Ganz Europa, praktisch sogar die ganze (Finanz)Welt, diskutiert derzeit über den Wahlsieg von Alexis Tsipras und versucht die Folgen abzuschätzen - das TdW kann daher um dieses Thema kaum herum kommen.
Klar ist: Die Griechen haben sich gegen die alten Machthaber und gegen die bisherige Politik entschieden. Die konservative Nea Demokratia und die sozialdemokratische PASOK, die in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger abwechselnd die Regierung stellten, kamen nur auf 76, bzw. 13 Sitze im neuen Parlament. Die als linksradikal bezeichnete Partei Syriza errang mit 149 Sitzen eine deutliche Mehrheit.
Schon vor der Wahl hatten sich alle möglichen Parteien und Organisationen für ein solches Wahlergebnis in Stellung gebracht und Probeschüsse abgegeben, aber auch Nebelkerzen geworfen. So verlautete z. B. aus dem Dunstkreis von unserem Finanzminister Schäuble (CDU), ein griechischer Austritt aus dem Euro, der sogenannte Grexit, sei nicht mehr undenkbar. Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, als Griechenland vor der Staatspleite gerettet werden musste, argumentierten und Merkel und Schäuble etwa so: Scheitert Griechenland, scheitert der Euro und damit Europa. Somit war die Rettung Griechenlands laut Merkel alternativlos.
Jetzt sei die Lage aber völlig anders, deuten die Verlautbarungen Schäubles an, der Euroraum sei weitgehend stabil und die griechischen Schulden liegen kaum noch bei Privatinvestoren. Was er damit eigentlich sagen sagen will ist: Wir müssen euch nicht mehr um jeden Preis retten und sind nicht erpressbar. Ich denke das Schäuble, bzw. die Bundesregierung, der als Favorit für den Wahlsieg gehandelten Syriza schon vor der Wahl klar machen wollte das ihre Verhandlungsposition nicht so stark ist wie sie vielleicht glauben.
Auf der anderen Seite hat auch Syriza vor der Wahl versucht Signale zu senden und sich für die Zeit nach der Wahl in Stellung zu bringen. Im Wahlkampf hatte Syriza und Tsipras oft und gerne polemisiert - gegen den Sparkurs, gegen die Troika und vor allem gegen die Merkel-Regierung. Schäuble und Merkel gelten als die härtesten Verfechter des eisernen Sparkurses, der auch als Austeritätspolitik bezeichnet wird. Schäuble gilt vielen sogar als der Architekt des Sparkurses als Reaktion auf die Banken- und Eurokrise, manche Zeitungen sprechen in diesem Zusammenhang gerne von Schäubles Lebenswerk. Kurz vor der Wahl, als sein Sieg schon absehbar wurde, rüstete Tsipras verbal ab und versicherte den Deutschen z. B. in offenen Brief an das Handelsblatt das Syriza keine einseitigen Maßnahmen ergreifen und nicht aus dem Euroraum austreten will. Tsipras versicherte das es ihm nur darum ginge die Bedingungen neu auszuhandeln, um die teils dastischen Auswirkungen des Sparkurses für das griechische Volk zu mindern. Der Grexit sei für ihn höchstens ein Worst-Case-Szenario, wenn die Gläubiger nicht mit sich handeln ließen. Das die Auswirkungen des Spardiktats gerade für das "einfache Volk" drastisch sind, kann niemand bestreiten. Das hier konnte man z. B. im Februar letzten Jahres einer Studie entnehmen:
Was genau Tsipras für Bedingungen aushandeln will und welche neue Politik er verfolgen will, verrät Tsipras indes nicht. In dem bereits erwähnten offenen Brief heißt es dazu lapidar:
Mit solchen Aussagen ist Tsipras nicht nur zum griechischen Ministerpräsidenten geworden, er wurde geradezu zum Hoffnungsträger der europäischen Linken. Linke Parteien aus Spanien und Italien schickten schon vor dem Wahltag Abordnungen nach Griechenland und feierten schließlich Tspiras Sieg wie ihren eigenen. Auch für unsere Linkspartei ist Tsipras ein aufgehender Stern am Polithimmel und ein Hoffnungsschimmer auf einen Linksruck in Europa.
Aber mittlerweile ist Alexis Tsipras eben Ministerpräsident und das bedeutet nicht nur das die Wahlkampfshow vorbei ist, sonderen das nun das harte Tagesgeschäft beginnt. Die Realität hat Tsipras selbst, aber auch seine Freunde und Feinde eingeholt, nun wird er sich an seinen Taten und seinen Erfolgen messen lassen müssen.
