Die Massenmedien - so sehr sie sich bemühen - KÖNNEN das Ausmass dieser Geschichte nicht vermitteln. Sie können lediglich über die aktuellen Wendungen auf dem Laufenden halten.
Ich denke aber auch, dass der Durchschnittsbürger das Ausmaß gar nicht erfassen/begreifen kann, da es weit über die technischen Aspekte hinaus in die Politik, Diplomatie und Wirtschaft geht. Die Massenmedien sind also gezwungen es so aufzubereiten, dass dem Durchschnittsbürger zumindest emotional vermittelt wird, was für Ausmaße das hat.
Stell dir mal vor eine Seite wie
NSA files decoded: Edward Snowden's surveillance revelations explained | World news | theguardian.com wäre vollgepackt mit technischen Informationen zu Routing-Protokollen, IT-Infrastrukturen u.ä.. Welcher Normaluser würde sie sich anschauen?
Im Endeffekt bleiben nur die Hacker, die etwas dagegen tun können, weil sie aufgrund ihres Wissens über die Technik entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln können. Entweder sie stören gezielt die Überwachung, was auf eine Störung des gesamten Datenverkehrs im Internet hinausliefe, oder sie bauen Tools, die auch der Normaluser verwenden kann um sich zu anonymisieren. Problem bei zweiterem ist aber, dass die wenigsten Hacker sich mit dem Thema Tracking auseinandersetzen. Es bleibt also nur ein Bruchteil von ihnen übrig, die überhaupt in der Lage sind Konzepte gegen Überwachung zu entwickeln. Hinzu kommt, dass die meisten Hacker keine Ahnung vom Denken der Normaluser haben. Sie sind dadurch nur begrenzt fähig benutzerfreundliche Software zu entwickeln. Themen wie UI-Design sind eher in kommerziellen Unternehmen angesagt und werden von Designern behandelt. Und die Unternehmen wiederum stecken in dem ganzen Sumpf mit drin, fallen also als "Auftragnehmer" raus. Die Lösung ist also nicht etwa, dass sich mehr Leute darum scheren müssen, sondern dass sich die richtigen Leute darum kümmern müssen. Wirtschaft und Politik werden garantiert nichts dafür tun, dass ein Tracking im Netz erschwert wird. Die Aufgabe liegt bei den Usern und bei den Leuten, die in der Lage sind entsprechende "Schutz-Software" zu entwickeln. Und du weisst selbst, dass, spätestens wenn es um Themen wie Verschlüsselung geht, nur noch sehr wenige Leute auf der Welt wirklich fähig sind.
Ausserdem lässt sich auch nicht alles technisch abfangen. Linguistik und Phonetik sind noch immer Gebiete, die sich aktuell unter der Schirmherrschaft der Politik/Geheimdienste so rasant entwickeln, dass selbst Schreibstil und Aussprache mittlerweile zum Tracking-Merkmal werden. Von Googles Sprachsuche, Apples Siri usw. mal ganz zu schweigen. Durch die Beschleunigung und Verfeinerung von Sensoren kann Traffic selbst anhand seiner Intervalle zwischen den Paketen einem Rechner-Typ zugeordnet werden. Diverse Infrastruktur wird ausschliesslich kommerziell genutzt (siehe z.B. GPS, das heutzutage fast jedes Auto an Board hat). Diese ist kaum beeinflussbar, weil damit Investitionen verbunden sind, die Communities nicht leisten können, die also vom Staat kommen müssten (Satelliten entwickeln und in's All befördern etc.). Ups... da biss sich die Katze in den Schwanz. Die Staaten, die Überwachung forcieren werden sicherlich nicht die sein, die eine Infrastruktur gegen Überwachung bereitstellen.
Wir haben mit der technisierten Welt eine Umgebung erschaffen, die den Mächtigen der Welt perfekt in die Hände spielt. Du kannst diese Umgebung nicht mehr aus dem Alltag entfernen und du kannst nicht erwarten, dass der Durchschnittsbürger sie versteht. Der Durchschnittsbürger ist darauf angewiesen, dass die Technik im Rahmen der von ihm vorgegebenen Parameter funktioniert. Er kann maximal noch auf Gesetzgebungen Einfluss nehmen, die die Technik betreffen. Aber auch dazu müsste er die Technik erst mal verstehen. Vielmehr müsste er das Zusammenspiel zwischen der technischen Welt und der Politik verstehen, was die Sache noch abstrakter macht. Wenn Hackertools verboten werden (nur um mal ein Beispiel aus dem politischen Teil des Sumpfes zu nehmen), dann findet der Durchschnittsbürger das gut. Dass genau jene Tools auch von Sysadmins benutzt werden um die Systeme abzusichern, auf denen der User seine Daten ablegt, weiss er einfach nicht. In den meisten Fällen weiss er nicht mal was ein Systemadministrator ist.
