BigBrother - wenn der Staat zum Schnüffler wird

Schon vor ein paar Tagen hatten Chromatin und ich beschlossen neben allgemeinen politischen Diskussionen, die Themen Internet Governance und Datenschutz zu Schwerpunkt-Themen des schönen neuen Politik-Forums zu machen. Aus aktuellem Anlass möchte ich mich nun etwas auf das Thema Datenschutz, bzw. auf das Gegenteil davon, nämlich staatliche Datenschnüffellei fokussieren.
Der aktuelle Anlass dürfte allen hier bekannt sein: Gerade hat der CCC verkündet das sie den sogenannten Bundestrojaner identifiziert und analysiert haben. Ich werde hier die Frage nach der Authenzität des Codes ausklammern und voraussetzen das es sich wirklich um den Bundestrojaner handelt - wenn man von dieser Prämisse ausgeht enthalten die Enthüllungen des CCC gleich in mehrfacher Hinsicht Sprengstoff: So verschlüsselt der Code zwar die Datenströme die er vom infizierten Rechner abgegriffen hat, er lässt sich aber durch gänzlich unverschlüsselte Befehle steuern, solange diese scheinbar von der IP Adresse eines C&C Servers in Ohio stammen - durch simples IP-Spoofing könnten also auch Unbefugte Kontrolle über den Trojaner und damit über den infizierten Rechner übernehmen. Der Server in Ohio ist aber auch noch aus anderer Hinsicht problematisch - wie kann es sein das deutsche Behörden den Traffic ihrer technischen Überwachungsmaßnahmen über einen amerikanischen Server abwickeln? Dummheit oder Absicht? Mit Abstand am problematischsten für die deutschen Behörden & das Innenministerium aber ist die Tatsache, dass der Trojaner über Funktionalitäten verfügt, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verboten hat. In seinem Urteil vom 27. Februar 2008 hatte das BVerfG nämlich ausdrücklich festgelegt das der Bundestrojaner ausschliesslich zur Quellen-TKÜ eingesetzt werden dürfte. Quellen-Telekommunikationsüberwachung bedeutet das z. B. Internet-Telefonie, E-Mails und Chat-Gespräche schon auf dem Rechner des "Verdächtigen" abgefangen werden - also bevor sie verschlüsselt und übertragen werden. Das hat das BVerFG erlaubt, insofern wäre der Trojaner also das Gegenstück zu einer Wanze in Telefonen - um das zu gewährleisten hieß es in dem Urteil gestattet sei es nur:
„wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt“
Alles andere war somit ausdrücklich verboten und dieses Verbot müsse, laut BVerFG, ausdrücklich
„durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt werden“
Quelle: Chaos Computer Club: Der deutsche Staatstrojaner wurde geknackt - Aktuell - FAZ
Bedauerlicherweise kann der Trojaner jedoch auch in schneller Frequenz Screenshots vom befallenen Rechner machen und somit auch Dinge dokumentieren die nie für die Kommunikation gedacht waren. Anstatt nur Chats, Internet-Telefon-Gespräche und Mails abzufangen, kann BigBrother also plötzlich auch das Tagebuch lesen und alles nachvollziehen was auf dem Rechner passiert - ein klarer Verstoß gegen das Urteil des BVerFG!
Aber auch das ist noch nicht alles: Leider ermöglicht der Bundestrojaner es auch beliebige Malware und Programme über das Internet nachzuladen und auf dem befallenen Rechner zu installieren. Und hier wird es richtig kritisch - wie will man sicher sein das die "Beweise" auf dem Rechner des "Verdächtigen" wirklich selbst installiert wurden und ihm nicht in Wirklichkeit mittels des Trojaners untergeschoben wurden? Es ist schliesslich schon vorgekommen das Beweise manipuliert und untergeschoben wurden - man denke nur an die unappetitliche Affäre bei der HSH-Bank, wo einem ungeliebten Mitarbeiter Kinderpornos untergeschoben wurden. Dank des Trojaners müsste man sich für solche Schweinereien nicht einmal mehr physischen Zugang zu dem Rechner verschaffen. Die logische Folge dieser Enthüllung ist klar: Plötzlich sind alle "Beweise" die auf Computern gefunden wurden, die vom Bundestrojaner infiziert waren, fragwürdig. Ich denke die juristischen Konsequenzen dürften gewaltig sein...:rolleyes:
Vor diesem Hintergrund ist die Lizenz-Verletzung der sich die Urheber des Codes auch noch schuldig gemacht haben, beinahe marginal - spätestens seit den Plagiats-Affären wissen wir ja wie wenig Respekt deutsche Politiker vor Urheberrechten haben.
Doch an dieser Affäre, ich bin versucht sie TrojanerGate zu nennen, wird klar wie wenig Respekt deutsche Politiker auch vor dem Grundgesetz haben, vor Bürgerrechten und vor Datenschutz...X(
Nehmen wir nur einmal unseren amtierenden Innenminister Friederich: Erst im April 2011 hatte er, im Zusammenhang mit der verfassungsfeindlichen Vorratsdatenspeicherung, gefordert das es im Internet "keinen rechtsfreien Raum" geben dürfe - auch für den Bundestrojaner hatte er sich ausdrücklich eingesetzt. Und im August, nach dem Amoklauf in Norwegen, forderte er ausdrücklich die Anonymität im Netz müsse aufgehoben werden. Aber was ist mit dem rechtsfreien Raum in dem sich Politiker, Geheimdienste und Polizeibehörden bewegen? Was ist mit der Anonymität der Urheber dieses Bundestrojaners, die ganz offensichtlich auf das Grundgesetz, auf Bürgerrechte und auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts scheißen?
 
Diese ganze Big Brother-Atmosphäre, die schon seit einigen Jahren mehr und mehr zunimmt, macht mir teilweise echt Probleme, emotional. Ich selber habe (ausser meiner Privatsphäre!) nichts zu verbergen und dennoch habe ich eine gewisse Paranoia entwickelt. Ein so dermaßen großes Misstrauen in "die da Oben", dass ich schon wütend werde wenn ich nur das Wort Innenminister höre.

Ich selber stelle mir in fast wöchentlichem Abstand die Frage, wie ich damit eigentlich umgehen soll. Ob ich noch an demokratische Lösungswege glaube, ob man Unrecht mit Unrecht bekämpfen sollte..

