Hmm Orni, ich weiß ja nicht.
Du versuchst mich da in eine Schublade zu stecken, in die ich nicht passe.
Du hast für dich persönlich den Konsequentialismus gewählt. Schön und gut. Aber für mich, insbesondere als Christ, ist gerade dies ein schwerer Konflikt. "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Denn ein guter Baum bringt stets gute und ein fauler Baum stets fauler Früchte hervor."
Genau das ist ein zentrales Problem für mich: Laut diesem Satz ist eine Tat stets Konsequentialistisch zu beurteilen, aber es widerspricht meinem persönlichen Gefühl. Ich weiß nicht, ob es gut sein kann einen Menschen zu töten, wenn etwas gutes dabei rauskommt. Es kommt mir aber dennoch in der Regel schlecht vor. Hingegen: kann es schlecht sein, wenn ich mit guten Absichten etwas tue und damit aber eine, von mir nicht steuerbare, Kettenreaktion auslöse, die zu etwas schlechtem führt?
Insbesondere ist dies bei Entscheidungen ein wichtiger Punkt: Ein Konsequentialist kann prinzipiell nicht wissen, wie seine Handlungen ausgehen, weiß aber, dass die Handlungen gut waren, wenn etwas gutes dabei herausgekommen ist. Ein Tugendethiker (und davon will ich mich nicht distanzieren!) oder ein Deontologe weiß, dass er nur das zu tun braucht, womit er das Beste zu erreichen hofft und kann dennoch ein relativ ruhiges Gewissen haben, selbst wenn es zu einer Katastrophe führt.
Ich stehe da irgendwo zwischen diesen Drei. Also katalogisiere mich bitte nicht vorzeitig!
ich halte es ebenfalls für einen irrtum etwas (völlig egal was) kategorisch abzulehnen; seien es angriffskriege, folter, mord, terrorismus oder was auch immer. eine solche deontologische sichtweise ist echtes glatteis ... schließlich lassen sich für jede dieser handlungen gedankenexperimente formulieren in welchen die handlung plötzlich nicht mehr so moralisch verwerflich scheint - oder sogar moralisch geboten ist.
Aber auch deine konsequentialistische Sicht kann dich aufs Glatteis führen! Zumindest aus meiner Sicht. Du wirkst ein wenig nihilistisch auf mich.
Es gibt Dinge, die nach nicht-nihilistischer Sicht, per defintionem moralisch verwerflich sind. Zum Beispiel Mord: Totschlag aus niederen (also moralisch verwerflichen Beweggründen)
Oder Terrorismus: Mord und/oder Gewalt und/oder Mord- und/oder Gewaltandrohung AUCH gegenüber UNSCHULDIGEN, um seine Ansichten durchzusetzen oder sich Gehör zu verschaffen.
Gerade diese beiden Begriffe kann, glaube ich, niemand als ein Nihilist im Sinne Nietzsches als nicht kategorisch moralisch verwerflich ansehen. Auch der Terror im Rahmen der französischen Revolution (der einzige im Selbstbegriff staatliche Terror der mir gerade einfällt) war in höchstem Maße Nihilistisch (im Sinne Nietzsches natürlich), auch wenn es den Begriff damals noch nicht gab, denn es galt die (vermeintlichen) christlichen, feudalen aber auch aufkommenden bourgoisen Werte zu überwinden und neuzugestalten.
angriffskriege und dronen sind nunmal dinge die möglicherweise faktisch bisher nie moralisch vertretbar eingesetzt wurden, und vielleicht auch nie werden - mag sein. daraus aber zu folgern dass diese kategorisch abzulehnen sind ist ein logischer fehlschluss.
Ich habe, bitte, keinen logischen Schluss gezogen, da ich das aus meiner philosophischen WEltanschauung heraus nicht machen kann. Ich habe lediglich meine, auf dem deutschen Grundgesetz, den Menschenrechten, den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und meiner christlichen Wertevorstellung begründete Meinung wiedergegeben.
was du hier beschreibst ist ein pragmatischer abbruch - ein großes problem in der angewandten ethik, aber nunmal kein fehler im moralsystem - sondern in dessen anwendung. abermals lässt dies logisch nicht die folgerung zu dass das moralsystem abzulehnen sei - bzw. dessen methodik. von daher (im bezug auf den ersten satz deiner antwort): eben doch.
Ich muss offen sagen: Ich verstehe nicht!
Was meinst du mit "pragmatischem Abbruch"?
Beziehst du die Pragmatik auf mich oder auf die Standgerichte/Henker?
Und warum nimmst du an, dass ich Fehler im Moralsystem sehe? Oder dieses gerade ablehne?
Du wirst doch sicherlich mit mir übereinstimmen, dass es "leichter ist" und weniger Gewissenskonflikte verursacht, wenn ich von zu Hause aus, wie im Computerspiel, Menschen töte, als wenn ich dasselbe mit dem Bajonett täte? EIn Bomberpilot kann allerhöchstens VERSUCHEN sich vorzustellen, was seine Opfer durchmachen. Aber er wird es sich nie vollständig vorstellen können, es sei denn er gerät mal tatsächlich in ein Bombardement. Denn er sieht, hört, riecht, fühlt die Menschen nicht, die durch ihn sterben. Der Messerstecher aber, hat sein Opfer direkt vor sich und nimmt die Scheußlichkeit seines Handelns direkt und mit allen Sinnen wahr und als solche wird sie auch in seinem Gedächtnis bleiben.
EDIT: Beachte auch bitte mein Beispiel mit der Waffenproduktion. Die meisten Menschen in der modernen Waffenproduktion haben kein schlechtes Gewissen, dass sie indirekt am Tod vieler, potentiell unschuldiger Menschen mitwirken. Weil sie eben die Folgen ihres Handelns nicht direkt sehen, aber natürlich genau wissen, was passiert - wie beim Bomberpiloten.