Auch diese Woche geht es im TdW um Terror, genauer gesagt um die Folgen des Terrors. Wir haben uns ja bereits daran gewöhnt, dass nur irgendwo auf der Welt ein Terroranschlag erfolgen muss und schon kommen die Überwachungsfetischisten aus ihren Löchern gekrochen und fordern z. B. die Vorratsdatenspeicherung. Sascha Lobo spricht in diesem Kontext recht passend von dem immer wiederkehrenden Zombie der Netzpolitik. Da spielt es auch keine Rolle, dass das Bundesverfassungericht die Vorratsdatenspeichrung in Deutschland 2010 als verfassungswidrig gekippt hat und das auf europäischer Ebene der Europäische Gerichtshof 2014 ebenfalls befand, dass die (bis dahin) geltende Regelung gegen EU Recht verstößt. Es spielt auch keine Rolle das extreme Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, wie der ehemalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU), nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung einräumen mussten, dass es keinerlei messbaren Auswirkungen auf die Aufklärungsquote gab:
Es spielt scheinbar auch keine Rolle das wissenschaftliche Untersuchungen diese Einschätzung bestätigten:
Vor diesem Hintergrund wirkt es schon mehr als befremdlich, wenn trotzdem immer wieder Politiker und Ermittlungsbehörden von der Vorratsdatenspeicherung als einem "unerlässlichen Ermittlungswerkzeug" sprechen und gerne den Eindruck erwecken, wer gegen die Vorratsdatenspeicherung ist, würde Terroristen und Kinderschändern dabei helfen unerkannt ihren schändlichen Plänen nachzugehen.
Wer so unbeeindruckt von Fakten seine immer gleichen Forderungen stellt, für den spielt es sicherlich auch keine Rolle, dass in Frankreich seit afaik 2006 eine nationale Regelung zur Vorratsdatenspeicherung existiert - die den Opfern der Terroristen nicht das geringste genützt hat. Warum das Instrument Vorratsdatenspeicherung in Frankreich stumpf blieb, es bei uns aber unerlässlich zur Terrorbekämpfung ist, verraten die Befürworter natürlich nicht. Aber wie gesagt, an diesen ewigen Wiedergänger der Netzpolitik, haben wir uns längst gewöhnt. Auch an die perfide Art wie Befürworter versuchen die Angst und die Unsicherheit nach schrecklichen Bluttaten für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren und das Volk so zu manipulieren, dass sie aufgrund ihrer Angst bereit sind Einschränkungen der eigenen Freiheit hinzunehmen, haben wir uns so sehr gewöhnt, dass eine Protest-Bewegung gegen staatliche Überwachungs dieses Konzept sogar im Namen führt: Freiheit statt Angst.
Neu ist dagegen die Qualität der Maßnahmen die diesmal aus den Reihen der üblichen Verdächtigen gefordert werden. Den Anfang machte afaik diesmal der britische Premier David Cameron, der im Zuge der Pariser Anschläge forderte es dürfe keine Kommunikation geben, die im zweifelsfall nicht mitgelesen werden könnte. Cameron bezog sich dabei natürlich auf E-Mails, Messenger und Chat-Programme. Im Grunde forderte er ein Kryptografieverbot oder eine Möglichkeit für Behörden die Verschlüsselungsmethoden auszuhebeln. Diese Vorlage wurde natürlich nur zu gern von anderen Politikern aufgegriffen, so äußerte sich mittlerweile auch Präsident Obama dahingehend, dass Terroristen keine Möglichkeit haben dürften vor Überwachung geschützt miteinander zu kommunizieren. Auch unsere eigene Regierung will da natürlich nicht zurückstehen, so hört sich das z. B. bei unserer gewohnt zurückhaltenden Kanzlerin an:
Und so bei unserem Innenminister de Maizière:
Dieses Gerede den Geheimdiensten und Polizeibehörden mehr Befugnisse, mehr Geld und mehr Werkzeuge an die Hand zu geben, kann einen schon ziemlich nervös machen. Zum einen ist da der Umstand das es, zumindest meiner Meinung nach, ohnehin bereits zuviel staatliche Überwachung gibt und die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Exzesse staatlicher Überwachung, die oft genug geltende Gesetze gebeugt oder gar gebrochen haben, im Grunde in keiner Weise aufgearbeitet wurden. NSA-Affäre, Bundestrojaner, NSU-Affäre - es gibt jede Menge Gründe warum das Vertrauen zu den Sicherheitsbehörden erschüttert wurde und zunächst durch eine gründliche Aufarbeitung wiederhergestellt werden sollte. Und in dieser Lage will man nicht nur zu bereits für ungesetzlich und als rechtsstaatlich bedenklich eingestuften Methoden zurückkehren, sondern die Dienste mit sogar noch mehr Kompetenzen & Befugnissen zur Ausspähung der eigenen Bürger ausstatten?
