Die EU - Freund oder Feind?

Wie bewertest Du die EU?


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    35
Da die EU, der Euro und der Euro-Stabilitätspakt gerade wieder durch alle Medien geistern und auch eine Diskussion in einem anderen Thread zeigte, wie unterschiedlich man die EU bewerten kann, dachte ich mir ich starte zu dem Thema eine Umfrage & eine Diskussion...

Um den Anfang zu machen, oute ich mich hier als Befürworter der EU, bzw. der Idee von einem vereinten Europa. Das hat für mich sowohl rationale, als auch emotionale Gründe - fangen wir mit den rationalen an:
In der jüngeren Vergangenheit (seit dem 2. Weltkrieg) wurde die Welt von zwei Superstaaten, den USA und der Sowjetunion, dominiert, dabei stützte sich ihre Macht natürlich auf ihr Militär und ihre Militärbündnisse (NATO vs. Warschauer Pakt), aber auch auf die, verglichen mit "normalen" Staaten, gewaltigen Gewinne die von den Volkswirtschaften dieser Superstaaten generiert wurden. Mittlerweile ist der Kalte Krieg vorbei, doch auch die Gegenwart wird von riesiegen Staatsgebilden (USA
& China) dominiert und auch die Zukunft wird solchen Superstaaten gehören - immerhin schickt sich gerade Indien an ebenfalls einen Platz an der Weltspitze zu beanspruchen. Vor diesem Hintergrund halte ich den Zusammenschluss Europas für eine logische Konsequenz. Heutzutage spielt die Wirtschaft eine viel größere Rolle um de Interessen eines Landes zu vertreten, als das Militär und wie stark die Stimme der Wirtschaft eines Landes in der Welt wahr genommen wird (und wie gut es dadurch die Interessen ihrer Bürger durchsetzen kann) hängt im wesentliche davon ab wieviele Menschen dieser Staat repräsentiert und wie groß das Bruttosozialprodukt ist, das diese Menschen generieren können und natürlich wie stark die Währung dieses Landes ist. Keiner der nationalen Kleinstaaten (aus denen Europa sich ja zusammensetzt) kann sich da auf Dauer global gegen Riesenstaaten wie die USA, China, Indien und Brasilien durchsetzen. Nehmen wir nur einmal Deutschland, das bevölkerungsreichstes Land der EU: Deutschland hat etwas weniger als 82 Millionen Einwohner und erwirtschaftet rund 3, 7 Milliarden Dollar als Bruttoinlandsprodukt. Die USA haben über 300 Millionen Einwohner und erwirtschaften etwa 14, 2 Milliarden Dollar, China repräsentiert etwa 1, 3 Milliarden Menschen und erwirtschaftet rund 7, 9 Milliarden Dollar (Tendenz stark steigend)... Die EU repräsentiert dagegen etwa 500 Millionen Menschen und ihre Mitgliedstaaten erwirtschaften, gemeinsam betrachtet, das größte Bruttoinlandsprodukt der Welt! Solche Vergleiche offenbaren das Ungleichgewicht deutlich und deshalb ist, meiner Ansicht nach, ein vereintes Europa das politisch & wirtschaftlich an einem Strang zieht, die logische Konsequenz und die einzige Chance wenn wir kein Spielball der Interessen der anderen Superstaaten werden wollen...

Für mich gibt es aber auch eher emotionale Gründe die EU positiv zu bewerten, denn im Verlauf der Geschichte gab es immer wieder Bestrebungen Europa durch die Hand von Kriegsherren zu vereinen (Karl d. Große, Napoleon, Hitler) - die glücklicherweise nie von Dauer waren. Wenn dieses Ziel aber durch friedliche Mittel erreicht werden könnte, wäre das ein fantastisches Signal - praktisch der Beweis das die Feder eben doch mächtiger als das Schwert ist...:) Außerdem - was haben uns der Dünkel und Egoismus der europäischen Nationalstaaten schon anderes gebracht, als eine Geschichte voller Kriege, die den Kontinent immer wieder in Schutt und Asche legten? Ich denke das Konzept der kleinen Nationalstaaten ist ein verstaubtes Relikt der Geschichte und Warnungen vor einem "nationalen Identitätsverlust, wie sie meist vom rechten Rand kommen, halte ich für paranoides Geschwätz. Auch Deutschland setzt sich aus verschieden "Volksstämmen" mit unterschiedlicher Tradition & Kultur zusammen - und haben etwa die Bayern, die Friesen oder die Sachsen ihre Identität verloren? Warum sollte das in einem vereinten Europa anders sein?

Fazit:
Ich halte die EU, als wichtigen Motor für ein vereintes Europa, für wichtig und wünschenswert und praktisch sogar für unverzichtbar. Aber natürlich ist nicht alles Gold was glänzt und auch der EU muss man (wie alle Regierungen/Autoritäten) sorgfältig auf die Finger schauen. Vor allem aber muss die EU demokratischer und transparenter werden - dann klappts auch mit den Bürgern...:wink:
 
Deine Abstimmung ist für mich etwas zu einfach gestrickt.
Auf der einen Seite ist sie von der Idee her durchaus eine gute Sache andererseits
ist sie eben auch der bedrohliche Moloch.
Das Anfangskonzept einen Wirtschaftsraum zu schaffen in dem Waren frei und
ohne Wechselkurse gehandelt werden können ist gut und Vorteilhaft für alle.
Nur funktioniert dies nur, wenn in den beteiligten Ländern auch annähernd die
gleichen Produktionsbedingungen herrschen und elementare wirtschaftliche
Grundsätze (wie Angebot und Nachfrage) nicht ausgehebelt werden.
Hier stellt sich dann die Frage auf welchem Niveau hält man solch einen Wirtschaftsraum,
auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner oder strebt man die höchsten vorhandenen
Standards an.
Hier wurde meiner Meinung nach die Weichen , spätestens mit den Osterweiterungen, Richtung
kleinster Nenner gestellt. Politisch und wirtschaftlich.

Genau hier wird das Ding zum Moloch, wenn in Ländern die diesen Wirtschaftsraum
ins Leben gerufen haben und momentan auch noch finanziell tragen die
Standards nach unten reklementiert werden müssen, um Konkurrenzfähig zu
bleiben. Dies betrifft Sozial- , Produktionsstandards wie auch die Gesetzgebung.
Hier wird nicht mehr das Beste für die EUBürger angestrebt, sondern maximal
ein Mittelmass, oft genug nur noch ein von den Wirtschaftskonzernen gefordertes
Minimum.

Gruss
 
end4win:
Deine Abstimmung ist für mich etwas zu einfach gestrickt.
Damit hast Du natürlich völlig recht, die Abstimmung kann nur einen groben Trend erfassen - eben ob man der EU gegenüber eher positiv oder negativ eingestellt ist. Einschränkungen dieser Grundhaltung oder komplexere Standpunkte sollte man, wie Du es ja auch getan hast, in diesem Thread erläutern...:)
 
Die USA betrachtet die EU, deren Mitgliedsländer fast alle auch in der Nato sind, auch nur als "Erweiterung" der Nato. Insofern hat sich am Kräfteverhältnis nicht wirklich viel geändert, ausser dass die Handlungen der USA nun auch noch von ganz Europa legitimiert werden.

Im übrigen halte ich deine Abstimmung auch für etwas sehr strikt und deine Gedankengänge, die du im Eingangsposting eingebracht hast, für nicht weitreichend genug.

Wäre die EU tatsächlich eine reine Wirtschaftsunion und würde sie sich an ihre selbst auferlegten Regeln halten, wäre sie durchaus brauchbar und zu gewissen Teilen auch notwendig. Das Problem ist aber, dass sie genau das nicht tut und wie sich letzte Woche zeigte auch nicht vorhat zu tun. Der Stabilitätspakt wurde gebrochen und die Beschränkung auf eine Wirtschaftsunion ist durch den Lissabonvertrag ad absurdum geführt. Die EU entwickelt sich zu einer Schattenregierung, die ihren Mitgliedsländern Gesetze aufdiktiert, die weit über wirtschaftliche Aspekte hinausgehen. Dies wird umso schlimmer dadurch, dass EU-Gesetze über den Gesetzen der einzelnen Mitgliedsstaaten stehen. Selbst unser Grundgesetz ist den EU-Regelungen untergeordnet, was dazu führt, dass z.B. eine Todesstrafe in Deutschland wieder möglich wäre und was auch dazu führt, dass Dinge wie Vorratsdatenspeicherung durch das Verfassungsgericht gar nicht mehr beeinflusst werden können. D.h. also Karlsruhe kann nur noch Einfluss auf das "Wie", aber nicht mehr auf das "Ob" nehmen. Und das gilt natürlich nicht nur für das Verfassungsgericht, sondern für das gesamte Volk. Da könnten 100% der Bevölkerung gegen Vorratsdatenspeicherung sein und sie könnten es nicht ändern, wenn sie nicht gleichzeitig bereit wären dafür zu zahlen (entsprechende Strafzahlungen an die EU), dass sie diese nicht einführen.

