[TdW 145] Zerstören unsere Politiker das Vertrauen in den Rechtsstaat?

Nach einer kurzen Pause beschäftigt sich das TdW schon wieder mit Politikern, speziell mit Regierungsmitgliedern. Vor einigen Tagen hatten wir in der SpamBox das Thema ob Politiker überhaupt noch Respekt vor Dingen wie der Wahrheit oder dem Gesetz (speziell dem Grundgesetz) haben oder sich ganz und gar dem Machiavellismus verschrieben haben.
Tatsächlich kann jemand, der die Politik in den letzten Jahren verfolgt hat, nicht umhin zu bemerken, dass sich Affären häufen in denen Regierungsmitglieder als Lügner entlarvt werden - was häufig völlig ohne Konsequenzen bleibt. Die Motive der Amtsträger sind dabei höchst unterschiedlich und reichen von privaten Gründen, wie z. B. bei zu Guttenberg der seinen Lebenslauf getunt und bzgl. seiner Doktorarbeit die Unwahrheit gesagt hat, bis hin zur Vertuschung von Staatsaffären. Beispiele für letzteres finden sich natürlich zuhauf im Themenkomplex der diversen Überwachungsskandale der letzten Zeit. Da wäre z. B. Innenminister de Maizière (CDU), dem vorgeworfen wird den Bundestag belogen zu haben. Hintergrund ist das de Maizière von 2005 bis 2009 Chef des Bundeskanzleramts war, dem die Kontrolle des BND unterliegt. In diesem Zeitraum wurden wiederholt parlamentarische Anfragen der Linken nach Hinweisen auf Wirtschaftsspionage seitens der NSA verneint - die jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe bzgl. der NSA-Selektoren legen jedoch nahe das dies nicht der Wahrheit entsprach. Der Innenminister zeigt sich ob dieser ehrenrührigen Vorwürfe regelrecht empört. Wobei er so etwas eigentlich gewöhnt sein müsste, denn immerhin ist der Vorwurf die Öffentlichkeit und den Bundestag belogen zu haben für ihn nichts neues. In der letzten schwarz-gelben Koalition war er als Verteidigungsminister im Kontext der Euro-Hawk-Affäre ebenfalls nicht gerade durch Wahrheitsliebe aufgefallen. Er hatte damals zunächst behauptet nicht ausreichend über das Debakel informiert worden zu sein, später behauptete er nur mündlich ohne "schriftliche Vorlage" informiert worden zu sein und zu guterletzt musste er einräumen das es sehr wohl eine schriftliche Vorlage gegeben hat. Journalisten & Kenner des Berliner Politbetriebs waren sich damals einig das nur das Ende der Legislaturperiode und die Neuwahlen de Maizière vor einem erzwungenen Rücktritt gerettet haben. Der gleiche Mann ist jetzt empört das manche glauben er hätte es schon früher mit der Wahrheit nicht so genau genommen...:rolleyes:
Doch auch andere Mitglieder der ehemaligen schwarz-gelben Regierung haben im Zusammenghang mit den NSA-Skandalen gelogen, z. B. der damalige Kanzleramtschef Pofalla (CDU) und der damalige Innenminister Friedrich (CSU). Mitten im Wahlkampf hatte Pofalla, der die NSA Affäre schon für beendet erklärt hatte, plötzlich behauptet es gebe die Chance auf ein No-Spy-Abkommen mit den USA. Mittlerweile geleakte E-Mails belegen jedoch das es nicht nur kein solches Angebot gegeben hat, sondern im Gegenteil sogar eine Beschwerde über diesbezügliche Äußerungen von Innenminister Friedrich. Der hatte behauptet: "Wir haben die Zusage, dass ein solches Abkommen bald geschlossen werden kann".
Als Reaktion auf diese Aussage beschwerte sich der stellvertretende US-Botschafter per Mail bei Christoph Heusgen (CDU), dem sicherheitspolitischen Berater von Angela Merkel (CDU): "Guten Morgen Christoph, ich habe mich über die Bemerkung von Friedrich gewundert. Das wird Washington noch mehr verwirren."
Spätestens eine Mail von Obamas Beraterin Karen Donfried an Heusgen hat alle Illusionen bzgl. eines No-Spy-Abkommens ausgeräumt und auch klargestellt das es nie ein solches Angebot gegeben hat: ""Ich kann Sie nicht korrigieren, da Sie Recht haben - dies wird kein No Spy-Abkommen werden und ich glaube, hier auf unserer Seite, hat das auch jeder fortwährend ... klar zum Ausdruck gebracht."
Es ist ziemlich offensichtlich das hier die Öffentlichkeit gezielt und bewusst getäuscht wurde, um im Wahlkampf eine bella figura zu machen. Natürlich ist man von Politikern im Wahlkampf einiges gewohnt, doch es ist ein erheblicher Unterschied ob Wahlkampfversprechen nach der Wahl vergessen sind oder die Öffentlichkeit regelrecht belogen wird. Allerdings hat Kanzlerin Merkel auch bzgl. gebrochener Wahlkampfversprechen einiges zu bieten, so hatte sie z. B. behauptet mit ihr wird es keinen Atomausstieg und auch keine PKW-Maut geben - aber Wahlkampfversprechen sind ein anderes Thema...;)
Doch wo wir gerade bei der Kanzlerin sind: Noch Anfang Mai hatte sie erklärt dem NSA Ausschuss selbstverständlich alles benötigte Material zur Verfügung zu stellen - keine drei Tage später wurde dem Ausschuss die Einsicht in die Selektoren-Liste verwehrt.
Ein Beispiel das ausnahmsweise einmal nichts mit der NSA Affäre zu tun hat, sind die Aussagen von Justizminister Maas (SPD) und Innenminister de Maizière (der schon wieder...:rolleyes:) zu dem geplanten neuen Vorstoß für die anlaßlose Vorratsdatenspeicherung: Beide hatten behauptet eine Abfrage der Daten sei nur mit richterlicher Erlaubnis möglich, eine zwischenzeitig geleakte Nebenabrede zur Bestandsdatenauskunft besagt aber folgendes:
Nebenabrede zur Bestandsdatenauskunft
Es wird geregelt, dass eine Auskunft über die Bestandsdaten auch anhand der nach § […] TKG-E gespeicherten Daten verlangt werden kann. Erfolgt eine Auskunft mit Hilfe dieser Daten, muss dies durch die TK-Anbieter mitgeteilt werden.
Netzpolitik.org erklärt diesen Absatz so:
Mit anderen Worten: Es darf ständig und in absehbar großem Umfang ohne Richtervorbehalt auf unsere Vorratsdaten zugegriffen werden! Nur für Bestandsdatenabfragen der Abmahn-Industrie gilt bisher noch ein Richtervorbehalt (§ 101 Abs. 9 Urheberrechtsgesetz) – aber was der in der Praxis taugt, hat man ja im Fall der RedTube-Abmahnungen gesehen: so gut wie nichts.
Quelle: https://netzpolitik.org/2015/luegen...chen-geheime-nebenabrede-der-bundesregierung/

