Was vom Rechtsstaat übrig blieb...

Vielleicht liegt es am tristen Wetter und ich leide an einer Art Pseudo-Herbstdepression, aber ich habe in letzter Zeit mehr und mehr das Gefühl in einem kafkaesken Alptraum gefangen zu sein. Ist Everetts Viele-Welten-Theorie vielleicht korrekt und ich bin eines Tages einfach im falschen Universum aufgewacht? In einem Universum in dem die bösen Zwillinge unserer "Eliten" die Macht übernommen haben? In einem Universum in dem Schwarz Weiß und Weiß Schwarz ist?
Eigentlich dachte ich im Hinblick auf die Heuchelei von Politikern und dem Unterschied zwischen Schein und Sein könnte mich nichts mehr erschüttern. Immerhin habe ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend unter der schwarz-gelben Kohl-Regierung verbracht, habe erlebt wie die Regierungsmitglieder sich einen betont biederen Anstrich verliehen und wie insbesondere die CDU/CSU sich stets als absolut rechtschaffene Law-and-Order-Partei generierte. Und ich habe erlebt wie diese biedere Fassade durch die CDU-Parteispendenaffäre restlos zerstört wurde. Helmut Kohl, der dieses Land immerhin 16 Jahre lang regiert hatte, höchstpersönlich hatte gleich nach seiner Wahl ein illegales System geschaffen, mit dem illegale Parteispenden auf Schwarzgeldkonten in der Schweiz und Liechtenstein tranferiert wurden und später zur illegalen Wahlkampf-Finanzierung genutzt wurden. In einem echten Rechtsstaat, in dem tatsächlich vor dem Gesetz jeder gleich ist, wäre Helmut Kohl - der sich bis heute geweigert hat die Namen der Spender zu nennen und somit verhindert hat, dass man prüft ob Entscheidungen seiner Regierung käuflich waren (die hartnäckige Weigerung spricht eigentlich Bände!) - niemals straffrei davongekommen. Zumindest wäre er in Beugehaft gegangen, bis er die Namen rausrückt und der Justiz ermöglicht hätte, zu prüfen ob seine Regierung sich neben den Verstößen gegen die Parteigesetze auch der Korruption schuldig gemacht hat. Auch andere Akteuere des kriminellen System Kohl, wie z. B. Roland Koch (CDU) oder Wolfgang Schäuble (CDU), hätten nicht einfach weiter machen können.
Das es eine der ersten Amtshandlungen von Roland Koch als Ministerpräsident von Hessen war, das System Kohl im kleinen zu kopieren und für die Hessen CDU Schwarzgeldkonten anzulegen und als "jüdische Vermächtnisse" zu deklarieren, zeigt wie es um die Rechtschaffenheit von Law-and-Order CDUlern bestellt ist. Das er nach Aufdeckung der Konten vor die Kameras trat und "brutalstmögliche Aufklärung" versprach, obwohl er doch selbst der Verantwortliche war, zeigt wie verlogen dieser Mann ist. Ein gutes Beispiel für seine Skrupellosigkeit, wie auch für die Rechtsbeugung in einem vorgeblichen Rechtsstaat, ist auch die Tatsache das er nach Amtsantritt die erfolgreiche hessische Steuerfahnundung kastriert und Kritiker mit gefälschten psychologischen Gutachten in den Zwangsruhestand geschickt hat. Auch der Umstand, dass Wolfgang Schäuble - der zunächst jede Beteiligung am kriminellen System Kohl abgestritten und später behauptet hat einen Briefumschlag mit einer 100.000 DM Spende "vergessen" zu haben - heute Finanzminister ist, zeigt wie wenig die Union auch unter Angela Merkel auf Recht und Moral gibt.
Von daher dachte ich danach, bzw. spätestens seit den Erfahrungen mit der rot-grünen Schröder-Regierung, deren Politik ganz und gar die Interessen der Wirtschaftslobby bediente und dem mehr als anrüchigen Wechsel von "Gas-Gerd" in die Privatwirtschaft, mich könnte in dieser Hinsicht nichts mehr schocken.
Dann kam der 11. September und ich musste erleben wie sich demokratische Staaten mehr und mehr in Überwachungs- & Polizeistaaten verwandelten. Auch daran habe ich mich letztendlich gewöhnt, ich habe mich daran gewöhnt das Begriffe wie Verschleppungen, Geheimgefängnisse, Folter und Todesschwadronen plötzlich nicht mehr nur mit irgendwelchen Diktaturen, sondern auch mit den USA und den westlichen Demokratien untrennbar verbunden waren.
Trotzdem war die letzte Zeit ein Schock für mich! Die Finanzkrise hat deutlich gezeigt das vor dem Gesetz eben nicht alle gleich sind: Banken & Bankster können z. B. machen was sie wollen - sie sind eben too big to fail und too big to jail.
Auch Politiker können ungestraft Regeln brechen, man denke nur an Koch, Schäuble oder den Lügenbaron zu Guttenberg (der u. a. den Recherchedienst des Bundestages für Privatzwecke genutzt hat) - aber eine Sekretärin, die unerlaubt eine Frikadelle vom Buffett ihres Bosses isst, kann wegen Diebstahls & Vertrauensbruchs fristlos gekündigt werden...X(
Wer sich der Finanz-Oligarchie in den Weg stellt, wird entweder - wie bei Occupy & Blockupy-Protesten in der ganzen Welt - brutal niedergeknüppelt oder gleich ganz aus dem Verkehr gezogen (Fall Mollath / hessische Steuerfahnder).
Wer, wie Bradley Manning oder Edward Snwoden, staatliche Rechtsbrüche aufdeckt, wird wie ein Verbrecher behandelt.
Doch das letzte Feigenblatt haben die rechtsstaatlichen Demokratien gerade fallen lassen, als sie aufgrund eines blosses Verdachts das Flugzeug des Staatschefs eines souveränen Landes gestoppt, zu einer stundenlangen Zwischenlandung gezwungen und durchsucht haben. Meines Wissens nach ist das ein beispielloser Bruch diplomatischer Gepflogenheiten - der noch dazu jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.
Recht und Gesetz scheinen nicht in den westlichen Demokratien nicht mehr hoch im Kurs zu stehen, oder? Daher bin ich schon versucht zu fragen, ob von dem Ideal des Rechtsstaates überhaupt noch etwas übrig ist?
 