Ausserdem ist die EU kein Motor für die europäische Wirtschaft, sondern eine Bremse für die Wirtschaft jener Länder, die wirtschaftlich gegenüber anderen Mitgliedsländern stärker sind. Es profitieren also nur jene Länder mit einer schwachen Wirtschaft. Und anstatt diese nun wirklich zu stärken, werden sie in einer Weise unterstützt, die lediglich ihre Sozialsysteme schwächt, aber die Wirtschaft weiter "am Boden" belässt. Man könnte die Wirtschaft der Mittelmeerländer z.B. wesentlich eher stärken, wenn Länder wie Deutschland oder Frankreich ihrem Import stärken würden. Genau das Gegenteil wird aber gemacht und so werden Länder wie Griechenland und Portugal dauerhaft auf EU-Hilfen angewiesen bleiben. Die Rechung dafür werden Länder wie Deutschland, Frankreich, Schweden etc. zahlen, die wirtschaftlich besser dastehen.

Weiterhin wurde bereits in vielen unabhängigen Studien nachgewiesen, dass kleine Verwaltungseinheiten wesentlich effektiver bewirtschaftet werden können. Durch die EU wird das Gegenteil gemacht. Man schafft eine Verwaltungseinheit, die so riesig ist, dass eine effektive Bewirtschaftung auf Dauer nicht haltbar ist. Das zeigte sich z.B. schon dadurch, dass eine Krise am Finanzmarkt auch gleich zu einer Wirtschaftskrise wurde. Es reicht also aus, wenn ein Wirtschaftsbereich Probleme hat um sämtliche anderen Wirtschaftsbereiche mitzureissen. Was zu grosse Verwaltungsbereiche anrichten, konnte man in der Sowjetunion erleben und im heutigen Russland setzt sich das fort. Nicht umsonst gibt es dort das Sprichwort "Russland ist gross, und der Zar ist weit". Mit anderen Worten. Die Regierung verliert seinen Einfluss auf grosse Teile der Wirtschaft, was einer erklärten Wirtschaftsunion noch schlechter bekommt als einem "vereinigten Zarenreich", wo es eher im politische Einflüsse ging. Dies versucht man in der EU durch immer neue Regelungen in den Griff zu bekommen, was wiederum dazu führt, dass alternative Wirtschaftszweige (wie z.B. Heilpflanzenhandel etc.) rigoros zerstört und/oder monopolisiert werden. Dies führt zu einer sinkenden Lebensqualität in Europa, wie wir momentan ja auch erleben dürfen. Sozialsysteme werden durch die Wirtschaft und nicht durch die soziale Umgebung kontrolliert, Preise für medizinische Versorgung werden durch einige wenige Monopolisten bestimmt usw.

Kurzum: Die EU ist zu einem Apparat geworden, der nichts anderes macht als eine Amerikanisierung in Europa zu forcieren. Von der ursprünglich geplanten Wirtschaftsunion ist sie mittlerweile weiter entfernt als die Erde vom Mond.
 
Ich sehe das System geeintes Europa nicht so negativ wie mein Vorredner. Grundsätzlich kann es nicht verkehrt sein, wenn sich größere Menschenmengen zu einer Union zusammenraufen, denn dann rauft man nur mehr (zumindest hauptsächlich) demokratisch, nicht mit Kriegsgerät. Zudem scheint es mir mehr als nur sinnvoll, wenn man grundlegende Gesetze in kulturell ähnlich gelagerten Regionen synchron schaltet. Wenn man es einmal aus der Sicht von Österreich sieht, wir haben 9 unterschiedliche Landesregierungen und 9 unterschiedliche Jugendschutzgesetze, nur so als Beispiel. Solche Kuriositäten könnte man abschaffen, größer betrachtet könnten man den Verwaltungsapparat in ganz Europa mit einer umfassenderen Union erheblich vereinfachen. Es ist sicher nicht nötig unzählige Steuersysteme, Strafgesetzbücher und Ministerien zu unterhalten. Solche Dinge könnten ohne Probleme in ganz Europa gleich lauten bzw. nur einmal vorhanden sein. Darunter wären dann nur mehr regionale Regierungen, für zum Beispiel die Alpen, Skandinavien, kurzum, für Regionen mit bestimmten Gegebenheiten, nötig. Diese könnten dann die spezifischen Regelungen festlegen, da in manchen Bereichen schon Unterschiede zu machen sind. Nationalstaaten und Landesregierungen sind aber relativ überflüssig und überholt.
Zu guter Letzt sollte es außerdem das Ziel sein, ein derartiges System weltweit durchzusetzen, nach dem Prinzip, ein Staat, kein Feind, kein Krieg. Wobei das wohl doch etwas zu weit reicht. Schon für mein vorigen Überlegungen sind zumindest Jahrzehnte zu veranschlagen, falls wir überhaupt etwas derartiges zu erreichen imstande sind.

mfg benediktibk
 
Na dann schauen wir uns mal an, wie diese schöne neue Welt aussehen wird, wenn die EU weiterhin freie Hand bekommt:

1. Totale Überwachung: Immerhin mehr als 10% der EU-Gesetzgebungen zielen derzeit auf Überwachung ab. Das beginnt mit Kameraüberwachung für öffentliche Plätze, geht über Kontrolle von Kommunikations- und Bankdaten und endet nicht zuletzt bei der Erziehung der nachkommenden Generationen.

2. Totale Polizeigewalt: Auch in diesem Bereich werden viele Anstrengungen unternommen um der Polizei und ähnlichen Behörden möglichst viel Spielraum zu geben. Es werden Kampfflugzeuge zur Kontrolle von Großdemonstrationen eingesetzt, die Geheimdienste bekommen immer mehr Befugnisse zur Kontrolle der Bürger und die Polizei darf bei Bedarf auf "Teilnehmer von Aufständen" scharf schiessen, wobei nicht definiert wird, was ein Aufstand überhaupt ist. Theoretisch kann es also jede Demonstration sein, die sich gegen den Staat bzw. dann die EU richtet.

Und damit sind wir auch bei Punkt 3: Abschaffung der Einflussnahme von Bürgern auf die Politik: Wollen Bürger Einfluss auf EU-Gesetzgebungen nehmen, benötigen sie 1.000.000 Unterschriften um einen Volksentscheid herbeizuführen, wobei da auch schon in Diskussion ist, ob man diese Zahl nicht besser verfünffachen sollte, da es ja jetzt mehr Mitgliedsländer gibt.

4. Keine Verfassung: Man hat sich in der EU ein Beispiel an Deutschland genommen. Da man eine Verfassung nicht ändern kann, hat man sich lieber auf einen "Vertrag" geeinigt. Damit lassen sich sämtliche Grundrechte der Bürger beliebig ändern.

5. Steuern: Steuern werden nicht nach Bedarf zur Finanzierung der Mitgliedsländer erhoben, sondern nach Bedarf des Verwaltungsapparats. Allein 100 Milliarden Euro werden in den nächsten 35 Jahren die Pensionen von EU-Beamten kosten. Im Jahr 2046 werden wir mit unseren Steuern die Pensionen von 38.500 Beamten zahlen. Schon die Frühpensionäre kassieren im Schnitt 5000 Euro pro Monat. http://www.welt.de/wirtschaft/article9773148/Pension-fuer-EU-Beamte-verschlingt-100-Milliarden.html Würde man nun noch alle regionalen/nationalen Aufgaben an die EU übertragen, würde diese Anzahl sprunghaft nach oben schnellen.

Im übrigen ist Österreich innerhalb der EU das schlechteste Beispiel. Die Verwaltungskosten dort sind im Schnitt die höchsten in der gesamten EU. Es wäre sicherlich brauchbarer, wenn Österreich seinen Verwaltungsapparat mal reformieren würde. Dann würden sich auch die Regelungen landesweit vereinheitlichen.

Über eine Weltregierung möchte ich lieber nicht spekulieren. Aber wer Interesse hat, kann ja einfach mal nach "Neue Weltordnung" googlen um sich ein Bild davon zu machen, wie sich z.B. amerikanische und europäische Politiker eine Weltregierung vorstellen. Bei den derzeitigen Machtstrukturen auf der Welt, würde eine Weltregierung eine "Regierung des Geldes" werden.
 