Diese nicht-öffentliche Nebenabrede wurde zwischen dem Justiz- & dem Innenministerium ausgehandelt und entlarvt die Äußerungen der beiden Minister mindestens als Nebelkerzen, wenn nicht sogar als Lüge. Doch das ist nicht alles: Zuvor wurden konkrete Anfragen ob geheime Nebenabreden existieren klar verneint. Nachdem die obige Nebenabrede bekannt geworden war, argumentierte de Maizières Innenministerium damit, dass es sich dabei nicht um eine "geheime" sondern um eine "nicht-öffentliche" Nebenabrede handelte und danach habe niemand gefragt...X(
Das erinnert so ein bisschen an Ex-Bundespräsident Wulff (CDU), der als Ministerpräsident bei einer offiziellen Befragung verneint hatte einen Privatkredit von dem Unternehmer Geerkens angenommen zu haben - jedoch verschwieg das er im fraglichen Zeitraum einen Privatkredit von Frau Geerkens angenommen hatte.
Übrigens hatte auch unsere Kanzlerin schon immer ein flexibles Wahrheitsempfinden: Als Umweltministerin unter Helmut Kohl (CDU) hat sie wiederholt behauptet erst '98 von den Lecks bei den Castor-Behältern erfahren zu haben - obwohl bereits seit den 80ern immer wieder erhöhte Strahlungswerte weit über den gesetzlich erlaubten Wert gemessen wurden. Damals waren sogar die Cops sauer auf Merkel & die Atomlobby (viele Polizisten haben die Transporte über Jahre hinweg immer wieder beschützt und sich dabei der Strahlung ausgesetzt). Auch ein anderes Mitglied der Kohl-Regierung, Wolfgang Schäuble (CDU), ist schon damals durch Unwahrheiten aufgefallen. So hat Schäuble über seine Verwicklung in die Parteispendenaffäre und über sein Treffen mit dem Waffenlobbyisten Schreiber und der Bargeldspende über 100.000 DM nicht die Wahrheit gesagt - trotzdem war der Mann danach Innenminister und ist heute Finanzminister (!).
Es scheint irgendwie schon so, als ob unsere Regierungsmitglieder zunehmend durch Täuschungsmanöver, Spitzfindigkeiten, Halbwahrheiten und Lügen auffallen. Doch welche Folgen hat das? Personelle Konsequenzen werden immer seltener, wie man an Merkel, Schäuble, de Maizière, Roland Koch (der hatte ein paar ganz unappetitliche Lügen auf Lager) & Co sieht, kann man schon einiges auf dem Kerbholz haben, ohne Folgen fürchten zu müssen. Allerdings gibt es dennoch einen Preis der gezahlt werden muss, so vertrauen nach einer Umfrage gerade einmal 15% der Deutschen den Politikern - die damit noch hinter Versicherungsvertretern & Werbefachleuten landen. Auch die Wahlbeteiligung könnte von dieser Entwicklung beeinflusst sein, die seit den 90er mehr oder weniger kontinuierlich schrumpft. Warum sollte man auch überhaupt noch wählen gehen, wenn man den Politikern ohnehin nicht mehr vertrauen kann?
Sascha Lobo bewertet das so:
Schon immer gab es Leute, die ohne tiefere Kenntnis der Materie "denen da oben" nichts glaubten. Ein paar davon verträgt eine Demokratie. Aber wenn man mit tieferer Kenntnis der Materie nichts mehr glauben möchte, dann läuft etwas sehr, sehr falsch. Und zwar egal, ob man konservative oder progressive Positionen vertritt.
Quelle: Angela Merkel und die NSA: Zerstörtes Vertrauen - Lobo-Kolumne - SPIEGEL ONLINE
Ein paar Menschen ohne Vertrauen in die "da oben" verträgt eine Demokratie nach Lobos Meinung, unausgesprochen bleibt: Zuviele Menschen ohne Vertrauen in die Regierung sind der Untergang der Demokratie. Tatsächlich ist dieser Trend des (nicht unberechtigten) Misstrauens auch Wasser auf den Mühlen von Populisten und Radikalen - denn wer kein Vertrauen mehr in die Politiker der "etablierten" Parteien hat, der wendet sich eben anderen zu.
Das TdW stellt daher heute die Frage: Untergraben unsere Politiker das Vertrauen in den Rechtsstaat?