Zum anderen ist es ja nicht so, das die bestehenden Regelungen unzureichend wären - immerhhin waren afaik alle Täter der letzten Anschläge (z. B. die Boston-Bomber oder jüngst die Pariser Terroristen) bereits bekannt und auf entsprechenden Listen der Sicherheitsbehörden aufgeführt. Das sie dennoch ihre blutigen Pläne in die Tat umsetzen konnten zeigt imho zwei Dinge:
1. Aller Überwachung zum Trotz kann es keinen absoluten Schutz vor gewalttätigen Fanatikern geben.
2. Die Sicherheitsbehörden haben keinen Mangel an Informationen oder Daten, wenn überhaupt gibt es Defizite bei der Analyse und Bewertung des bestehenden Datenmaterials - das wird aber bestimmt nicht besser wenn man den Datenbestand noch größer macht.
Einen interessanten Beitrag zum Thema hat Frank Rieger, prominenter Specher des CCC, bei Heise geschrieben, aus dem ich diesen Absatz zitieren will:
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW daher die Frage: Drohen uns neue Crypto Wars? Oder: Wieviel Überwachung verträgt ein Rechtsstaat, bevor er zum Überwachungsstaat wird?
Schließen möchte ich, wie in diesem Kontext eigentlich immer, mit einem denkwürdigen Zitat:
Quellen & mehr zum Thema:
Hardliner Schünemann: Vorratsdatenspeichung hilft nicht bei Verbrechensaufklärung - Golem.de
Max-Planck-Institut: Vorratsdatenspeicherung hilft Verbrechensbekämpfung nicht - Golem.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit_statt_Angst
Terrorbekämpfung: Cameron will Verschlüsselung verbieten | ZEIT ONLINE
Obama will Verschlüsselung aufweichen | heise online
Rede im Bundestag: Angela Merkel erklärt Kampf gegen Terror - SPIEGEL ONLINE
Angela Merkel drängt weiter auf Vorratsdatenspeicherung - SPIEGEL ONLINE
Cryptowars: De Maizière will Verschlüsselung knacken | ZEIT ONLINE
Kommentar: Die Crypto-Wars 3.0 sind ein Kampf um den Erhalt der Demokratie | heise online
Quelle: Hardliner Schünemann: Vorratsdatenspeichung hilft nicht bei Verbrechensaufklärung - Golem.de"Erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die Aufklärungsquote bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Tatmittel Internet begangen wurden, sind für das Jahr 2010 nicht festzustellen."
Es spielt scheinbar auch keine Rolle das wissenschaftliche Untersuchungen diese Einschätzung bestätigten:
Quelle: Max-Planck-Institut: Vorratsdatenspeicherung hilft Verbrechensbekämpfung nicht - Golem.deZusammenfassend heißt es in dem Gutachten: "Betrachtet man insbesondere das Jahr 2008, in dem Vorratsdaten grundsätzlich zur Verfügung standen, so kann für keinen der hier untersuchten Deliktsbereiche eine mit der Abfrage zusammenhängende Veränderung der Aufklärungsquote im Hinblick auf das Vorjahr oder die Folgejahre 2009/2010 beobachtet werden."