Hui, finde ich fies, einfach so mit Argumenten meine schöne Welt zerreißen. Sehr unschön. :wink:
Mit meinem vorigen Beitrag wollte ich auch nicht ausdrücken, dass ich die derzeitige Form der EU perfekt finde. Im Gegenteil, mich wurmt zum Beispiel, dass ein Großteil des Budgets für Agrarförderungen drauf geht, womit die Überproduktion von Produkten unterstützt wird, deren Überfluss wiederum Entwicklungsländer wirtschaftlich ruiniert. Und diesen eindeutigen Verbesserungsbedarf, aus vielfältigen Gründen, sehe ich als Ansporn, nicht als ultimatives Aussschlußkriterium eines geeinten Europas.
Wobei mir dein Beitrag mal wieder ein paar graue Schleier in die Fantasien hinein gemalen hat. Diese Fähigkeit die negativen Punkte an beliebigen Systemen, Themen und sonstigem heraus zu arbeiten scheint eine deiner Stärken zu sein. Deswegen lasse ich mich aber nicht aus der Bahn werfen, sondern bleibe optimistisch. Man muss nur versuchen die Zukunft besser zu gestalten, als die Gegenwart ist.

mfg benediktibk
 
Man muss nur versuchen die Zukunft besser zu gestalten, als die Gegenwart ist.

Diese Gestaltung kann aber nicht bei der Gestaltung von anderen Regierungsformen beginnen, sondern muss in erster Linie eine Gestaltung der Gesellschaft sein. Erst dann kann eine Weltregierung entwickelt werden, unter der es sich lohnt zu leben. Erst wenn die Menschen ihren Egoismus ablegen und sich nicht weiter in die Ego-Schiene pressen lassen, wird eine Weltregierung FÜR die Menschen entstehen können und nicht zur Kontrolle der Menschen. Die Menschen müssen wieder frei sein um ein System aufzubauen wie man es aus "positiver Science Fiction" wie Star Trek kennt. Dann wäre ich durchaus auch für ein globales System zu haben, aber nicht solange die Gesellschaft so ist, wie sie sich heutzutage darstellt. Eine daraus entstehende globale Regierung kann nur machtbesessen werden.
 
Diese Gestaltung kann aber nicht bei der Gestaltung von anderen Regierungsformen beginnen, sondern muss in erster Linie eine Gestaltung der Gesellschaft sein.

Leider werden nachfolgende Generationen immer weniger Zeit haben ueber gerechte Gesellschaften nachzudenken: Sie werden alle Haende voll zu tun haben einen halbwegs akzeptablen Lebensstandard zu erwirken. Im Gegensatz zu den naechsten 20 jahren leben wir im reinsten Schlaraffenland.
 
Und gerade weil es uns noch relativ gut geht und wir zumindest noch ein wenig Zeit haben die Gesellschaft zu ändern, sollten wir es besser jetzt tun.
 
bitmuncher:
Die USA betrachtet die EU, deren Mitgliedsländer fast alle auch in der Nato sind, auch nur als "Erweiterung" der Nato. Insofern hat sich am Kräfteverhältnis nicht wirklich viel geändert, ausser dass die Handlungen der USA nun auch noch von ganz Europa legitimiert werden.
Wie Du richtig sagst sind die meisten EU-Mitgliedsländer (vorallem die ursprünglichen Gründungsmitglieder), ganz unabhängig von der EU, sowieso seit jeher Mitglieder der NATO - mir ist daher nicht ganz klar was Du damit sagen willst. Ausserdem entspricht es in keiner Weise der Mentalität der US-Amerikaner ihre Handlungen von anderen "legitimieren" zu lassen, nichts könnte den Amis gleichgültger sein als Zustimmung oder Ablehnung anderer - die Außenpolitik wird vom Großteil des Volkes sowieso in keiner Weise wahrgenommen... Und der Konflikt zwischen den USA und dem "alten Europa" zeigt doch deutlich das die USA im Zweifelsfall sowieso ihr eigenes Ding durchziehen und - die EU hin und die NATO her - europäische Staaten durchaus ihren eigenen Kopf haben...

bitmuncher:
Im übrigen halte ich deine Abstimmung auch für etwas sehr strikt und deine Gedankengänge, die du im Eingangsposting eingebracht hast, für nicht weitreichend genug.
Wäre die EU tatsächlich eine reine Wirtschaftsunion und würde sie sich an ihre selbst auferlegten Regeln halten, wäre sie durchaus brauchbar und zu gewissen Teilen auch notwendig.
Ich spreche im Eingangsposting ausdrücklich von einer wirtschaftlichen und politischen Union...

bitmuncher:
Das Problem ist aber, dass sie genau das nicht tut und wie sich letzte Woche zeigte auch nicht vorhat zu tun. Der Stabilitätspakt wurde gebrochen und die Beschränkung auf eine Wirtschaftsunion ist durch den Lissabonvertrag ad absurdum geführt. Die EU entwickelt sich zu einer Schattenregierung, die ihren Mitgliedsländern Gesetze aufdiktiert, die weit über wirtschaftliche Aspekte hinausgehen.
Bereits in den Maastrichter Verträgen (1992) bekräftigten die Unterzeichner-Staaten den festen Entschluss die damalige EG von einer reinen Wirtschaftsunion zu einer politischen Union zu erweitern, der dort geschlossene Vertrag der Europäischen Union markierte unter anderem den Einstieg in eine gemeinsame Außen- & Sicherheitspolitik und eine enge polizeiliche & juristische Zusammenarbeit - ich kann mich da sehr gut dran erinnern, weil wir damals mit französischen Austauschschülern den ersten Schritt zu einem vereinten Europa (und die wegfallenden Grenzkontrollen zu den Niederlanden...8)) mit einem feucht-fröhlichen Umtrunk gefeiert haben...:D Die EU hat sich also nicht schleichend in eine "Schattenregierung" verwandelt, sondern es handelt sich um einen gewollten und öffentlichen Prozess...

bitmuncher:
Ausserdem ist die EU kein Motor für die europäische Wirtschaft, sondern eine Bremse für die Wirtschaft jener Länder, die wirtschaftlich gegenüber anderen Mitgliedsländern stärker sind. Es profitieren also nur jene Länder mit einer schwachen Wirtschaft.
Deutschland hat von der EU sehr wohl auch wirtschaftlich profitiert, denn bereits ab dem Jahr 2005 - also nur 4 Jahre nach Einführung des Euro - wurden über 50% des deutschen Handelsbilanzüberschusses durch Exporte in Euro-Länder erzielt...

bitmuncher:
Weiterhin wurde bereits in vielen unabhängigen Studien nachgewiesen, dass kleine Verwaltungseinheiten wesentlich effektiver bewirtschaftet werden können.
Auch dieses Argument kann ich nicht ganz nachvollziehen... Stellen wir uns Europa für einen Moment als einen riesigen Staat mit einer Zentralregierung vor, was hindert uns daran diesen Staat in kleinere Verwaltungsbezirke aufzuteilen? Immerhin besteht auch Deutschland aus Bundesländern, Kreisen, Städten und Gemeinden...
 
Ich fände es erst mal besser, wenn die vermeintlichen Fakten, die hier aufgeführt werden mit Quellen belegt werden würden. Z.B. kann ich mir nicht erklären, wie du immer wieder auf die Idee kommst EU Recht stünde über dem Grundgesetz? Die EU erlässt i.d.R. Richtlinien, die bestimmte Rahmenbedingungen vorgeben. Anhand dieser Rahmenbedingungen werden diese Richtlinien dann in nationales Recht umgewandelt. Dabei muss aber immer das GG beachtet werden. Hat man ja an der Vorratsdatenspeicherung gesehen - die deutsche Umsetzung dieser Richtlinie wurde vom BVerfG gekippt. Begründung: "nicht verfassungsgemäß". [1]
Ich nehme an das Beispiel mit der Todesstrafe beruht auf deinem Blogpost EU-Recht - Eine Gefahr für Leib und Leben ?
Da hast du leider nicht ausreichend recherchiert. Das Amtsblatt, dass du dort erwähnst, sind Erläuterungen - d.h. Materialien die zur Auslegung herangezogen werden und keine Änderungen. Hast du das Amtsblatt eigentlich selbst gelesen? Scheint mir nicht so, denn bereits im ersten Absatz steht dies schwarz auf weiß ;)
Aber mal ganz davon abgesehen lässt keine einzige deiner Auslegungshilfen auch nur im Ansatz Folgen zu, wie du sie beschreibst.