Anders gesagt: Der Normaluser ist darauf angewiesen, dass er einfach zu bedienende Software hat, die ihn sicher durch "das Internet" führt. Er ist einfach gezwungen sich darauf zu verlassen, dass die Technik tut was sie soll und was versprochen wird und dass die Organe des Staates sich an die Gesetze halten und ihn vor fremden Mächten schützen. Genau so ist er darauf angewiesen, dass die Politik ihm die Wahrheit über ihr Handeln mitteilt. Da der Bürger aber von Politik in erster Linie aus den Medien etwas erfährt, weil Informationsbeschaffung zu politischen Prozessen sehr zeitaufwendig ist und er deswegen auf die Arbeit der Journalisten angewiesen ist, bekommt er niemals sachliche Informationen sondern immer aufbereitete. Und da beisst sich die Katze wieder in den Schwanz. Ohne Medien erfährt der Bürger gar nichts oder nur sehr wenig über Politik. Von den Medien aber wird er bewusst oder unbewusst beeinflusst. Selbst Leute wie Alfred Draxler (Stellvertreter des Chefredakteurs der Bild) haben doch heutzutage mehr Einfluss auf die Bürger als die Politiker selbst.
Was ist also die Lösung? Bürger, die keine Ahnung von Technik haben, fordern von der Politik Lösungen für technische Probleme? Klingt schon irgendwie absurd, oder?
Die einzige Lösung, die tatsächlich gangbar ist, ist die Entwicklung eines Toolkits, das einfach zu installieren und ohne grossartigen Konfigurationsaufwand einen vor Spionage geschützten Internet-Zugang ohne Einbussen bei der Geschwindigkeit zur Verfügung stellt. Dieses Tool müsste OpenSource von _echten_ Experten entwickelt werden. Und dann kannst du die Leute trotzdem nicht davon abhalten, dass sie "eingeloggt bleiben" beim FB-Login anklicken und sich ihre Tracking-Cookies einfangen.
Daher: Schlag doch bitte eine Lösung vor, die gangbar ist. Ich kenne ein paar dutzend Leute, die sich seit Jahren darüber den Kopf zerbrechen und die sich über eine Lösung freuen würden. Technische Dokus durcharbeiten kannst du jedenfalls vom Normaluser, der nunmal die Masse ausmacht, nicht erwarten. Und es bringt hilft uns auch nicht aus der Matrix auszubrechen.
Btw denke ich nicht, dass es notwendig ist die ganze IT-Infrastruktur zu verstehen. Man muss in erster Linie die Überwachungsarten kennen. Und wie du hier im Board siehst (seit Snowdens Enthüllung sogar gehäuft), verstehen die meisten unter Anonymisierung ein Verstecken der IP. Darüber lacht doch jeder Geheimdienst und jedes grössere Unternehmen schallend. >80% der WWW-User sind an ihrem User-Agent identifizierbar. Etwa die gleiche Anzahl löscht nicht regelmässig die Cookies. >90% der User von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen sind anhand ihres Schreibstils und ihren Interessen identifizierbar. Kaum ein User ist in der Lage Profile im Netz zu erstellen, die scheinbar 2 verschiedenen Personen gehören.
All das muss aber verstanden werden, wenn man Überwachung im Netz effektiv entgehen will. Und da sieht man wo die technischen Möglichkeiten enden. Menschen sind nunmal immer einmalig und somit ist ihr Verhalten einmalig und dieses Verhalten spiegelt sich im Netz wieder. Damit ist ein Umstand, der alle oder viele Menschen zusammenführt immer dazu geeignet Menschen zu überwachen. Die Technik macht es allerdings sehr einfach. Du wirst sie aber nicht mehr aus dem Leben der Menschen verbannen können und du wirst nicht verhindern können, dass sie von Staaten und Unternehmen zur Überwachung verwendet wird.