Und zumindest im Bezug auf die Taten hat er gleich losgelegt, so ist er z. B. eine Koalition mit der rechtsnationalistischen Partei Unabhängige Griechen eingegangen und hat deren Chef, den Rechtspopulisten Panos Kammenos, zum Verteidigungsminister ernannt. Eine von dessen ersten Amtshandlungen provozierte einen Grenzzwischenfall mit der Türkei.
Weniger martialisch, dafür umso dramatischer und weitreichender sorgte der neue Finanzminister Gianis Varoufakis für aufsehen, in dem er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Zusammenarbeit mit der sogenannten Troika aufkündigte: Auf Konfrontationskurs mit EU: Eklat in Athen: Neue Regierung wirft Troika raus - heute-Nachrichten
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW also die Frage: Alexis Tsipras, ein populistischer Rowdie oder ein linker Hoffnungsträger?
Quellen und mehr zum Thema:
In einem offenen Brief an das “Handelsblatt” wendet sich A. Tsipras an die Deutschen… Lesenswert! » Beitrag » Radio Korfu
Studie: Sparkurs hat verheerende Folgen für Gesundheit der Griechen - SPIEGEL ONLINE
Griechenland entlässt Chefs der Privatisierungsbehörde TAIPED-HRADF
Auf Konfrontationskurs mit EU: Eklat in Athen: Neue Regierung wirft Troika raus - heute-Nachrichten
Alexis Tsipras: Die Griechen gründen gerade Europa | ZEIT ONLINE
Klar ist: Die Griechen haben sich gegen die alten Machthaber und gegen die bisherige Politik entschieden. Die konservative Nea Demokratia und die sozialdemokratische PASOK, die in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger abwechselnd die Regierung stellten, kamen nur auf 76, bzw. 13 Sitze im neuen Parlament. Die als linksradikal bezeichnete Partei Syriza errang mit 149 Sitzen eine deutliche Mehrheit.
Schon vor der Wahl hatten sich alle möglichen Parteien und Organisationen für ein solches Wahlergebnis in Stellung gebracht und Probeschüsse abgegeben, aber auch Nebelkerzen geworfen. So verlautete z. B. aus dem Dunstkreis von unserem Finanzminister Schäuble (CDU), ein griechischer Austritt aus dem Euro, der sogenannte Grexit, sei nicht mehr undenkbar. Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, als Griechenland vor der Staatspleite gerettet werden musste, argumentierten und Merkel und Schäuble etwa so: Scheitert Griechenland, scheitert der Euro und damit Europa. Somit war die Rettung Griechenlands laut Merkel alternativlos.
Jetzt sei die Lage aber völlig anders, deuten die Verlautbarungen Schäubles an, der Euroraum sei weitgehend stabil und die griechischen Schulden liegen kaum noch bei Privatinvestoren. Was er damit eigentlich sagen sagen will ist: Wir müssen euch nicht mehr um jeden Preis retten und sind nicht erpressbar. Ich denke das Schäuble, bzw. die Bundesregierung, der als Favorit für den Wahlsieg gehandelten Syriza schon vor der Wahl klar machen wollte das ihre Verhandlungsposition nicht so stark ist wie sie vielleicht glauben.
Auf der anderen Seite hat auch Syriza vor der Wahl versucht Signale zu senden und sich für die Zeit nach der Wahl in Stellung zu bringen. Im Wahlkampf hatte Syriza und Tsipras oft und gerne polemisiert - gegen den Sparkurs, gegen die Troika und vor allem gegen die Merkel-Regierung. Schäuble und Merkel gelten als die härtesten Verfechter des eisernen Sparkurses, der auch als Austeritätspolitik bezeichnet wird. Schäuble gilt vielen sogar als der Architekt des Sparkurses als Reaktion auf die Banken- und Eurokrise, manche Zeitungen sprechen in diesem Zusammenhang gerne von Schäubles Lebenswerk. Kurz vor der Wahl, als sein Sieg schon absehbar wurde, rüstete Tsipras verbal ab und versicherte den Deutschen z. B. in offenen Brief an das Handelsblatt das Syriza keine einseitigen Maßnahmen ergreifen und nicht aus dem Euroraum austreten will. Tsipras versicherte das es ihm nur darum ginge die Bedingungen neu auszuhandeln, um die teils dastischen Auswirkungen des Sparkurses für das griechische Volk zu mindern. Der Grexit sei für ihn höchstens ein Worst-Case-Szenario, wenn die Gläubiger nicht mit sich handeln ließen. Das die Auswirkungen des Spardiktats gerade für das "einfache Volk" drastisch sind, kann niemand bestreiten. Das hier konnte man z. B. im Februar letzten Jahres einer Studie entnehmen:
Quelle: Studie: Sparkurs hat verheerende Folgen für Gesundheit der Griechen - SPIEGEL ONLINEÄrzte und Kliniken reagierten mit Gebühren, die viele Griechen angesichts dramatisch sinkender Einkommen und Rekordarbeitslosigkeit nicht zahlen können. Weil Arbeitslose zudem nach zwei Jahren ohne Job ihre Krankenversicherung verlieren, stehen der Studie zufolge mittlerweile geschätzt 800.000 Griechen komplett ohne Schutz da.