Eine mögliche Erklärung, die vielleicht naiv ist, die es mir aber zumindest ab und zu ermöglicht, meine Wut loszuwerden ist der Gedanke, dass es sich hier (Netzpolitik, aber nicht nur) um einen Generationskonflikt handelt, der sich entsprechend von selbst lösen wird. Nur bleibt die Angst, dass in den nächsten 10-20 Jahren von der jetzigen Politikergeneration zu viel zerstört wird..
 
Ich selber habe (ausser meiner Privatsphäre!) nichts zu verbergen und dennoch habe ich eine gewisse Paranoia entwickelt.
Das nächste große gesellschaftliche Problem: Jeder meint er habe nichts zu verbergen, daher gehe das schon. Erschreckend viele lassen mit dieser Rechtfertigung immer mehr zu, da sie glauben es gäbe niemanden der ihre Daten missbrauchen werde. Dies betrifft ältere Semester sowie jüngere Leute und ob solche Skandale ein Umdenken einleiten werden ist fraglich, denn "Privacy is hard".
 
Nur damit mein Satz nicht missverstanden wird: Ich HABE etwas zu verbergen, selbst wenn ich "nichts zu verbergen habe", nämlich meine Privatsphäre.
 
Das nächste große gesellschaftliche Problem: Jeder meint er habe nichts zu verbergen, daher gehe das schon.
Das ist meiner Meinung nach eines der größten Probleme in diesem Bereich überhaupt. Ich habe schon viele Diskussionen gehabt, bei denen mein Diskussionspartner meinte: "Naja, aber eigentlich habe ich ja nicht wirklich was zu verbergen. Und wenn dadurch dann Verbrecher gefasst werden, geht das schon in Ordnung..."
Wenn man dann erwähnt, dass man gleich schonmal damit anfängt, die Gardinen abzuhängen, da ja nichts zu verbergen sei, reagieren die meisten recht erstaunt.

Und von der Ansicht, dass niemand mit den Daten unlautere Sachen macht, habe ich mich schon lange verabschiedet. Nachdem es vielen Behörden nicht gelingt, ihre Netze, Systeme und Homepages auch nur grundlegend abzusichern, sehe ich keinen Anlass, um den Behörden und staatlichen Stellen mehr vertrauen entgegenzubringen, als jedem anderen Unternehmen.
Facebook hat in dieser Hinsicht immerhin den Vorteil, dass man von vornherein weiß, dass die Daten weiterverwendet werden.

Ein weiteres Problem bei der Datensammelwut des Staates liegt darin, dass viele Lobbyverbände erschreckend viel Einfluss auf die Entscheidungsträger haben. Man kann sich also nie sicher sein, wer genau was mit den Daten machen wird und an wen sie alles weitergegeben werden.

Tarantoga hat gesagt.:
man denke nur an die unappetitliche Affäre bei der HSH-Bank, wo einem ungeliebten Mitarbeiter Kinderpornos untergeschoben wurden.
In diesem Bereich ist das ganze leider besonders krass: Sobald auch nur andeutungsweise Kinderpornographie im Spiel ist, setzt bei vielen Menschen das Denken komplett aus und es heißt: "Alles was gegen Kinderpornographie ist, ist gut." Das viele Maßnahmen in keiner Weise in Bezug auf dieses Thema hilfreich oder notwendig sind, wird dann nicht weiter hinterfragt. Sobald man etwas gegen eine Maßnahme sagt, die mit der Begründung der Verhinderung der Kinderpornographie eingesetzt worden ist, wird man selber auch als entsprechender Schmutzfink dargestellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
justj hat gesagt.:
Das ist meiner Meinung nach eines der größten Probleme in diesem Bereich überhaupt. Ich habe schon viele Diskussionen gehabt, bei denen mein Diskussionspartner meinte: "Naja, aber eigentlich habe ich ja nicht wirklich was zu verbergen. Und wenn dadurch dann Verbrecher gefasst werden, geht das schon in Ordnung..."
Wenn man dann erwähnt, dass man gleich schonmal damit anfängt, die Gardinen abzuhängen, da ja nichts zu verbergen sei, reagieren die meisten recht erstaunt.
FullACK! Ich kann gar nicht zählen wie oft ich schon frustrierende Gespräche mit Bekannten, Freunden und Verwandten zum Thema Datenschutz und Datenmissbrauch hatte. Wenn der berüchtigte Satz "aber ich habe ja nichts zu verbergen" fällt, möchte ich am liebsten schreien...:rolleyes:
Allerdings werden die meisten blass wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt und ihnen anschaulich erklärt welche Datenspuren die meisten Menschen unserer High-Tech-Gesellschaft jeden Tag hinterlassen und welche ausgefeilten technischen Möglichkeiten es gibt um diese Daten zu sammeln, abzugleichen, zuzuordnen und zu analysieren. Ich habe sogar schon den einen oder anderen von PGP, TrueCrypt & TOR überzeugen können...;)

justj hat gesagt.:
Ein weiteres Problem bei der Datensammelwut des Staates liegt darin, dass viele Lobbyverbände erschreckend viel Einfluss auf die Entscheidungsträger haben. Man kann sich also nie sicher sein, wer genau was mit den Daten machen wird und an wen sie alles weitergegeben werden.
Das ist vollkommen richtig. Dazu kommt noch das man auch gar nicht einschätzen kann welche Daten die heute ganz harmlos erscheinen, vielleicht morgen schon von entscheidender Bedeutung sein können. Ein relativ harmloses Beispiel sind z. B. Party-Fotos die heute achtlos hochgeladen, den Traumjob von morgen zunichte machen können. Ein extremes und tragisches Beispiel ist das Schicksal der norwegischen Juden, die seit 1866 in Volkszählungen in eigenen Registern erfasst wurden - als die Nazis das Land besetzten konnten sie mit Hilfe dieser Register innerhalb kürzester Zeit die in Norwegen lebenden Juden aufspüren, deportieren und ermorden.
 
