[TdW 111] Die FIFA, die WM & die Schattenseiten

Derzeit rollt bekanntlich der Ball und König Fußball regiert scheinbar den ganzen Erdball - doch abseits des Platzes sorgt die WM (und künftige WMs) und die FIFA selbst für allerhand Gesprächsstoff.
Das Fußball ein gutes Geschäft ist, Big Business, ist wohl allgemein bekannt, ebenso ist bekannt das die WM eins der größten Sportereignisse der Welt (afaik direkt nach den Olympischen Spielen) ist. Dementsprechend gewaltig sind die Summen um die es bei einer WM geht und da gibt es zahlreiche verschiedene Geldströme: Sponsorengelder, Werbeeinnahmen oder Gelder für die Übertragungsrechte um nur einige zu nennen. Dazu kommen natürlich auch Kosten, wie z. B. Baukosten und Veranstaltungskosten. Lange bevor der Ball rollt, rollt also der Rubel und wie eigentlich überall wo es um viel Geld geht, kommt es auch zu unschönen Vorkommnissen. Immer wieder wird die FIFA für ihre Intransparenz gerügt, die Verträge die sie den Gastgeberländern aufzwingen werden gerne als Knebelverträge bezeichnet. Und überhaupt steht nicht nur die Vergabepraxis, sondern die ganze Führungsriege der FIFA unter Korruptionsverdacht.
Da kann man sich schon Fragen warum sich Staaten überhaupt als Gastgeberländer bewerben, doch es gibt immer wieder Befürworter die argumentieren letztendlich würde der Staat (und damit die Bevölkerung) von den Investitionen profitieren. Die zahlreichen Demonstrationen die Brasilien erlebt hat, seit bekannt wurde das die Bewerbung erfolgreich war, zeigen das man da wohl geteilter Meinung sein kann.
Allerdings beschäftigt die WM die Medien in der Regel so sehr (egal ob jetzt über die sportlichen Aspekte oder über die Schattenseiten geredet wird), dass im Schatten der WM gerne unliebsame Themen seitens der Politik abgearbeitet oder fragwürdige Gesetze durchgewunken werden - Ablenkung ist eben nicht nur im Fußball eine gute Taktik.
Das TdW beschäftigt sich daher diesmal mit einem breiten Spektrum an möglichen Themen: Hier kann alles rein was mit der FIFA, der WM und deren Schattenseiten zu tun hat - oder eben auch alles was im Schatten der WM heimlich durchgewunken wird...

Eine empfehlenswerte Einstimmung auf das Thema ist übrigens diese Ausgabe der ZDF Satiresendung Die Anstalt:
https://www.youtube.com/watch?v=v4LALBpiU18
 
Ich hab mich zwar in meinem Blog bereits dazu geäußert - Ein paar Worte zur Fussball-WM | Bitmuncher , will hier aber mal vor allem auf dieses "da werden politische Entscheidungen durchgewunken" und die FIFA eingehen.

Insgesamt glaube ich, dass wir es uns zu einfach machen, wenn wir der FIFA die Schuld an dem ganzen Schlamassel geben. Ich glaube nämlich kaum, dass die FIFA fordert, dass Proteste gegen die WM mit Gewalt niedergeschlagen werden müssen. Auch denke ich nicht, dass die FIFA Katar vorschreibt, dass sie beim Bau keine Schutzmaßnahmen für die Arbeiter ergreifen sollen. Das ist den jeweiligen Ländern und deren Kultur zuzuschreiben. Die FIFA schreibt lediglich sehr strikt vor, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine WM stattfinden kann und wer sich für die WM bewirbt, sichert dies vertraglich zu. Auf welchem Weg diese Bedingungen eingehalten werden, ist dem jeweiligen Land vorbehalten.

Auch beim Fussball liegt das Problem, wie so oft, an der Kommerzialisierung. Es geht nicht mehr um den Sport, zumindest nicht den Veranstaltern, sondern um Profit. Auch den Staaten, die sich als Gastgeber bewerben, geht es darum. Dumm ist nur, dass deren Politiker nicht merken, dass im Endeffekt der Profit bei den Banken landet. Denn um die WM überhaupt finanzieren zu können, müssen gerade die armen Länder Kredite aufnehmen, an denen sie die nächsten Jahrzehnte zu knabbern haben. Für die WM bekommen sie diese auch bereitwillig. Deswegen wird auch aus dem Wirtschaftsaufschwung nach der WM nichts. Es gibt zwar einen kleinen Aufschwung, aber den hätte es auch gegeben, wenn man die Gelder, die man für die WM verbrauchte, für Bildungswesen und Infrastruktur zur Verfügung gehabt hätte. Vermutlich wäre er dann sogar wesentlich grösser ausgefallen. Aber dafür bekommen diese Länder keine so hohen Kredite.

