[TdW 45] Wie geht's weiter im Steuerstreit?

Diesmal beschäftigt sich das TdW mit dem Steuerstreit, denn das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz ist im Bundesrat an der rot-grünen Mehrheit gescheitert.
Unter Führung von Schäuble hatte Schwarz-Gelb mit der Schweiz ein Abkommen bezüglich des Umgangs mit Steuerhinterziehern ausgehandelt, dass unter anderem vorsah die Konten deutscher Kunden nachträglich pauschal zu versteuern. Den Steuerhinterziehern wurde dabei Anonymität und somit Straffreiheit zugesichert, den Schweizer Banken wurde zugesichert das es keine Ankäufe von "Steuer-CDs" mehr geben würde. Die Koalition verwies auf das Geld das dadurch in die deutschen Kassen gespült würde und das sich das belastete Verhältnis zu unseren Nachbarn in der Schweiz dadurch wieder entspannen würde.
Die Opposition kritisierte das Abkommen dagegen als faulen Kompromiss, weil Straftäter, die jahrelang systematisch Geld auf illegale Schwarzgeldkonten geschafft haben, dadurch sozusagen rehabilitiert würden. Ebenfalls kritisiert wurde der Umstand, dass durch die rückwirkende Versteuerung mancher Steuerhinterzieher günstiger wegkomme, als ein Bürger der immer brav seine Steuern gezahlt habe. Und ein nicht unbedeutender Kritikpunkt war auch der Umstand, dass durch das Abkommen die Arbeit der Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung von Steuerhinterziehern und Geldwäschern (die es mit oder ohne Abkommen immer geben wird) empfindlich erschwert würde.
Die Koalition hat jedenfalls alles versucht ihr Abkommen durchzuboxen, sogar mit Milliardenbeträgen hat man versucht die notorisch klammen Bundesländer umzustimmen - jedoch vergebens.
Das Steuerabkommen wird nun nicht wie geplant in Kraft treten, sondern es muss - auch mit der Schweiz und den Banken - neu verhandelt werden. Daher stellt das TdW diesmal die Frage: Wie geht's weiter im Steuerstreit?
 
Ich finde sie hätten erstmal das Geld nehmen sollen. Die andere Sache - die Identitäten, hätten sie dann mit der Zeit verhandeln können.

Es sollte da bloss keiner so tun als wäre es etwas besonderes, wenn sie erst etwas vereinbaren und danach alles über Bord werfen und eine andere Richtung einschlagen.
 
xrayn hat gesagt.:
Dieses Abkommen mag nicht perfekt gewesen sein, es wäre aber auf jeden Fall besser gewesen als kein Abkommen für die nächsten zwei/drei/vier? Jahre. Die wahren Gewinner dieses Streits sind doch gerade diejenigen, die Steuern hinterziehen / Geld waschen.
Nicht perfekt? Das kann man wohl sagen, hier mal ein Statement vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) nachdem Details des Abkommens bekannt gemacht wurden:
In einer Geheimaktion hat die Bundesregierung unter Federführung von Bundesfinanzmister Dr. Wolfgang Schäuble und seinem Staatsekretär mit der Schweiz die größte Begnadigung deutscher Straftäter, die die Geschichte je gesehen hat, ausgehandelt.
[...]
„Da doktert ein und dasselbe Finanzministerium an den Geldwäschevorschriften herum, um bis zum Jahresende wenigstens formell den internationalen Vorgaben zu genügen, und legalisiert zeitgleich eine der größten Geldwaschanlagen Europas.“, schimpft Sebastian Fiedler, einer der Sprecher einer Initiative des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG), des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW (DRB-NRW) und der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), die es sich auf die Fahne geschrieben hat, die Geldwäschebekämpfung in Deutschland zu forcieren.

