[TdW 14] Fehlt es unserer Energiepolitik an einer eindeutigen Richtung?

Das neue Thema der Woche wurde von Sven eingereicht und beschäftigt sich mit der Energiepolitik:
Sven hat gesagt.:
Fehlt es unserer Energiepolitik an einer eindeutigen Richtung?

Eine kleine Zusammenfassung dessen was in der letzten Zeit durch die Medien gegeistert ist:
Die Subventionen für Solarenergie, welche auch als Stützpfeiler unseres Energiebedarfes dienen soll wird gekürzt um die Interessenten dazu zu animieren den Strom selbst zu nutzen.
Der Bau effektiver Gaskraftwerke wird mit "das lohnt doch kaum" abgetan.
Die Landschaft wird mit Windrädern zugepflastert, da die Gemeinden den Profit riechen und Offshore Parks enstehen nur langsam.
Kernkraftwerke möchte nach Fukushima niemand mehr haben, hier ist man schnell zum Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg gekommen.
Der Kohleabbau und deren Verbrennung läuft weiter munter wie bisher.

Daher drängt sich der Eindruck auf, dass wir zwar an unseren Energiemix herumschrauben, allerdings nicht so wirklich zu wissen scheinen was wir da tun und wo wir hin möchten.
 
Da es früh am morgen ist und ich gerade eine Reise vorbereite kann ich nur mal kurz zutreten :)

Energiepolitik ist wahnsinnig widersprüchlich und man muss irre viel Zeit investieren um halbwegs rauszukriegen, wer denn nun die Wahrheit sagt.
Das muss man halbwegs wissen um zu erkennen das es in erster Linie ein wirtschaftliches Problem ist, wobei Wirtschaftsbosse ihren politischen Einfluss spielen lassen um vom eigentlichen Punkt abzulenken, das es den Energiebossen im Grunde scheiszegal ist und man froh ist wenn jeder fleissig Energie verbraucht.

Ein mir viel wichtigerer Punkt ist unsere Haltung gegenüber der Energiepolitik. Wir befinden uns in dem gleichen Dilemma wie der "anderen" Politik, indem wir immer von "denen" sprechen. Dabei haben die meisten Leute noch immer die Möglichkeit, Ökostrom Anbieter direkt zu supporten, ohne den sog. Energiemix von den grossen Gaunern zu kaufen. Desweiteren finde ich die Tatsache , bedenklich, das wir alleine in DE mind. ein Atomkaraftwerk für die Gaming PCs in diesem Land brauchen.

Eine wirklich notwendige Erneuerung würde bedeuten, die Menschen wären sich ihres Verbrauchs sehr bewusst, was zum nachdenken und sparen führen könnte. Erfahrungsgemäss funktioniert das mit dem Nachdenken nicht so gut wenn die Gründe rein idelle sind, also muss es weh tun. Das macht man üblicherweise mit Geld. Ich plädiere also dringend dafür den Strompreis für Privathaushalte (!) mit einer zusätzlichen Steuer zu belegen. Ich halte 25-50% Aufschlag für angemessen. Da die Erfahrung im Markt zeigt das sich trotz Teuerung nicht viel ändert, kann man das Geld nutzen um wichtige infrastrukturelle Systeme für das Stromnetz aufzubauen.

Dummerweise nennen die Stromkonzerne die Netzteile ihr Eigen. Also schlage ich an dieser Stelle eine Enteignung der Stromnetzbetreiber vor. Dh. das Stromnetz gehört dem Staat, die Stromerzeuger bleiben privat. Der Staat kann das Netz entsprechend ausbauen und den Markt vergrössern, indem zb viele kleine Solarkraftwerke ans Netz gehen. Die Grundlasten muss man wohl oder übel noch erstmal von herkömmlichen Kraftwerken mittragen lassen.

In jedem Fall müssen die Atommeiler weg und dann lüftet sich vielleicht auch mal der Schleier von diesem "wie haben die Atomenergie als Brückentechnologie gebraucht" geschwafel: Wer diesem Ausruf nachgehen will, sollte sich die historischen Begegnungen der Energieplayer und Politiker ansehen, als die Atomkraft "ge-hyped" wurde wie DSDS von Bohlen und die Bedenkenträger schlichtweg übertönt wurden. Hätten wir keine Kernspaltungsenergie gehabt, auf der wir uns ausruhen haetten koennen, haetten wir vermutlich viel eher angefangen darüber nachzudenken, wie man energieefiziente Maschinen baut.

Also, bis wir keine kalte Fusion, Schwarze-Loch-Generatoren, perpetuum mobiles aus kosmischen Strings haben, ist ein wesentlicher Bestandteil der Energiepolitik WENIGER zu verbrauchen.
 