Quellen & mehr zum Thema:
BND: De Maizière empört sich über Unterstellungen | ZEIT ONLINE
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/maiziere-euro-hawk-aktenmappe-ausschuss
https://netzpolitik.org/2015/kein-hauch-von-einer-zusage-die-luegen-um-das-no-spy-abkommen/
https://www.tagesschau.de/inland/nospy-101.html
https://netzpolitik.org/2015/luegen...chen-geheime-nebenabrede-der-bundesregierung/
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7893475.html
https://de.wikipedia.org/wiki/CDU-Spendenaffäre#Wolfgang_Sch.C3.A4uble
http://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/demokratie/spendenaffaere_in.html
http://www.tagesspiegel.de/weltspie...aben-kein-vertrauen-in-politiker/9520134.html
Angela Merkel und die NSA: Zerstörtes Vertrauen - Lobo-Kolumne - SPIEGEL ONLINE
 
Hehe sagen wir mal so:
Die Politik kann das gar nicht machen.
Denn wenn die Politik das so macht, dann gibt es keinen Rechtsstaat in dem man das Vertrauen verlieren kann, denn die Exekutive schlägt in eine ähnliche Kerbe und die Legislative ist überfordert, unkenntlich, oder auf einem ähnlichen Trip, Bsp. Bundesverfassungsgericht vor ein paar Jahren, da sie ja durch die Politik gewählt werden und somit ggf. aufgrund ihrer "angenehmen" Ansichten und nicht durch Unverfangenheit und Integrität genommen werden.

