[TdW 31] Darf ein Staat militärische Aufgaben outsourcen?

Angeregt durch diesen Artikel in der Zeit, beschäftigt sich das Thema der Woche diesmal mit der Frage ob Staaten Kriege und militärische Aufgaben privatisieren dürfen und welche Risiken das militärische Outsourcing birgt.
Die Vorteile für die beauftragenden Staaten liegen auf der Hand: Wenn ein Großteil der militärischen Aufgaben von Söldnern übernommen werden, gibt es natürlich in der heimischen Presse weniger Meldungen über tote Soldaten. Auch können Regierungen behaupten in keine Kampfhandlungen verwickelt zu sein, kämpfen tun eben nur bezahlte Söldner - und wer weiß schon wer die Gehaltsschecks unterschreibt? In dem Zeit-Artikel wird das schön auf den Punkt gebracht: Private Sicherheitsfirmen können diskreter als reguläre Armeen operieren - also weniger auffällig, weniger kontrollierbar und weniger öffentlich. Wie diskret sie operieren können, sieht man schon daran, dass niemand genau weiß wieviele Söldner, pardon private Sicherheitskräfte, eigentlich im Einsatz sind. In Afghanistan sollen derzeit etwa 25.000 - 50.000 für ungefähr 50 Firmen tätig sein - klare Angaben sehen anders aus. Und wie wichtig die Rolle der privaten Sicherheitsfirmen mittlerweile ist, konnte man sehen als Präsident Karzai vor zwei Jahren drohte private Sicherheitsfirmen zu verbieten: Nato-Offizielle gaben sofort bekannt das es unmöglich wäre genug Soldaten zu mobilisieren, um die Söldner zu ersetzen und die USA drohten direkt mit dem sofortigen Stopp von Millionen-Hilfen für das gebeutelte Land. Wenn Söldner also mittlerweile für die NATO und die USA so wichtig sind, lohnt es sich über dieses Thema Gedanken zu machen und sich mit den möglichen Risiken der Entwicklung zu beschäftigen. So wollte Karzai ja die privaten Sicherheitsfirmen verbieten, weil diese überdurchschnittlich oft beteiligt waren wenn zivile Opfer zu beklagen waren. Und WikiLeaks enthüllte das z. B. die Söldner von Blackwater im Irak schwere Missbrauchshandlungen begingen - einschliesslich der Ermordung von Zivilisten. Für das Unternehmen ein schwerer Image-Schaden, so das man sich kurzerhand in Xe International und mittlerweile in Academi umbenannte.
Vor diesem Hintergrund: Darf ein Staat militärische Aufgaben outsourcen?

Mehr zum Thema:
USA nach 9/11: Das 250-Milliarden-Dollar-Geschäft | Wirtschaft | ZEIT ONLINE
Verbot privater Sicherheitsfirmen: USA drohen Karzai mit Stopp von Millionen-Hilfen - SPIEGEL ONLINE
 
Kurze Antwort: NEIN, niemeals

Eins der größte Probleme die ich hierbei sehe ist folgendes:
Wer kontroliert diese (stets gewinnorientiert arbeitende) Firmen ?
Was passiert wen Kriegsverbrechen begangen werden (ist ein "Krieg" zwischen Firmen eigentlich ein Krieg ?) ?
Müsste der Vorsitzender der jeweiligen Firma gehen, und wäre das auch nur im geringsten abschreckend ?


Des weiteren gilt für diese Firmen die Genfer Konventionen nicht, da diese sich an Staaten richtet, oder liege ich hier falsch ?


Btw: Es lassen sich auch massen interessante Dokumentationen zu dem Thema finden. Stichwort Söldner.
 
Sleepprogger hat gesagt.:
Des weiteren gilt für diese Firmen die Genfer Konventionen nicht, da diese sich an Staaten richtet, oder liege ich hier falsch ?
Das ist ein spannende Frage, die sich scheinbar nicht so leicht beantworten lässt. Strenggenommen stehen Söldner nicht unter dem dem Schutz der Genfer Konvention, so heißt es im Zusatzprotokoll I Abschnitt II Artikel 47:
1. Ein Söldner hat keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen.
2. Als Söldner gilt,
a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
b) er tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,
d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.
Somit müsste ein Söldner theoretisch strafrechtlich belangbar sein, da er weder als regulärer Soldat, noch als einfacher Kombattant gilt. Laut Wikipedia gelten sie gemäß der Genfer Konvention als Zivilsten - solange sie nicht an Kampfhandlungen teilnehmen. Wenn sie an Kampfhandlungen teilnehmen, können sie nach nationalem Strafrecht belangt werden - es sei denn sie sind in reguläre Militärverbände eingebunden:
Wenn sie einen Kampfauftrag erhalten, gelten die beteiligten Personen nur dann als Kombattanten, wenn sie unter der organisierten Führung regulärer Streitkräfte stehen, in diese eingegliedert sind und die jeweilige Gegenseite über ihre Kampfbeteiligung offiziell informiert wurde. Ohne diese Eingliederung gelten sie gemäß Zusatzprotokoll I zur III. Genfer Konvention als Söldner, wenn sie an Kampfhandlungen teilnehmen. Allerdings sind die Grenzen zwischen Sicherheitsmission und Kampfgeschehen oft fließend.
Quelle: Privates Sicherheits- und Militärunternehmen

Solange die privaten Sicherheitsleute also z. B. mit der NATO oder den USA kooperieren, gelten sie wohl als Kombattanten und stehen unter dem Schutz der Genfer KOnvention. Ich denke das bedeutet auch, dass sie dann dem Kriegsvölkerrecht unterliegen - aber ich bin nun einmal kein Anwalt.

In einem Beitrag auf der Webseite der AG-Friedenforschung klingt das allerdings etwas beunruhigender:
Weder für die Ausbildung noch für Anwerbung und Ausrüstung privater Sicherheitskräfte gibt es bislang rechtlich verbindliche Regelungen. Ein freiwilliger Verhaltenskodex der Industrie ist alles. Um Rechtssicherheit zu schaffen, fordert Patel eine globale Konvention. »Darin müssten Ausbildungsstandards, ein globales Register und Rechtszugänge für mögliche Opfer sichergestellt sein. Es kann nicht sein, dass Opfer privater Sicherheitskräfte nirgends klagen können.«
Quelle: UNO: Regulierung privater Sicherheitsfirmen? 17.09.2011 (Friedensratschlag)
 
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