Die Idee mit dem mehr besteuern finde ich an für sich nicht schlecht.
Allerdings frage ich mich da wie das mit den Geringverdienern und auf Sozialleistungen angewiesenen Personen dann ist.
Strom ist in unserer Gesellschaft nunmal auch zum überleben wichtig. (Klar, vieles ginge auch mit Gas und Co, aber was würde es ändern ?)
Vielleicht wäre eine gestaffelte Besteuerung dort gut. Ich meine alles über x KWH/Person/Zeitraum wird erhöht besteuert.

Des weiteren bin ich sowieso der Meinung das jedwede Infrastruktur dem Staat gehören sollte, aber das ist ja nicht so schön einfach... und auch ein andes Thema.
 
Des weiteren bin ich sowieso der Meinung das jedwede Infrastruktur dem Staat gehören sollte, aber das ist ja nicht so schön einfach... und auch ein andes Thema.

Das ist ein heikles Thema und sehr spannend! @ Tara, würdest Du das als TDW mal mit aufnehmen?
 
Ich hatte mal eine Idee in der Chatbox geäußert, dass man ein großes Forschungszentrum in DE einrichten müsste, das quasi über unendlich viel Geld verfügt (zB 5 Euro im Monat pro Person, die direkt an dieses Zentrum: immerhin 400Mio im Monat). Es muss sicher gestellt werden, dass es Wissenschaftlern und deren Angehörigen an nichts fehlt, sodass es auch für Wissenschaftler aus anderen Ländern attraktiv wird nach DE zu kommen und dort zu arbeiten (also die Besten der Besten ;)). Ziel dieses Zentrums sollten 3 Gebiete sein: Vorhandene Technik effizienter gestalten, neue Energie-erzeugungs/speicherungs-techniken erforschen/entwickeln und Öffentlichsarbeit. Sämtliche Erkenntnisse müssen der gesamten Menschheit patentfrei zugänglich gemacht werden (sodass auch zB Indien o. China nicht auf veraltete Techniken zurückgreifen müssen) und Weiterentwicklungen durch Dritte müssen auch wieder patentfrei zugänglich gemacht werden (also eine Art GPL für Energietechnik).

Mir ist bewusst das hier ein Großteil der Forschung nicht viel bringen wird und somit verbranntes Geld ist, allerdings scheint es mir die Sache wert, wenn unter 1000 Ideen eine sehr gute ist. Sobald ein solches Zentrum erst einmal ein sehr gutes Ergebnis veröffentlicht hat, werden sich auch in anderen Ländern schnell Organisationen bilden, die dieses Forschungszentrum mit Geld unterstützen. Wichtig ist halt, dass ein solches Zentrum nicht auf Steuergelder angewiesen ist, die, je nachdem welche Technologie gerade Hip ist, gewährt werden oder Geld, welches durch die Vermarktung der entwickelten Technik, gewonnen wird.
 
Solche Einrichtungen gibts es bereits, mit dazugehörigem Lehrbetrieb. Man nennt sie Universitäten.

Ich finde eher die Idee interessant, dass man eine gestaffelte Besteuerung des Energieverbrauchs einführt. Man könnte aber auch bereits bestehende Systeme, wie zum Beispiel das der Umweltzonen verbessern. Der Verbrauch an fossilen Brennstoffen gehört in meinen Augen genauso zur Energiepolitik. Als Ansatzpunkte könnte man eine sinnvollere Vergabe von Umweltplaketten wählen. Es kann nicht sinnvoll sein, dass jeder neue 200+PS SUV eine grüne Umweltplakette bekommt. Man könnte die Vergabe an den durchschnittlichen Verbrauch koppeln und nicht nur daran, ob das Auto neu ist oder nicht. So scheint es nämlich zurzeit der Fall zu sein.