Update
Mittlerweile sind seit der Enthüllung des CCC ein paar Tage ins Land gegangen und wir sind ein wenig schlauer: Die Prämisse das es sich wirklich um den Bundestrojaner handelt, hat sich als wahr herausgestellt und mehr und mehr Länder haben zugegeben diesen oder ähnliche Trojaner bereits eingesetzt zu haben - wobei natürlich alle darauf beharren, dass dabei alles mit Recht und Ordnung zuging. Ist das so?
Zuerst einmal möchte ich an die erste Reaktion aus dem Innenministerium erinnern, die natürlich ein Dementi war:
Was auch immer der CCC untersucht hat oder zugespielt bekommen haben mag, es handelt sich dabei nicht um einen sogenannten Bundestrojaner
Nun ja, ich bin sicher das stimmt soweit - vermutlich nennt sich der Bundestrojaner im Amtsdeutsch der Behörden ganz anders...:rolleyes:
In dem Dementi hieß es ebenfalls das dieser Trojaner nicht vom BKA eingesetzt wurde, auch das könnte stimmen - aber zahlreiche Bundesländer haben bereits gesagt sie hätten den Code auf dem Wege der Amtshilfe vom Bund bekommen. Hat das BKA also den Trojaner nicht eingesetzt, aber dafür großzügig an LKAs verteilt? Die spannende Phase der gegenseitigen Beschuldigungen und des auf andere zeigens ist jedenfalls im vollen Gange.
Doch das genau der vom CCC analysierte Trojaner in Bayern eingesetzt wurde ist mittlerweile unstrittig - Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) hat selbst gesagt der Code lasse sich einem Verfahren aus dem Jahr 2009 zuordnen. Aber natürlich betonte er das alles ganz legal war...:rolleyes:
Hier möchte ich kurz rekapitulieren: Im Jahr 2008 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden das die Überwachung mittels Trojaner ausschliesslich zur Telekommunikationsüberwachung genutzt werden dürfe (also Internet-Telefonie, Chats, E-Mails...), alles andere müsse durch technische und rechtliche Vorgaben verhindert werden. Trotzdem wird im Jahr 2009 eine Software eingesetzt, die Screenshots machen kann (also auch Sachen dokumentieren kann die nicht für Kommunikation gedacht waren) und beliebigen Code nachladen kann. Diese Features verstossen klar gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Innenminister Herrmann sagte dazu:
Auch wenn technisch mehr möglich sei, würden die Behörden in Bayern keine Grenzen überschreiten, sagte Herrmann. "Ich kann für das bayerische LKA klar sagen, dass die dortigen Beamten sich selbstverständlich an die rechtlichen Grenzen halten."
Allerdings wurde bekannt das sehr wohl Screenshots angefertigt wurden:
Im Zuge der Ermittlungen wurden auch Zehntausende von Bildschirmfotos gemacht, in einem der Ermittlungsverfahren fast 30.000 Screenshots.
Obwohl das Bundesverfassungsgericht so etwas bereits im Vorjahr verboten hat, hat das LKA Bayern also unbeeindruckt Screenshots gemacht - doch das war noch nicht alles:
In allen fünf Fällen war der Einsatz der Trojaner zunächst richterlich genehmigt worden. In einem wurde das Vorgehen von der nächsten Instanz, dem Landgericht Landshut, später aber als rechtswidrig eingestuft.
Der Fall Landshut ist der Fall, in dem der Einsatz des analysierten Trojaners zugegeben wurde. Das Landgericht Landshut hat das Anfertigen von Screenshots ausdrücklich als rechtswidrig eingestuft. Und so kommentiert das Innenminister Herrmann:
"Wenn das Gericht in zweiter Instanz etwas, was das Gericht in erster Instanz angeordnet hat, nicht für zulässig hält, ist das etwas, was in unserem Rechtsstaat ständig passiert", so der Minister. "Es gibt bei der Frage, ob diese sogenannten Screenshots gemacht werden dürfen, unterschiedliche Auffassungen unterschiedlicher Gerichte."
Mittlerweile hat sich Innenminister Herrmann aber bereits um Kopf und Kragen dementiert, selbst der Sprecher von CSU Parteifreund und Bundesinnenminister Friedrich hat heute mehr oder weniger eingeräumt das in Bayern gegen Gesetze verstossen wurde:
Frage: Herr Teschke, war es eigentlich aus Sicht des Bundesinnenministers zulässig, dass Parteifreund Herrmann in Bayern den "Bayern-Trojaner" angewandt hat, obwohl er ganz klar gegen die Regeln verstoßen hat, die der Innenminister ‑ zumindest gestern in seinem Interview ‑ geäußert hat? Was gedenkt der Bundesinnenminister gegen den bayerischen Staatsminister des Innern zu unternehmen, damit das in Zukunft unterbleibt?
Teschke: Sie wissen, dass der bayerische Innenminister selber gestern den Einsatz der Software zunächst einmal eingestellt und gesagt hat, dass sie erst einmal nicht mehr zum Einsatz kommt. Wir als Bundesregierung sehen erst einmal die Länderverantwortung.
An dieser Stelle möchte ich darann erinnern das ein Innenminister für den Schutz der Verfassung zuständig ist, doch gerade in den Innenministerien, im Bund und in den Ländern, scheint man sich nicht unbedingt an die Verfassung gebunden zu fühlen - wenn man bedenkt wie oft Innenminister Regelungen (wie z. B. die Vorratsdatenspeicherung, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, etc.) fordern, die ganz klar Verfassungswidrig sind, kann man sich schon einmal fragen ob hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht wurde...X(

Ich möchte hier auch daran erinnern das "Online-Durchsuchungen" urprünglich nur gefordert wurden um damit gegen Schwerst-Kriminalität vorzugehen:

Als vor ein paar Jahren die Republik heftig über Online-Durchsuchungen, neuartige Trojaner und die Überwachungskultur an sich diskutierte, war für die Befürworter neuer Gesetze alles klar und einfach: Nur in Fällen schwerster Kriminalität, vor allem bei Terrorismus sowie in eng begrenzten Ausnahmefällen sollte der verdeckte Eingriff erfolgen.
Tatsächlich werden die Trojaner offenbar eher für die Jagd auf Betrüger und Kleinkriminelle genutzt:
In einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) und des Zolls, die wegen Steuerbetrugs durch illegalen Zigarettenhandel einen Verdächtigen per internationalem Haftbefehl suchen, kam es zu seiner Panne. Der Computer des Verdächtigen wurde durch das Überspielen des Trojaners beschädigt und die Festplatte lahmgelegt. In dem anderen Fall wurde die Software Ende 2010 vom Zoll bei den erfolgreichen Ermittlungen gegen eine internationale Betrüger-Bande eingesetzt, die mit gefälschen Potenzmitteln im Internet handelte.
Wer bewacht die Wächter?

