Das bisschen das passiert, geht ja im Grunde nur auf Engagement "normaler" Bürger zurück. Die Politik scheint fest entschlossen zu sein die Affäre abwechselnd kleinzureden oder für beendet zu erklären - offensichtlich will man das ganze einfach aussitzen.
Das wir trotzdem immer wieder mal den Versuch erleben eine öffentliche Debatte ins Leben zu rufen, geht vor allem auf die Medien zurück. Und auch IT-Experten und Organisationen wie der CCC haben nicht nur bereits lange vor den Snowden-Leaks über die Möglichkeiten und Gefahren der Überwachung der elektronischen Kommunikation gewarnt - sie haben auch immer wieder versucht mit ihren Expertisen den Politikern die Augen zu öffnen. Ich kann gar nicht zählen wie oft Vertreter des CCC als Experten von Politikern angehört wurden, nur damit ihre Warnungen dann komplett ignoriert wurden - bis sie sich dann (z. B. wie im Falle des Bundestrojaners) als völlig berechtigt erwiesen.
Das Problem ist, meiner Meinung nach, das es schlichtweg eine mächtige Allianz gibt, die unbedingt überwachen will und die Möglichkeiten der Überwachung auch beständig ausbauen will: Zum einen sind es natürlich Geheimdienste, aber auch Polizeibehörden. Daten sammeln und auszuwerten gehört bei denen natürlich zum Berufsbild und somit kann es aus ihrer Sicht natürlich nur gut sein, wenn die Möglichkeiten zum Datensammeln voll ausgeschöpft und sogar beständig erweitert werden.
Aber auch seitens der Wirtschaft gibt es ein Interesse an Überwachung, nicht nur weil der "gläserne Kunde" mehr Profit verspricht, sondern weil das Überwachungsgeschäft ein lukrativer Markt mit zahlungskräftigen Kunden (den High-Tech-Staaten) ist. Schon während des Wettrüstens des Kalten Krieges hat sich im Westen eine gefährliche Allianz, der sogenannte militärisch-industrielle Komplex, gebildet und den Staatshaushalt als sprudelnde Geldquelle entdeckt. Der militärisch-industrielle Komplex ist dabei eigentlich eine Maschine zum Gelddrucken, die auf der Verflechtung von Militärs, Politikern und der Rüstungsindustrie beruht. Während die Militärs mit Beschreibungen über die militärische Kampfkraft des Feindes das Volk und die wechselnden Regierungen in einen Zustand permanent gefühlter Bedrohung hielten, gaben sie ihren Buddies in der Politik die nötige Vorlage um große Teile des Haushaltes in die Rüstung umzuleiten, den Rüstungsetat beständig zu erhöhen und dafür zu sorgen das die Geldströme in den richtigen Taschen landeten. Die richtigen Taschen waren natürlich die Buddies in der Rüstungsindustrie, die sich so eine goldene Nase verdienten, ihren Gewinn aber teilten in dem sie ihren Buddies in der Politik großzügige Partei- & Wahlkampfspenden zukommen ließen und ihren Buddies im Militär fette Beraterhonorare zahlten. Schon im Jahr 1961 bezeichte Präsident Eisenhower den militärisch industriellen Komplex als Bedrohung für die Demokratie:
„Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss -- beabsichtigt oder unbeabsichtigt -- durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potential für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Militärisch-industrieller_Komplex
Ich fürchte bei Thema Überwachung und Ausbau des Überwachungsstaats haben wir es heute mit einer Art nachrichtendienstlich-industriellen Komplex zu tun: Einerseits sind da Geheimdienste & Sicherheitsbehörden die beständig "Terror, Terror, Terror" rufen und ein surreales Gefühl der Bedrohung erschaffen, andererseits die sogenannten Hardliner & Sicherheitsexperten in der Politik, die an juristischen Hürden sägen und innerhalb der Regierungen Lobbyarbeit für immer schärfere Gesetze leisten. Und natürlich die Wirtschaft, die nur zu gern Geld mit der Lieferung neuer Überwachungssoftware oder Technologien verdient. Mit der Verflechtung zwischen Sicherheitsbehörden, Politiker und Wirtschaft beschäftigt sich auch dieser lesenswerte Artikel:
Die Strippenzieher: Wenn zusammen kommt, was nicht zusammen gehört (Update) - News - gulli.com
Die Folgen dieser fehlgeleiteten Politik sind nicht nur die Erosion von Rechsstaatlichkeit & Bürgerrechten, sondern auch die stetige Aufrüstung und Kompetenzerweiterung der Sicherheitsbehörden - mit teils absurden Folgen:
Bürgerrechtler zählen bis zu 5000 Todesfälle durch "überzogene Polizeigewalt" in den letzten zehn Jahren. Das statistische Risiko, durch ein SWAT-Team ums Leben zu kommen, soll in den USA inzwischen achtmal höher liegen als durch Terrorismus.
Quelle:
Panzer für US-Polizei: Militär gibt Material an Polizisten - SPIEGEL ONLINE
Soviel zu dem Grund warum, aus meiner Sicht, die Politik versucht den Kopf in den Sand zu stecken und die Affäre einfach auszusitzen. Mögliche Wege wie man die Datenammelwut der Geheimdienste zumindest erschweren & verteuern kann, haben gerade IT-Experten vor dem NSA-Ausschuss aufgezeigt:
Die NSA ist einfach auszubremsen: Deutschland und Europa müssten nur endlich ihre
Kommunikation effizient verschlüsseln. Es war eine sehr politische Botschaft, die drei IT-Experten am Donnerstag den Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses überbrachten. Frank Rieger vom Chaos Computer Club (CCC), der von der Opposition in den Ausschuss geladen wurde, formulierte diese als Kampfansage an den amerikanischen Geheimdienst: "Man könnte es schaffen, die NSA totzurüsten", sagte er. Das einzige, was es dazu brauche, sei sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Aber dazu müsste natürlich der Widerstand des nachrichtendienstlichen-industiellen Komplexes überwunden werden:
Bislang jedoch hat sich die Bundesregierung dieser Forderung nach Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stets verweigert. Sichtbar wurde das
zuletzt bei der sogenannten DE-Mail. Dieser bewusst als sicher angepriesene Behörden-E-Mail-Dienst bietet eben keine solche vollständige Verschlüsselung. Die Vermutung dazu lautet: Damit BND und Verfassungsschutz die Mails der Bürger lesen können.
Quelle:
Überwachung: "Wir können die NSA totrüsten" | ZEIT ONLINE