Interessant sind in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch BverfGE 37, 271 und BverfGE 89, 155

[1] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-011.html
 
Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 22. Juni 2007

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Grundsatz aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung (Rechtssache 6/64, Costa gegen ENEL, 15. Juli 1964(1)war dieser Vorrang im Vertrag nicht erwähnt. Dies ist auch heute noch der Fall. Die Tatsache, dass der Grundsatz dieses Vorrangs nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen wird, ändert nichts an seiner Existenz und an der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs.

Aus (...) folgt, dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll.

Quelle:
http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/12007L/htm/C2007306DE.01025602.htm
http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/12007L/htm/C2007306DE.01023101.htm

Daher kommt die "Idee". :rolleyes:

Die Erläuterungen zur Charta sind natürlich "nur" als solche zu betrachten, belegen aber eindeutig, wie die Charta zu interpretieren und vom Europäischen Gerichtshof zu werten ist. Von einer Änderung der Charta ist in meinem Artikel nirgendwo die Rede, sondern lediglich von "erweitern", was diese Erläuterung nunmal eindeutig tut, indem sie vorschreibt, wie die Charta zu interpretieren ist.

Was du mit den BVerfG-Urteilen ausdrücken willst, ist mir auch unklar. Dort wurde nicht bemängelt, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht rechtmäßig ist, sondern lediglich dass die Art der Umsetzung nicht rechtmäßig ist. Genau das sagte ich ja hier bereits. Es hat keinen Einfluss mehr auf das "Ob", sondern nur noch auf das "Wie".

@Tarantoga: Deutschland hat den Großteil seines Exports schon immer in's europäische Ausland geliefert. Das ist nicht erst seit der EU so.

Die Einteilung Europas in kleinere Verwaltungseinheiten gibt's faktisch schon. Sie nennen sich Staaten. Warum also was daran ändern? Welchen Sinn macht eine gesamteuropäische Regierung?
 
Ich dachte halt, weil du dich in deiner Einleitung darüber echauffierst, dass "die Charta immer noch [...] in ihrer Fassung aus dem Jahr 2000 im Web [steht]" und dann auf das Amtsblatt zu sprechen kommst, würdest du davon ausgehen. Aber gut, wenn Ich dich da offensichtlich missverstanden haben, dann will ich dazu nichts gesagt haben. :wink:

Aber um beim Thema zu bleiben: ich denke, du musst 3 Fragen trennen:

1. Die Frage, inwieweit Hoheitsrechte überhaupt übertragen werden dürfen:

Das Bundesverfassungsgericht hat insofern wiederholt betont, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht schrankenlos zulässig ist und keine beliebige Aushöhlung der Verfassungsordnung gestattet. Nach der Rechtsprechung zu Art. 24 I GG endet die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten dort, wo die Identität der deutschen Verfassungsordnung, d.h. die tragenden Strukturprinzipien der Verfassung preisgegeben würden (BVerfGE 37, 271 [279]; 58, 1 [40]; 73, 339 [375]). Hierzu gehört auch ein Mindestbestand an grundrechtlichen Gewährleistungen.
In Anknüpfung an diese Rechtsprechung legt die Vorschrift des Art. 23 I 1 GG für die künftige Mitwirkung der BRD bei der Entwicklung der EU bestimmte normative Standards fest: Die Achtung demokratischer, rechtsstaatlicher, sozialer und föderativer Grundsätze und des Grundsatzes der Subsidiarität sowie die Gewährleistung eines "diesem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes".
(Herdegen, Europarecht I, 12. Aufl., § 10 Rn. 19 ff.)



2. Die Frage, inwiefern Unionsrecht, das gegen das GG verstößt, von BVerfG verworfen werden kann:

"Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleiteten Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Art. 100 I GG sind somit unzulässig" .
(BVerfGE 73, 339 [387])


"Zu beachten bleibt dabei, dass das Bundesverfassungsgericht seine Überprüfungskompetenz nicht aufgegeben, sondern in Anbetracht des von ihm als angemessen qualifizierten Grundrechtsschutzes in der Union nur bis auf weiteres zurückgenommen hat. Die latent weiterbestehende Überprüfungskompetenz könnte dann wieder aktualisiert werden, wenn der EuGH in einem wichtigen Grundrechtssektor von dem aus deutscher Sicht "unabdingbaren" Grundrechtsstandard abweicht "
(Herdegen, aaO, § 10 Rn. 29.)


Desweiteren:
Das Bundesverfassungsgericht will seine Rechtsprechung in einem "Kooperrationsverhältnis" zum EuGH ausüben
(BVerfGE 89, 155 [175])

Dies [...] darf nicht verdunkeln, dass damit der Primat des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht und das Vewerfungsmonopol des EuGH im Hinblick auf die Überprüfung von sekundärem Unionsrecht deutlich relativiert werden. Für die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Vorbehalte gegenüber dem vom Unionsrecht absolut beanspruchten Vorrang bleibt aus der Perspektive der Union und des Gerichtshof kein Raum. Das Angebot des Bundesverfassungsgerichts zu einer "Kooperation" mit dem EuGH hat insoweit einen etwas grandseigneuralen Unterton. Aus der Sicht des Verfassungsrechts steht hinter der Haltung des Bundesverfassungsgerichts die zutreffende Einsicht, dass die Union und der EuGH die Grenzen ihrer Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts nicht abschließen bestimmen können.
(Herdegen, aaO, § 10 Rn. 33 ff.)

Und schließlich:
Im Lissabon Urteil betont das BVerfG, dass es der Europareundlichkeit des Grundgesetzes nicht zuwiderlaufe, "wenn ausnahmsweise [...] das Bundesverfassungsgericht Recht der Europäischen Union für in Deutschland nicht anwendbar erkkärt"
(BVerfG, NJW 2009, S. 2267, Rn. 340; zitiert in: Herden, aaO, § 10 Rn. 33 ff.)



3. Die Frage, ob die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG der Verwirklichung eines europäischen Bundesstaates entgegen steht. [dann freilich mit der Konsequenz, dass ein Schutz durch das Grundgesetz nicht mehr gewährleistet würde]

Das ist in der Literatur umstritten, wird aber vom Bundesverfassungsgericht in einigen außerhalb der tragenden Urteilsgründe (Lissabon-Urteil) liegenden obiter dicta bejaht.
Danach setzt die Eingliederung Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat auch ein staatsähnliches Gebilde unter Aufgabe der souveränen Staatlichkeit Deutschlands eine Ablösung des Grundgesetzes durch die verfassungsgebende Gewalt, d.h. den "unmittelbar erklärten Willen des Deutschen Volkes" voraus
(BVerfGE, NJW 2009, S. 2267 Rn. 216, 228, 263)


Wichtige Stellen sind entsprechend hervorgehoben...



Für den aufmerksamen Leser folgt daraus:
Es stimmt zwar, das Unionsrecht grundsätzlich Vorrang gegenüber nationalem Recht hat, allerdings nur solange das Bundesverfassungsgericht der Ansicht ist, dass durch die Rechtsetzung der EU und die Rechtsprechung des EuGHs die Grundrechte in einem vergleichbaren Maße geschützt werden...Die letztliche Entscheidung darüber, ob dies der Fall ist, obliegt dem BVerfG und nicht dem EuGH!

Da trotz der "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" das BVerfG keinen Anlass zum Eingriff sieht, ergeben sich nun folgende 3 Möglichkeiten:

1. Deine Interpretation der "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" ist falsch, denn sonst läge ja ein - wie zutreffend erkannt - offensichtlicher Grundrechtsverstoß vor, welcher das BVerfG zum Eingriff hätte veranlassen müssen.

2. Deine Interpretation der "Erläuterungen zur Charta der Grundrechte" ist richtig, die 16 (im übrigen fast durchgehend im Bereich Rechtswissenschaft habilitierten) Richter des Bundesverfassungsgerichts sind bloß zu doof diese offensichtlichen Grundrechtsverstöße als solche zu erkennen.

3. Die 16 Richter des Bundesverfassungsgericht haben diese "offensichtlichen Grundrechtsverstöße" selbstverständlich erkannt, sind aber Teil einer großen, europaweiten Verschwörung und greifen daher trotzdem nicht ein. Dies hätte freilich wiederum die dir widersprechende Konsequenz, dass es zur Aushöhlung unserer Grundrechte einer EU gar nicht bedarf, denn dazu wäre das Bundesverfassungsgericht auch bei der Überprüfung nationaler Gesetzgebung in der Lage...
 