Quellen:
Spionagesoftware: FDP will keine Screenshots erlauben | Aktuell | BR
Bundesregierung zum Staatstrojaner: Keine eigene Expertise - taz.de
Trojaner: Schnüffelsoftware nicht im Masseneinsatz - Nachrichten aus Brandenburg und Berlin
Späh-Affäre - Wie Bayern mit dem Trojaner Kleinkriminelle jagte - Digital - sueddeutsche.de
Überwachungssoftware: Bundesbehörde hat Trojaner laut Grünen an Länder verteilt | Politik | ZEIT ONLINE
 
Da ist zwar vieles brisant dran, aber für mich ist es glaube ich vor allem der unterste Absatz, der auch für Technik-DAUs sehr eindeutig sein sollte: Das Teil war GANZ KLAR nur für Verbrechen gedacht, wo Leib und Leben in Gefahr sind.

Jetzt wurde der Trojaner schon ein paar mal eingesetzt und bereits jetzt gibt es mehrere Fälle, wo das absolut nicht der Fall ist. X(

Eine Anmerkung noch zu den in Bayern angefertigten Screenshots: Ich weis nicht, welche Info aktuell ist. Zumindest wurde mal behauptet, dass der nur Screenshots vom Mail-Programm gemacht hätte, also nicht vom ganzen Screen. Da weis ich nun nicht, ob das gesetzlich auch untersagt ist.
 
Forks hat gesagt.:
Da ist zwar vieles brisant dran, aber für mich ist es glaube ich vor allem der unterste Absatz, der auch für Technik-DAUs sehr eindeutig sein sollte: Das Teil war GANZ KLAR nur für Verbrechen gedacht, wo Leib und Leben in Gefahr sind.

Jetzt wurde der Trojaner schon ein paar mal eingesetzt und bereits jetzt gibt es mehrere Fälle, wo das absolut nicht der Fall ist. X(
Daran sieht man das Ämter und Behörden nicht anders handeln als manche Individuen: Reicht man ihnen den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand. Zuerst wird etwas gefordert, z. B. Online-Durchsuchungen, dabei wird argumentiert das ohne dieses Mittel Gefahr für Leib und Leben eines jeden Bürgers besteht und das dieses Mittel ja sowieso nur gegen Terroristen und Mafiosi eingesetzt würde... Kaum erlaubt man ihnen Online-Durchsuchungen unter genauen Vorgaben, werden diese Vorgaben ignoriert, umgangen und ausgeweitet und eingesetzt wird das ganze gegen Zigaretten-Schmuggler und Online-Betrüger...:rolleyes:
Im Grunde sind unsere Law&Order-Fanatiker, für die das Grundgesetz und Bürgerrechte scheinbar nur ein Ärgernis sind, gierige Nimmersatte: Egal was man ihnen gestattet, sie fordern noch mehr und sie tun auch immer mehr als man ihnen gestattet hat. Ein weiteres Beispiel ist doch z. B. der Abhör-Skandal in Dresden:
Die Dresdner Polizei hat bei den Antinaziprotesten im Februar dieses Jahres die Handyverbindungen von tausenden Demonstranten, Anwohnern, Journalisten, Anwälten und Politikern ausgespäht. Wie die Staatsanwaltschaft Dresden der taz bestätigte, wurde am 19. Februar weiträumig eine sogenannte Funkzellenauswertung (FZA) durchgeführt.
Dabei erfasste die Polizei über einen Zeitraum von mindestens viereinhalb Stunden sämtliche Anrufe und SMS-Nachrichten, die bei allen Personen ein- oder ausgingen, die sich in der Südvorstadt aufhielten. Gespeichert wurden auch die exakten Positionen der Telefonnutzer. 12.000 Menschen wohnen in dem überwachten Gebiet, hinzu kamen an diesem Tag tausende Demonstranten, etliche Journalisten, Anwälte und Politiker.
Quelle: Demo-Überwachung per Mobilfunk: Mal eben ausgespäht - taz.de

Beim Spiegel findet sich noch das dazu:
Die Funkzellenauswertung sollte ursprünglich zur Aufklärung eines schweren Landfriedensbruchs dienen. Die Daten sind aber in mehreren Fällen auch in Ermittlungen gegen Personen eingeflossen, denen lediglich die Störung der angemeldeten Nazi-Demonstration vorgeworfen wird, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Mittlerweile sei sie aber der Ansicht, dass dieses Vorgehen juristisch nicht haltbar sei. "Wir halten das für nicht notwendig und nicht verwertbar", sagte Lorenz Haase, Oberstaatsanwalt in Dresden, der "tageszeitung".
Quelle: Demo in Dresden: Polizei wertete Tausende Handy-Daten aus - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Netzwelt
 
Meiner Meinung nach sind wir schon sehr weit in Richtung Überwachungsstaat gekommen. Die Grundrechte werden schon für relativ kleine Verbrechen recht stark verletzt. Dieser Zustand ist, finde ich nicht so nicht haltbar, besonders da es schon Urteile gibt, die eindeutig bestätigen, dass diese Praxis nicht rechtens ist.
Ich finde, dass das Vertrauen in den Staat und in die Bundes- und Landesbehörden stark leidet, wenn diese sich großzügig über höchstrichterliche Urteile hinwegsetzen.

Die Auslegung von Herrn Herrmann von erst- und zweitinstanzlichen Urteilen ist schon sehr interessant.