es mag platt und/oder pathetisch klingen aber ich denke der spruch ist so wahr wie eh und je ... auch wenn ich gerade nicht mehr so ganz genau weiß wo ich ihn das erste mal aufgeschnappt habe

"Einen Mann kann man beseitigen. Tausend Männer kann man umbringen. Völker kann man unterjochen, aber man wird einsehen müssen dass man eine einzige Idee dadurch nicht los wird."

oder wie es in V wie Vendetta formuliert wurde:

"Hinter dieser Maske ist nicht nur Fleisch, hinter dieser Maske steckt eine Idee! Und Ideen, Mister Creedy, sind kugelsicher!"

von daher sehe ich es als unwahrscheinlich an, dass sich am Widerstand gegen dergleichen etwas ändern wird. Wer sich nun als Zyniker versuchen möchte und sagt dass der Widerstand ja gut und schön sein mag, sich aber nichts ändert, dem rate ich zur Lektüre eines Geschichtsbuches:

Es passierte nicht über Nacht, aber wenn man die Situation beispielsweise mit der Hochzeit der europäischen Monarchien vergleicht, kann eine Verbesserung der Situation wohl kaum von der Hand weisen.

Lass es noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern, aber meiner Meinung nach ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass besagter Widerstand derartiges immer weiter zurückdrängen wird.
 
ich habe mich daran gewöhnt das Begriffe wie Verschleppungen, Geheimgefängnisse, Folter und Todesschwadronen plötzlich nicht mehr nur mit irgendwelchen Diktaturen, sondern auch mit den USA und den westlichen Demokratien untrennbar verbunden waren.
Ich fasse das einfach mal so auf, wie ich es hören will: in den USA und in Demokratien. :D