Du vergisst dabei nur einen sehr wesentlichen Faktor... Deutschland hat kein Gesetz, das echten Verfassungsstatus hat. Das Grundgesetz gilt zwar umgangssprachlich als Verfassung, ist aber im Gegensatz zu einer echten Verfassung änderbar. Es bedarf also lediglich einer Anpassung des Grundgesetzes um die "Ansichten" des Verfassungsgerichts in die "richtige Richtung zu biegen". Ausserdem gab es bereits Fälle, in denen das Verfassungsgericht Fälle an den EU-Gerichtshof abgegeben hat. Im Maastricht-Urteil sagte das BVerfG sogar klar, dass bestimmte Zuständigkeiten an den EU-Gerichtshof durch den Lissabon-Vertrag übertragen werden und dass dies zulässig sei. Dabei stellte es fest, dass ein Beitritt Deutschlands zu einem multinationalen Staatenbund und die Übertragung bestimmter Rechte an diesen zulässig sei. Faktisch legt es damit fest, dass das Autonomieprinzip für Deutschland ungültig ist, denn es gibt seine Autonomie damit auf. Findige Rechtsverbieger sahen bereits bei Verkündung des Urteils damit die Möglichkeit Deutschland (und jedem anderen EU-Land) seine Autonomie zu entziehen, indem einfach nach und nach immer mehr Zuständigkeiten an die EU übertragen werden. Diese Übertragungen könnten vom Verfassungsgericht nur als Einzelfälle abgeurteilt werden, aber nicht in ihrer Gesamtheit. Genau das ist es auch, was derzeit in der EU geschieht. Die Vorstöße der EU immer mal wieder nach einer EU-Steuer zu rufen, womit die Mitgliedsstaaten ihre Finanzhoheit aufgeben würden, zeigen recht deutlich wie wenig Interesse die EU an einer wie auch immer gearteten Autonomie der Mitgliedsstaaten hat und was das Ziel ist. Es wird ganz offensichtlich ein Einheitsstaat angestrebt, nur den "richtigen Weg" dafür hat man noch nicht gefunden. Weiterhin legte das Verfassungsgericht fest, dass eine Übertragung von Zuständigkeiten nur durch den deutschen Gesetzgeber (also unsere Politiker) zulässig ist, und dass die das gern tun, weil sie selbst nicht wissen was sie da tun, sollte seit der Abstimmung zur EU-Verfassung eigentlich bekannt sein.

https://www.youtube.com/watch?v=DwlGg8je0Bk

Solche uninformierten Politiker werden jedem Scheiss zustimmen, wenn er ihnen nur gut genug verkauft wird. Man siehe z.B. die Aufhebung des Stabilitätspakts letzte Woche, die prinzipiell entschieden wurde und nur noch in Stein gemeisselt werden muss. Dieser war ein Grundstandpfeiler der EU und ist nun nicht mehr gültig, womit in Zukunft klar ist, dass die finanzkräftigen Länder wie Deutschland und Frankreich für die finanzschwachen Länder blechen müssen und das sogar völlig ohne Mitwirkung des Bundestags. Der hatte da nämlich nichts zu melden und es wurde nicht darüber abgestimmt welche Befugnisse Fr.Merkel haben wird, wenn darüber entschieden wird wie in Zukunft mit Finanz- und vor allem Staatsfinanzkrisen in Europa umzugehen ist und welche Konsequenzen es hat, wenn sich ein Staat nicht an den Stabilitätspakt hält. Wie war das... Kompetenzen dürfen nur unter Mitwirkung der Gesetzgeber an die EU übertragen werden? Letzte Woche wurde die Kompetenz zur Entscheidung, wie ein Staat entschuldet und/oder konsolidiert werden kann, an die EU übertragen. Na nur gut, dass "Kompetenz" nirgendwo in den EU-Verträgen und auch nicht vom Bundesverfassungsgericht genauer definiert wurde, so dass man schön breit auslegen kann, was eine Kompetenz ist, und was man einfach ohne die Gesetzgeber entscheiden kann. Wozu die Aufhebung des Stabilitätspakts führt, kann sich aber ja wohl eigentlich jeder logisch denkende Mensch denken... Abbau des Sozialsystems in den finanzstarken Ländern, Niedriglöhne, Förderung der Wirtschaft um jeden Preis usw.. Die ersten Tendenzen dazu sehen wir bereits in unserem Land.

Im übrigen empfehle ich dir dich mal in Juristendeutsch einzuarbeiten. Ein Satz wie "Aus der Sicht des Verfassungsrechts steht hinter der Haltung des Bundesverfassungsgerichts die zutreffende Einsicht, dass die Union und der EuGH die Grenzen ihrer Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts nicht abschließen bestimmen können." sagt nichts anderes aus, als dass man der EU eingesteht, dass sie ihre Kompetenzen jederzeit relativ frei auslegen kann, auch wenn man sich das Recht einbehält diese abzulehnen, solange diese nicht mit unserem Grundrecht vereinbar sind. Aber wie bereits gesagt... unser Grundrecht ist wandelbar.

Unter dem Gesichtspunkt des in meinem letzten Beitrag bereits eingebrachten Textes sind Sätze wie "Im Lissabon Urteil betont das BVerfG, dass es der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes nicht zuwiderlaufe, "wenn ausnahmsweise [...] das Bundesverfassungsgericht Recht der Europäischen Union für in Deutschland nicht anwendbar erklärt" nichts anderes, als die Aussage, dass das Verfassungsgericht sich vorbehält Deutschland zu einem Austritt aus der EU zu zwingen, denn das wäre die Konsequenz, wenn es einem EU-Gesetz nicht zustimmt. Daher versucht es seine Urteile immer möglichst europafreundlich zu machen, so dass dieser Schritt nicht gemacht werden muss. Oder glaubst du tatsächlich dass den Verfassungsrichtern nicht klar ist, was passieren würde, wenn Deutschland plötzlich in Europa isoliert dastehen würde? Wirtschaftsboykotts wären die Folge, die unser Land letztendlich wieder in die Knie zwingen würden, damit es dann doch wieder angekrochen kommt und unsere Gesetze würden dann so geändert, dass sie wieder mit EU-Recht vereinbar wären.

Für den aufmerksamen Gesetzkundigen mit einem etwas umfangreicheren Wissen zu nationalem Recht und EU-Recht (und nicht Leser irgendwelcher Ausschnitte bzw. Gerichtsurteilen, die lediglich dann getroffen werden, wenn es einen Kläger gibt) folgt daraus, dass man lediglich das Grundgesetz und/oder andere nationale Gesetze (je nach Bedarf) anpassen muss um EU-Recht umzusetzen. Ist ja bereits mehrfach geschehen. Deswegen gibt es immer mehr Menschen, die eine echte Verfassung für Deutschland fordern und deswegen lassen sich Politiker darauf nicht ein.

Zu deinen 3 Möglichkeiten:

Zu 1.: Das BVerfG hat nie über die Charta der Grundrechte ein Urteil gefällt. Diese ist nämlich nicht das gleiche wie der Lissabon-Vertrag.

Zu 2.: Sie sind nicht zu doof, aber wo kein Kläger ist, schreitet das BVerfG auch nicht ein. Es ist nunmal ein Gericht, das eines Klägers bedarf.

Zu 3.: Sie sind ganz und gar nicht doof, sondern wissen sehr genau, was passieren würde, wenn Deutschland sich irgendwelchen Punkten, die im EU-Recht festgelegt wurden und werden, widersetzen würde. Zu einer Aushöhlung unserer Grundrechte bedarf es theoretisch sicherlich nicht der EU, aber diese forciert es momentan.

Ich habe in den letzen Monaten viele viele Gesetzeswerke (sowohl nationale als auch internationale) gewälzt und darin sind enorm viele Lücken, die man nutzen kann um die "schönsten" Einschränkungen unserer Grundrechte vorzunehmen. Die größte ist aber, dass Deutschland keine Verfassung hat und dass seine Finanzen von einer GmbH verwaltet werden. Zweiteres ist aber wiederum eine andere Sache und "lediglich" für die Finanzpolitik relevant.

Edit: Im übrigen sind deine Hervorhebungen sehr manipulativ. Ich hebe z.B. mal einfach einen Satz etwas anders hervor:

Zu beachten bleibt dabei, dass das Bundesverfassungsgericht seine Überprüfungskompetenz nicht aufgegeben, sondern in Anbetracht des von ihm als angemessen qualifizierten Grundrechtsschutzes in der Union nur bis auf weiteres zurückgenommen hat.