MfG,
justj
 
Der Rechtsanwalt und Spezialist für IT-Recht Thomas Stadler hat sich mal eingehend mit dem Bayerntrojaner und der Rechtslage befasst - sehr lesenswert!
Hier mal ein paar Highligths:
Aus einer eher unscheinbaren Meldung aus dem Bayernteil der gestrigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ vom 13.10.2011, S. R 17) ergibt sich, dass das bayerische Landeskriminalamt mittlerweile eingeräumt hat, den “Bayerntrojaner” seit Anfang 2009 in insgesamt 22 Fällen eingesetzt zu haben, wobei 12 Fälle allein auf das laufende Jahr entfallen.
Das bedeutet zunächst, dass es weit mehr als die fünf Fälle gibt, die die Staatsregierung zunächst gegenüber dem Landtag zugegeben hat.
[...]
Entweder hat also die Staatsregierung die Öffentlichkeit und den Landtag falsch informiert oder ist selbst vom LKA falsch informiert worden. Beides ist nicht akzeptabel.
[...]
Die jetzt eingeräumten 22 Fälle beziehen sich nach dem Bericht der SZ auf solche Ermittlungen, bei denen zusätzlich zur Quellen-TKÜ alle paar Sekunden heimlich Browser-Screenshots angefertigt und an das LKA geschickt wurden.
Das ist besonders pikant, da das Landgericht Landshut genau diese Praxis bereits mit Beschluss vom 20.01.2011 für rechtswidrig erklärt hat. Es ist auch juristisch evident, dass es sich hierbei um eine rechtswidrige Onlinedurchsuchung handelt, für die es keine Rechtsgrundlage gibt und die nach der Entscheidung des BVerfG die Grundrechte verletzt.
[...]
Diese bewusste Verletzung der Grundrechte ist von einer neuen Qualität und in dieser Form neu. Es war also keineswegs übertrieben, als Heribert Prantl in der SZ unlängst von einer neuen Form der Staatskriminalität sprach.
Quelle: Internet-Law » Bayerntrojaner: Behörden setzen sich gezielt über das Recht hinweg
 
Update
Nach dem die Enthüllungen über den Bundestrojaner mehr als eine Woche zurückliegen, meldet sich nun auch Innenminister Friedrich zu Wort - nachdem er in der heißen Phase des Skandals lediglich Pressesprecher vorschickte und selbst lieber nach Afghanistan reiste. Wer glaubt das der Zeitpunkt der Reise ein Zufall war, sollte folgendes Bedenken: Laut Fefe hat der CCC über Burkhard Hirsch von der FDP das Innenministerium vorab über die Erkenntnisse informiert. Friedrich wusste also das da eine Enthüllung bevorstand, die explizit sein Ressort betraf, trotzdem ist er genau zu dem Zeitpunkt nach Afghanistan gefolgen, als Bundespräsident Wulff eine seit Monaten geplante Afghanistan-Reise aufgrund der Sicherheitslage abgeblasen hat. Ich würde sagen Friedrich hat sich aus der Schusslinie gebracht - auch wenn das bei einer Afghanistan-Reise vielleicht nicht allzu offensichtlich ist...;)
Jetzt meldet sich Friedrich also zu Wort, nachdem er eine Woche lang seine Sprecher erst dementieren und dann Scheibchenweise Zugeständnisse machen ließ - ich glaube das nennt man Salami-Taktik. Es ist passend das er sich genau dort zu Wort meldet, wo dieser Skandal vor einer Woche auch außerhalb des Internets publik wurde: In der FAZ.
Und was sagt Friedrich so? Hier mal ein paar denkwürdige Sätze aus dem Interview:
Müssen Sie dem CCC nicht dankbar sein für diese Aufklärung?
Der CCC hat nichts aufgeklärt, sondern dem Chaos in seinem Namen alle Ehre gemacht. Da sind viele Missverständnisse entstanden.
[...]
Das Landgericht Landshut hat dezidiert die Auffassung vertreten, dass die Software in Bayern rechtswidrig angewendet wurde.
Das Landgericht Landshut hat zu den Möglichkeiten der Quellen-Telekommunikationsüberwachung eine andere Rechtsauffassung vertreten als die bayerische Staatsregierung.
Besonders vielsagend ist dieser Teil:
Innenpolitiker der Union und auch der Bundesdatenschutzbeauftragte sprechen von einer rechtlichen Grauzone.
Es gibt keine rechtliche Grauzone.
Laut Innenminister Friedrich gibt es also keine rechtliche Grauzone. Kurioserweise deutet seine nächste Antwort jedoch genauso etwas an:
Und Zigtausende Aufnahmen von Bildschirmen, so genannte Screenshots, die bei einer Quellen-TKÜ gemacht werden?
Das ist eine Frage, die unter Juristen umstritten ist. Das Landgericht Landshut sagt, es sei nicht erlaubt. Die bayerische Staatsregierung sagt, es sei erlaubt. Man kann ja auch anderer Auffassung sein als ein Landgericht.
Es gibt also keine rechtliche Grauzone, das anfertigen von Sreenshots ist unter Juristen lediglich "umstritten"...:rolleyes: Obwohl er im Grunde natürlich recht hat, eigentlich gibt es keine Grauzone - immerhin hat das Landgericht Landshut dies ausdrücklich untersagt. Aber Friedrichs Antwort darauf ist erschreckend ehrlich: Das Gericht sagt es ist nicht erlaubt, die bayrische Staatsregierung sagt es sei erlaubt - man kann ja anderer Auffassung sein...X(
Recht hat der Mann! Warum sollte sich eine Regierung auch von der unabhängigen Justiz vorschreiben lassen was erlaubt ist und was nicht?

Und wo wir gerade bei unabhängig sind, bei Fefe findet sich noch ein schönes Beispiel was deutsche Landesregierungen über unabhängige und somit unbequeme Köpfe denkt:
[l] Schleswig-Holstein hat das Datenschutzgesetz geändert, um den Datenschutzbeauftragten abwählbar zu machen. Das ist §35 Absatz 3:
(3) Der Landtag kann die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für Datenschutz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder abwählen.​
Der Thilo Weichert war in der Vergangenheit mehrfach negativ aufgefallen, weil er seine Arbeit gemacht hat. So haben sich die Parteien das natürlich nicht gedacht, als sie den Posten eingerichtet haben. Daher jetzt der Wink mit dem Zaunpfahl: tu was man dir sagt oder wir wählen dich ab.
Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht...8o

Quellen:
Im Interview: Bundesinnenminister Friedrich (CSU):
Afghanistan: Wulff sagte Kabul-Besuch nach Anschlägen ab - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach der wirklichen Überwachung halte ich das ständige Gefühl man könnte überwacht werden für das zweitgrößten Problem. (Panoptismus)

Dies führt dazu dass selbst legale aber vlt. Gesellschaftlich geächtete Verhaltensweisen eher ausbleiben da man stets das Gefühl hat dass man beobachtet werden könnte.