Und noch ein Wort zur Kernenergie: Wenn man von der aktuellen Fördermenge und den schätzungsweise noch vorhandenen Uranreserven ausgeht, kommt man mit einer recht simplen Rechnung zu ca. 32 Jahren, die wir noch Uran fördern können. Wenn man weiters impliziert, dass nahezu alles was gefördert wird auch im selben Jahr verbraucht wird (wofür auch immer) bedeutet das, dass sich das Problem Kernenergie sehr bald von selber löst. Die zugrunde liegende Rechnung ist zwar sehr simpel (basiert auf den Zahlen von Uran/Tabellen und Grafiken), zeigen aber schön einen groben Rahmen der möglichen Betriebszeit von Atomkraftwerken. Ich bin zwar ein Gegner von Atomkraftwerken, aber es ist derzeit nun einmal nicht möglich den Grundstrombedarf anderweitig zu decken. Das liegt unter anderem auch am hoffnungslos veralteten Hochspannungsnetz, welches zumindest in Tirol zuletzt in den 70er oder 80er Jahren ausgebaut wurde. Seitdem wurde nur instandgehalten und damit ist das aktuelle Energieverteilungsnetz eben nicht in der Lage mit den dynamischen Anforderungen, die die Nutzung von regenerativen Energienquellen stellen, umzugehen. Praktisch ausgedrückt: Wir brauchen mehr Hochspannungsleitungen, aus zweierlei Gründen. Erstens kann man damit mehr Energie kurzfristig von den Regionen weg verteilen, in denen zum Beispiel gerade die Sonne scheint, und zum anderen kann man die vorhandenen Energie effizienter übertragen (größerer effektiver Querschnitt -> geringere Verluste).

Damit finde ich es nur richtig, die vorhandenen Atomkraftwerke weiter zu nutzen, so lange es eben geht. Bis dahin sollte man sich aber dringend um den Ausbau der Nutzung regenerativer Energien und einen Ausbau der Infrastruktur kümmern.

mfg benediktibk
 
Damit finde ich es nur richtig, die vorhandenen Atomkraftwerke weiter zu nutzen, so lange es eben geht. Bis dahin sollte man sich aber dringend um den Ausbau der Nutzung regenerativer Energien und einen Ausbau der Infrastruktur kümmern.
Warum? Ich dachte nach uns kommt die Sintflut? :)
 
Solche Einrichtungen gibts es bereits, mit dazugehörigem Lehrbetrieb. Man nennt sie Universitäten.
Mit dem Einwand habe ich gerechnet. Das Problem ist, dass weder immer genügend Mittel zur Verfügung stehen, Ergebnisse immer an finanzielle Interessen gekoppelt sind und die Experten zu dezentralisiert forschen. Ich bin mir sicher, dass man auf dem bereits vorhanden Weg ebenfalls zum gleichen Ziel wie mit dem Zentrum kommen wird: Nur wird es länger dauern und es werden nur diejenigen die Technik nutzen, die sich die Patentkosten leisten können. Das löst das globale Energieproblem nicht und kostet im Endeffekt wesentlich mehr Zeit und Ressourcen.
 
Des weiteren bin ich sowieso der Meinung das jedwede Infrastruktur dem Staat gehören sollte, aber das ist ja nicht so schön einfach... und auch ein andes Thema.

Im Bezug auf das Stromnetzwerk stimme ich dir da vollends zu, bzw. fordere das selbst.

Da ich die Meinung vertrete, dass unser Netz so wie es im Moment ausschaut eine tickende Zeitbombe ist, bin ich ein großer Fan von autarken Wohnhäusern. Auch wenn dies wieder eine direkte Subvention währe, würde ich es begrüßen, wenn bei Neubauten eine minimale Autarkie vorhanden sein müsste, bezogen auf die Stromerzeugung. Sei es durch Solareinheiten oder Blockheizkraftwerke oder was immer sich ergibt, um den einzelnen Haushalt unabhängiger vom öffentlichen Netz zu machen.

Im aktuellen Alternativlos Podcast wurde das Thema auch noch mal angeschnitten, das letzte was ein privater Investor möchte sind ausgaben für Wartung und Instandhaltung eines Stromnetzes (Beispielsweise), dem entsprechend werden diese herunter gefahren, ebenso neu Investitionen. Daher wundert es mich auch nicht, dass wir massenhaft Strom vor der Küste erzeugen könnten, dann aber nicht wissen wo hin damit und am idealsten noch die Nord/Ostsee heizen würden damit der Strom überhaupt genutzt wird.

Zur Forschung, hier hat xrayn leider recht, ein Großteil der Forschungsprojekte ist von der Industrie getrieben oder über wenige Ecken gesponsert und die Industrie wird sicher nichts fördern was man nicht gewinnbringend zu Geld machen kann ;)

Ein Wort noch zum Energiemarkt, hier frage ich mich manchmal ehrlich gesagt ob ich nicht den Kopf auf den Tisch hauen sollte. Das System freie Marktwirtschaft hier anzuwenden mag ja primär okay sein, allerdings wenn ich dann lese, dass auf der Energiebörse wo der Strom verzockt wird einzelne Personen so weit gehen können, bis dass die Bilanz für uns negativ wird und wir Notfall Reserven zur Deckung unseres Bedarfs anzapfen müssen, da hört es doch echt auf.

Als kleines Fazit: Ausnahmsweise mal etwas mehr staatlichen Eingriff mit verbindlichen Regulierungen
 
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