Und auch der von dir zitierte "unabdingbare Grundrechtsstandard" ist nirgendwo definiert und kann daher in Zukunft frei ausgelegt werden. Wie bereits gesagt... beschäftige dich mal etwas intensiver mit Juristendeutsch und den sich dadurch offenbarenden Schlupflöchern, die auch ein BVerfG gern mal nutzt.
 
bitmuncher:
@Tarantoga: Deutschland hat den Großteil seines Exports schon immer in's europäische Ausland geliefert. Das ist nicht erst seit der EU so.
Das ist richtig, doch die so erwirtschafteten Gewinne haben sich durch die Schaffung der Euro-Handelszone beträchtlich verbessert. Und das ist auch völlig logisch und verständlich wenn man mal darüber nachdenkt:
- durch den Wegfall der Grenzkontrollen in der Euro-Zone und den Schengen-Staaten, wurde die Ausfuhr von Waren billiger & schneller, ein unschätzbarer Vorteil für Export-orientierte Staaten wie Deutschland
- in der Euro-Handelszone können Firmen Geschäfte machen ohne unter den Folgen von Wechselkursfluktuationen zu leiden, was natürlich vor allem ein Vorteil für stark Export-orientierten Staaten wie Deutschland ist
- die Einführung des Euro hat einigen Staaten, die traditionell Hochzinsstaaten waren (z. B. Spanien, Portugal, Italien), durch Angleichung an das niedrigere deutsche Zinsniveau einen regelrechten Boom beschert - der gleichzeitig Deutschland genützt hat, da die Exporte in diese Länder stark gestiegen waren
- selbst die Euro-Krise, ausgelöst durch die Finanzkrise und Griechenland-Hilfe, hat Deutschland genutzt, da der Euro-Tiefstand die deutschen Exporte enorm befügelt hat...

Du stellst es so dar als würde die EU nur schwachen Wirtschaften nützen, tatsächlich sind aber unzählige Finanz- & Wirtschaftsexperten der Meinung das kaum ein Land so von der Einführung des Euro profitiert hat wie Deutschland und sehen den Euro einhellig als "Vater des deutschen Exportwunders"...
Aber selbst wenn es so wäre wie Du unterstellst, also das nur schwache Wirtschaften profitieren, würde im Endeffekt die deutsche Wirtschaft ebenfalls wieder profitieren, weil die Exporte in diese ehemals schwachen Wirtschaften ansteigen würden...

bitmuncher:
Die Einteilung Europas in kleinere Verwaltungseinheiten gibt's faktisch schon. Sie nennen sich Staaten. Warum also was daran ändern? Welchen Sinn macht eine gesamteuropäische Regierung?
Das habe ich ja in meinem Eröffnungsposting versucht darzustellen: Kein europäischer Staat kann in unserer globalisierten Wirtschaftswelt allein seine Interessen angemessen vertreten. Deutschland ist die stärkste Wirtschaft der EU weil wir die größte Volkswirtschaft haben, die ein dementsprechend großes Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften kann - doch mit riesigen Staatsgebilden wie den USA, China, Rußland und Brasilien können wir uns auf Dauer nicht messen. Nur die Vereinigung der europäischen Wirtschaften kann unseren Wohlstand auf Dauer sichern, aber damit die Wirtschaftsunion funktionieren kann und die EU die Interessen der europäischen Wirtschaft weltweit angemessen vertreten kann, wird eben auch die politische Union benötigt...

Was einige andere Punkte angeht die Du ansprichst, z. B. den Ausbau der staatlichen Überwachung und der Polizeiapparate, so sind das wirklich Besorgnis erregende Entwicklungen - die aber praktisch weltweit zu beobachten sind, da es sich um eine Folge des unsäglichen "Krieges gegen den Terror" und nicht um etwas handelt, dass sich ursächlich auf die EU zurückführen lässt.
 
Dinge wie die Verschärfung des Demonstrationsrechts, der Ausbau der Polizeiapparate u.ä. sind nicht dem "Krieg gegen den Terror" zu verdanken, sondern dem "Krieg gegen die Bürger", der gerade in der EU forciert wird.

Im übrigen konnte sich Deutschland auch vor der Gründung der EU problemlos mit anderen starken Wirtschaftsmächten messen. Seit Beginn der Industrialisierung war Deutschland ein starkes Wirtschaftsland und gehörte zu den führenden Industrienationen. Warum sollte das jetzt nicht mehr möglich sein?

Dass die EU durchaus auch den starken Wirtschaftsländern nutzt, will ich aber nicht abstreiten. Sie bietet (noch) eine gewisse Stabilität, allerdings zu dem Preis der Privatisierung des Finanzmarkts. Insgesamt hat sich das Bruttoinlandsprodukt aber kein bisschen mehr durch Gründung der EU gesteigert. Die Wachstumsrate blieb konstant. Im Gegensatz zu vor der EU-Gründung blieben Wachstumsschübe in wirtschaftlich starken Jahren sogar aus. Wie kommst du also auf die Idee, dass Deutschland von der EU profitiert hat? Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Reales-Bruttoinlandsprodukt-Deutschland-1950-2000.png sieht man recht deutlich, dass auch mit der EU-Gründung kein signifikant besseres Wachstum stattgefunden hat. Das Wachstum ist fast linear gleich geblieben. Wo ist also das ominöse "Exportwunder"?

Jetzt könnte man zwar spekulieren, dass es kein weiteres Wachstum ohne die EU gegeben hätte, aber das lässt sich wiederum nicht belegen und ist auch eher unwahrscheinlich. Nun, wo hat Deutschlands Wirtschaft also profitiert? Verloren haben jedenfalls die Menschen, deren Steuern jetzt auch noch in den EU-Apparat fliessen.
 
Ich dachte wir diskutieren hier darüber, ob EU Recht über dem GG steht? Wenn du jetzt versuchst meine Argumente damit zu widerlegen, dass das GG an EU Recht angepasst werden kann, damit die von mir erwähnten Hürden nicht mehr gelten, hat das doch nichts mehr mit dem eigentlichen Kern unserer Diskussion zu tun? Es sei denn du willst mir damit Recht geben und deine Aussage relativieren?

Sei 's drum, ich will darauf einmal eingehen...

Du vergisst dabei nur einen sehr wesentlichen Faktor... Deutschland hat kein Gesetz, das echten Verfassungsstatus hat. Das Grundgesetz gilt zwar umgangssprachlich als Verfassung, ist aber im Gegensatz zu einer echten Verfassung änderbar. Es bedarf also lediglich einer Anpassung des Grundgesetzes um die "Ansichten" des Verfassungsgerichts in die "richtige Richtung zu biegen".
Das ist falsch! Die Tatsache, dass es Grundgesetz heißt und es einen Art. 146 gibt, hat historische Ursachen. Deutschland war bei Entstehung des Grundgesetzes geteilt und die Wortwahl "Verfassung" hätte diesen Zustand verfestigt. Rechtsdogmatisch ergeben sich dadurch aber keinerlei Unterschiede. Das Grundgesetz steht im Verhältnis zu einfachem Recht und EU Recht genau so, wie es andere "Verfassungen" auch tun...

Abgesehen davon, dass es für diese "Anpassungen" einer doppelt qualifizierten Mehrheit bedarf und auch noch zahlreiche andere Schranken greifen (Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III, Wesensgehaltsgarantie), ist ein solcher Prozess auch absolut keine Seltenheit.
Mal ein bisschen rechtsvergleichen die Möglichkeiten der Verfassungsänderung in anderen Staaten anschauen. Fast sämtliche Staaten sehen die Möglichkeit der Verfassungsänderung vor, teilweise (bsp. USA) sogar unter wesentlich geringeren Schranken (79 III GG) als das in Deutschland der Fall ist.

Woher kommt dann eigentlich die einer "echten Verfassung" zu Grunde liegende Definiton?

Ausserdem gab es bereits Fälle, in denen das Verfassungsgericht Fälle an den EU-Gerichtshof abgegeben hat. Im Maastricht-Urteil sagte das BVerfG sogar klar, dass bestimmte Zuständigkeiten an den EU-Gerichtshof durch den Lissabon-Vertrag übertragen werden und dass dies zulässig sei. Dabei stellte es fest, dass ein Beitritt Deutschlands zu einem multinationalen Staatenbund und die Übertragung bestimmter Rechte an diesen zulässig sei. Faktisch legt es damit fest, dass das Autonomieprinzip für Deutschland ungültig ist, denn es gibt seine Autonomie damit auf.
Der erste Teil stimmt, das habe ich ja auch oben geschrieben. Die Schlussfolgerung ist aber falsch. Zuständigkeiten können übertragen werden, aber die Autonomie dazu behält sich das BVerfG vor.
Die Eingliederung Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat setzt ein staatsähnliches Gebilde unter Aufgabe der souveränen Staatlichkeit Deutschlands, also eine Ablösung des Grundgesetzes durch die verfassunggebende Gewalt, d.h. den "unmittelbar erklärten Willen des Deutschen Volkes" voraus.
(BVerfGE, NJW 2009, S. 2267 Rn. 216, 228, 263)
Die Tatsache, dass der EuGH das anders sieht und eine Letztentscheidungskompetenz für sich beansprucht ändert daran nichts.
(Herdegen, Europarecht, § 10 Rn. 33 ff.)


