end4win hat gesagt.:
Was du schaffen willst ist ein totalitäres System.
Wenn du dieses auf die Basis eines technischen Algorithmus stellst, also nur auf Vernunft
aufbauend, bleibt dort eben kaum Platz für Individualismus.
Das dieser Weg in ein totalitäres System führt ist durchaus möglich, es wird ja schon lange diskutiert ob eine künstliche Superintelligenz nicht automatisch ihre Schöpfer versklaven, vernichten oder sonst wie verdrängen wird. Im Eröffnungspost hatte ich dazu ja bereits auf
Nick Bostrom verwiesen, der sich ganz aktuell mit dieser Thematik und den möglichen Folgen von Superintelligenz und der technologischen Singularität beschäftigt.
Das ist auch mit ein Grund warum ich mir diese Maschine eher als Berater, denn als Herrscher vorstelle (sozusagen eine Form der Gewaltenteilung). Ich könnte mir vorstellen das sie wie ein Schlichter oder Mediator bei drängenden Konflikten oder Problemen hinzugezogen wird, das Problem analysiert und anschliessend die Ergebnisse dieser Analysen ausspuckt, beispielsweise: Szenario A würde zu diesem Ergebnis führen, hätte aber diese Nebenwirkung, Szenario B wäre langsfristig kontraproduktiv, und so weiter. Aus diesen Ergebnissen müsste der Mensch dann immer noch selbst etwas machen - aber er hätte eben den Vorteil einer neuen Perspektive auf das Problem und Zugriff auf die Analysen & Bewertungen einer überlegenen Intellligenz. Natürlich birgt selbst dieses Konzept Risiken & Gefahren, aber die Frage ist halt welche Alternativen es gibt. Denn im Grunde sind wir doch bereits auf dem Weg in ein totalitäres System. Große Teile der Erde werden von Diktatoren und Regimen beherrscht, in mächtigen Staaten wie Russland ist die Sterblichkeitsrate von Regierungskritikern ziemlich hoch und selbst in den sogenannten freien, westlichen Demokratien werden der Polizei- & Überwachungsstaat kontinuierlich ausgebaut und gleichzeitig verbriefte Bürgerrechte beschnitten, ausgehöhlt und abgeschafft. Auch mitten Deutschland wurden bereits Menschen, die es wagten gegen Pläne von Politik und Wirtschaft zu demonstrieren mit großer Brutalität niedergeknüppelt (man denke an S21 oder Blockupy in Frankfurt). Ich weiß nicht wann Du zuletzt auf einer Demo warst, aber mich erinnert die Ausrüstung und Auftreten der Polizei oftmals eher Polizeistaaten aus dystopischen SciFi Filmen
a la Running Man, als an die Ordnungshüter eines Rechtsstaats. Der Wind wird zunehmend rauer, die Konflikte um die Verteilung schwindender Ressourcen nehmen zu und wir wissen ziemlich genau welche Konfliktlösungsstrategien totalitäre Herrscher (egal ob Diktatoren, Regime oder auch Großkonzerne) bevorzugen: Kriege und Genozid sind da durchaus ein Mittel der Wahl. Und z. B. durch die Schimpansen wissen wir das dies durchaus Lösungen sind die auch im Tierreich verbreitet sind. Wir können daraus wohl den Schluss ziehen, dass es auch eine Folge der Progammierung unserer Hirne durch Evolutionsdruck und Überlebenskampf ist - der Überlebensinstinkt (auch durch Weitervererbung der eigenen Gene), das kompromisslose Verteidigen der eigenen Ressourcen & Territorien und das aggressive Bekämpfen von Konkurrenz (auch der eigenen Art) bis hin zur Auslöschung (wie sie z. B. den Schimpansen der Kahama-Gruppe widerfahren ist) scheinen tief in uns verwurzelt zu sein.
Daher fände ich es durchaus interessant einmal die Meinung einer Intelligenz zu hören, die nicht durch ihre evolutionsbiologische Entwicklung zu einem aggressiven, egoistischen Überlebenskünstler konditioniert wurde - ich schätze das würde uns spannende neue Einsichten verschaffen.
end4win hat gesagt.:
Nur ist eben dieser Individualismus
genau das was den Menschen ausmacht und warum er inzwischen (fast) an der Spitze der
Nahrungskette steht.
