Die Kirche, ein Staat im Staate?

Wie wohl jeder, der nicht gerade ein Autist ist oder auf der dunklen Seite des Mondes lebt, habe ich in den letzten Wochen die Berichterstattung über den sich ständig ausweitenden Missbrauchskandal in der katholischen Kirche verfolgt und ich muss zugeben das mein anfängliches Entsetzen langsam aber sicher in echten Ärger umschlägt. Dabei sind es nicht einmal die abscheulichen Verbrechen selber die mich so aufregen, sondern die Art und Weise wie die Kirche damit umgeht...
Natürlich ist es besonders verwerflich wenn sich Priester an Messdienern und Sonntagsschülern, Lehrer an ihren Schülern und Heimleiter an ihren Schutzbefohlenen vergehen oder diese misshandeln - jedoch bei einer Organisation die so groß ist wie die katholische Kirche in Deutschland, sind schon statistisch betrachtet zwangsläufig Übeltäter aller Art unter den Geistlichen und "zivilen" Mitarbeitern zu finden. Das es also zu Verbrechen - so abscheulich sie auch sein mögen - kam, kann man der Kirche nicht unbedingt zu Vorwurf machen, sondern höchstens ihr Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter kritisieren. Was man der Kirche aber sehr wohl zum Vorwurf machen kann ist die Tatsache das sie diese schwarzen Schafe vor der Justiz beschützt haben und bekannt gewordene Missbrauchsfälle vertuscht haben. Viele Opfer haben mehr als glaubhaft dargelegt das sie ihr Martyrium der Kirche offenbart hatten, das die Täter aber nur versetzt oder höchstens in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Mit welchem Recht entscheiden Bischöfe in Deutschland ob Straftäter der Justiz übergeben werden oder nicht? Ist die Kirche ein Staat im Staate? Viele der Sexualstraftäter, die einfach nur still und heimlich versetzt wurden, haben darüberhinaus in ihrem neuen Wirkungsbereich wieder Straftaten begangen... Ich bin kein Jurist, aber ganz abgesehen vom moralischen Aspekt dieser Vertuschungsaktionen, klingt das ganze für mich doch stark nach Strafvereitelung - und somit nach einer Straftat.
Meiner Meinung nach hat die Kirche ihre Glaubwürdigkeit solange verspielt, bis die Täter und die "Vertuscher" vor ordentliche Gerichte gestellt wurden...X(
Allerdings bin ich weder religiös, noch katholisch - zum Glück wenn ich mir das alles so ansehe...:wink:

Was haltet Ihr von dem Skandal?
 
Wenn du willst, dass ein Täter strafrechtlich verfolgt wird geh zum
Staatsanwalt nicht zum Bischof. Dieser kann nunmal nur Disziplinarstrafen
nach dem Kirchenrecht verhängen und ist ansonsten wie ein Anwalt an seine
Schweigepflicht oder das Beichtgeheimnis gegenüber Opfer und Täter
gebunden.
Ebenso ist zu beachten, dass viele der aufgedeckten Fälle je nach Missbrauchsfall
bereits verjährt sein dürften, bzw. bei der "Anzeige" bereits verjährt waren.

Gruss
 
Das fragst du hier in einem Hackerforum? Hat die katholische Kirche hier jemals genug Glaubwürdigkeit gehabt, um sie jetzt verlieren zu können?

Natürlich bin ich der Meinung, dass diese Straftäter ausnahmslos schnellstmöglich der Justiz übergeben werden müssen. Wenn die Täter selber beim Bischof beichten, ist dieser natürlich ans Beichtgeheimnis gebunden - wie weit das geht, musst du einen Juristen fragen. Andernfalls (also wenn das Opfer dem Bischof berichtet) müssen die Bischöfe damit sofort zur Staatsanwaltschaft gehen, so wie jeder deutsche Bürger es tun muss, wenn er von einer Straftat Kenntnis erlangt (ist doch so, oder?). Die, die dies nicht getan haben, obwohl sie davon wussten, sollen eben als Mitwisser gesehen und auch so bestraft werden.

edit: Das mit dem Verjähren wollt ich auch schreiben, da war jemand schneller.
 