Die professionellsten Steuerbetrüger und Verbrecher müssen sich künftig nicht mehr um ihr illegales Vermögen in der Schweiz sorgen. Sie zahlen einfach anonym einen Abschlag an den deutschen Fiskus und können fortan ruhig schlafen, da ihre Straftaten unentdeckt bleiben werden.
[...]
„Wenn die Kriminalpolizeien des Bundes und der Länder aus Überlastungsgründen ihre Akten nicht bearbeitet bekommen, müssen die Kolleginnen und Kollegen mit Strafverfahren wegen Strafvereitelung im Amte rechnen. Was hier nun passiert, geht um Lichtjahre darüber hinaus. Wir werden uns mal Gedanken machen müssen wie das Verhalten des Bundesfinanzministers, seines Staatssekretärs und der beteiligten Ministerialbeamten strafrechtlich zu würdigen ist. Hier wird bewusst und gewollt aus vermeintlich fiskalischen Gründen die Strafverfolgung vereitelt.“, rügt Sebastian Fiedler. „Nicht nur der ehrliche Steuerzahler ist der Dumme, auch die deutschen Strafverfolger, Steuerfahnder, Finanzbeamten, Zöllner und Staatsanwälte müssen sich angesichts des Vorhabens veralbert vorkommen.“
Ich denke da kann man doch besseres aushandeln - die USA haben es ja vorgemacht...;)

Quelle:
Steuerabkommen mit der Schweiz - Deutschlands Kriminalbeamte wütend auf Schäuble — BDK: Bund Deutscher Kriminalbeamter
 
Zuletzt bearbeitet:
xrayn hat gesagt.:
Naaaaaaja. Das BDK sagt auch, dass durch das Karlsruher Urteil bzgl. der VDS das Internet ein Hort für Kriminelle ist, wo die Polizei keine Chance hat irgendetwas aufzuklären.
Es ist ja nicht nur das BDK, auch Finanzbeamte, Steuerfahnder und Juristen (sowohl Staatsanwälte, als auch Richter) haben sich ähnlich geäußert. Selbst die EU hatte so starke Bedenken gegen das Abkommen geäußert, das Schäuble & Co noch etwas nachgebessert haben, um wenigstens die EU halbwegs zufrieden zustellen.
Und auch Sebastian Fiedler, von dem die wütenden Zitate aus dem BDK Statement stammen, ist nicht nur Sprecher des BDK, sondern auch des Bundes der Richter & Staatsanwälte in NRW, der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und der Deutschen Zoll & Finanzgewerkschaft. Der Mann steckt also gleich aus mehreren Gründen tief in der Thematik drin und hat auch gute Argumente für seine heftige Kritik: Mal abgesehen von den normalen Steuerhinterziehern (hier echauffiert er sich zurecht über den Begriff Steuersünder, der faktisch bereits eine Verhamlosung einer Straftat ist), ist ein großer Teil der auf Schweizer Konten lagernden Schwarzgelds auch Gewinn aus kriminellen Machenschaften wie Drogenhandel, Menschenhandel & Prostitution. Dank des Steuerabkommens könnten die Kriminellen diese Gelder einfach waschen, indem sie die Konten anonym nachversteuern - die Ermittler hätten das Nachsehen. Und der Mann weiß wovon er spricht, denn er hat früher beim LKA für die Abteilung Organisierte Kriminalität und Geldwäsche gearbeitet und wurde auch schon von der EU um Expertisen zum Thema Geldwäsche gebeten. Das Steuerabkommen, in der Form wie Doc Schäuble das ausgehandelt hat, würde also nicht nur Steuerbetrüger, sondern auch Schwerstkriminelle begünstigen und einen ruhigen Schlaf bescheren, da sie nicht mehr damit rechnen müssen das ihre Schweizer Bankkonten von deutschen Fahndern aufgespürt werden und sie auch die Herkunft des Geldes erklären müssen.