Dass die FIFA korrupt ist, will ich kein Stück bestreiten. Allerdings geht es bei ihr nicht korrupter zu als in jedem anderen Unternehmen dieser Grösse und mit diesem internationalen Einfluss auch. Und auch wenn immer alle über die FIFA schimpfen... wer ist den bereit ihren Job zu machen? Anders gesagt: Welche Alternativen zur FIFA gibt es?

Das Argument, dass während der FIFA politische Entscheidungen durchgewunken würden, die man sonst nicht durchsetzen könnte, halte ich allerdings für fadenscheinig. Ich hab mir die letzte EM bereits mal mit einem Fokus auf diese Behauptung angeschaut und tue es bei dieser WM auch wieder. Und ich muss feststellen, dass alle Themen, die in der Politik während der WM auf den Tisch gepackt werden, bereits zuvor Thema in unserer Gesellschaft und unseren Medien waren. Allerdings hat sich schon dort nur ein Bruchteil der Bevölkerung dafür interessiert oder sich gar gegen bestimmte Entscheidungen ausgesprochen. Wie viele Unterschriften hat z.B. Campact gegen das Fracking-Gesetz zusammen bekommen? Es waren lächerliche 160.000 und das war ausserhalb der WM. Selbiges gilt für die Unterschriftenaktion bei OpenPetition von Ende 2010. Nicht ganz 5000 Unterstützer... ausserhalb einer EM oder WM. Die Facebook-Gruppe "Gegen Fracking" hat knappe 2000 Unterstützer. Andere, ähnlich geartete Gruppen liegen weit darunter. Auch Change.org kommt nur auf knapp 24.000 Unterstützer. Bürgerinitiativen feiern es als Erfolg, wenn knapp 10% der Bevölkerung in dem Bereich, in dem sie aktiv sind, gegen Fracking unterschreiben. Nun packt Gabriel Fracking nochmal auf den Tisch und alle behaupten, dass er sich das nach der WM nicht trauen könnte, weil dann Protestwellen losbrechen würden. Welchen Grund sollte es geben, dass sich nun mehr Menschen gegen Fracking aussprechen würden, wenn es die WM nicht gäbe? Selbst wenn sich knapp 10% der Bevölkerung gegen Fracking aussprechen, wird's offenbar von der breiten Mehrheit toleriert oder zumindest ignoriert? Sollte ein Politiker seine Entscheidungen also in Zukunft aufgrund einer Minderheitenmeinung treffen? Genau das werfen wir denen doch immer vor und wenn sie es mal ausnahmsweise nicht tun, ist es uns auch nicht recht. Wenn's den Leuten egal ist, warum sollte man dann eine wirtschaftliche Chance nicht ergreifen? Wenn nichts für die Wirtschaft getan wird, ist es doch auch nicht Recht.

Selbiges gilt für Themen wie die Verringerung der Auszahlung von Lebensversicherungen. Das wurde bereits lange vor der WM auch in unseren Medien angesprochen. Wen hat's interessiert? Kaum jemanden.

Und jene, die vor der WM noch forderten, dass Deutschland sich aus dem Konflikt in der Ukraine raushalten soll, fordern nun plötzlich mehr Berichterstattung über die Ukraine und politische Einflussnahme. Man solle sich gefälligst nicht wegen der WM aus der Verantwortung stehlen. Wie denn nun? Raushalten oder Einfluss nehmen?

Man braucht einfach einen Schuldigen um das Desinteresse des eigenen Volkes irgendwie begründen zu können und da bietet sich die WM als grosses mediales Ereignis natürlich an. Was während der WM in der Politik thematisiert wird, ist auch ausserhalb der WM Thema und auch dort interessiert sich immer nur der gleiche kleine Personenkreis dafür, nämlich jener kleine Prozentsatz an Mitmenschen, die tatsächlich "politisch interessiert" sind. Der Grossteil der Bevölkerung begegnet den meisten politischen Entscheidungen bei der WM keineswegs mit mehr Desinteresse als ausserhalb der WM.
 
Zurück
Oben