Von daher ist die Überschrift IMHO etwas falsch :D .

Ganz interessant hierzu ist auch Alternativlos! .
Geht dort zwar um Phrasen aber am Ende geht es um einen diesem Themenaspekt sehr verwandtem Thema.

Gruß

Fluffy


Edit:
Ich weiss gar nicht was du dich über den Machiavellismus aufregst.
In Assassins Creed war er doch ein netter Charakter 8) und wenn man auf der richtigen Seite beim Machiavellismus steht ist doch alles gut .
Und sie können dieser Anschauung doch auch gar nicht verfallen sein.
Putin wird doch andauernd kritisiert.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
ich frage mich immer wie "der staat" eigentlich auf die idee kommt eine so weit reichende legitimation zu haben ...

Irgendwie scheint es immer so als gäbe es bei der "warum?" fragekette immer einen pragmatischen abbruch sobald es um den staat geht.

politiker glauben irgendwie "alles geht". der staat dürfe alles, man muss es nur "irgendwie" begründen und den nötigen papierkram regeln. wobei subjektive interessen, sowie diejenigen von bestimmten unternehmen, irgendwie doch signifikant sind ...

da muss man aber nicht nur auf die faktisch im amt befindlichen politiker schauen, sondern auf unser ganzes politiksystem - das geht ja schon bei 'politikwissenschaft-studenten' los.

frag mal bitte einen solchen eben genau diese frage: "woher bezieht der staat seine legitimation und was macht ihn normativ besser als eine optimale anarchie?"
(denn gegen "böse böse anarchien" lässt sich leicht argumentieren, gegen hypothetisch gut funktionierende wirds plötzlich ungleich schwieriger ...)

Ich empfehle hier das Buch: "Anarchie, Staat, Utopia" von Robert Nozick - falls jemand Interesse an schwerer Bettlektüre hat :rolleyes:

Denn sobald man diese Frage beantwortet hat erschließen sich einem Antworten auf Fragestellungen wie "Darf der Staat eigentlich XY tun ?" ziemlich gut - in die ein, oder andere Richtung.

Insofern sind es weniger einzelne Politiker (oder auch deren Gesamtheit), welche unseren Staat ad absurdum führen, als viel mehr die (moderne) Politik als solche.
 
frag mal bitte einen solchen eben genau diese frage: "woher bezieht der staat seine legitimation und was macht ihn normativ besser als eine optimale anarchie?"

Die Frage IST beantwortet. Und sie ist GUT beantwortet.

Unser Verständnis hat sich schlichtweg geändert. Und ein Grund ist, dass wir es lange genug nicht für nötig gehalten haben, uns dahingehend selbst zu erziehen oder den Kindern das nötige Rüstzeug für den Umgang mit solchen Fragen mitzuliefern.

Heute denkt man: Die Politik IST der Staat und der Staat wird von der Poltik gemacht. Der Gedanke war aber, dass der Staat ein Konstrukt des gesellschaftlichen Konsens ist und die Politik dem Staat DIENT.

Staat gemeint als Staat im "griechischen" Sinne, worin der Bürger eben ein Staatsbürger ist, der sich als Teil dieses Staates fühlt. Auch das ist heute anders: DIE sind der Staat und WIR sind das Volk. Auch hier war der Gedanke (mal) dass sich jeder im Volk als Staatsbürger versteht.

Ich denke wir haben ein ganz praktisches Problem. Politiker sind Menschen und handeln zumeist aus Eigennutz, wobei die Struktur der politischen Landschaft so funktioniert, dass es zumindest eine formelle Vorgabe für das Ziel gibt.