Und was die USA angeht, die haben ja einfach einen harten Kurs gegen Schweizer Banken gefahren. Die Justiz, unter Federführung der New Yorker Staatsanwaltschaft, hat offen gegen Schweizer Banken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt, Haftbefehle gegen Mitarbeiter der Banken ausgestellt und auch ganz offiziell Anklage erhoben - z. B. gegen die Privatbank Wegelin & Co, die daraufhin "notverkauft" werden musste. Erfolgreich war die amerikanische Justiz auch deshalb, weil ihr die amerikanische Regierung stets den Rücken gestärkt hatte - soweit ich weiß hatte Obama den als kompromisslos geltenden Staatsanwalt explizit für den Kampf gegen Steueroasen ins Amt geholt.
In Deutschland sieht die Sache leider anders aus, wenn deutsche Steuerfahnder ihre Arbeit erfolgreich machen, ziehen sie sich nicht selten den Zorn der ihnen vorgesetzten Politker zu und müssen sich von diesen sogar öffentliche Kommentare zu möglicherweise kriminellen Ermittlungmethoden gefallen lassen - während die Steuerbetrüger mit keinem Wort erwähnt werden.
Dafür das es für Ermittler und Fahnder nicht immer ein Segen ist Erfolg zu haben, gibt es leider zahlreiche Beispiele - geradezu filmreif ist der Steuerfahnder Skandal aus Hessen. Am Beginn stand eine spektakuläre Hausdurchsuchung bei der Commerzbank - die mit nicht unerheblichen Steuernachzahlungen und einem Strafbefehl über 30 Millionen Euro für die Bank endete. Auch danach sind die Frankfurter Steuerfahnder, nachdem Erfolg mit der Commerzbank nur das Banken-Team genannt, extrem erfolgeich und im Jahr 2000 haben sie allein dem Land Hessen etwa 250 Millionen Euro an Steuernachzahlungen eingebracht. Dann löst im Jahr 2001 die CDU unter Roland Koch die SPD Regierung von Hans Eichel ab und plötzlich wird alles anders:
2001 dann eine vertrauliche Verfügung. Die Fahnder dürfen nur noch Steuerflüchtlinge ab 500.000 DM aufwärts verfolgen. Kritik daran unerwünscht.
»Das führte dazu, dass jeder, der auf diese Missstände, also die Abänderung dieses Ermittlungsprocedere, hinwies, unmittelbar danach sanktioniert wurde, abgestraft wurde, versetzt wurde, diffamiert wurde. In meiner Sache hat man dann in der Folge ein Disziplinarverfahren konstruiert.«
Die vier Steuerfahnder schweigen nicht, sondern reklamieren das es mit der neuen Verordnung unmöglich ist effektiv zu arbeiten, da nur die dämlichsten Steuerbetrüger große Summen transferieren, die meisten die Beträge jedoch in unaufällige, kleine Beträge aufsplitten. Daraufhin werden die Männer zunächst in andere Abteilungen versetzt und die Abteilung so zerschlagen, später wurden sie erst beurlaubt und dann zwangsweise mit psychatrischen Gutachten in den vorzeitigen Ruhestand versetzt:
Sie wurden mit zweifelhaften Gutachten aus dem Beruf gedrängt. Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Gießen ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verfasser dieser vier Gutachten, der Nervenarzt Thomas H., die Expertisen "nicht entsprechend den fachlichen Anforderungen erstellt" habe. Er bekam einen Verweis und wurde zu einer Geldbuße von 12.000 Euro verurteilt. Der Arzt hatte einigen der Beamten "chronische Anpassungsstörungen" und eine "querulatorische Entwicklung" attestiert. Sie könnten nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück.
Hessische Finanzbeamte sind noch heute der Ansicht das es Roland Koch darum ging Hessen für Konzerne attraktiver zu machen, indem er seine Steuerfahnder an die kurze Leine nahm. Vielleicht ist die Antwort aber auch noch einfacher, denn die Beamten waren teilweise auch mit der Schwarzgeld-Affäre der hessischen CDU beschäftigt, in der ja gerade auch Roland Koch eine entscheidene Rolle spielte.