Nein, eigentlich nicht. Wenn Du Dich einmal intensiver mit Gesellschaftsstrukturen im Wandel der Geschichte beschäftigst, wirst Du feststellen das Individualismus eine ziemlich moderne "Erfindung" ist. Die mit großem Abstand meiste Zeit der Menscheitsgeschichte über galt das Wohl des Einzelnen, also des Individuums, nichts und das Wohl der Gruppe alles. Gerade auch in der Zeit als der Mensch sich in der Nahrungskette hochgekämpft hat, galt für den Menschen das Prinzip des
Kollektivismus - also das genaue Gegenteil des Individualismus. Denn in diesen Zeiten hatte jedes Individuum seinen festen Platz in der Sippe und eine genau festgelegte Aufgabe im täglichen Überlebenskampf beizutragen - wer da aus der Reihe tanzte, gefährdete das Überleben der Gruppe und musste mit drakonischen Sanktionen bis hin zu Verbannung oder Tod (was damals vermutlich aufs gleiche hinauslief) rechnen. Solche Strukturen haben sich übrigens bis heute erhalten - man denke nur an die unsäglichen "Ehrenmorde", auch hier bezahlen Einzelne dafür mit dem Leben das ihre eigenen Bedürfnisse über die Bedürfnisse der Familie gestellt haben. Der Individualismus als Konzept ist jedenfalls realtiv neu und erst im Zuge von Auklärung und Liberalismus aufgekommen - mit unserem Aufstieg in die höheren Gefilde der Nahrungskette hat er also absolut nichts zu tun. Entweder hast Du eine falsche Definition von Individualismus oder Du meintest eigentlich etwas anderes.
end4win hat gesagt.:
Am Ende stehen also wenige Privilegierte, welche die Chance auf Selbstverwirklichung
bekommen, da ist für mich die theoretische Möglichkeit auf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben
doch höher zu Werten, selbst wenn dies ein Scheitern beinhaltet.
Und Du denkst wenn wir weitermachen wie bisher hat der Mensch die Chance auf ein weitgehend selbst bestimmtes Leben? Wir steuern mit großen Schritten auf eine Zukunft voller Kriege (Trinkwassermangel, Peak Oil, Überbevölkerung gerade in den ärmsten Weltregionen, etc.) und Katastrophen (Klimawandel) hin - eines der ersten Opfer eines jeden Krieges ist die Feiheit. In einem kriegsführenden Staat hat man die Freiheit mitzuziehen und zu einem Rädchen der Kriegsmaschinerie zu werden oder die Freiheit vor einer Wand zu stehen...

Auch in Gesellschaften die aufgrund von Katastrophen ums Überleben kämpfen müssen, zählen Freiheit und Selbstbestimmung weniger als Nahrung, Unterkunft und die Chance den nächsten Tag zu erleben.
Ehrlich gesagt habe ich nicht den Eindruck das die Menschheit gerade auf ein Zeitalter von Freiheit und Selbstbestimmung zusteuert.
Chromatin hat gesagt.:
Egal was du anstellst - die Maschine kann ihre Intelligenz nur auf die Grundlagen(Daten) beziehen (oder anwenden) die sie bekommt. Die Grundlage sind die Daten, die Menschen eingeben.
Warum? Wissenschaftliche Daten sind das Ergebnis von Beobachtungen und Messungen. Die meisten wissenschaftlichen Daten werden mit elektronischen Sensoren gewonnen und von Computern verarbeitet. Warum sollte die Maschine also nicht auch selbst Daten erheben können (z. B. durch Zugriff auf Wettersatelliten, Messstationen, etc.)?
Chromatin hat gesagt.:
Egal, wie du es auch drehst. In der "echten" Welt sind die "wichtigen" Fragen, etwa im Völkerrecht, Ökonomie und Ökologie keine Fragen der Intelligenz. In einer global kommunizierenden Welt, ist es eine Frage von Kompromissen denen eine komplexe kulturelle Vielfältigkeit zugrunde liegt, die manchmal auch "unlogisch" erscheint.
[...]