[...]
Die Zahl der Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht ist allein zwischen 2008 und 2010 um 19 Prozent gestiegen, die Zahl der Totgeburten um mehr als 20 Prozent. Als möglichen Grund führen die Wissenschaftler den - wegen hoher Kosten und geringem Einkommen - schwierigen Zugang zu Ärzten an, die zu Komplikationen in der Schwangerschaft führten. Auch die Säuglingssterblichkeit ist den Zahlen zufolge um 43 Prozent gestiegen.
Was genau Tsipras für Bedingungen aushandeln will und welche neue Politik er verfolgen will, verrät Tsipras indes nicht. In dem bereits erwähnten offenen Brief heißt es dazu lapidar:
Quelle: In einem offenen Brief an das “Handelsblatt” wendet sich A. Tsipras an die Deutschen… Lesenswert! » Beitrag » Radio KorfuZiel ist es, im Rahmen der Eurozone zu einer neuen Übereinkunft zu kommen, die es der griechischen Bevölkerung möglich macht zu atmen, ihre Produktivität freizusetzen und in Würde zu leben. Mit Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit und einem Ausweg aus der Rezession. Mittels Wachstumsfinanzierung statt zum Scheitern verurteilter Austeritätspolitik, welche immer wieder in die Rezession führt. Mit Förderung des sozialen Zusammenhaltes. Mit mehr Solidarität und mehr Demokratie.
Am 25. Januar wird in Griechenland eine neue Chance für ganz Europa geboren. Mögen wir sie nicht ungenutzt lassen.
Mit solchen Aussagen ist Tsipras nicht nur zum griechischen Ministerpräsidenten geworden, er wurde geradezu zum Hoffnungsträger der europäischen Linken. Linke Parteien aus Spanien und Italien schickten schon vor dem Wahltag Abordnungen nach Griechenland und feierten schließlich Tspiras Sieg wie ihren eigenen. Auch für unsere Linkspartei ist Tsipras ein aufgehender Stern am Polithimmel und ein Hoffnungsschimmer auf einen Linksruck in Europa.
Aber mittlerweile ist Alexis Tsipras eben Ministerpräsident und das bedeutet nicht nur das die Wahlkampfshow vorbei ist, sonderen das nun das harte Tagesgeschäft beginnt. Die Realität hat Tsipras selbst, aber auch seine Freunde und Feinde eingeholt, nun wird er sich an seinen Taten und seinen Erfolgen messen lassen müssen.
Und zumindest im Bezug auf die Taten hat er gleich losgelegt, so ist er z. B. eine Koalition mit der rechtsnationalistischen Partei Unabhängige Griechen eingegangen und hat deren Chef, den Rechtspopulisten Panos Kammenos, zum Verteidigungsminister ernannt. Eine von dessen ersten Amtshandlungen provozierte einen Grenzzwischenfall mit der Türkei.
Weniger martialisch, dafür umso dramatischer und weitreichender sorgte der neue Finanzminister Gianis Varoufakis für aufsehen, in dem er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Zusammenarbeit mit der sogenannten Troika aufkündigte: Auf Konfrontationskurs mit EU: Eklat in Athen: Neue Regierung wirft Troika raus - heute-Nachrichten
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW also die Frage: Alexis Tsipras, ein populistischer Rowdie oder ein linker Hoffnungsträger?
Quellen und mehr zum Thema:
In einem offenen Brief an das “Handelsblatt” wendet sich A. Tsipras an die Deutschen… Lesenswert! » Beitrag » Radio Korfu
Studie: Sparkurs hat verheerende Folgen für Gesundheit der Griechen - SPIEGEL ONLINE
Griechenland entlässt Chefs der Privatisierungsbehörde TAIPED-HRADF
Auf Konfrontationskurs mit EU: Eklat in Athen: Neue Regierung wirft Troika raus - heute-Nachrichten
Alexis Tsipras: Die Griechen gründen gerade Europa | ZEIT ONLINE