Findige Rechtsverbieger sahen bereits bei Verkündung des Urteils damit die Möglichkeit Deutschland (und jedem anderen EU-Land) seine Autonomie zu entziehen, indem einfach nach und nach immer mehr Zuständigkeiten an die EU übertragen werden. Diese Übertragungen könnten vom Verfassungsgericht nur als Einzelfälle abgeurteilt werden, aber nicht in ihrer Gesamtheit.
Ich frage mich, ob die von mir zitierten Stellen auch gelesen und verstanden werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht schrankenlos zulässig ist und keine beliebige Aushöhlung der Verfassungsordnung gestattet. Nach der Rechtsprechung zu Art. 24 I GG endet die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten dort, wo die Identität der deutschen Verfassungsordnung, d.h. die tragenden Strukturprinzipien der Verfassung preisgegeben würden. Hierzu gehört auch ein Mindestbestand an grundrechtlichen Gewährleistungen.
(BVerfGE 37, 271 [279]; 58, 1 [40]; 73, 339 [375])

Das sie nicht in ihrer Gesamtheit verurteilt werden ist klar. Das Bundesverfassungsgericht hat durch den Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes ja gerade gesagt, dass Kompetenzübertragungen zulässig sind, solange dies im o.g. Rahmen geschieht...
Solange dies in diesem Rahmen geschieht, gibt es aber auch gar keinen Anlass zur Aburteilung, also wo ist dann das Problem?


Genau das ist es auch, was derzeit in der EU geschieht. Die Vorstöße der EU immer mal wieder nach einer EU-Steuer zu rufen, womit die Mitgliedsstaaten ihre Finanzhoheit aufgeben würden, zeigen recht deutlich wie wenig Interesse die EU an einer wie auch immer gearteten Autonomie der Mitgliedsstaaten hat und was das Ziel ist. Es wird ganz offensichtlich ein Einheitsstaat angestrebt, nur den "richtigen Weg" dafür hat man noch nicht gefunden
Da mag ich dir durchaus zustimmen. Das so etwas von der EU angestrebt wird, hat aber nichts mehr der Möglichkeit deren Umsetzung zu tun. Ein Einheitsstaat und damit die Aufgabe des Grundgesetzes ist nämlich durch Art. 79 III verhindert. Ein Einheitsstaat wäre also nur über Art. 146 GG zu verwirklichen, ob der EuGH das anders sieht spielt dabei keine Rolle.
(Lesetipp: die bereits zitierten, außerhalb der tragenden Urteilsgründe liegenden obiter dicta zum Lissabon-Urteil)


Weiterhin legte das Verfassungsgericht fest, dass eine Übertragung von Zuständigkeiten nur durch den deutschen Gesetzgeber (also unsere Politiker) zulässig ist, und dass die das gern tun, weil sie selbst nicht wissen was sie da tun, sollte seit der Abstimmung zur EU-Verfassung eigentlich bekannt sein.
S.o. Übertragung ja, aber eben nur in den Grenzen der Verfassung.


Solche uninformierten Politiker werden jedem Scheiss zustimmen, wenn er ihnen nur gut genug verkauft wird. Man siehe z.B. die Aufhebung des Stabilitätspakts letzte Woche, die prinzipiell entschieden wurde und nur noch in Stein gemeisselt werden muss. Dieser war ein Grundstandpfeiler der EU und ist nun nicht mehr gültig, womit in Zukunft klar ist, dass die finanzkräftigen Länder wie Deutschland und Frankreich für die finanzschwachen Länder blechen müssen und das sogar völlig ohne Mitwirkung des Bundestags. Der hatte da nämlich nichts zu melden und es wurde nicht darüber abgestimmt welche Befugnisse Fr.Merkel haben wird, wenn darüber entschieden wird wie in Zukunft mit Finanz- und vor allem Staatsfinanzkrisen in Europa umzugehen ist und welche Konsequenzen es hat, wenn sich ein Staat nicht an den Stabilitätspakt hält. Wie war das... Kompetenzen dürfen nur unter Mitwirkung der Gesetzgeber an die EU übertragen werden? Letzte Woche wurde die Kompetenz zur Entscheidung, wie ein Staat entschuldet und/oder konsolidiert werden kann, an die EU übertragen. Na nur gut, dass "Kompetenz" nirgendwo in den EU-Verträgen und auch nicht vom Bundesverfassungsgericht genauer definiert wurde, so dass man schön breit auslegen kann, was eine Kompetenz ist, und was man einfach ohne die Gesetzgeber entscheiden kann. Wozu die Aufhebung des Stabilitätspakts führt, kann sich aber ja wohl eigentlich jeder logisch denkende Mensch denken... Abbau des Sozialsystems in den finanzstarken Ländern, Niedriglöhne, Förderung der Wirtschaft um jeden Preis usw.. Die ersten Tendenzen dazu sehen wir bereits in unserem Land.
Das sind aber politische Diskussionen und keine rechtlichen...daher führt es vom Thema weg.

Im übrigen empfehle ich dir dich mal in Juristendeutsch einzuarbeiten. Ein Satz wie "Aus der Sicht des Verfassungsrechts steht hinter der Haltung des Bundesverfassungsgerichts die zutreffende Einsicht, dass die Union und der EuGH die Grenzen ihrer Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts nicht abschließen bestimmen können." sagt nichts anderes aus, als dass man der EU eingesteht, dass sie ihre Kompetenzen jederzeit relativ frei auslegen kann, auch wenn man sich das Recht einbehält diese abzulehnen, solange diese nicht mit unserem Grundrecht vereinbar sind. Aber wie bereits gesagt... unser Grundrecht ist wandelbar.
Etwas anderes wurde ja auch nicht behauptet. Das Zitat diente dazu die Aussagen zu stützen, dass sich das Bundesverfassungsgericht gegenüber der EU die Letztentscheidungskompetenz vorbehält...und nichts anderes tut es...das dann der EU dabei ein Spielraum bleibt wurde weder bestritten noch steht es dazu im Widerspruch.
Das die Grundrechte "wandelbar" sind ist wie oben bereits aufgezeigt in dieser Einfachheit falsch. Art. 19 II i.V.m. Art. 79 III, Art. 1 I GG ist rechtsvergleichend einer der stärksten Verfassungsschutzmechanismen die es gibt...Eine Änderung (auch anderer Artikel als 1 und 19) ist demnach nämlich gerade nicht möglich, wenn der im Grundrecht enthaltenden Menschenrechtskern verletzt wird....Genau das wäre aber der Fall, wenn man die (im Übrigen vollkommen sachwidrigen) Schlussfolgerungen aus den Anmerkungen zur Charta wirklich ziehen würde.

Des weiteren empfehle ich, sich einmal in die juristische Argumentationsweise einzuarbeiten. Wenn du schon (s.u.) so viele Gesetzeswerke gewälzt hast, fallen ein paar Lehrbücher zum Europarecht und Völkerrecht sicher nicht ins Gewicht...
Solltest du dabei (mit zitierfähigen Angaben) Meinungen finden, die deine Schlussfolgerungen und Argumentation in irgendeiner Weise stützen, können wir gerne weiter diskutieren. Solange die aber nur auf Laienjuristischer Selbstauslegung von (im Übrigen selbst für Fachkundige schwer verständlichen) Gesetzestexten der EU beruhen, fehlt für eine weitere Diskussion m.E. das wissenschaftliche Fundament.

Unter dem Gesichtspunkt des in meinem letzten Beitrag bereits eingebrachten Textes sind Sätze wie "Im Lissabon Urteil betont das BVerfG, dass es der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes nicht zuwiderlaufe, "wenn ausnahmsweise [...] das Bundesverfassungsgericht Recht der Europäischen Union für in Deutschland nicht anwendbar erklärt" nichts anderes, als die Aussage, dass das Verfassungsgericht sich vorbehält Deutschland zu einem Austritt aus der EU zu zwingen, denn das wäre die Konsequenz, wenn es einem EU-Gesetz nicht zustimmt. Daher versucht es seine Urteile immer möglichst europafreundlich zu machen, so dass dieser Schritt nicht gemacht werden muss. Oder glaubst du tatsächlich dass den Verfassungsrichtern nicht klar ist, was passieren würde, wenn Deutschland plötzlich in Europa isoliert dastehen würde? Wirtschaftsboykotts wären die Folge, die unser Land letztendlich wieder in die Knie zwingen würden, damit es dann doch wieder angekrochen kommt und unsere Gesetze würden dann so geändert, dass sie wieder mit EU-Recht vereinbar wären.
Nichts für ungut, aber neben juristischer Unkenntnis zeigt das auch eine gewisse politische Unkenntnis. Das Deutschland (als mit Abstand größter Nettoeinzahler der EU und "wirtschatfliches Zugpferd") in einen offenen Konflikt mit der EU gerät, in Folge desse Wirtschaftsboykotte oder ähnliches verhängt werden, ist absolut unwahrscheinlich...
Aber wie gesagt, solche Spekulationen können auf der einen, wie auf der anderen Seite keine Grundlage für eine Diskussion bieten.


Für den aufmerksamen Gesetzkundigen mit einem etwas umfangreicheren Wissen zu nationalem Recht und EU-Recht (und nicht Leser irgendwelcher Ausschnitte bzw. Gerichtsurteilen, die lediglich dann getroffen werden, wenn es einen Kläger gibt) folgt daraus, dass man lediglich das Grundgesetz und/oder andere nationale Gesetze (je nach Bedarf) anpassen muss um EU-Recht umzusetzen. Ist ja bereits mehrfach geschehen. Deswegen gibt es immer mehr Menschen, die eine echte Verfassung für Deutschland fordern und deswegen lassen sich Politiker darauf nicht ein
"echte Verfassung": Was soll das deines Erachtens sein? Das Grundrechte geändert werden können ist unbestritten, aber eben nur unter den Voraussetzungen der Art. 19 II, 79 III i.V.m. Art. 1 I GG.
Damit gelten für die Änderungen der Verfassung auf Grund von EU Recht die gleichen (strengen) Maßgaben wie für andere Verfassungsänderungen.

M.a.W.: Wenn unsere "Volksvertreter" die Verfassung wirklich aushöhlen wollen, können sie das genauso "gut" (bzw. wenig) ohne EU.
 
In fast allen Ländern, in denen es eine Verfassung gibt, ist diese nur durch einen Volksentscheid änderbar und sie wurde durch ein Referendum vom Volk legitimiert. Es gibt lediglich wenige Ausnahmen, wo die Verfassung auf Basis einer Gesetzessammlung von der Verfassungsgebenden Versammlung bestimmt wurde (z.B. in UK), aber auch dort wurde sie vom Volk legitimiert und nicht nur von den Politikern. Dies ist beim GG nicht der Fall und das unterscheidet das GG nunmal von einer echten Verfassung. Das GG war als Provisorium für die Zeit gedacht, in der Deutschland gespalten war um die BRD als autonomen Rechtsstaat handlungsfähig zu machen.

So kann man z.B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen:

In der Regel legen Verfassungen die Organisation des Staates fest und enthalten grundlegende Menschen- und Bürgerrechte. Nachdem eine verfassunggebende Versammlung den Text der Verfassung entworfen hat, wird diese vom Volk in einem Referendum beschlossen.

Weiterhin heisst es dort:

Zwar wurde das Grundgesetz nach dem Ende von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg gegeben. Auch hatte es wie andere Verfassungen eine konstituierende Bedeutung für den neuen Staat, denn die Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ist zugleich die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch fehlten ihm entscheidende Attribute: Das Grundgesetz war eben keine Verfassung. Und es wurde auch nicht vom Volk in einem Referendum ratifiziert. Zudem sollte es nicht einen neuen deutschen Nationalstaat begründen, sondern zunächst nur aus den drei westlichen Besatzungszonen ein einheitliches Staatsgebiet machen, also nur einen westdeutschen Staat begründen.

Wie aber kam es, dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland "nur" ein Grundgesetz war? Und warum wurde es nicht vom deutschen Volk in einer Abstimmung verabschiedet? Aus heutiger Sicht, vor allem nach der deutschen Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990, scheint diese Frage anachronistisch zu sein. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass das Grundgesetz die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist. Dass das Grundgesetz 1949 nicht vom Volk verabschiedet worden war, ist hingegen nahezu in Vergessenheit geraten.

Somit gibt es also rechtlich doch einen Unterschied. Das Volk hat über das GG als Verfassung nie abgestimmt und den Artikel 146 kann man daher nicht einfach mal unter den Tisch kehren. Das GG ist keine Verfassung, was im Artikel 146 auch eingestanden wird. Das deutsche Volk hatte aber schonmal über eine Verfassung abgestimmt, aber auch diese wurde nach der Wiedervereinigung nicht wieder eingeführt. Man hat über die Köpfe des Volkes hinweg also die Verfassung abgeschafft und durch das änderbare und nicht vom Volk legitimierte GG ersetzt.

Thunderb0lt hat gesagt.:
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht schrankenlos zulässig ist und keine beliebige Aushöhlung der Verfassungsordnung gestattet.
Nicht schrankenlos, aber die Übertragung ist möglich. Und auch nicht beliebig, aber in gewissem Maß und unter gewissen Umständen schon.

Thunderb0lt hat gesagt.:
Das sind aber politische Diskussionen und keine rechtlichen...daher führt es vom Thema weg.

Ich finde es ziemlich befremdlich, dass du rechtliche und politische Diskussionen so strikt trennen willst. Wer legt denn das Recht hierzulande fest? Die Politik! Denn nicht einmal die Grundrechte sind geschützt, da sie nicht durch das Volk legitimiert wurden oder legitimiert werden müssen. Über sie entscheidet ein Gericht, das aus lediglich 8 Richtern besteht, die man wohl kaum als repräsentativen Anteil der Bevölkerung bezeichnen kann und die auch nicht direkt vom Volk gewählt werden. Man sollte daher durchaus beides im Zusammenhang betrachten, sonst bekommt man eine ziemlich schräge Weltsicht, gerade bei der rechtlichen Lage, in der sich Deutschland aufgrund der fehlenden Verfassung befindet. Wie sehr unsere Politiker auf ihr Volk hören, zeigen Aussagen wie die von Frau Merkel: "Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit." oder "Man kann in Europa nicht zusammenarbeiten, wenn die Politik danach ausgerichtet wird wie viele Menschen gerade auf der Straße stehen". Aufgrund solcher Ansichten sind Politiker heutzutage nämlich gern bereit die Grundrechte der Menschen in unserem Land nach Belieben zu beschneiden.

Thunderb0lt hat gesagt.:
Ich frage mich, ob die von mir zitierten Stellen auch gelesen und verstanden werden.

Die gleiche Frage stelle ich mir auch gerade bei dir, wenn ich deine Interpretationen so lese. ;)

Thunderb0lt hat gesagt.:
Des weiteren empfehle ich, sich einmal in die juristische Argumentationsweise einzuarbeiten.

Diese Empfehlung kann ich dir auch geben. Du würdest einen ziemlich schlechten "Rechtsverdreher" abgeben. Als Anwalt möchte ich dich jedenfalls lieber nicht haben, so fantasielos wie du dich bei den Auslegungen zeigst. :D Glücklicherweise habe ich eine Anwalt, den ich auch mal um Rat fragen kann inwiefern er meinen Argumentationen folgen würde, und der stimmt mir seltsamerweise immer wieder zu und gesteht ein, dass meine Auslegungen gar nicht mal so verkehrt und durchaus im Rahmen des Möglichen sind. Sorry also, wenn ich etwas "flexibler" denke als du. ;)

Edit: Achja... ich muss durchaus eingestehen, dass du im Jura-Studium scheinbar gut aufgepasst und/oder fleissig Gesetze und Urteile gebüffelt und recherchiert hast. Leider hast du dabei aber scheinbar verlernt mal über den Tellerrand des Lehrstoffs hinauszusehen. Unsere Politiker können dies aber (leider) noch sehr gut. Ich werde hier dennoch nicht jedes der von dir zitierten Urteile auseinander nehmen. Ich arbeite gerade daran dies in einem etwas umfangreicheren Werk zu tun, das den Rahmen eines Forums sprengen würde und in das ich lieber Zeit investiere als in Foren-Beiträge. Man betrachte daher meine Beiträge hier nur als Anmerkungen. Eine ausführlichere Argumentation würde hier viel viel zu weit gehen. Die Arbeit lohnt sich in einem Forum einfach nicht. Dennoch finde ich deine Argumentation durchaus interessant, auch wenn ich ganz und gar nicht mit ihr konform gehe. Sie zeigt mir eine andere Sichtweise, die ich gern aufnehme.
 
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