Aktuell haben wir seit Generationen eine politische Landschaft, die praktisch aus zwei großen Lagern besteht. Und praktisch tun die Parteien alles um am Drücker zu bleiben und handeln, wie es ihnen beliebt. Das kann Polemik sein - ändert aber nichts daran dass sich seit über 40 Jahren die Verhältnisse offensichtlich immer zugunsten der Wirtschaftsakteure neigen.

Wir müssen diese Nuss aufspalten und dafür brauchen wir MEHR Parteien, die andere Regierungen ermöglichen.

Die Geschichte lehrt uns, dass sich im Zweifel der nationale Charakter durchsetzt. Der "Rechtsruck" ist in Europa eindeutig spürbar und das wird auch uns erwarten.

Dass "wir deutschen" am Ende wieder zusammenrücken und uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen, ist eine Folge der Erkenntnis dass wir eben von den aktuellen Politikern nicht wahrgenommen werden.

Um auf die Frage zurückzukommen: Die Politiker zerstören den Konsens und die Funktionsweise unseres Staates zugunsten derer, die davon profitieren.
 
Die Frage IST beantwortet. Und sie ist GUT beantwortet.
Ist mir bewusst - allerdings kennen erstaunlich wenige Leute eben diese Antwort (da sie sich die Frage wohl möglich nie gefragt haben).
Die Grundlage der Legitimation ist zugleich der wichtigste Baustein für eine Diskussion über die Fragestellung was "ein Staat" genau können und dürfen soll und was nicht.

Ich denke nicht dass wir ein gespaltenes Verständnis von Volk und Staat haben, eher den (nicht nur wahrgenommenen) Gegensatz zwischen "Entscheidern" und "Betroffenen".

Die hohe nichtwähler-quote ist ein Symptom dieses gesellschaftlichen Empfindens. Politiker, aber auch andere Machtträger, erhalten ihre faktische Macht auf einem (größtenteils) rationalen und legitimen Wege vom "Volk" - wobei jedoch die subjektive Wahrnehmung durchaus anders ausfallen kann.

Als Wähler steht man vor maximal 5 ernstzunehmenden Wahlmöglichkeiten und selbst davon sind nur 2 tatsächlich in größerem Maße relevant. Mit hoher Wahrscheinlichkeit passt einem nichts davon wirklich gut und man steht vor dem Dilemma zwischen Pest und Cholera wählen zu müssen.
Selbstverständlich würden mehr Parteien hier zumindest ein wenig Abhilfe schaffen können und es ist bemerkenswert dass in den letzten Jahren durchaus mehr frischer Wind in der Parteilandschaft aufkommt.

Demokratische Politik ist zudem inhärent ineffizient.
Ein riesiges Problem.

Das ist nicht nur darauf beschränkt dass sich Parteien die halbe Zeit eher die Köpfe einschlagen was eigentlich zu tun ist - anstelle tatsächlich etwas zu tun.
Sondern äußert sich auch in einer principal/agent Problematik, da Politiker schließlich im Sinne des gesamten Volkes handeln sollen - aber motiviert sind viel eher zu eigenem Gunsten zu handeln.

Gerade in Deutschland herrscht in vielen politischen Problemfragen einfach jahrelange Stagnation. Ein weiterer Grund warum viele den Gang zur Wahlkabine direkt sein lassen.

Alles in Allem lässt sich dieses Problem nur durch externe Faktoren lösen. Ein Notstand oder eine sonstige starke gesellschaftliche Motivation "etwas" zu tun sorgte historisch immer ziemlich eindrucksvoll wie dieses "etwas" erreicht wurde.
Und so wird es vermutlich auch sein - wir werden in unserer nicht zufriedenstellenden Tretmühle weiterlaufen bis irgendwas passiert dass den allergrößten Teil der Gesellschaft unter einer Motivation vereint - welche das ist wird sich zeigen.

(und ja, die rechten Tendenzen in Europa sind spürbar und möglicherweise auch ein Kandidat für eine solche Motivation)
 
Nicht die Politiker zerstören das Vertrauen in den Rechtsstaat, sondern die Art und Weise, wie dieser (Un)Rechtsstaat heutzutage funktioniert. Denn die Entscheidungen werden schon lange nicht mehr durch die Politiker getroffen. Oder um es mit den Worten Seehofers auszudrücken: Diejenigen die entscheiden sind nicht gewählt und diejenigen die gewählt werden haben nichts zu entscheiden!