Zu den Landes/bundes-Trojaner muss ich denke ich nichts mehr sagen, das dass ganze unter aller Sau ist, vor allem mit Ausagen ala "Wenn das Gesetz verabscheidet worden wäre dann wären die von uns getätigten Aktionen legal" ist denke ich klar
 
In Zusammenhang mit Aussagen wie denen unseres gepriesenen Ministers für Warheit des Inneren frage ich mich des öfteren wie es um eine andere Grauzone bestellt ist ...

GG Art. 20:

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

"ab wann ist andere Abhilfe nicht mehr möglich?"
 
Mir sind da zwei Fragen aufgekommen:


1. Ist man trotz Anti-Trojaner-Haltung für diese "Quellen-TKÜ"?
2. Ist man trotz Anti-Trojaner-Haltung für den Kauf der Steuer-CDs, weil man ja in beiden Fällen nur die Schuldigen erwischt?

Für die Anhänger des Karlsruher-Octets, ich kenne das Urteil...
 
Mein Gutster du darfst nicht immer alles in einen Topf werfen und umrühren.
Die Steuer-CD enthält Informationen zu Namen und Kontoständen und nicht zu
sonstigen privaten Details der betroffenen Personen.
So eine TKÜ ist immer schwierig, weil dort eben auch private Dinge erfasst werden,
die erstens nichts mit einer Straftat zutun haben oder gar von gänzlich unbeteiligten Personen
geführt werden.
Bei der herkömmlichen TKÜ bestand die Möglichkeit die Aufzeichnung zu unterbrechen,
wenn dieser Fall eintrat, dies ist mit einem Trojaner, der die Daten
erstmal
an einen Server schickt nicht möglich. Von den anderen Funktionen die das Teil
ermöglicht mal ganz zu schweigen.
Es geht hier nicht um den Schutz von Verbrechern, sondern in der Hauptsache um den Schutz
ihrer Kommunikationspartner und Angehörigen, die eventuell die selben Geräte nutzen.
Selbst Verbrecher haben eine Privatsphäre die nichts mit ihren Taten zu tun hat
und dazu gehören Menschen, die nicht abgehört werden sollten.

Gruss
 
In Zusammenhang mit Aussagen wie denen unseres gepriesenen Ministers für Warheit des Inneren frage ich mich des öfteren wie es um eine andere Grauzone bestellt ist ...

GG Art. 20:

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

"ab wann ist andere Abhilfe nicht mehr möglich?"

Hab der Disskussion etwas verfolgt aber nicht jeden Link und Quellen angabe nachgelesen....

Ich stell mir jetzt die Frage wie der Widerstand aussehen kann, ohne dabei wiederum gegen das Gesetz zu verstoßen und die "Ordnung" zu zerstören?

Ist vielleicht genau die passage in paar Jahren der Dreh-und Angelpunkt, wenn es darum geht die erkämpfe Freiheit zu behalten?

Ich glaube bei vielen in der Bevölkerung ist das noch nicht angekommen was da passiert bzw passiert ist. Solange immer nur ein relativ kleiner Teil betroffen ist von den Überwachungen und solange man den größeren Teil eintrichtern kann, dies wird nur für euch gemacht!

Ich werde jetzt mal einen großen Bogen in die Geschichte Deutschlands schlagen(wird vielleicht für den ein oder anderen übertrieben klingen oder doch recht zweifelhaft aber ich vertrete die Meindung). Am anfang des Dritten Reiches wurde jegliche Intelligenz und Widerstand in der Bevölkerung ausradiert. Es wurde versucht den großteil Bevölkerung zu erreichen mit den Ziel, die anderen sind daran schuld und wir (der Staat/das Reich) will euch nur schützen. Passiert jetzt nicht genau das gleiche? Nur auf eine andere Art und Weise? Es ging los mit den "Anti Hacker Paragrafen", weil man wohl erkannte das die Schicht die sich intensiv ein Netzwerk aufbaut zur Informationssicherung und unzensierte Kommunikation später ein Problem werden kann. Es ist versucht wurden die spätere "Elite" auszusperren von Wissen (Einführung von Semesterbeiträgen, ich glaube kaum das ging von den Universitäten alleine aus). Es wird aktuell versucht der Bevölkerung glaubhaft zu machen, dass der Staat euch schützt aber dabei selber gegen seine Gesetze verstößt und dies tolleriert wird von der schon "verdummten" Bevölkerung. Kaum ist was aufgedeckt wurden, häufen sich die "Terrormeldungen". Jetzt ist es wieder Ruhig und es schlägt schon keine mehr so großen Wellen, klar für die Leute die gezielt nach den Infos suchen finden sich genug Meldungen. Was ist aber mit den Teil der nicht gezielt sucht? Das Medien unabhängig recherchieren sollten (und dies ab und an auch tun) kann durch gezielte "Attacken" auch vom Staat beeinflusst werden.

Vielleicht bin ich alleine mit der Meinung, oder jetzt gerade am Ziel vorbei gestoßen aber wie heist es so schön "Die Geschichte wiederholt sich, immer und immer wieder"
 