Zu den Bischöfen:
STGB §139
(2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner
Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.

Was ein Geistlicher, ohne Einwilligung des Anvertrauenden, weitergeben darf
regelt übrigens die jeweilige Kirche selbst.
In der Regel nichts.

Gruss
 
end4win:
Ebenso ist zu beachten, dass viele der aufgedeckten Fälle je nach Missbrauchsfall
bereits verjährt sein dürften, bzw. bei der "Anzeige" bereits verjährt waren.
Mal abgesehen davon das es, meiner Meinung nach, ein Unding ist das Straftaten wie Vergewaltigung und Kindesmissbrauch überhaupt verjähren, hat man z. B. in Irland auf die Skandale reagiert indem man die Verjährungsfristen entsprechend verlängert hat...

rami:
Das fragst du hier in einem Hackerforum? Hat die katholische Kirche hier jemals genug Glaubwürdigkeit gehabt, um sie jetzt verlieren zu können?
Guter Einwand...:D Allerdings gibt es auch hier sicherlich religiöse Menschen und ich meine auch nicht unbedingt ihre Glaubwürdigkeit in theologischen Fragen. Die Kirche leistet z B. wichtige caritative Arbeit, die durch den ignoranten und arroganten Umgang mit dem Skandal gefährdet wird - wer spendet denn noch für ein kirchliches Kinderheim wenn er befürchten muss das die Kinder dort misshandelt und missbraucht werden?

Edit/Nachtrag:
end4win:
Zu den Bischöfen:
STGB §139
(2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner
Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.

Was ein Geistlicher, ohne Einwilligung des Anvertrauenden, weitergeben darf
regelt übrigens die jeweilige Kirche selbst.

Wie praktisch für die Bischöfe... Aber das ist genau das was ich meine: Diese Sonderrechte machen die Kirche zu einem Staat im Staate. Meiner Meinung nach wird es Zeit diese Sonderrechte endlich abzuschaffen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie praktisch für die Bischöfe... Aber das ist genau das was ich meine: Diese Sonderrechte machen die Kirche zu einem Staat im Staate. Meiner Meinung nach wird es Zeit diese Sonderrechte endlich abzuschaffen!

Dann muss aber der Staat in Zukunft eine Menge Geld in die Sozialarbeit
stecken. Dies würde nämlich jegliche seelsorgerische Arbeit unmöglich
machen.
Danach müssten wir dann diese Rechte auch Ärzten, Anwälten, Psychologen
und Sozialarbeitern (Ups) absprechen.

Gruss
 
Die wenigsten caritativen Projekte der Kirche werden durch Spenden finanziert, sondern in erste Linie durch die Kirchensteuern. Insofern dürfte es denen relativ egal sein, ob dafür noch gespendet wird, da Spendengelder höchstens in zusätzliche Dinge investiert werden, die nicht zwingend notwendig aber ein gutes "Nice-to-have" sind.

Glaubwürdig war die Kirche für mich jedenfalls noch nie, weder in theologischer noch in politischer Hinsicht. Lediglich in sozialer Hinsicht gibt es vieles, was ich ihnen hoch anrechne. Und ich denke, das geht den meisten aufgeklärten Menschen so. Es ist allerdings auch nicht verwunderlich, dass der Staat die Kontrolle über die Kirche verliert, wenn überall gefordert wird, dass dieser elementare Bestandteil unserer Gesellschaft vom Staat getrennt werden soll. Eine weltumspannende Organisation wie die katholische Kirche wird automatisch zum Staat im Staat, wenn man sie nicht zum Teil des Staates macht, ihr aber innerhalb des Staates bestimmte Privilegien (wie z.B. spezielle Gesetze, eigene Steuern usw.) zubilligt. Schafft man einfach nur diese Sonderrechte ab, wird sie sich lediglich organisatorisch aus Deutschland zurückziehen und damit der Staatsgewalt vollständig entschlüpfen. Dann unterliegen die Geistlichen halt nicht mehr deutschen Gesetzen und können bei Verstössen gegen deutsche Gesetze lediglich noch des Landes verwiesen werden, was einer kircheninternen Versetzung gleich käme. Gewonnen wäre dadurch also nichts. Es gibt daher nur 2 Wege mit dem "Problem Kirche" umzugehen... Entweder man verbietet ihr das Auftreten in Deutschland, was einen Zusammenbruch unseres Sozialsystems zur Folge hätte und viele gläubige Menschen kriminalisieren würde, oder man integriert die Kirche wieder in den Staat, was Konflikte mit anderen Religionen mit sich bringen dürfte. Solange diese Halblösungen genutzt werden, die derzeit aktuell sind, wird man nicht vermeiden können, dass diese Organisation in der Lage ist Dinge vor der Staatsgewalt zu verheimlichen.
 