Tatsache ist doch, dass Politik heutzutage durch Lobbyisten gemacht wird und nicht durch Parteien. Und wie ich im TdW 142 bereits anmerkte, sind dort mittlerweile fast nur noch wirtschaftliche Interessen vertreten und dazu auch noch die falschen (aus Sicht vieler Bürger). Ändern wird sich das ganz sicher nicht durch neue Parteien, denn Parteien haben das Problem, dass sie immer einen Konsens zwischen ihren Mitgliedern finden und eingehen müssen. Worin das endet, können wir bei jungen Parteien wie den Piraten, der AfD usw. sehen. Die Parteien reiben sich bereits bei der Konsensfindung auf und sind somit in den Augen der Bürger nicht mehr ernstzunehmen.

Was wir viel eher brauchen sind Lobby-Verbände, die sich für die einzelnen Interessen der Bürger einsetzen, aber nicht auf Konsens angewiesen sind. Dieser Konsens wird bei der Lobby-Arbeit dann tatsächlich erst in der Politik gebildet. Denn wenn Politiker mit vielen verschiedenen Interessen aus verschiedenen Lobby-Verbänden konfrontiert werden, sind sie gezwungen sich thematisch mit diesen Interessen auseinanderzusetzen. Fehlt dieser vielseitige Input, fehlt auch die Auseinandersetzung und die Politiker sind dann wesentlich eher geneigt einseitigen Sichtweisen zu folgen.

Insofern sehe ich mittlerweile eher, dass der unausgewogene Lobbyismus das Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört. Wäre die Lobby-Arbeit vielseitiger und würde auch die Interessen "des kleinen Mannes" an die Politiker herantragen, wäre auch die Politik weniger einseitig. Dazu müssen sich die Menschen aber mal selbst bewegen und Gleichgesinnte müssen sich zusammen tun, damit sie im lauten Geschrei der Wirtschaftslobbyisten nicht untergehen. Leider beschränkt sich aber die Lobby-Arbeit "des kleinen Mannes" auf Unterschriftensammlungen und ab und an mal eine Demo mit ein paar tausend Leuten. Das ist in den Augen der Politiker aber nicht repräsentativ und auch nicht ausreichend argumentativ. Wenn aber ein Lobby-Verband daher kommt, der die Interessen vieler tausend Bürger aka Steuerzahler vertritt und durch den Rückhalt in der Bevölkerung auch einen gewissen Druck aufbauen kann, sieht die Sache gleich ganz anders aus.

Es ist jedenfalls unsinnig darauf zu hoffen, dass Parteien, die maximal 1-2% der Bevölkerung umfassen, mit ihren Programmen eine Politik machen können, die dem Konsens entspricht. Sie müssen mehr oder weniger gezwungen werden dem Konsens zu folgen. Und dafür gibt es in einer Demokratie eigentlich nur 2 Wege: Die "Demokratie von unten", also das massenweise Eintreten kontroverser Meinungen in die bestehenden Parteien, oder eben Lobby-Arbeit, die aus der Bevölkerungsmitte heraus entsteht. Letzteres war früher mal die Aufgabe der Gewerkschaften. Da diese aber mittlerweile aus Angst vor Arbeitsplatzabbau usw. auch nur noch in die Kerbe der Wirtschaft schlagen, müssen die Bürger sich selbst zu Lobby-Verbänden organisieren und mit diesen Einfluss auf die Parteien nehmen.

Von daher: Auch wenn es die Bürger nicht gern hören... Das Vertrauen in den Rechtsstaat zerstören sie selbst, indem sie sich auf eine einmalige Stimmabgabe und ab und an mal einen Klick in einer Online-Petition bei ihrer politischen Arbeit beschränken. Es ist dann nicht verwunderlich, wenn die Politiker eher den mit Studien und Statistiken belegten Aussagen der Wirtschaftslobbyisten glauben als irgendwelchen scheinbar ungebildeten Bürgern, die eher propagandistisch argumentieren.
 
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