xrayn hat gesagt.:
Ist man trotz Anti-Trojaner-Haltung für diese "Quellen-TKÜ"?
Vor allem bin ich dafür das Innenminister und Ermittlungsbehörden, deren Job es unter anderem ist die Verfassung zu schützen und Gesetzesbrüche zu ahnden, sich an die Verfassung halten und bei ihrer Arbeit nicht selbst Gesetze brechen.
Ich bin, ebenso wie die Verfasser des Grundgesetzes, kein Freund von Überwachung, bin aber bereit zuzugeben das solche extremen Maßnahmen manchmal notwendig sind um die Gesellschaft vor Gefahren zu beschützen. Allerdings müssen, meiner Meinung nach, schon schwerwiegende Gründe vorliegen um solch drastische Eingriffe in die Privatssphäre zu rechtfertigen und sie müssen streng kontrolliert werden. Und genauso haben die Online-Durchsuchungs-Befürworter ja ursprünglich argumentiert: Wir wollen das nur um gefährliche Terroristen und schwerstkriminelle Angehörige des organisierten Verbrechens zu überwachen. Und wofür nutzen sie es? Um Online-Betrüger und Zigaretten-Schmuggler zu überwachen...:rolleyes:
Dazu kommt das vom Bundesverfassungsgericht klare Vorgaben gemacht wurden: Es dürften nur für die Telekommunikation bestimmte Daten abgegriffen werden und alles andere müsse auch durch technische Maßnahmen unterbunden werden. Und was machen sie? Sie benutzen Software die beliebigen Code nachladen und Screenshots anfertigen kann...X(
Das Landgericht Landshut erklärt dieses Vorgehen für rechtswidrig und niemand stört sich daran - die Regierung hat dann eben eine andere Rechtsauffasung als die Justiz. Hallo? Wozu haben wir eine unabhängige Justiz, wenn die Regierung sich selbst aussuchen kann an welche Regelungen sie sich hält und bei welchen sie eben eine "andere Rechtsauffassung" hat?

xrayn hat gesagt.:
Ist man trotz Anti-Trojaner-Haltung für den Kauf der Steuer-CDs, weil man ja in beiden Fällen nur die Schuldigen erwischt?
Ich sehe hier keinen Zusammenhang. Bei der Debatte um den Staatstrojaner geht es um staatlich genutzte Software, die allem Anschein nach gegen staatlich garantierte Grundrechte verstößt und starke Zweifel daran weckt das gewisse Teile des Staates und seiner Behörden sich nur innerhalb gesetzlicher Vorgaben bewegen.
Bei den Steuer-CDs geht es um Hinweise auf Straftaten die von den entsprechenden Behörden über Informanten erworben werden - in der Polizeiarbeit ein ganz normaler Vorgang... Aber dazu gibt es einen eigenen Thread, in dem das Thema auch ausführlich diskutiert wurde.
 
Es lohnt sich derzeit, also im Rahmen der Bundestrojaner-Debatte, immer wieder einmal einen Blick in das Feuilleton der FAZ zu werfen. Immerhin nahm hier für die Offliner vor mitterweile fast zwei Wochen der TrojanerGate-Skandal seinen Anfang und hier gab die FAZ dem Innenminister Friedrich auch Gelegenheit in einem Interview seine Sicht der Dinge darzulegen. Und jetzt bietet die FAZ hier weiteren Stimmen Gelegenheit sich zu dem Thema zu Wort zu melden: Da wäre einmal Pavel Mayer von den Piraten, der sich in einem exzellenten Beitrag eher alllgemeine Gedanken zur Thematik macht und Frank Rieger, der sehr konkret auf das Interview mit Innenminister Friedrich antwortet.
Beide Artikel sind sehr gut und ich kann nur empfehlen sie zu lesen, doch da ich meine lesefaulen Pappenheimer ( ;)) kenne und zumindest der Mayer Beitrag wirklich lang ist, hier mal ein paar Highlights:
Da sind zum einen die „Kartelle der Angst“, die sich dem Wandel entgegenstemmen. Es sind mehr oder weniger mächtige Interessengruppen, die Angst vor Veränderung haben. Sie glauben, dass ihre bisherigen wirtschaftlichen und politischen Erfolge sie moralisch dazu berechtigen, die Regeln der neuen Welt bestimmen zu können. Sie wollen weiter erfolgreich und mächtig sein, ohne sich so radikal ändern zu müssen, wie es die neuen Umstände der digitalen Welt erfordern.
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Die Piratenpartei in Schweden startete als Gegenreaktion auf Repressionen des dortigen Urheberrechtskartells, die Piratenpartei in Deutschland hat ihren entscheidenden Aufschwung durch die Netzsperrendiskussion erfahren. Dabei wurde erstmals eine perfide, aber bis dato unfehlbare Strategie durchkreuzt: das Thema Kindesmissbrauch zum Aufbau einer allgemeinen Zensurinfrastruktur für das Internet zu instrumentalisieren.
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Die Konservativen im Land werden die gefährlichsten Gegner der Piraten, denn sie sind bemerkenswert handlungsfähig. Drei Tage, nachdem in Fukushima die Meiler explodiert waren, stritten grüne und linke Kräfte noch über Strategien und Demonstrationstermine, während die Konservativen bereits die kurz zuvor in ihrer Laufzeit noch verlängerten Altkraftwerke reihenweise herunterfuhren - eine beeindruckende Demonstration von politischem Gespür und Machtinstinkt.
Es zeigt aber auch, dass man es mit Recht und Gesetz nicht so genau nimmt, wenn Eile geboten scheint. Denn so sehr man die Stilllegung der Kraftwerke begrüßen mag, so wenig gab es eine gesetzliche Grundlage dafür. [...] Von dieser Art der politischen Disziplin des Kanzlerwahlvereins können andere Parteien nur träumen.
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Wie aber können Verantwortliche, die das Recht mit Füßen treten, sich anmaßen zu behaupten, sie würden das Recht schützen? Das Grundgesetz ist kein nach Belieben den Umständen anpassbarer unverbindlicher Leitfaden. Es ist unmittelbar geltendes Recht, und diese Menschen haben nicht nur das Recht gebrochen, sondern auch ihren Amtseid. Wer das jetzt als staatliches Kavaliersdelikt abtut, der rüttelt an den Grundfesten unseres Zusammenlebens und zerstört den Glauben an den Rechtsstaat in derselben Weise wie prügelnde Polizisten, schlampige Richter oder korrupte Beamte.
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Der Chaos Computer Club hat die Sache durchaus brillant gespielt, indem er zunächst nur die technischen Fakten präsentierte und es den einzelnen Landes- und Bundesbehörden überließ, sich mit uninformierten und nachweislich falschen Aussagen selbst den Strick zu drehen und die Affäre am kochen zu halten.
Leider muss man davon ausgehen, dass dieser illegale Trojanereinsatz nur die Spitze eines Eisbergs ist. Offensichtlich hat in einer Vielzahl von Polizeibehörden über Jahre hinweg die Fach- und Rechtsaufsicht versagt, und auch Zweckmäßigkeitskontrollen und Kosten-Nutzen-Erwägungen sind offenbar nicht durchgeführt worden.
Und hier noch etwas aus Frank Riegers Antwort auf Innenminister Friedrich:
„Ich weiß nicht, welche Software der CCC vorliegen hat, also kann ich nicht beurteilen, was das Programm, das der CCC analysiert hat, kann oder nicht kann“, versuchte der Bundesinnenminister die Frage nach den klaffenden Sicherheitslücken im vom CCC analysierten Trojaner zu parieren. Es mag den Minister überraschen, aber das Internet ist nicht nur ein Hort von hinterhältigen Kriminellen und Übeltätern. Es wird tatsächlich auch zur Informationsübermittlung verwendet. Und so ist die Trojaner-Variante, über die der Minister nichts zu wissen vorgibt, seit Samstag, dem 8. Oktober, auf der Webseite des CCC für jedermann herunterladbar - sogar für das Bundesinnenministerium. Der kritische Teil, die Funktion zum Code-Nachladen, war sogar unübersehbar groß gedruckt in der FAS zu besichtigen. Man sollte meinen, die Zeit hätte für die Informationsbeschaffung ausreichen können.
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Der Kernsatz des Interviews mit Friedrich ist jedoch zweifelsohne das Bekenntnis zum offenen Ignorieren des Urteils des Verfassungsgerichtes zur Online-Durchsuchung. Zur Erinnerung: Das Gericht hatte unmissverständlich festgelegt, dass eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung nur dann zulässig ist, „wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt. Dies muss durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein.“ Gerade der letzte Satz lässt keinen Interpretationsspielraum.
Minister Friedrich meint dazu jedoch: „Wir brauchen diese Nachladefunktionen, um uns den normalen Updates auf dem Zielcomputer anpassen zu können.“
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Ein weiteres Bestreiten oder gar die Ausrede, die Behörden hätten nicht um die mögliche Funktionserweiterung ihres digitalen Spions gewusst, war nach den Veröffentlichungen vom Wochenende jedenfalls nicht mehr möglich. Der „Spiegel“ schreibt: „Nur DigiTask ließ die deutschen Fahnder in den Quellcode schauen, jenen Bauplan eines Programms, an dem Profis ablesen können, was genau eine Software tut.“ Damit ist klar, dass die deutschen Behörden zweifelsfrei wissen mussten, was der Trojaner tatsächlich kann.
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Friedrich reagierte zunächst ausweichend, indem er darstellte, dass das Gericht und die bayerische Regierung unterschiedliche Rechtsauffassungen verträten - als stünden sich im fairen Meinungsstreit zwei Kontrahenten gegenüber. Doch gegen das Urteil aus Landshut wurden seitens der staatlichen Behörden keine Rechtsmittel eingelegt. Es ist rechtsgültig und bindend, ob ein bayerischer Innenminister das nun gutheißen mag oder nicht.
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Doch Friedrich belässt es nicht dabei, unterschiedliche Sichten auf die Rechtslage darzustellen, sondern fügt - wohlgemerkt: angesprochen auf die gerichtlich festgestellte Rechtswidrigkeit - an: „Entscheidend ist: Wir müssen in der Lage sein, Kommunikation zu überwachen.“ Die festgestellte Rechtswidrigkeit ist also aus seiner Sicht eine juristische Randfrage, die keine Rolle spielt, da die Überwachung eben ein Muss ist.
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Wenn technische Bequemlichkeit über Grundgesetztreue obsiegen sollte, der Zweck also in Innenminister Friedrichs Verständnis die Mittel heiligt, ist die Frage, was danach kommt, nicht mehr nur rein akademisch.
Quellen:
Netzfreiheit: Die Antwort der Piraten - Feuilleton - FAZ
Staatstrojaner: Hauptsache, wir können überwachen? - Aktuell - FAZ