Alles was du aufzählst, widerspricht dem Begriff "Demokratie" nicht. Aus irgendeinem Grund denken Menschen immer, Demokratie wäre irgendein Geflecht aus hehren Idealen und Philanthropie. Aber Demokratie ist nichts anderes als die Herrschaft des Volkes. Und wenn das Volk Krieg will, gibt es Krieg. Will es einen Überwachungsstaat, kriegt es den. Lässt das Volk korrupte Politiker oder einen Staat der korrupte Poliker straffrei lässt zu, dann kriegt es eben das. Nichts davon ist undemokratisch. Selbst Dinge, wie Menschenrechte haben erstmal nichts mit Demokratie zu tun. Ja, selbst was wir als Volk bezeichnen ist nur Definitionssache: Wer darf wählen? Frauen? Jugendliche? Kinder? Geisteskranke? Serienmörder und Sexualverbrecher? Es hat irgendwann mal damit angefangen, dass nur Männer wählen durften, das wurde immer weiter ausgeweitet. Heute sitzen wir auf unserem hohen Ross und rümpfen die Nase über andere Länder, nicht aber über uns selbst.
Vieles an unserer Demokratie ist, wenn man wirklich von HERRSCHAFT, des Volkes spricht, eine Illusion. Die Leute wählen immer entweder Hans (meinetwegen von der SPD) oder Hannes (meinetwegen aus der Union) Meier. Wahlversprechen nimmt keiner mehr ernst, jeder weiß, dass es nur Augenwischerei ist und gewählt wird der, der das Schönste vom Himmel herunterverspricht. Parteien, die alternative Ansätze anbieten und die vielleicht mal auch was ändern könnten, werden kaum gewählt und die üblichen beiden großen Lügenparteien vorgezogen, die eh fast die gleiche Politik treiben und nichts ändern. Dementsprechend tut die große Partei, die grad dran ist im Wesentlichen auch fast nur was sie will. Die bemüht sich unangenehme Gesetze möglichst still (z.B. während großer Fußballspiele) zu verabschieden und populäre Gesetze zum Ende der Legislaturperiode zu beschließen um wiedergewählt zu werden.
Peter Scholl-Latour krítisiert schon Ewigkeiten die "weiße Heuchelei" bzw die "Heuchelei des weißen Mannes". Wir fühlen uns alle so supertoll und wichtig. Nur was wir denken ist richtig und notfalls pressen wir das auch mit Gewalt auf. Fast alle Krisenherde dieser Erde sind vom weißen Mann gemacht, die meisten davon gehen auf die Zeit des offenen Imperialismus zurück (z.b. Pakistan/Indien, Kongo, Israel/Umgebung, uvm.). Es waren oft westliche Demokratien, die Könige und Diktatoren eingesetzt haben, gegen die man dann später auch wunderbar Krieg führen konnte. Alle sind so superschön philanthropisch und schreiben sich die Menschenrechte auf die Fahnen, wenn sie mit Embargos auf den Irak dafür sorgen, dass Kinder sterben, weil sie keine Medikamente aus dem Ausland mehr bekommen, oder wenn die Panzer mit dem weißen Mann drin wiedermal in ein Land einrollen, das vorher immerhin stabil war. Es ist genauso, wie bei den Kreuzzügen damals. Man schreibt sich etwas schönes auf die Fahnen, was die Menschen gerne verbreiten möchten, damit sie am Morden und Metzeln mitmachen und dann gehts auch schon los - und in all dem Blut und Leid vergisst jeder, dass schon allein das Mittel nichts mehr mit dem Gedankenzu tun hat für den man angeblich kämpft.
Im Grund genommen sind alle die hehren Begriffe, Demokratie, Menschenrechte, Rechtstaat nur Illusion, wenn man sich darunter utopische Ideale, wie Gerechtigkeit, Gleichheit oder Nächstenliebe vorstellt. Immerhin halten die Bergiffe aber oft, was sie eigentlich bedeuten: In einer Demokratie wird das gemacht, was die Herde Schafe will oder das was der Bock will, den sich die Schafe gewählt haben; im Rechtsstaat muss es keine Gerechtigkeit geben, aber immerhin gibt es Gerichte, die sich oft bemühen Gerechtigkeit herzustellen und grundsätzlich gelten die Gesetze auch für alle.
Genauso wie du, bin ich auch oft verzweifelt und deprimiert ob dem Zustand unseres Staatswesens und ob der Gesetze die erlassen werden. Aber einerseits läuft es TROTZ all dessen immernoch recht gut. Wir können gut leben, der Großteil der Bevölkerung wird nicht ständig vom Staat belästigt, wir genießen einen Haufen gewisser Freiheiten und wir haben die demokratischen Werkzeuge in der Hand alles zum Besseren zu wenden - wir müssten diese nur auch mal ordentlich benutzen (und zuallermindest mal die beiden großen Parteien für länger als nur immer wieder vier oder acht Jahre abzustrafen indem man der anderen, ebenso korrupten Partei diesmal die Stimme gibt).

Und natürlich gibt es auch Änderungen, oft zum Guten. In dem SInne schließe ich mich GrafZahl an. Die Frage ist nur ob es schneller geht oder ob wir uns durch irgendwelche Märzreformen ausbremsen lassen.
 
Tut mir Leid aber mit dem Rechtsstaat ist alles in Ordnung.
Das Problem liegt in der Demokratie, diese ist offensichtlich käuflich geworden.
Dem Rechtsstaat sind in den von dir genannten Fällen die Hände gebunden. Kein
Rechtsstaat darf eben einen Menschen zu einer Aussage zwingen, die ihn selbst belastet.
Es ist eben nicht das Problem der Justiz, wenn der Souverän keine Kosequenzen
aus dem Verhalten seiner freigewählten Politiker zu ziehen bereit ist. Die Justiz gerade in Deutschland
hat in den letzten Legislaturperioden oft genug Gesetze kassiert die Verfassungswidrig
waren und auch in den Skandalen und Skandälchen wurden die möglichen Untersuchungen
und Strafen verhängt. Es ist Aufgabe des Souveräns zu reagieren, wenn der Rechtsstaat
und Verfassung durch Gesetze von Politikern ausgehölt werden soll (siehe Ägypten).
Der Souverän ist dafür verantwortlich, wenn Friedensnobelpreisträger ihre Versprechen
nicht einhalten und sich im Ausland einen rechtsfreien Raum erhalten, um nicht an
die eigene Verfassung gebunden zu sein.

Allerdings scheint eben dieser Souverän vergessen zuhaben, dass Demokratie
nicht die Diktatur der Mehrheit sein sollte, sondern die Aufgabe hat die
verfassungsmässigen Rechte und Pflichten für Alle zu gewährleisten. So lässt er
sich momentan eben zu seinem persönlichen Vorteil mit Wahlversprechen kaufen
und er lässt sich Angst machen und pumpt weiter sein Geld und Arbeitskraft
in eben dieses kranke Finanz- und Wirtschaftssystem dem unsere Politiker längst
erlegen sind.
"Altenativlos" scheint wohl auch des Souveräns Motto geworden zu sein, um den
eigenen Wohlstand zu retten, aber es gibt immer Alternativen nur diese ändern
eben den Status Quo. Der Souverän hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht
und er ist ein guter Konsument geworden und er fürchtet nichts mehr als das ihm
jemand seine Fernbedienung wegnimmt mit der er die Wahrheit wegswitchen kann.
Brot und Spiele, nicht für alle aber für die Mehrheit ist Demokratie heute,
dass dieses System sich nicht mehr trägt scheint niemanden zu interressieren.
Nach mir die Sintflut, leider alternativlos aber Hauptsache nach mir.

Gruss
 
@Tara

Vielleicht liegt es am tristen Wetter und ich leide an einer Art Pseudo-Herbstdepression, aber ich habe in letzter Zeit mehr und mehr das Gefühl in einem kafkaesken Alptraum gefangen zu sein. Ist Everetts Viele-Welten-Theorie vielleicht korrekt und ich bin eines Tages einfach im falschen Universum aufgewacht? In einem Universum in dem die bösen Zwillinge unserer "Eliten" die Macht übernommen haben? In einem Universum in dem Schwarz Weiß und Weiß Schwarz ist?

Ich wuerde mich eher Fragen was Dich so lange hat daran zweifeln lassen ;)



@end4win
Das Problem liegt in der Demokratie, diese ist offensichtlich käuflich geworden.

Ich sehe es eher so, dass der deutsche Bürger nicht mehr mündig ist im Sinne einer politischen mitverantwortung. Wir sind träge, faul und desinteressiert wenn es um Politik geht. Und genau deswegen werden wir die "Freiheit", für die Europa so bluten musste auch wieder verlieren. Natürlich nicht so, dass wir unsere Kaufkraft einbüßen und uns weiter amüsieren können.

Aber werden doch jetzt schon wie Affen in einem Käfig gehalten: Nicht zuviel wissen, jedenfalls nichts relevantes, immer schön die Schnauze halten bei EU Politik und Lebensmittelskandalen oder wenn es darum geht unsere Altersreserven den Bankern in Europa in den Arsch zu schieben.

1984/"sie leben"/Matrix ist uns sehr viel näher als uns lieb ist - auch wenn es eine Spur subtiler läuft als in den Geschichten.


So sieht es nämlich aus:

Also - Konsumvieh. Haltet schön die Schnauze aber macht ruhigt Eure Demos. Wenn Ihr wieder zuhause seid fresst was wir Euch geben, seht fern und kauft was wir euch vorsetzen und dabei dürft ihr euch auch noch ganz nerdy und individuell vorkommen, wenn ihr Euren halbgaren Mist in euren Netzwerken postet und Euch "free Egypt" Sticker auf die Brust tackert.
 
Wie leben nicht in einer Demokratie, sondern in einer Republik. 90 % könnten für $jenes sein, falls $jenes jedoch gegen ein Gesetz verstößt, darf es die Republik nicht zulassen (es herrscht Gesetzmäßigkeit). Man kann die Gesetze natürlich anpassen, aber sie dürfen wiederum nicht mit anderen Gesetzen kollidieren (Religionsfreiheit etc.).
 
@ikkebins

Tatsächlich unterliegt auch die Gesetzgebung in seinen Ausläufern einem stetigen, wenn auch lang samen Paradigmenwechsel. Niemand wird an dem Grundsatz der Meinungsfreiheit etwas ändern wollen. In den "Auslaeufern" jedoch, steht dann aber die Privatsphäre in Konkurrenz mit dem "internationalen Terrorismus"(!!!11). D.h. ich kann eine Flächendeckende Überwachung durchaus durch die Verfassung rechtfertigen, die schlieszlich den inneren und äußeren Frieden sicherzustellen hat.
 
end4win hat gesagt.:
Tut mir Leid aber mit dem Rechtsstaat ist alles in Ordnung.
Wirklich? Die just bekannt gewordenen Spionageprogramme diverser befreundeter Geheimdienste, scheinen im großen Stil gegen im Grundgesetz verbriefte Rechte deutscher Staatsbürger zu verstoßen - trotzdem hat unser Innenminister nichts besseres zu tun als die Schnüffelaktionen zu verteidigen.
Das könnte natürlich auch daran liegen, dass Friedrich selbst ein großer Fan eines Überwachung- & Polizeistaats ist. Er lässt nicht nur keine Gelegenheit aus um die Vorratsdatenspeicherung zu fordern (die vom BVerfG höchstselbst gekippt wurde), er hat auch im Zusammenhang mit dem Staatstrojaner - der über die Screenshot-Funktion verfügte, die das bayerische Landesgericht ausdrücklich verboten hatte - folgendes gesagt:
Das Landgericht Landshut sagt, es sei nicht erlaubt. Die bayerische Staatsregierung sagt, es sei erlaubt. Man kann ja auch anderer Auffassung sein als ein Landgericht.
Quelle: Im Interview: Bundesinnenminister Friedrich (CSU):

Ist es mit den Prinzipien eines Rechtsstaates vereinbar, wissentlich gegen gerichtliche Urteile zu verstoßen und sobald man erwischt wird, schnippisch zu sagen man habe halt eine andere Auffassung als das Gericht?

Auch der Fall der hessischen Steuerfahnder, die mittels einem gefälschten psychologischen Gutachten zwangspensioniert wurden und bis heute um ihre vollständige Rehabilitierung kämpfen, passt meiner Meinung nach nicht in einen Rechtsstaat. Ein schönes Dossier zu diesem Skandal und all seinen Facetten gibt's bei der Frankfurter Rundschau: Steuerfahnder-Affäre*- Frankfurter Rundschau
Und wo wir gerade beim Thema sind: In dem Fall Mollath, in dem neben Banken & Politik auch die bayerische Justiz verwickelt ist, ging es imho auch nicht besonders rechtsstaatlich zu - zu diesem Fall hat die Süddeutsche eine Menge erschreckendes Material zusammengetragen: Fall Mollath - Vorwürfe gegen bayerische Justiz - Süddeutsche.de

Fassen wir kurz zusammen: Deutsche Sicherheitsbehörden verstoßen gegen gerichtliche Auflagen, wenn sie erwischt werden rechtfertigt der Innenminister das mit einer "anderen Auffassung". Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kooperieren deutsche Geheimdienste auch mit befreundeten Diensten bei der Bespitzelung der Bundesbürger - auch hier verteidigt der Innenminister die rechtswidrige Bespitzelung der Bürger. Somit sind unsere Geheimdienste vermutlich Mittäter, mit Sicherheit aber Nutznießer aus dem fortgesetzten Bruch des Grundgesetzes - Friedrich selbst hat schließlich öffentlich erklärt, Deutschland würde von den Informationen der NSA profitieren.
Dazu kommen dann noch gut dokumentierte Fälle (z. B. eben der Fall Mollath), wo Politik & Justiz offenkundig gemauschelt haben... Kann man da wirklich zu dem Schluß kommen, mit dem Rechtsstaat sei alles in bester Ordnung?

end4win hat gesagt.:
Dem Rechtsstaat sind in den von dir genannten Fällen die Hände gebunden. Kein
Rechtsstaat darf eben einen Menschen zu einer Aussage zwingen, die ihn selbst belastet.
Das ist prinzipiell richtig, im Kontext mit Kohls Weigerung die Spender zu nennen aber falsch. Kohl stand damals ja nicht vor Gericht, sondern vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages - da hatte er kein Zeugnisverweigerungsrecht. Da er das natürlich sehr genau wusste, hat er sich daher auch gar nicht erst auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, sondern schlichtweg behauptet sein "Ehrenwort" würde ihn an der Aussage hindern. Die Beugehaft wäre ein durchaus legitimes Mittel gewesen, ihn zur Aussage zu zwingen - der Ausschuss hat aber auf die Ausschöpfung aller Rechtsmittel verzichtet, da man einerseits Kohls "Lebensleistung" anrechnete & andererseits keine weiteren Negativschlagzeilen wünschte.
Glaubst Du bei einem "normalen" Bürger, der sich unter Berufung auf ein "Ehrenwort" vor einer Aussage in einer offiziellen Befragung drücken will, wird auch auf die Ausschöpfung der Rechtsmittel verzichtet? Wenn Deine Antwort Nein lautet, dann wurde hier mit zweierlei Maß gemessen und das wäre wiederum nur schwer mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu vereinbaren ("Vor dem Gesetz sind alle gleich").

Chromatin hat gesagt.:
Niemand wird an dem Grundsatz der Meinungsfreiheit etwas ändern wollen.
Äh, bin ich der einzige der hier an den berühmten Ausspruch Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen! denken muss? :D *scnr*
 
Ich hab lange überlegt was ich dazu schreiben könnte um meinen Standpunkt deutlich zu machen, aber ich denke es wird so am deutlichsten:

Auch wenn ich dir prinzipiell in allen Punkte zustimme und es unbedingt diskutiert und vorallem abgeschafft (wählt doch nicht die Leute die schon bewiesen haben so zu sein!), muss ich doch fragen: Wann war das anders?
Du kannst so weit in die Geschichte zurückgehen, wie du magst: es war immer so. Selbst in dem, für die Diskussion relevanten, Zeitraum seit Gründung der BRD war es so.

Auch unter allen obigen Vorbehalten muss ich doch sagen: es ist, bei aller Kritikwürdigkeit, doch noch eine der günstigen Situationen weltweit. Mir fällt spontan kein Land ein, dass es besser machen würde. Wir haben sogar eine sehr effektive Möglichkeit sowas in unzähligen Wahlen abzustrafen. Wir sollten nur endlich mal von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
 
Das ist doch quatsch. Erstmal ist von diesen Parteien die Linke die einzige Partei, die bisher im Bundestag war und zuverlässig gegen bekloppte Gesetze, wie die Euro-Verbrennungs-Schirme gestimmt haben. Die Linke als DDR-Partei (oder gar Stasi-Partei) abzukanzeln, weil dort ein Haufen Idioten rumläuft, ist in etwa in die gleiche Schiene einzuordnen, wie wenn man die CDU als christliche Partei oder Gerhard Schröder als Muster-Sozialdemokraten beschreibt. Zusätzlich dazu ist es aber auch noch extrem unfair, weil gerade diese Partei immer wieder und wieder im Bundestag beweist, dass sie zuverlässig immer jene Redner und Wähler stellt, die gegen Gesetze stimmen, die den meisten Leuten nicht gefallen (auch gegen die Vorratsdatenspeicherung!).

Mit den Piraten ist es ähnlich: Auch die haben sehr seltsame Gestalten in ihren Reihen und Probleme mit der Parteigründung. Die hatten die Sozialdemokraten und Sozialisten in den 1870er und 1880ern aber auch.

Warst du schonmal bei einer Wahl? Hast du gesehen, wie lang die Wahlzettel sind? Du hast einen ganzen Berg an Alternativen. Und wenn die dir alle nicht zusagen kannst du den Wahlzettel immernoch ungültig machen.

Jeder mag wählen, wie er mag, aber ich verstehe beim besten Willen jene Leute nicht, die sagen "ich mag keine der etablierten Parteien und weiß, dass die mich alle belügen - aber ich wähle sie trotzdem, weil ich meine Stimme nicht an eine kleine Partei verschwenden will."
Was will man denn damit erreichen? Entweder dir gefällt die Politik: dann wähl sie! Oder sie gefällt dir nicht: dann wähl was anderes.
Soviele Menschen sind regelmäßig unzufrieden und enttäuscht von CDU und SPD und am Ende ist man trotzdem kein großer Prophet, wenn man sagt, dass eine der beiden Parteien nach der nächsten Wahl regieren wird.

Die großen Parteien dürfen im Prinzip tun und lassen was sie wollen. Es gibt manchmal eine kleine Empörung und eine der beiden Parteien wird für eine oder zwei Legislaturperioden abgestraft und dann ist alles wieder wie zuvor. Die Kleinen aber werden für jeden Idioten, der in der Basis rumläuft und gehirnvertrockneten Unsinn redet abgestraft.
 
Ich bin nicht hier um Wahlkampf oder Werbung für die Linke zu betreiben. Aber dennoch muss ich dir widersprechen. Regierungen auf jeder Ebene unterscheiden sich stark. Du kannst z.B. eine oft sehr linke Komunal- oder Bezirksregierung der SPD nicht mit der Politik der SPD auf Bundesebene vergleichen.
Trotzdem: selbst wenn die Linke mit Regierungsverantwortung anders handeln würde (was sie zwangsläufig irgendwann täte: Macht korumpiert.), lohnt es sich dennoch eine Partei zu wählen, die eine zuverlässige Oposition darstellt.

GENAUSO lohnt es auch kleine Parteien zu wählen. Auch ein Parlament mit lauter 5% Parteien hat eine wichtige Funktion. Das gäbe endlich mal ein Signal. Und auch eine Partei die plötzlich mit nur 20% der Stimmen regiert, wird das Signal erkennen.
Übrigens kannst du mit der Einstellung: "Kleine Parteien brauche ich nicht wählen, die werden ja eh nicht regieren" genausogut auch gleich zu Hause bleiben. In der Wahl zum ersten deutschen Reichstag 1871 erreichten die Sozialdemokraten sagenhafte 3,2% und damit zwei Mandate. Die hätte man damals also auch gar nicht erst wählen brauchen, oder?
 
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