[TdW 48] Dürfen Demokratien kategorische Verbote erlassen?

Diesmal beschäftigt sich das TdW weniger mit einem konkreten Thema, sondern eher mit einer grundsätzlichen Frage: Dürfen Demokratien, bzw. Gesellschaften die sich selbst als freiheitlich definieren, kategorische Verbote erlassen?
Konkrete und recht aktuelle Beispiele in Deutschland sind unter anderem das Rauchverbot in der Gastronomie oder der neuerliche Versuch die NPD verbieten zu lassen. Hat eine "freie" Gesellschaft das Recht allen Wirten ein Rauchverbot in ihren Gaststätten aufzuzwingen? Hätten nicht viel eher die Wirte das Recht, frei zu entscheiden ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal betreiben wollen? Haben die Gäste nicht das Recht frei zu wählen, ob sie den Abend in einem Raucher- oder Nichtraucherlokal verbringen wollen?
Und wie rechtfertigt eine "freie" Gesellschaft das Verbot einer Partei - auch wenn sie so abstoßend wie die NPD ist? Welche Gefahr für die Gesellschaft geht von der NPD aus, die in den letzten 40 Jahren bei Bundestagswahlen nicht einmal 2% (meist nicht einmal 1%!) Zustimmung erlangt hat? Die afaik derzeit auch nur in zwei Landtagen vertreten ist? Die politisch im Abseits und finanziell am Abgrund steht?

Die grundsätzliche Frage lautet also: Darf eine freie Gesellschaft kategorische Verbote aussprechen?
 
Die Alternative wäre Anarchie, leider ist der Mensch für diese Form des Zusammenlebens
eindeutig nur sehr bedingt fähig. In grossen, anonymen Gesellschaften möchte ich sogar
behaupten, dass er dazu unfähig ist.
Folglich ist es Aufgabe der Demokratie absolute Verbote auszusprechen und das
Zusammenleben zu reklementieren.

Das Rauchverbot ist doch nichts anderes als eine Abwägung verschiedener Grundrechte.
So steht die unternehmerische Freiheit der körperlichen Unversehrtheit und der
freien Wahl des Arbeitsplatzes gegenüber. Hier ist es durchaus Richtig zu Gunsten
von Gesundheit und Chancengleichheit zu entscheiden. Es geht hier eben nicht um
den Gast sondern um die Angestellten des Wirtes.

Auch das NPD-Verbot ist durchaus nicht willkürlich. Hier wird nicht politische Arbeit
verboten, sondern geprüft, ob die Ziele der Partei verfassungsfeindlich sind.
Dann verböte sich logischerweise eine Finanzierung der Partei über öffentliche Mittel.
Da jede Partei die an Wahlen teilnimmt und Stimmen bekommt hier Finanzmittel
im Zuge des Parteienfianzierungsgesetzes bekommt ist hier der einzige Weg
ein Verbot der Partei.

Gruss
 
Die grundsätzliche Frage lautet also: Darf eine freie Gesellschaft kategorische Verbote aussprechen?

Ja - und es hat weder mit Freiheit noch eigentlich mit Demokratie zu tun.
Immerhin haben wir auch andere kategorische Verbote, und Gebote die sich Gesetze nennen :)

Dabei fällt mir ein, dass wir vielleicht als nächstes TDW den Freiheitsbegriff als solches zum Gegenstand nehmen sollten, denn hierüber scheint es keine Einigkeit zu geben ;)
 
Auch das NPD-Verbot ist durchaus nicht willkürlich. Hier wird nicht politische Arbeit verboten, sondern geprüft, ob die Ziele der Partei verfassungsfeindlich sind.
Wenn wir den eine hätten...aber das ist ein anderes Thema.

Das Problem an einem Parteien-Verbot ist doch, dass ein Erfolg nur den Weg zu einer "stabilen Einparteien-Diktatur" noch mehr ebnen würde. Als regierende Gewalt kann man per se alles als "schädlich" deklarieren was nicht passt - und dann verbieten. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass von einem politischen Zusammenschluss, der nicht einmal 2% der Stimmen bekommt, eine reele Gefahr für den Staat ausgehen würde?! Glaubt etwa jemand, dass durch Verbote irgend etwas aus der Welt geschaffen werden kann?! (Stimmt, deswegen verkauft OCB ja auch keine Big- und endless-papers) Kurzum - Glaubt etwa irgend jemand an die Rechtschaffenheit von Politikern?

Ich sehe es kommen - meine Kinder werden mal nur (also dann offiziell) von einer Partei regiert werden - und die hat (derzeit) einen schweizer Chef.
 