Wir bewegen uns gerade auf eine Welt zu, die der Welt aus dem Film "Equilibrium" sehr sehr ähnlich ist. Ich stimme dir insofern zu, dass diese Entwicklung äußerst gefährlich ist und dass ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Durchschnittsbürger bemerkt das aber nicht, da er geistig einfach nicht dazu in der Lage ist die ganzen Zusammenhänge zwischen seinem Handeln, dem Handeln der Politik, dem Handeln der "produzierenden" Wirtschaft, dem Handeln der Finanzwirtschaft und dem Handeln militärischer Einheiten wie Geheimdiensten, Abwehrdiensten usw. zu ziehen. Die Globalisierung hat schon längst den durchschnittlichen Verstand überflügelt und ist für den Grossteil der Weltbevölkerung einfach nicht mehr erfassbar. Deswegen ist es so einfach solche Themen immer als Verschwörungstheorien zu diffamieren.
Man kann es auch ganz klar ausdrücken: Die Menschen sind zu dumm für ein globales System, was keineswegs abwertend gemeint ist. Sie können es einfach nicht verstehen und so bleibt nur eine kleine "Elite", die diese Zusammenhänge überhaupt erkennen, steuern und nutzen kann. Dieses System wurde mit einer teilweise ziemlich perfiden Vorgehensweise aufgebaut und tritt nun nach und nach zu Tage. Es ist nicht mehr notwendig die Matrix zu verstecken, weil ihr niemand mehr entgehen kann bzw. der Aufwand ihr zu entgehen ist mittlerweile so hoch geworden, dass er nur noch von sehr wenigen eingegangen wird. Spätestens wenn man eine Familie und Verantwortung für Kinder hat, kann man dem Überwachungssystem nicht mehr entgehen.
Fassen wir also zusammen: Wir haben eine Überwachungssituation, die der Durchschnittsbürger gar nicht erfassen kann. Es ist zu erwarten, dass diese Überwachung von Seiten der Staaten in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter ausgebaut wird. Es ist auch zu erwarten, dass die Meinungsbildung durch Medien nicht einfach aufhören kann, da sie die primäre Informationsquelle für die meisten Bürger sind, was für diese zeitlich auch gar nicht anders handhabbar ist.
Was brauchen wir also? Wir benötigen innerhalb des bestehenden Netzes eine protokollseitige Infrastruktur, die Überwachung von Daten so weit erschwert, dass sie nur noch anhand von Persönlichkeitsaspekten (Schreibstil etc.) erfolgen kann. Eine solche Infrastruktur wird zwangsweise dazu führen, dass die kommerzielle Nutzung des Internets, die ja nunmal primär durch Werbung finanziert wird, kaum noch möglich ist. Konzernen wie Google etc. werden die Gewinne wegbrechen. Wir brauchen weiterhin Rechner, bei denen sichergestellt ist, dass sie keine Komponenten enthalten, die zur Überwachung genutzt werden können (Backdoors etc.). D.h. auch die Hardware- und Software-Entwicklung müsste vollständig transparent erfolgen, womit sie nicht mehr wirtschaftlich wird. Wir brauchen Medien, die sachlich und umfassend berichten und nicht auf Werbekunden angewiesen sind. Auch hier wäre also eine kommerzielle Nutzung/Vermarktung kaum noch möglich.
Und damit kommen wir zum Fazit: Wir brauchen ein globales Umdenken in der Menschheit. Die Abhängigkeit von Innovationen wie dem Internet zum Geld muss aufgelöst werden. Dies geht nur, wenn die Abhängigkeit von Wirtschaft und Finanzsystem vollständig aufgelöst wird, weil nur dann überhaupt die Möglichkeit besteht, dass Grossunternehmen auch ohne Gewinne quasi gemeinnützig existieren können. Wir brauchen also eine andere Gesellschaft, die nicht auf Gewinne sondern auf Gemeinwohl ausgerichtet ist.
Diesen Zusammenhang zwischen unserer gewinnorientierten Gesellschaft und der NSA-Überwachung werden vermutlich selbst viele Leser dieses Beitrags nicht verstehen, weil man die Details einfach nicht alle in einen Forenbeitrag packen kann. Egal. Ist erst Mal genug Text zu lesen und evtl. auch zum Nachdenken.
Schlusswort: Wenn wir es nicht schaffen, dass die Gesellschaft sich so ändert, dass eine Überwachung einfach nicht mehr notwendig ist, dann wird sie auch weiter durchgeführt und ausgebaut. Und ehe wir uns versehen schwirren Drohnen durch die Strassen, die auffällige Verhaltensweisen automatisch erkennen und an eine durch Helme und Sturmmasken anonymisierte und hochgerüstete Polizei melden, damit diese sofort dagegen vorgehen kann. ... Quatsch, würden unsere Politiker doch nie tun... oder doch?
EU-Projekt INDECT: Mit fliegenden Drohnen auf Verbrecherjagd? | tagesschau.de