franz. Revo, Mittelalter...
Richtig - wie wärs mit der Entwicklung von Rechtssystemen gewesen? Über das Selbstverständnis (alter) Kulturen und Weltanschauungen - oder die Frage warum sich Völker nicht "industrialisiert" haben? Wie haben es Völker hingekriegt trotz einer Vielzahl ethnischer Gruppen kulturelle Blüten zu treiben etc..?

Politik/Wirtschaft: Systeme der BRD, versch. Wirtschaftslehren, naher Osten, USA
Warum nicht stabile Regelkreise bzgl. Wirtschaft und Umwelt unter die Lupe nehmen, die aufzeigen dass es besser geht? Sozialistische Elemente in Großkonzernen? Kritische Aufklärung über das Finanzsystem, die Frage warum der Staat lieber die Interessen von Großkonzernen vertritt als die der Bürger, Aufklärung der Schüler wer eigentlich überall die "vertretbaren" Schadstoff- und Strahlenbelastungen festlegt, die als Norm über Menschen "verhängt" werden? Die Frage warum politische Mündigkeit so wichtig ist etc.

Alles Krams, den ich heute als "Leistungsträger" 0 brauche. Das einzige wovon ich heute profitiere, ist, dass ich die Grundrechenarten, Schreiben und die dt/eng Sprache einigermaßen beherrsche. Von daher ist deine Aussage schlichtweg falsch.

Da Du mit dem übrigen "Wissen" nichts anfangen kannst - weil du kaum welches vermittelt bekommen hast sehe ich meine Aussage eher bestätigt.
 
Mehr wissen über Geschichte, Politik, etc… bringt auch nicht viel. Der sich für die Bereiche nicht interessiert, der wird auch nach seiner Prüfung nichts davon behalten. Wenn die Schulen lehren, wie man im Internet recherchiert und die Informationen richtig filtert, würde es viel mehr bringen auch später im Berufsleben. Somit lernt man effizienter an die Informationen zukommen die man Benötigt um eine außerordentliches Problem zu lösen.
Deswegen finde ich das mit den Informationshäppchen nicht so schlimm. Da die meisten einfach nicht mehr benötigen. Dank des heutigen Informationszeitalters werden die Menschen auch nicht so leicht über das Ohr gezogen. Viele Menschen informieren sich im Internet und lassen sich nicht nur persönlich Beraten (egal ob für einen neuen Fernseher oder eine medizinische Problem). Nur die Gefahr dabei ist, dass viele einfach dem Internet vertrauen, ohne sich darüber Gedanken zu machen ob diese auch so ist.
 
Ich denke auch das die Qualität der Information (oder der Schulbildung) nicht schlechter geworden ist - das ist wohl eher eine Spielart von Früher war alles besser. Problematischer ist da schon die Informationsflut, der wir ständig ausgesetzt sind. Man sollte sich wirklich Gedanken machen welche Informationen man warum aus welchen Quellen konsumiert. Der polnische Denker und Schriftsteller Stanislaw Lem hat schon vor gut 40 Jahren in diesem Zusammenhang (wenn auch auf die gesamte Gesellschaft bezogen) die Begriffe Megabitbombe und Informationsbarriere geprägt. Wenn die Informationsflut die Aufnahmekapazität des Eingangskanal überschreitet, prallt die Megabitbombe gegen die Informationsbarriere.
Ob sich die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen verändert und sich so ein Hang zu Informationshäppchen etabliert hat, kann ich nicht beurteilen (dazu müsste ich erst fundierte Informationen zu diesem Aspekt konsumieren :D), aber die Menschen hatten auf jeden Fall schon immer einen Hang zur leichter Unterhaltung und zur Sensationslust. Im Mittelalter, als die wenigstens Menschen lesen konnten und es auch keine Zeitungen gab, verbreiteten sich Informationen vor allem über Bänkelsänger. Diese überbrachten aber nicht einfach nur die neusten Nachrichten und den Klatsch aus den Dörfern die sie besucht hatten, sie verpackten die interessanteren Nachrichten in Versform oder Liedern. Die beliebstesten Geschichten waren jedoch die Moritaten - also Geschichten von Mord und Totschlag. Im Grunde waren Menschen vermutlich schon immer für Klatsch, Sensationspresse und leichte Unterhaltung sehr empfänglich. Insgesamt hat sich was Quantität und Qualität von Informationen betrifft, meiner Meinung nach, die Situation seit den Bänkelsängern dramatisch verbessert. Es gibt nicht nur wesentlich mehr Kanäle, es gibt auch wesentlich mehr Menschen die in der Lage sind diese Kanäle auch zu nutzen - das jeder Bürger in Deutschland zumindest ein Mindestmaß an Schuldbildung bekommt, ist erst seit der Weimarer Republik (afaik seit 1919) so. Unsere Gesellschaft bietet eine gewaltige Menge an Informationen über die verschiedensten Medien an: z. B. Zeitungen & Zeitschriften, Bücher, Radio- & TV-Sendungen und den verschiedensten Online-Medien (von guten alten Foren bis zu YouTube). Jeder Mensch kann sich also informieren, die Qualität dieser Informationen wird im Grunde nur durch Interesse und Kenntnisstand des Einzelnen bestimmt. Ich sehe daher keinen Mangel an qualitativ hochwertiger Information, es wird imho nur immer wichtiger bewusst zu filtern.
Problematischer finde ich eher den Umstand das immer mehr falsche Informationen verbreitet wird - wodurch das Filtern enorm erschwert wird. Früher einmal, sozusagen in der guten alten Zeit, waren regelrechte Desinformationskampagnen im Grunde nur ein Aspekt der Kriegsführung, der Diplomatie oder der Wirtschaft. Heutzutage wird aber auch der einfache Bürger immer wieder gezielt mit Falschinformationen bombadiert - man denke nur an Phising-Mails. Meiner Meinung nach liegt das Problem vor allem in der Natur digitaler Informationsverarbeitung: Digitale Daten lassen sich leicht zugänglich machen, leicht kopieren - aber eben auch leicht manipulieren. Im Grunde kann jeder der nur ein Minimum an Zeit und Geld investiert eine professionell wirkende Webseite ins Netz stellen und allen möglichen Unsinn verbreiten. Wieviel ausgefeilter werden dann erst die Möglichkeiten von Geheimdiensten oder Konzernen sein? So wie sich alles weiterentwickelt, haben sich auch die Strategien und technische Möglichkeiten von Spin-Doctors, PR-Beratern und anderen professionellen Wahrheitsmodifizierern weiterentwickelt...
Und dieses Phänomen hat mittlerweile alle Bereiche der menschlichen Gesellschaft durchdrungen: Einfache Bürger werden mit Werbeversprechen und Phising-Mails geködert, aufgrund des Prinzips publish or perish werden immer mehr wissenschaftliche Studien geschönt oder gleich ganz gefälscht, die Wirtschaft nimmt Einfluss auf Foren in denen Erfahrungsberichte über ihre Produkte ausgetauscht werden und Regierungen und Geheimdienste versuchen gleich im ganz großen Stil die öffentliche Meinung zu manipulieren. Ganz aktuell gibt es zahlreiche Beispiele für die gezielte Manipulation von Informationen oder regelrechte Desinformationskampagnen: Der ADAC fälscht Abstimmungen über beliebte Autos, das ZDF fälscht Abstimmungen über beliebte Prominente, GCHQ (und vermutlich jeder andere moderne Geheimdienst) kann im Internet Abstimmungen, Diskussionen & Beiträge manipulieren oder verschwinden lassen, in der Ukraine oder dem Nahen Osten toben Propaganda-Kriege (neben den ganz echten Kriegen).
In manipulierten oder gefälschten Informationen sehe ich das größte Risiko unseres Informationszeitalters - das ansonsten eine wundervolle Sache ist und das Potential hat die wirtschaftliche, wissenschaftliche & kulturelle Entwicklung des Menschen enorm zu beschleunigen...
 
Ich denke auch das die Qualität der Information (oder der Schulbildung) nicht schlechter geworden ist - das ist wohl eher eine Spielart von Früher war alles besser.

Die Qualitaet der Darreichung (Turbo-Abi und 2 Tage die Woche nur 4 Schulsstunden an hiesigen Gymnasien durch "Fachkräftemangel"), sowie die Qualitaet des Inhalts in vielen Fächern haben definitiv erheblich nachgelassen. Alleine die Tatsache dass gewisse Dinge seit 20 Jahren unverändert gelehrt werden obwohl sich die übrige Welt weitergedreht hat.

Verstehe das bitte nicht als eine "Früher..." Floskel sondern als berechtigte Kritik am Bildungssystem, welches gemessen an dem, was es zu wissen gibt, das vermittelbare Wissen erstens falsch priorisiert und zweitens idR. falsch vermittelt. Was Erstes angeht, so wiederhole ich gerne meine Behauptung dass Wissen, welches von "der Wirtschaft" verlangt wird höher priorisiert wird als ein Wissen, welches einem Kind/Jugendlichen das nötige Rüstzeug gibt sich selbst zu entwickeln und generell sehr viel kritischer zu sein.

Der polnische Denker und Schriftsteller Stanislaw Lem hat schon vor gut 40 Jahren in diesem Zusammenhang (wenn auch auf die gesamte Gesellschaft bezogen) die Begriffe Megabitbombe und Informationsbarriere geprägt. Wenn die Informationsflut die Aufnahmekapazität des Eingangskanal überschreitet, prallt die Megabitbombe gegen die Informationsbarriere.
Und Lem ist nicht der einzige, der mit seinen Betrachtungen richtiger liegt als "Experten" die aktuell herumlaufen. Lem wäre als fester Bestandteil des Lehrplans durchaus angebracht, denn er würde jungen Menschen helfen das "Dilemma" richtig zu formulieren.

Alles in Allem wäre es in der "heutigen" Zeit sinnvoller Lem zu präsentieren (enormer Sprachwitz, literarisch großartig, gedanklich tief, hochpolitisch und trotz der Jahre zeitgemäß + die enormen Querverweise zu anderen bedeutenden Ereignissen und Persönlichkeiten) als jeden Jahrgang mit dem "üblichen" Krempel zu drangsalieren.

Duerrenmatt vs. Lem - Nur ein Dummkopf würde sich vom pädagogischen Standpunkt aus gegen Lem entscheiden.

Ich sehe daher keinen Mangel an qualitativ hochwertiger Information, es wird imho nur immer wichtiger bewusst zu filtern.
Niemand hat gesagt dass solche nicht verfügbar ist. Sie wird nur eher selten einem Individdum direkt angeboten und zusätzlich fehlt es an Leuten die die Qualitaet auch erkennen und die Legitimation besitzen das so festzulegen. Ein Mario Bart oder Stefan Raab hat eine größere Deutungsmacht als ein Prof. Ottfried Hoeffe in der Allgemeinheit. Das funktioniert nur aufgrund eines erheblichen Desinteresses und Mangel an Bildung.

In manipulierten oder gefälschten Informationen sehe ich das größte Risiko unseres Informationszeitalters - das ansonsten eine wundervolle Sache ist und das Potential hat die wirtschaftliche, wissenschaftliche & kulturelle Entwicklung des Menschen enorm zu beschleunigen...

Zomfg - diese Floskel ist aber weitaus übler und naiver als alle "früher war XYZ" Floskeln zusammen :D (abgesehen vom rosaroten Potential auf dem Weg in eine schönere Welt weisen die Tatsachen doch sehr deutlich in eine andere Richtung).
 
Die Qualitaet der Darreichung (Turbo-Abi und 2 Tage die Woche nur 4 Schulsstunden an hiesigen Gymnasien durch "Fachkräftemangel"), sowie die Qualitaet des Inhalts in vielen Fächern haben definitiv erheblich nachgelassen. Alleine die Tatsache dass gewisse Dinge seit 20 Jahren unverändert gelehrt werden obwohl sich die übrige Welt weitergedreht hat.
In Baden-Württemberg und anderen Bundesländern gibt es inzwischen Bildungsstandards, die bewusst nicht auf die Inhalte eingehen, sondern nur auf die Ziele. Darauf aufbauend kannst du als LehrerIn dann deine Lehrpläne entwerfen, oder du nimmst alternativ die Beispiellehrpläne der Kultusministerien. Hier hast du als LehrerIn also schon relativ viele Freiheiten gegeben, auch die Themen zu behandeln, die du oben genannt hast.
Das Problem - über die Bildungsstandards kann man reden und deswegen befinden sich diese auch in stetiger Weiterentwicklung - sehe ich aber vielmehr in der LehrerInnen-(aus-)bildung. Junge, aufstrebende und vielleicht motivierte LehrerInnen, die sich in der Uni umfassend und allgemein mit Themen auseiandergesetzt haben, werden durch Stress der Arbeitswelt, ihrer Ausbildung und durch ihre oft kompetenzlosen AusbilderInnen derart bearbeitet, dass am Ende nur die Themen im Unterricht behandelt werden *dürfen*, die schon vor 20 Jahren behandelt wurden. Der Kern liegt also nicht in den eigentlichen Vorgaben, sondern in der Unfähigkeit der Lehrerbildung, die Auseinandersetzung mit den Inhalten zu fördern. Stattdessen wird großer Wert auf pädagogische Konzepte (Arbeitskonzepte, Organisation, ...) und pädagogische Maßnahmen (Bestrafung, Arbeitsblätter, ...) gelegt, nicht aber auf den Inhalt. Effizienz statt Effektivität heißt nunmal das Mantra einer verschuldeten Gesellschaft. Oder anders gesagt: Der Trend geht zur Privatschule, wo LehrerInnen diese Möglichkeiten gegeben werden.

Was Erstes angeht, so wiederhole ich gerne meine Behauptung dass Wissen, welches von "der Wirtschaft" verlangt wird höher priorisiert wird als ein Wissen, welches einem Kind/Jugendlichen das nötige Rüstzeug gibt sich selbst zu entwickeln und generell sehr viel kritischer zu sein.
Natürlich wird es das. Du willst möglichst jedem das Zeug mitgeben, irgendwann einen Job zu finden, denn nichts kostet den Staat mehr, als Sozialabgaben für Menschen, die keinen Job finden. Du verlagerst die Verantwortung damit vom Staat auf das Individuum. Die Priorisierung der Lehrinhalte und -ziele erfolgt also schlicht auf Basis wirtschaftlicher Kriterien und nicht auf moralischem Geplänkel. Diskussion über das "ob", oder das "warum", sind aus Sicht der Effizienz nicht wünschenswert. Wir wollen "Ja-Sager, die alles nur nachlabern.", damit wir auf dieser Welt kurzfristig konkurrenzfähig bleiben können.
Auch hier sieht man schön, dass unser Schulsystem zwar effizient arbeitet, aber nicht effektiv. Da beides gleichzeitig nicht funktionieren kann, muss es unser Ziel darin bestehen, einen Zwischenweg, oder aus systemtheoretischer Sicht eine Optimierungsfunktion zwischen Effizienz und Effektivität zu finden. Die Einteilung in Gymnasium, Realschule und Hauptschule war ein erster Schritt, den ich auch, inzwischen scheinbar als einziger, nicht als per se schlecht ansehe. Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten auch das Gymnasium an der Wirtschaft ausgerichtet, ebenso die Hochschulen und Universitäten, was der wirklichen an der Wirtschaft ausgerichteten Schulenzweigen geschadet hat. Hier muss entgegen gewirkt werden. Ein Gymnasium hat nicht mehr die Vorstufe zur universitäten Bildung zu sein, genauso wenig wie die universitäte Bildung die Vorstufe zur beruflichen Eignung sein darf. Stattdessen muss die Real- und Hauptschule gestärkt werden, es muss ein berufsorientiertes Studium für Realschulabgänger geben, usw.. Das alles schaffen wir aber mit 5,3% des BIPs nicht.

Um die Kurve zum Thema zu bekommen:
Ein Mario Bart oder Stefan Raab hat eine größere Deutungsmacht als ein Prof. Ottfried Hoeffe in der Allgemeinheit. Das funktioniert nur aufgrund eines erheblichen Desinteresses und Mangel an Bildung.
Wir hatten da letztens ja schon drüber gesprochen und ich sehe das immernoch gleich: Wir werden tagsüber von "reinen" Informationen derart überflutet, dass unsere Fähigkeit zur Aufnahme, zur Verarbeitung und zur Speicherung schlichtweg nicht hinterher kommt und irgendwann resigniert - und "abstürzt". Mario Barth und Stefan Raab nutzen diesen Absturz gezielt aus, indem sie uns mit ihrer Trivialität und geregelten "Informationsübertragung" nicht überfordern. Dadurch entspannt sich das Gehirn und wird wieder einsatzbereit. Frag mal einen Bekannten nach den neusten Ereignissen, die er mittags auf SPON gelesen hat, und nach dem Witz gestern Abend bei Stefan Raab. Ich wette, dass er dir nicht sagen kann, was er tagsüber auf SPON gelesen hat, während er dir den Sitz vom Raab problemlos wiederholen kann.
Ich denke, der Begriff "Informationsgesellschaft" trifft es nicht. Vielmehr sollten wir von einer "Big Data"-Gesellschaft sprechen, analog zum Begriff aus der IT. Wir produzieren derart viele Informationen, dass eine einfache Verarbeitung nicht mehr möglich ist. Stattdessen verlassen wir uns auf Technologien, die die Aussagen aus diesen Informationen "filtern" und uns "häppchenweise" präsentieren. Hier stimme ich Chromatin ebenfalls zu: Wir können diese Häppchen zwar konsumieren, wie können sie aber nicht in Beziehung zueinander setzen, oder sie mit anderem Wissen anreichern.