Aber, so gruselig diese Geschichte auch ist, sie ist noch zu toppen: In Bayern wird gerade der Fall Mollath zum Politikum: Gustl Mollath hat der Staatsanwaltschaft 2003 einen sechsseitigen Bericht mit detaillierten Informationen über illegale Geldgeschäfte bei der Münchner Hypo Vereinsbank zukommen lassen, man ist den konkreten Hinweisen damals nicht nur nicht nachgegangen, man hat Mollath sogar in die Psychatrie abgeschoben - unter anderem wegen seiner "wahnhaften Schwarzgeldgeschichten". Mittlerweile steht nicht nur fest das Mollaths Angaben korrekt waren, es verdichten sich auch die Hinweise das die Staatsanwaltschaft ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist:
"Aus diesen unkonkreten Angaben ergibt sich kein Prüfungsansatz, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde", schrieb die Dezernentin der Nürnberger Staatsanwaltschaft im Februar 2004 - und klappte den Aktendeckel zu. Nach Ansicht von Gerhard Strate ein "pflicht- und rechtswidriges" Verhalten.
Es gebe keinen Zweifel daran, dass Mollaths Schreiben eine Strafanzeige gewesen sei, "die die Staatsanwaltschaft Nürnberg zu weiteren Ermittlungen hätte veranlassen müssen", schreibt Strate in einem Rechtsgutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Expertise ist geeignet, in der Causa Mollath die bayerische Justiz samt der zuständigen Ministerin Beate Merk (CSU) in noch größere Erklärungsnot zu bringen, als sie es ohnehin schon sind. Mollath ist seit mehr als sechs Jahren in der Psychiatrie eingesperrt. Unter anderem wegen seiner angeblich wahnhaft vorgetragenen Schwarzgeldgeschichten.
[...]
Was die Staatsanwaltschaft damals als unkonkretes Sammelsurium abtat, ist für Strate ein ziemlich konkretes Dokument, angesichts dessen die Ermittler unbedingt hätten tätig werden müssen. Mollath habe detailliert ein "seit den neunziger Jahren installiertes Vermögensübertragungssystem geschildert", mit dem reichen HVB-Kunden ermöglicht wurde, Geld in die Schweiz zu transferieren.
Sich als Steuerfahnder oder Informant mit Banken & Steuerhinterziehern anzulegen, scheint in Deutschland eine riskante Sache zu sein...:rolleyes:
Und gerade Unionsgeführte Landesregierungen scheinen wenig Interesse an echter Aufklärung zu haben. Da passt es ja ganz gut das durch Wolfgang Schäuble die Union auch auf Bundesebene dieses steuerbetrüger & bankenfreundliche Abkommen mit der Schweiz ausgehandelt hat. Aber so ist das halt, wenn man den Bock zum Gärtner macht - immerhin spielte Wolfgang Schäuble auch eine aktive Rolle im Parteispenden & Schwarzgeldkonten-Skandal der Bundes-CDU...X(

Nachtrag:
Was ich eigentlich noch erwähnen wollte, auch die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen Schweizer Banken, genauer gesagt die UBS Bank, und ganz konkret gegen einiger Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung:
"Mitarbeiter der Bank sollen Anleger dabei unterstützt haben, Gelder am Fiskus vorbei in die Schweiz zu transferieren", zitiert die Zeitung einen Sprecher der Mannheimer Staatsanwaltschaft. Demnach sollen die Gelder über ein internes Verrechnungskonto der Bank in die Schweiz verschoben worden sein. Die Vorgänge hätten sich bis weit in das Jahr 2012 hinein erstreckt, was die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz weiter belasten dürfte.
Quelle: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen UBS wegen Beihilfe zur Steuerflucht - SPIEGEL ONLINE

Noch ein Nachtrag:
Übrigens wird, nachdem Ministerpräsident Seehofer Druck gemacht hat, der Fall Mollath nun neu aufgerollt, die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache jetzt unter anderem wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung.
Wer sich aber einmel richtig gruseln will, sollte sich dieses Interview zum Fall Mollath mit der bayerischen Justizministerin ansehen: Die bayerische Justizministerin Beate Merk zum "Fall Mollath" - YouTube
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben