Zunächst einmal: Schöne Diskussion!
Das meiste das ich selbst zu diesem Thema zu sagen hätte, wurde schon von dem einen oder anderen angesprochen - dennoch möchte ich auch kurz meine Sicht schildern.
Abgesehen von der konkreten Bibel-Interpretation der christlichen Minderheit der Kreationisten, geht es in diesem Thread ja um den Gegensatz zwischen einem wissenschaftlich geprägten und einem religiös geprägten Weltbild. Für mich persönlich ist der bedeutendste Unterschied der Umstand das wissenschaftliche Erklärungen, Theorien und Hypothesen eben nicht in Stein gemeißelt sind, sondern beständig erweitert, verbessert oder gar ganz verworfen werden. Eine wissenschaftliche Theorie ist der Versuch einen bestimmten Teil der Realität oder ein bestimmtes Phänomen auf Basis von bekannten Daten zu beschreiben und Prognosen über die weitere Entwicklung anzustellen. Erklärt eine Theorie die bekannten Fakten schlüssig und bewahrheiten sich die auf Basis dieser Theorie erstellten Prognosen, dann gilt die Theorie als gültig und zwar solange bis neue Daten vorliegen, die es erlauben die Realität noch präziser zu beschreiben oder die der Theorie widersprechen - in diesem Fall wird die Theorie entweder angepasst oder durch eine neue Theorie ersetzt. Kurz gesagt: Wissenschaftliche Erklärungen entwickeln sich beständig weiter und spiegeln selbst im Idealfall immer nur die bestmögliche Erklärung auf Basis der aktuellen Daten wider, sie werden aber beständig besser und präziser.
Im Gegensatz dazu basiert ein religiöses Weltbild in der Regel auf unveränderlichen göttlichen Offenbarungen. Für die Christen gilt z. B. die Bibel als Sammelwerk göttlicher Wahrheiten & Offenbarungen. Und wenn die Texte der Bibel auch letztendlich von Menschen geschrieben wurden, so wurden sie - nach christlicher Lehre - doch vom Heiligen Geist inspiriert.
Die einen suchen also nach Antworten in dem sie die Realität beobachten, Theorien erstellen und deren Gültigkeit durch Experimente auf die Probe stellen. Die anderen suchen nach Antworten in dem sie über die Bedeutung sehr alter Texte meditieren (meditieren hier im Sinne von intensiv nachdenken). Letzteres kann durchaus Sinn machen wenn es um die Natur des Menschen, menschliche Motivation und um Ethik geht, denn auch zur Zeit der Entstehung dieser Texte waren Menschen schon Menschen und tickten vermutlich nicht anders als heutige Menschen. Ich sehe also keinen Grund warum man z. B. aus der Bibel keine tieferen Einsichten über die Psyche, Soziologie und Moral des Menschen gewinnen könnte - problematisch wird es aber, zumindest meiner Meinung nach, wenn man versucht aus der Bibel auch Antworten auf die Enstehung der Welt (bzw. des Kosmos) oder die Naturgesetze abzuleiten.
Damit wären wir dann bei den Kreationisten angekommen. Die christliche Inspirationslehre (die Inspiration der Bibel-Autoren durch den Heiligen Geist) habe ich bereits angesprochen, doch diese Lehre gibt es in verschiedenen Ausprägungen und die Ausprägung auf die sich z. B. Kreationisten berufen, ist die Verbalinspiration - also der Glaube das der Heilige Geist die Ausführungen bis aufs letzte Wort inspiriert hat und die Bibel somit eine unumstößliche, göttliche Wahrheit darstellt. Für Anhänger dieser Lehre ist die Bibel also das Maß aller Dinge und alles was im Widerspruch zur Bibel steht ist somit falsch und eine Irrlehre. Obwohl die Inspirationslehre an sich Teil der allgemeinen christlichen Lehre ist, also von praktisch allen christlichen Konfessionen und Gruppierungen vertreten wird, findet sich die radikale Ausprägung der Verbalinspiration hauptsächlich bei besonders orthodoxen protestantischen Gruppierungen. Diese unterschiedlichen Ausprägungen zeigen sich z. B. auch in dem Umstand das sich die katholische Kirche - die eigentlich nicht gerade für Fortschrittlichkeit oder Wissenschaftshörigkeit bekannt ist - schon unter Johannes Paul II. klar vom Kreationismus distanzierte und zur Evolutionslehre bekannte (da der Mann mittlerweile als Heiliger gilt, kann er sich da vermutlich auch nicht irren
). Auch die meisten evangelischen Gruppierungen sehen das so - mit Ausahme radikaler Minderheiten.
Das ist auch der Grund warum die USA heute die Hochburg der evangelikaler Bewegungen wie der Kreationisten sind, denn bekanntlich waren die Pilgerväter eine ultra-orthodoxe Splittergruppe der anglikanischen Kirche, die für eine Reformation nach lutherisch-calvinistischen Vorbild standen. Schon der Gründungsmythos der USA steht also im Zusammenhang mit religiösen Eiferern und bis heute sind religiöse Gruppierungen eine starke politische Kraft in den Staaten. Und das ist auch der Grund warum ich persönlich Evangelikale im allgemeinen und Kreationisten im besonderen, nicht (mehr) auf die leichte Schulter nehme: Die sogenannte religiöse Rechte der USA ist eng mit der Politik verbandelt, besonders (aber nicht nur!) mit den Republikanern ziehen sie oft an einem Strang und sie hatten immer wieder großen Einfluß auf Präsidentschaftswahlen und Präsidenten. Den größten Einfluß hatten diese, religiös wie politisch ultra-konservativen Kräfte, auf George W. Bush und dem haben wir Dinge wie die "Achse des Bösen" und den "Krieg gegen den Terror" zu verdanken, den er auch gelegentlich als "Kreuzzug gegen das Böse" bezeichnete und natürlich war er auch dafür Intelligent Design in den Biologieunterricht aufzunehmen. Wenn also christliche Fundamentalisten wie evangelikale Gruppierungen Einfluss auf die Regierung des politisch und militärisch mächtigsten Staat dieser Erde ausüben können, sollte man diese Gruppierungen, ihre Lehren und ihre Aktionen imho aufmerksam beobachten. Denn wer dem Kreationismus anhängt, der offenbart eine religiös-archaische Weltsicht, die ich als Gefahr für eine moderne, liberale und säkulare (säkular im Sinne von Trennung von Kirche und Staat) Gesellschaft betrachte.
Zum Schluß sei noch gesagt das ich denke das jeder Mensch das Recht hat zu glauben was er will (was den Kreationismus mit einschließt) und möglicherweise ist auch meine Sichtweise, dass wissenschaftliche Forschung (wenn sie über die notwendige Zeit, die Mittel und das entsprechende Instrumentarium verfügt) letztendlich alle Fragen beantworten kann, auch nur eine Form des Glaubens.
Aber dennoch verwundert mich das scheinbar tiefe Bedürfnis mancher Menschen "die" Wissenschaft als falsch, fehlerhaft oder zumindest lückenhaft zu diskreditieren. Das wissenschaftliche Theorien oft fehlerhaft oder lückenhaft sind, habe ich eingangs bereits erwähnt - aber ich kenne kein Konzept das ähnlich transparent und selbstkritisch ist, wie seriöse wissenschaftliche Forschung. Und letztendlich funktioniert es ja auch, deshalb möchte ich mit diesem Statement von Richard Dawkins schließen:
Das meiste das ich selbst zu diesem Thema zu sagen hätte, wurde schon von dem einen oder anderen angesprochen - dennoch möchte ich auch kurz meine Sicht schildern.
Abgesehen von der konkreten Bibel-Interpretation der christlichen Minderheit der Kreationisten, geht es in diesem Thread ja um den Gegensatz zwischen einem wissenschaftlich geprägten und einem religiös geprägten Weltbild. Für mich persönlich ist der bedeutendste Unterschied der Umstand das wissenschaftliche Erklärungen, Theorien und Hypothesen eben nicht in Stein gemeißelt sind, sondern beständig erweitert, verbessert oder gar ganz verworfen werden. Eine wissenschaftliche Theorie ist der Versuch einen bestimmten Teil der Realität oder ein bestimmtes Phänomen auf Basis von bekannten Daten zu beschreiben und Prognosen über die weitere Entwicklung anzustellen. Erklärt eine Theorie die bekannten Fakten schlüssig und bewahrheiten sich die auf Basis dieser Theorie erstellten Prognosen, dann gilt die Theorie als gültig und zwar solange bis neue Daten vorliegen, die es erlauben die Realität noch präziser zu beschreiben oder die der Theorie widersprechen - in diesem Fall wird die Theorie entweder angepasst oder durch eine neue Theorie ersetzt. Kurz gesagt: Wissenschaftliche Erklärungen entwickeln sich beständig weiter und spiegeln selbst im Idealfall immer nur die bestmögliche Erklärung auf Basis der aktuellen Daten wider, sie werden aber beständig besser und präziser.
Im Gegensatz dazu basiert ein religiöses Weltbild in der Regel auf unveränderlichen göttlichen Offenbarungen. Für die Christen gilt z. B. die Bibel als Sammelwerk göttlicher Wahrheiten & Offenbarungen. Und wenn die Texte der Bibel auch letztendlich von Menschen geschrieben wurden, so wurden sie - nach christlicher Lehre - doch vom Heiligen Geist inspiriert.
Die einen suchen also nach Antworten in dem sie die Realität beobachten, Theorien erstellen und deren Gültigkeit durch Experimente auf die Probe stellen. Die anderen suchen nach Antworten in dem sie über die Bedeutung sehr alter Texte meditieren (meditieren hier im Sinne von intensiv nachdenken). Letzteres kann durchaus Sinn machen wenn es um die Natur des Menschen, menschliche Motivation und um Ethik geht, denn auch zur Zeit der Entstehung dieser Texte waren Menschen schon Menschen und tickten vermutlich nicht anders als heutige Menschen. Ich sehe also keinen Grund warum man z. B. aus der Bibel keine tieferen Einsichten über die Psyche, Soziologie und Moral des Menschen gewinnen könnte - problematisch wird es aber, zumindest meiner Meinung nach, wenn man versucht aus der Bibel auch Antworten auf die Enstehung der Welt (bzw. des Kosmos) oder die Naturgesetze abzuleiten.
Damit wären wir dann bei den Kreationisten angekommen. Die christliche Inspirationslehre (die Inspiration der Bibel-Autoren durch den Heiligen Geist) habe ich bereits angesprochen, doch diese Lehre gibt es in verschiedenen Ausprägungen und die Ausprägung auf die sich z. B. Kreationisten berufen, ist die Verbalinspiration - also der Glaube das der Heilige Geist die Ausführungen bis aufs letzte Wort inspiriert hat und die Bibel somit eine unumstößliche, göttliche Wahrheit darstellt. Für Anhänger dieser Lehre ist die Bibel also das Maß aller Dinge und alles was im Widerspruch zur Bibel steht ist somit falsch und eine Irrlehre. Obwohl die Inspirationslehre an sich Teil der allgemeinen christlichen Lehre ist, also von praktisch allen christlichen Konfessionen und Gruppierungen vertreten wird, findet sich die radikale Ausprägung der Verbalinspiration hauptsächlich bei besonders orthodoxen protestantischen Gruppierungen. Diese unterschiedlichen Ausprägungen zeigen sich z. B. auch in dem Umstand das sich die katholische Kirche - die eigentlich nicht gerade für Fortschrittlichkeit oder Wissenschaftshörigkeit bekannt ist - schon unter Johannes Paul II. klar vom Kreationismus distanzierte und zur Evolutionslehre bekannte (da der Mann mittlerweile als Heiliger gilt, kann er sich da vermutlich auch nicht irren

Das ist auch der Grund warum die USA heute die Hochburg der evangelikaler Bewegungen wie der Kreationisten sind, denn bekanntlich waren die Pilgerväter eine ultra-orthodoxe Splittergruppe der anglikanischen Kirche, die für eine Reformation nach lutherisch-calvinistischen Vorbild standen. Schon der Gründungsmythos der USA steht also im Zusammenhang mit religiösen Eiferern und bis heute sind religiöse Gruppierungen eine starke politische Kraft in den Staaten. Und das ist auch der Grund warum ich persönlich Evangelikale im allgemeinen und Kreationisten im besonderen, nicht (mehr) auf die leichte Schulter nehme: Die sogenannte religiöse Rechte der USA ist eng mit der Politik verbandelt, besonders (aber nicht nur!) mit den Republikanern ziehen sie oft an einem Strang und sie hatten immer wieder großen Einfluß auf Präsidentschaftswahlen und Präsidenten. Den größten Einfluß hatten diese, religiös wie politisch ultra-konservativen Kräfte, auf George W. Bush und dem haben wir Dinge wie die "Achse des Bösen" und den "Krieg gegen den Terror" zu verdanken, den er auch gelegentlich als "Kreuzzug gegen das Böse" bezeichnete und natürlich war er auch dafür Intelligent Design in den Biologieunterricht aufzunehmen. Wenn also christliche Fundamentalisten wie evangelikale Gruppierungen Einfluss auf die Regierung des politisch und militärisch mächtigsten Staat dieser Erde ausüben können, sollte man diese Gruppierungen, ihre Lehren und ihre Aktionen imho aufmerksam beobachten. Denn wer dem Kreationismus anhängt, der offenbart eine religiös-archaische Weltsicht, die ich als Gefahr für eine moderne, liberale und säkulare (säkular im Sinne von Trennung von Kirche und Staat) Gesellschaft betrachte.
Zum Schluß sei noch gesagt das ich denke das jeder Mensch das Recht hat zu glauben was er will (was den Kreationismus mit einschließt) und möglicherweise ist auch meine Sichtweise, dass wissenschaftliche Forschung (wenn sie über die notwendige Zeit, die Mittel und das entsprechende Instrumentarium verfügt) letztendlich alle Fragen beantworten kann, auch nur eine Form des Glaubens.
Aber dennoch verwundert mich das scheinbar tiefe Bedürfnis mancher Menschen "die" Wissenschaft als falsch, fehlerhaft oder zumindest lückenhaft zu diskreditieren. Das wissenschaftliche Theorien oft fehlerhaft oder lückenhaft sind, habe ich eingangs bereits erwähnt - aber ich kenne kein Konzept das ähnlich transparent und selbstkritisch ist, wie seriöse wissenschaftliche Forschung. Und letztendlich funktioniert es ja auch, deshalb möchte ich mit diesem Statement von Richard Dawkins schließen:
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