Wenn wir den eine hätten...aber das ist ein anderes Thema.
Der Begriff ist ja nicht in Bezug auf ein Dokument oder ein Regelwerk, sondern klar in Hinblick auf die "freiheitliche demokratische Grundordnung" bzw. den "Bestand der Bundesrepublik Deutschland" definiert. Die Existenz eines Dokuments namens "Verfassung" spielt hierbei keine Rolle. Wahrscheinlich wäre der Begriff "Demokratiefeindlich" die bessere Wahl.

Oder glaubt jemand ernsthaft, dass von einem politischen Zusammenschluss, der nicht einmal 2% der Stimmen bekommt, eine reele Gefahr für den Staat ausgehen würde?!
Ich erinner mich mal dunkel an meine Schulzeit zurück. Dor hatten wir öfters mal von einer Partei gehört, die 1928 mit 2,6% nicht besonders bekannt war, jedoch durch die geldlichen Zuwendungen, die ihr als Partei zustanden, und die Umstände in dieser Zeit bundesweit auf sich aufmerksam machen konnte. 1930 waren es dann schon >18%, 1933 knapp 44%. Ich denke es ist klar, welche Partei ich meine.
Analoges Beispiel, andere (extrem-)politische Richtung: Die Linke erreichte 1990 knapp 2,4%, heute sinds 11,9%, Tendenz steigend. Auch bei den Linken wird über Demokratiefeindlichkeit diskutiert, wenn auch nicht so stark und so umfassend, wie bei der NPD (deren Ergebnis übrigens von 0,2% auf 1,5% von 2002-2009 gestiegen ist), sodass ein Verbotsverfahren hier von allen Parteien abgelehnt wird.

Die zunehmende Ablehnung der aktuellen politischen Form spiegelt sich genau in diesen Zahlen wider. CDU und SPD haben in den letzten Wahlperioden stetig verloren, die Wähler sind zu den kleineren, oft extremeren Parteien (wenn auch nicht radikal, von Teilen der Linken abgesehen...) abgewandert. Es ist wichtig, dass hier eine klare Kontrolle der Parteien statt findet, um eine Radikalisierung der Gesellschaft (auch beispielsweise in Hinblick auf die Erlaubnis mit 16 an der Wahl teilnehmen zu können - 16 jährige sind natüüüürlich vollkommen unbeeinflussbar ;)) zu verhindern und das, was 1939-1944 geschah, nicht zu ermöglichen. Eine andere Möglichkeit nebem dem Verbot radikaler, menschenverachtender Parteien existiert meiner Meinung nach nicht. Letzten Endes ist es schwierig mit der Freiheit zu argumentieren, wenn man sich die Wahlzahlen der damaligen Jahre anschaut. Dort hätte diese Freiheit den zweiten Weltkrieg nämlich nicht verhindert. Ebenso ist das Argument, eine Demokratie könne sowas aushalten, unfug, wenn man davon ausgeht, dass ein Mensch nicht rational denkt, was er faktisch nicht tut.

Gleichzeitig geht es nur begrenzt darum, eine politische Meinung zu verhindern. Prinzipiell ist das nur durch gute Aufklärungsarbeit möglich. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass sich vorhandene Strukturen nicht weiter ausbreiten können oder dass eine menschenverachtende Meinung nicht dadurch gesellschaftliche Anerkennung findet, weil sie durch eine Partei vertreten wird, die in mehreren Landtagen sitzt.

Ich denke persönlich, dass die persönliche Freiheit soweit geht, wie sie die "Freiheit" (Freiheit ist hier wahrscheinlich zu weitläufig gefasst, deswegen lass ich das mal undefiniert.) der anderen nicht beeinträchtigt. Eine Partei, die in Landtagen die Würde eines Menschen auch nur anzweifelt, geschweige denn Volksvertreter bedroht oder gar angreift, gehört nicht in unsere Politik. Ein Verbot der NPD hat den entscheidenen Aspekt, dass öffentlichkeitswirksame Hetzveranstaltungen, die aktuell unter dem Deckmantel einer rechtmäßigen Partei abgehalten und finanziert werden, damit verhindert werden. Wer behauptet, dass die NPD eine Partei "wie jede andere" wäre und desshalb nicht verboten werden dürfte, kennt die Partei schlicht und ergreifend nicht.

Übrigens sollte man vielleicht festhalten, dass das Verbotsverfahren nicht gescheitert ist, weil die NPD der Verfassung entspricht (was ich leider aktuell öfters als Argument gehört habe...), sondern weil das Verfahren selbst an der Rechtsstaatlichkeit gescheitert ist. Damit ist jedoch NICHT die Rechtsstaatlichkeit der Partei bestätigt worden! Eine gute Zusammenfassung des Verfahrens und der Aussichten auf Erfolg gibt meiner Meinung nach unter http://www.readers-edition.de/2012/12/17/npd-verbot-geboten-richtig-und-notwendig/ .
 
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