Die verquere Sicht der Deutschen Bank

Hi,
gerade bin ich bei der Süddeutschen Zeitung über einen echten Aufreger gestolpert: Scheinbar läuft am Bundesgerichtshof derzeit der Schadensersatz-Prozess eines mittelständschen Unternehmers gegen die Deutsche Bank. Der Unternehmer wirft der Bank vor, ihn ungenügend beraten zu haben und ihn über Risiken und Chancen eines "Swap-Geschäfts" getäuscht zu haben. Durch dieses Geschäft hat der Unternehmer mehr als eine halbe Million Euro verloren und die Deutsche Bank auf Schadensersatz über die volle Summe verklagt.
Nach einer ersten Überprüfung des Sachverhalts hat der BGH-Richter jetzt seine vorläufige Einschätzung verlauten lassen - wonach das Gericht der Meinung ist, die Bank habe gleich zweifach gegen ihre Beratungspflicht verstossen. So hat die Bank,laut Ansicht des Gerichts, den Kunden nicht genügend über die Risiken aufgeklärt und diesem, obwohl bekannt war das er nicht besonders risikofreudig war, ein Hochrisiko Geschäft vorgeschlagen. Außerdem habe die Bank es unterlassen den Kunden über die ungünstige Struktur aufzuklären - nämlich das zuerst die Bank ihre Kosten & ihr Risiko vom Gewinn abschöpft. Über diesen "Interessensgegensatz" hat die Bank ihren Kunden nicht genügend aufgeklärt...
Und wie reagierte die Deutsche Bank? Nach der Äußerung des Richters, die ja eine gerichtliche Niederlage der Bank andeutet, hat der Anwalt der Deutschen Bank, dem Gericht vorgeworfen eine zweite Finanzkrise auszulösen! Neben dem Kläger gibt es nämlich noch rund 200 andere Mittelständler und Kommunen, mit denen die Deutsche Bank genauso verfahren ist und die dann ebenfalls alle Schadensersatz verlangen könnten...:rolleyes:
Ist das noch zu fassen? Mal ganz abgesehen von dem plumpen Versuch den Bundesgerichtshof unter Druck zu setzen und das Urteil zu beeinflussen - was ist das für eine Sichtweise? Selbst wenn es durch die Schadensersatzforderungen wirklich zu einer Krise käme - verantwortlich dafür wäre dann ja wohl eindeutig die Bank, die durch ihr Fehlverhalten in hunderten von Fällen gegen ihre Beratungspflicht verstoßen hat. Dem Richter, der dieses Fehlverhalten lediglich feststellt, vorzuwerfen er löse eine zweite Finanzkrise aus, ist eine Frechheit sondergleichen...:thumb_down:
Aber was mich wirklich wütend macht, ist der Gedanke der dahinter steht: Die Banken, obwohl sie sich eines Fehlverhaltes schuldig gemacht haben, davon kommen zu lassen, nur weil eine Feststellung ihrer Schuld möglicherweise weitreichende Konsequenzen hat! Im Klartext hieße das ja, den Banken einen Freifahrtschein zum betrügen ihrer Kunden auszustellen...X(

Hier gibt's den Artikel:
http://www.sueddeutsche.de/geld/deutsche-bank-damit-loesen-sie-eine-zweite-finanzkrise-aus-1.1057180
 
interessant...aber was mich da noch mehr aufregt, ist wohl die Tatsache, dass sich die Banken auch noch als Opfer sehen.

Wenn sie wirklich meinen, dass eine Finanzkrise ihnen schadet, muss ich wirklich nur schmunzeln - denn am Ende würde es sich wieder nur gegen die Klein und Mittelständischenunternehmen richten, denn die Banken würden ja sowieso durch unsere Steuergelder aus dem Dreck gezogen. Deren Manager werden dann wohl abdanken und noch ein paar Milliönchen Abfindung kassieren - nicht zu schweigen von den "anderen" Zuwendungen, die sie durch ihre Position sowieso schon haben.

Wenn man es genau nimmt, hantieren sie nichtmal mit ihrem Geld, nichtmal mit dem Vermögen der Bank, sondern mit unserem Geld. Und falls nochmal eine Finanzkrise kommt, werden die Banken sowieso wieder die Gewinner sein, denn die faulen Kredite werden abgestoßen und vom Staat bezahlt. Also wenn man es genau betrachtet, ist für die Geldsäcke der Bank eine Finanzkrise etwas schönes...

So...meine heiße Luft zu dem Thema :)

Grüße
 
Schon skurril mit was für Versuchen der "Verteidiger" dort argumentiert. Ich bin mal gespannt wie dort das Urteil ausgeht (Auftrag @Tarantoga ;))

Aber nochmal zur allgemeinen Lage: Das Vieh hat selbst Schuld, wenn es dem Schlachter wegen mehr Futter hinterherläuft. Man muss schon ziemlich naiv sein um zu glauben, dass in unserer Welt irgendwer etwas verschenken würde ohne persönlichen Nutzen daraus zu ziehen. Und wer einen Vertreter glaubt, er erhalte 10% Rendite ohne jegliches Risiko, der Verletzt ganz klar die Pflicht auf gesunden Menschenverstand. Letztendlich ist es die Gier nach Produkten, die mit einer Chance von 1:100 eine so hohe Rendite bringen, gewesen, die es erst möglich gemacht hat solche zu erschaffen. In dem Punkt unterscheidet sich der Bürger nicht von Managern. Um es mal ins lächerliche zu ziehen, wenn ich mit 200 km/h einen Unfall verursache und dann den Autohersteller bezichtige, er hätte mich nicht genügend aufgeklärt, würde ich höchstens ausgelacht werden.

*edit* vergesst das Autobeispiel, der Herr Tarantoga hat ein viel besseres gefunden: "Hexen sollen für falsche Prophezeiungen haften" http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,744398,00.html
 
Zuletzt bearbeitet:
so ganz so einfach ist es dann doch nicht ... wenn du mit einem auto fährst, wird dir relativ schnell klar, das du immer weniger zeit zum reagieren hast, wenn du schneller fährst ... das ist ein sichtbares problem ... man kann den zusammenhang einfach verstehen ...


wenn man das beispiel in die welt der finanzprodukte übertragen will hätten wir da beispielsweise aktien ... das prinzip dahinter kann ein normalsterblicher auch noch relativ einfach verstehen ... mit dem erwerb von aktien, bekommt man anteile einer firma ... geht die firma den bach runter, ist es nicht schwer zu verstehen dass die aktien dann nicht mehr wirklich was wert sind ...

wir würden aber eine schöne einfach finanzwelt haben, wenn aktien die einzigen handelbaren wertpapiere wären ... problematisch wirds eigentlich erst bei geschäften, bei denen die meisten beteiligten nicht mehr verstehen wie sie funktionieren ...

es ist nichts wirklich verwerfliches an einem geschäft, bei dem man das eingesetzte kapital vielfach herausbekommen kann ... das problem fängt an, wenn leute glauben dass ihr 200:1 geschäft auf jeden fall ein gewinn ist ... oder wenn nicht klar ist wer die handelsbeteiligten sind: wenn ein solches geschäft zwischen 200 leuten die sich darauf einlassen wollen aufgesetzt wird, und erst im nachinein bekannt wird, dass der vermittler im gewinnfall erstmal seine taschen füllt, und man dann sehen darf was übrig bleibt ...

finanzgeschäfte sind in ihrer heutigen komplexität für den otto-normal-bürger undurchsichtig ... wenn man daraus allerdings die schlussfolgerung zieht, dass man diese geschäfte um jeden preis meiden sollte, muss man sich nicht wundern wenn wir in die nächste wirtschaftskriese rutschen ... ohne entsprechenden devisen-/versicherungs-/rohstoff-/kredit-/... -handel funktioniert unser wirtschaftssystem nicht mehr einwandfrei ... dieser handel birgt risiken ... die müssen allen marktteilnehmern klar sein, ansonsten passieren dinge wie das anlegen von ner halben million in einem hochrisiko-geschäft, obwohl es der unternehmer keineswegs als reines venture kapital sieht ...

von daher liegt es im eigenen interesse jedes marktteilnehmers keine geschäfte abzuschließen, die er nicht vollständig versteht ... wenn allerdings derjenige der ihn über die risiken aufklärt, ein wirtschaftliches interesse daran hat, dass das geschäft zustande kommt, wird der bock zum gärtner ...
 
Ich bin auch der Meinung das "Auto-Beispiel" greift hier nicht (die Haftung für Wahrsager übrigens auch nicht), denn es geht ja nicht darum, dass sich der Kläger einfach nur darüber beschwert Verlust gemacht zu haben - er wirft der Bank konkrete Versäumnisse vor. Und damit scheint er recht zu haben, denn ein Richter des BGH teilt diese Ansicht...
Der Mann hat sich vertrauensvoll an seine Bank gewandt, um sich von Finanzexperten beraten zu lassen und eine passende Anlagemöglichkeit für sich zu finden. Dabei hat er unter anderem klar gemacht, dass er das Risiko möglichst gering halten will - trotzdem haben die Finanzexperten ihm ein Hochrisiko-Geschäft vorgeschlagen... Der Richter fasste diese Diskrepanz, zwischen den Wünschen des Kunden und dem Angebot der Bank, schön in den Worten "Hätte es da nicht einfach heißen sollen: Finger weg!" zusammen. Außerdem haben sie es "versäumt" ihm die Risiken angemessen klar zu machen und ihn auf einen "Interessensgegensatz" aufmerksam zu machen. Und wenn man an die 200 ähnlichen Fälle denkt (und das sind nur die Fälle der Deutschen Bank), kann man nur zu dem Schluss kommen, dass diese Art der "Beratung" kein Einzefall, sondern eine übliche Praxis war (oder gar noch ist?).
Wenn man einen Experten aufsucht und um eine Beratung bittet, kann man ja wohl erwarten, dass der Experte seine Arbeit anständig macht und seine Beratung nicht von Eigennutz und Vetternwirtschaft geprägt ist...X(
Und, wie GrafZahl schon erwähnt hat, ohne einen Finanzexperten kann heute kein Mensch mehr bei komplizierten Anlagemöglichkeiten durchblicken. Der Kläger aus dem Artikel ist Unternehmer, dürfte also kein kompletter Idiot sein, trotzdem war er nach der "Beratung" der Meinung, er könne höchstens 15. 000 Euro verlieren (wie SpiegelOnline zu berichten weiss), sein tatsächlicher Verlust beziffert sich aber auf 540. 000 Euro.
 
Naja der Finanzberater(o.ä) des Unternehmens war wohl Spekulant^10 oder hat wohl nichts im Leben gelernt und von solchen Leuten kann man nicht viel halten.
Vielleicht klingt es wohl komisch, aber es könnte wirklich auch sein, dass diese ganzen Leute, Hintermänner(natürlich gut bezahlte Leute) der Konkurrenz sind.
Ich stelle diese Hypothese auf, da die Deutsche Bank ein gutes Image bei uns im Inland hat bzw. inner ganzen EU.
Zudem bin ich mir sicher, dass alles im Vertrag drinne steht, nur von einigen Leuten übersehen wurde, sowie früher die kleingedruckten Fußnoten der Telekom^^

Ganz ehrlich, Milliardäre haben wirklich garkeinen Plan was man mit dem Geld anstellen soll und verschleudernes iwo oder lassen es auf ihren Konten um ja nicht ihren Privat-Club verlassen zu müssen...

In diesem Unternehmen geht es wohl nicht um Milliarden, aber dennoch strebt doch ein Unternehmen ein sicheres Geschäft an. Natürlich ist ein Unternehmen teilweise ein Spekulant(z.B bei ihren Produkten oder Dienstleistungen, da niemand wissen kann, wie der Markt auf ein Produkt reagiert) aber dennoch muss, einem Richter der länger dabei ist, n lichtlein aufgehen

[Natürlich alles wiedermal n bissle weit hergeholt aber ..]

MfG
Keci
 
xrayn hat gesagt.:
Ich bin mal gespannt wie dort das Urteil ausgeht (Auftrag @Tarantoga )
Ich höre und gehorche...;)

Update:
Das Urteil ist nun verkündet worden und fiel, nach den deutlichen Worten des BGH-Richters, wie erwartet aus: Die Deutsche Bank muss die komplette Summe von 541.074 Euro, die der Kunde verloren hatte, ersetzen und zusätzlich 5% Zinsen für den Zeitraum seit Januar 2007 zahlen.
In der Urteilsbegründung sah der Richter es als erwiesen an, dass die Bank ihre Beratungspflicht verletzt und das Risiko des hoch komplexen Produkts bewusst zu Lasten des Anlegers gestaltet hat.
Das Urteil könnte eine Prozess-Lawine auslösen, denn zahlreiche Banken haben ihre Kunden jahrelang mit ähnlichen Praktiken um Summen im dreistelligen Millionenbereich erleichtert - zu den Geschädigten gehören
vor allem Städte und Kommunen.
Dank dem Urteil können also wohl einige klamme Kommunen auf Schadensersatz hoffen...:D

Quelle: BGH-Urteil gegen Deutsche Bank: Kommunen hoffen auf Millionenrückzahlung - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wirtschaft
 
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir dieses Urteil gefällt. Es kann nicht sein, dass man als "Laie" dazu gebracht wird, hoch riskante Anlagen zu tätigen. In meinen Augen kann man selbst nach einer Beratung das Ganze nicht ansatzweise verstehen und einschätzen.
Sollte solch ein Geschäft dennoch gewünscht sein, muss dieses explizit und ohne irgendwelches Kleingedrucktes mit einer separaten Unterschrift bestätigt werden.
 
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