Vor diesem Hintergrund wirkt es schon mehr als befremdlich, wenn trotzdem immer wieder Politiker und Ermittlungsbehörden von der Vorratsdatenspeicherung als einem "unerlässlichen Ermittlungswerkzeug" sprechen und gerne den Eindruck erwecken, wer gegen die Vorratsdatenspeicherung ist, würde Terroristen und Kinderschändern dabei helfen unerkannt ihren schändlichen Plänen nachzugehen.
Wer so unbeeindruckt von Fakten seine immer gleichen Forderungen stellt, für den spielt es sicherlich auch keine Rolle, dass in Frankreich seit afaik 2006 eine nationale Regelung zur Vorratsdatenspeicherung existiert - die den Opfern der Terroristen nicht das geringste genützt hat. Warum das Instrument Vorratsdatenspeicherung in Frankreich stumpf blieb, es bei uns aber unerlässlich zur Terrorbekämpfung ist, verraten die Befürworter natürlich nicht. Aber wie gesagt, an diesen ewigen Wiedergänger der Netzpolitik, haben wir uns längst gewöhnt. Auch an die perfide Art wie Befürworter versuchen die Angst und die Unsicherheit nach schrecklichen Bluttaten für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren und das Volk so zu manipulieren, dass sie aufgrund ihrer Angst bereit sind Einschränkungen der eigenen Freiheit hinzunehmen, haben wir uns so sehr gewöhnt, dass eine Protest-Bewegung gegen staatliche Überwachungs dieses Konzept sogar im Namen führt: Freiheit statt Angst.
Neu ist dagegen die Qualität der Maßnahmen die diesmal aus den Reihen der üblichen Verdächtigen gefordert werden. Den Anfang machte afaik diesmal der britische Premier David Cameron, der im Zuge der Pariser Anschläge forderte es dürfe keine Kommunikation geben, die im zweifelsfall nicht mitgelesen werden könnte. Cameron bezog sich dabei natürlich auf E-Mails, Messenger und Chat-Programme. Im Grunde forderte er ein Kryptografieverbot oder eine Möglichkeit für Behörden die Verschlüsselungsmethoden auszuhebeln. Diese Vorlage wurde natürlich nur zu gern von anderen Politikern aufgegriffen, so äußerte sich mittlerweile auch Präsident Obama dahingehend, dass Terroristen keine Möglichkeit haben dürften vor Überwachung geschützt miteinander zu kommunizieren. Auch unsere eigene Regierung will da natürlich nicht zurückstehen, so hört sich das z. B. bei unserer gewohnt zurückhaltenden Kanzlerin an:
Quelle: Rede im Bundestag: Angela Merkel erklärt Kampf gegen Terror - SPIEGEL ONLINE"Freiheit und Toleranz sind ihre eigenen Totengräber, wenn sie sich nicht vor Intoleranz schützen", so die Kanzlerin weiter. "Wir müssen den Sicherheitsbehörden die personelle und finanzielle Ausstattung verschaffen, die sie benötigen, um unsere Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten." Merkel sprach sich klar für die Speicherung von Kommunikationsdaten wie E-Mails, Besuch von Webseiten und Telefonverbindungen aus und richtete in Sachen Vorratsdatenspeicherung einen Appell an Brüssel: "Wir sollten darauf drängen, dass die von der EU-Kommission angekündigte Richtlinie zügig vorgelegt wird, um sie anschließend auch in deutsches Recht umzusetzen."
Und so bei unserem Innenminister de Maizière:
Quelle: Cryptowars: De Maizière will Verschlüsselung knacken | ZEIT ONLINE[...]deutsche Behörden müssten befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln, "wenn dies für Ihre Arbeit und zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist".
Dieses Gerede den Geheimdiensten und Polizeibehörden mehr Befugnisse, mehr Geld und mehr Werkzeuge an die Hand zu geben, kann einen schon ziemlich nervös machen. Zum einen ist da der Umstand das es, zumindest meiner Meinung nach, ohnehin bereits zuviel staatliche Überwachung gibt und die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Exzesse staatlicher Überwachung, die oft genug geltende Gesetze gebeugt oder gar gebrochen haben, im Grunde in keiner Weise aufgearbeitet wurden. NSA-Affäre, Bundestrojaner, NSU-Affäre - es gibt jede Menge Gründe warum das Vertrauen zu den Sicherheitsbehörden erschüttert wurde und zunächst durch eine gründliche Aufarbeitung wiederhergestellt werden sollte. Und in dieser Lage will man nicht nur zu bereits für ungesetzlich und als rechtsstaatlich bedenklich eingestuften Methoden zurückkehren, sondern die Dienste mit sogar noch mehr Kompetenzen & Befugnissen zur Ausspähung der eigenen Bürger ausstatten?
Zum anderen ist es ja nicht so, das die bestehenden Regelungen unzureichend wären - immerhhin waren afaik alle Täter der letzten Anschläge (z. B. die Boston-Bomber oder jüngst die Pariser Terroristen) bereits bekannt und auf entsprechenden Listen der Sicherheitsbehörden aufgeführt. Das sie dennoch ihre blutigen Pläne in die Tat umsetzen konnten zeigt imho zwei Dinge:
1. Aller Überwachung zum Trotz kann es keinen absoluten Schutz vor gewalttätigen Fanatikern geben.
2. Die Sicherheitsbehörden haben keinen Mangel an Informationen oder Daten, wenn überhaupt gibt es Defizite bei der Analyse und Bewertung des bestehenden Datenmaterials - das wird aber bestimmt nicht besser wenn man den Datenbestand noch größer macht.
Einen interessanten Beitrag zum Thema hat Frank Rieger, prominenter Specher des CCC, bei Heise geschrieben, aus dem ich diesen Absatz zitieren will:
Quelle: Kommentar: Die Crypto-Wars 3.0 sind ein Kampf um den Erhalt der Demokratie | heise onlineDen parallelen Ruf nach Vorratsdatenspeicherung und Kryptobeschränkung kann man daher kaum anders werten als einen Griff der Geheimdienste nach der politischen Macht. Es wäre die endgültige Zementierung des Status quo, in Vorbereitung auf kommende Krisen in den westlichen Gesellschaften, die die Verantwortlichen nicht mehr mit den Mitteln der Demokratie gelöst zu bekommen glauben.
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW daher die Frage: Drohen uns neue Crypto Wars? Oder: Wieviel Überwachung verträgt ein Rechtsstaat, bevor er zum Überwachungsstaat wird?
Schließen möchte ich, wie in diesem Kontext eigentlich immer, mit einem denkwürdigen Zitat:
Benjamin Franklin hat gesagt.:„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“
Quellen & mehr zum Thema:
Hardliner Schünemann: Vorratsdatenspeichung hilft nicht bei Verbrechensaufklärung - Golem.de
Max-Planck-Institut: Vorratsdatenspeicherung hilft Verbrechensbekämpfung nicht - Golem.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit_statt_Angst
Terrorbekämpfung: Cameron will Verschlüsselung verbieten | ZEIT ONLINE
Obama will Verschlüsselung aufweichen | heise online
Rede im Bundestag: Angela Merkel erklärt Kampf gegen Terror - SPIEGEL ONLINE
Angela Merkel drängt weiter auf Vorratsdatenspeicherung - SPIEGEL ONLINE
Cryptowars: De Maizière will Verschlüsselung knacken | ZEIT ONLINE
Kommentar: Die Crypto-Wars 3.0 sind ein Kampf um den Erhalt der Demokratie | heise online