Edit
Wie sagte Pavel Mayer so schön? Leider muss man davon ausgehen, dass dieser illegale Trojanereinsatz nur die Spitze eines Eisbergs ist. Das dies nicht nur eine vage Vermutung ist, zeigt z. B. auch das neue Anti-Terror-Paket unserer tollen Regierung, das noch vor der Verabschiedung von verschiedenen Leuten als verfassungswidrig eingestuft wird:
Der Berliner Verfassungsrechtler Martin Kutscha hat große Zweifel daran, dass der Regierungsentwurf zur Verlängerung von Befugnissen aus dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Vor allem die geplante Auskunftspflicht, wonach privaten Stellen wie Banken, Telekommunikationsunternehmen, Anbieter von Telediensten oder Fluggesellschaften künftig Informationen über Verdächtige unverzüglich, vollständig, richtig und in geeignetem Datenformat an den Verfassungsschutz und andere Geheimdienste herausgeben müssten, kollidiere mit dem sogenannten Trennungsgebot, warnte der Jurist bei einer Anhörung (PDF-Datei) im Innenausschuss des Bundestags am Montag. Dieses besage, dass Nachrichtendienste keine polizeilichen Befugnisse haben dürften. Sollte das Parlament das umstrittene Vorhaben unverändert verabschieden, müsste man daher von einer Geheimpolizei sprechen, gab der Professor der Hochschule für Wirtschaft und Recht zu bedenken.
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Auch dem Freiburger Staatsrechtswissenschaftler Ralf Poscher stieß die im Raum stehende ausdrückliche Befugnis für den Verfassungsschutz, "mit polizeilichem Befehl und unter Umständen auch mit Zwang" handeln und Auskünfte verlangen zu können, übel auf.
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Mit Sorge erfüllte den Experten ferner, dass auch friedliche Formen von Protest ins Visier von Maßnahmen geraten könnten, die eigentlich nur gegen Terrorismus aufgefahren werden sollten. So würden künftig unter dem Begriff des "Aufstachelns" etwa das bloße Befürworten von Gewalt, Sitzblockaden und kritische journalistische Kommentare mit einer unterstellten einschlägigen "geistigen Wirkung" erfasst.
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Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hielt die vorgesehen Kompetenzen für "Exekutivmaßnahmen" der Geheimdienste ebenfalls für problematisch im Hinblick auf das Trennungsprinzip.
Quelle: heise online - Anti-Terror-Gesetz: Warnung vor neuer Geheimpolizei
 
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