Das Grundproblem ist die verschiedene Gewichtung ethischer und kultureller Grundwerte. Würden alle Völker der Welt die Menschenrechte achten, gäbe es in vielen Bereichen weniger Krisen. Würden alle Völker einer Tierethik zustimmen, hätten wir in diesem Bereich viel weniger Baustellen, wären sich alle einig welche Priorität der Umweltschutz hat, so hätten wir unvorstellbare Fortschritte beim Erhalt unserer Biosphäre etc. etc.
Was wäre also Deine Alternative? Du und end4win scheint euch zumindest in der Ablehnung von auf Intelligenz und Vernunft basierenden Lösungswegen einig zu sein - aber was sind eure Lösungswege? Darauf hoffen die Menschen einen gemeinsamen Nenner bezüglich Ethik und Moral finden und auf Grundlage dieses Wertesystems handeln und alle Konflikte lösen?
In Europa hatten wir schon einmal eine Phase wo (religiöse) Ethik & Moralvorstellungen den Vorrang vor Rationalität & Logik hatten - im allgemeinen nennt man diese Epoche das
finstere Mittelalter (Achtung Polemik

). Finster weil das Wissen (z. B. über Philosophie & Medizin), die Fähigkeiten (z. B. bei der Architektur) & der Lebensstandard der Menschen im Vergleich zur Antike davor oder dem Zeitalter der Aufklärung danach, einen dramatischen Tiefpunkt erreichte.
Auch Organisationen, wie z. B. die katholische Kirche, die eigentlich von ihrem Ursprung und Anspruch her auf höchsten ethischen & moralischen Standards beruhen sollte, zeichnet sich nicht gerade immer durch entsprechendes Handeln aus (das gilt aber im Grunde für alle Religionsgemeinschaften und auch für nicht-religiöse Organsationen, die sich eigentlich auf moralische & ethische Prinzipien berufen) - weder in ihrer Vergangenheit, noch heute.
Was wäre also eure Lösung?
Chromatin hat gesagt.:
Nehmen wir nur die aktuellen politischen Krisen:
- IS und der Terror in Afrika allgemein
Ich finde der IS ist ein gutes Beispiel! Der IS ist eine Organisation, die für sich in Anspruch nimmt die einzig gültige (da göttliche) Wahrheit zu besitzen. Sie sind überzeugt das nur ihre fanatische Auslegung des Islams die richtige ist und das ihre Gemeinschaft somit die höchstmöglichen moralischen, ethischen und religiösen Standards repräsentiert. Allerdings machen sie hauptsächlich von sich reden weil sie eine aggressive Expansionspolitik betreiben, vor allem männliche Andersgläubige (also Konkurrenz) im großen Stil abschlachten und immer wieder hört man das sie junge Mädchen & Frauen verschleppen und unter ihren Männern verteilen.
Das kommt einem irgendwie bekannt vor, oder? Hier noch einmal das Zitat über die blutigen Konflikte zwischen Schimpansengruppen:
Die Gruppe aus dem Kasakela-Tal wiederholte ihre Angriffe in den folgenden Monaten immer wieder. Mitunter entkam ein Opfer - aber nur, um bei einer späteren Attacke von den Angreifern umgebracht zu werden. Am Ende waren alle männlichen Tiere der Kahama-Gemeinschaft ausgerottet. Die Sieger verteilten die männerlosen Weibchen unter sich und besetzten das Territorium der Verlierer.
Quelle:
Krieg der Affen - Schimpansen können andere Gruppen angreifen
Ich finde schon das es da Gemeinsamkeiten gibt und das obwohl das eine das Verhalten von Tieren (ok Menschenaffen) und das andere das Verhalten von Menschen beschreibt, Menschen die glauben ihre Sichtweise und ihre Ehtik und ihre Religion sei die einzig gültige...8o
Auch andere Terrorgruppen teilen in der Regel untereinander gleiche moralische, ethische und politische Überzeugungen und ihre Lösung ist gewaltsam gegen andere Überzeugungen zu kämpfen.
Chromatin hat gesagt.:
Und obwohl der halbe Planet gerodet, das Wasser vergiftet, die genetischen Codes der Bilanzoptimierung geopfert werden und die Städte im Schmutz versinken wird daran festgehalten - dieser unerschütterliche Glaube an eine bessere Zukunft durch Fortschritt.
Und noch einmal: Wie lautet Dein Lösungsvorschlag wenn Wissenschaft, Fortschritt und Vernunft nicht der richtige Weg sind?