Aber was kann man dagegen tun?
 
Bei den Betrachtungen der Schulformen: Imho ist es natürlich wichtig, dass Schüler auf einem Gymnasium für die Hochschulen vorbereitet werden. Ob ein Schüler allerdings die Art von Mathe lernen sollte die es da zu lernen gibt, kann man (imho) diskutieren, denn für die Vermittlung dieses Spezialwissens sind dann eben die Unis und FHs zustaendig. Nach meinem Geschmack lieber etwas mehr Allgemeinbildung und Lerntechniken als Fachwissen, welches 1. ohnehin nicht erschöpfend verstanden werden kann und 2. für einen Teil der Schüler nicht notwendig ist, weil die sich in andere Richtungen orientieren. Wünschenswert waeren also auch mehr Inhalte die einem Schüler eine Orientierung für seinen Werdegang bieten.

Aber was kann man dagegen tun?

Zunächst mal das reelle Problem vermitteln. Das geht imho primär über Schulen und dann muss das auch mal im Elternhaus ankommen. Das ist kein momentanes Problem sondern eine Aufgabe der "neuen" Zeit, die gelöst werden will. Dass wir vor der Aufgabe stehen ist auch völlig normal und kehrt derart ja immer wieder sobald etwas in kurzer Zeit ganze Gesellschaften umkrempelt. Ich denke das globale Kommunikationsnetz ist eine solche Krempelei. Zwar postulieren die Medien dass die "jungen" Menschen, die mit der Hochtechnologie wie selbstverständlich aufwachsen immer wieder dass die einen "angepassten" Umgang damit haben. Bei genauer Betrachtung erscheint es mir allerdings eher als eine Art Resistenz und Resignation: Die Erkenntnis, dass junge Leute wie selbstverständlich mit mehreren Teilnehmern gleichzeitig kommunizieren ist zunächst mal wahr - allerdings ist das keinen Pflifferling wert, denn es sagt weder was ueber Inhalte und Qualitaet aus. Die meisten Schüler sind in ihrer Freizeit eher wenig an Bildung und Wissen interessiert, weil sie einfach viel zu erschöpft und "voll" sind aber unterm Schnitt trotzdem ueber keine nennenswerte Bildung verfügen.

Nehme ich ein Gleichnis indem ich täglich eine Stunde Zeit habe Informationen aufzunehmen. So könnte ich an einem Tag die volle Stunde in ein Biobuch gucken oder ne Doku ansehen. Oder eine halbe Stunde und die andere darauf verwenden selbst Teile nachzuschlagen oder aufkommende Fragen zu recherchieren.

Heute ist es eher so dass aufgrund der Fülle an auf uns zukommenden Informationen diese Stunde mit winzigen 5-Minuten Abschnitten gefüllt wird. Im Ergebnis bleibt von dem bisschen was sich gemerkt werden kann wiederum nur ein bisschen hängen. Am Ende hat man von allem mal irgendwie gehört aber der Bildungsstand ist im konkreten Fall lächerlich.

Dazu kommt - und das ist nach wie vor mein größter Kritikpunkt, dass diese 5-Minuten Abschnitte (Infohäppchen) von jedermann präsentiert werden können.
Die meisten Menschen sind damit völlig überfordert und selbst wenn sie die Information ausreichend verarbeiten können, so fehlt ihnen doch das nötige Rüstzeug überhaupt die Relevanz einer Information bewerten zu können.
Und genau an dieser Stelle werden diejenigen, die in der Lage sind, zu bestimmen was zu erlernen Sinn macht, durch diverse Medienhampelmänner ersetzt. Hier verschiebt sich "Deutungshoheit" und im Ergebnis wird einem ein Sacha Lobo als Medienexperte hingesetzt, wo es weitaus mehr Sinn machen würde die Essays von einem William Gibson, Lem, Lessig, Milton Mueller etc. zu lesen - von Menschen, die nun wirklich was zu sagen haben.

Diese Spirale geht unweigerlich nach unten ohne das irgendwo irgendjemand wirklich Schuld hat oder mit einem (verschwörerischen) Vorsatz handelt. Ein übriges tut unser aktueller Lebensstil worum es nur noch um Fun, Party und Selbstverwirklichung geht und kaum noch jemand Mühe und Zeit für wirklich langfristige Anstrengungen investiert. Das Gefühl "irgendwas" zu verpassen ist erschreckend präsent.


Diskussionen wie diese sind eine Sache die wir tun können und je weniger wir einer Meinung sind, desto fruchtbarer sind sie ;)
 
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