Danach müssten wir dann diese Rechte auch Ärzten, Anwälten, Psychologen
und Sozialarbeitern (Ups) absprechen.

Eben. Und ich denke, dass eben jene andere Berufsgruppen selbst genug solcher Sachen mitbekommen. Nimm nur mal Ärzte. Da wird es einige geben, die Familienmisshandlungen innerhalb der Familie mitbekommen, wo das Kind nur "ungünstig hingefallen" ist. Oder Anwälte, die wahrscheinlich manchmal Details mitbekommen, von denen wahrscheinlich nichtmal die Polizei was weiß.
Auf deiner Argumentation müsste man denen dann auch das Schweigerecht absprechen.

Oder du tust das nur bei Priestern. Das dürfte aber so manchen Konflikt mit sich bringen.

@bitmuncher

Was rechnest du ihnen denn in sozialer Hinsicht hoch an?
 
@bitmuncher

Was rechnest du ihnen denn in sozialer Hinsicht hoch an?

Unser kompletter Alten- und Behindertenpflegedienst würde ohne die Kirche kaum existieren. Fast alle stationären Einrichtungen aus diesen Bereichen sind Teil der Kirche und werden grossteils durch diese finanziert. Auch diverse Jugendwohnprojekte würden ohne die Kirche nicht existieren. Kurzum: Unser Sozialsystem wird in grossen Teilen von der Kirche getragen. Schliesslich umfasst ja "sozial" etwas mehr als HartzIV und Krankenversicherungen. ;)
 
Und nicht zu vergessen viele Anlaufstellen für misshandelte Kinder und
sonstige Opfer von Gewalttaten.

Gruss
 
Eben nicht.
Ich bin mir sicher, dass durch diese Stellen wesentlich mehr Täter am Ende zur
Verantwortung gezogen werden, wie die Kirche Täter in ihren Reihen hat.:wink:

Gruss
 
Wenn diese Priester wirklich zu ihren Glauben stehen, ist das allein schon eine Strafe für sie. Denn Missbrauch und vielleicht noch Vergewaltigung ist eine Sünde und gegen die 10 Gebote.

Bei den Katholiken ist es auch üblich schlimme Taten zu beichten und eine "Strafe" auf sich zu nehmen, wie ein längeres Beten und Gott um eine Entschuldigung bitten. Aber du hast schon Recht, für solche Taten hätten sie schon härtere Strafen verdient.

Aber ich habe auch schon gehört, das diverse Priester sogar auch ausgestoßen wurden. Man sollte sich auch mal vorstellen, was für eine Strafe das ist, wenn Gott bzw. sein(e) "Vertreter" ihn verstößt und er schon einen Platz in der Hölle reserviert bekommen hat. Wer wirklich daran glaubt, für den ist es ein Weltuntergang.
 
Die wenigsten caritativen Projekte der Kirche werden durch Spenden finanziert, sondern in erste Linie durch die Kirchensteuern. Insofern dürfte es denen relativ egal sein, ob dafür noch gespendet wird, da Spendengelder höchstens in zusätzliche Dinge investiert werden, die nicht zwingend notwendig aber ein gutes "Nice-to-have" sind.
Das Problem bleibt aber dasselbe. Ich denke, es ist jedem klar, dass nicht jeder, der Kirchensteuern zahlt, auch tatsächlich überzeugter Kirchenanhänger ist. Wenn nun die Kirche über solche Themen in der öffentlichen Wahrnehmung landet und sich auch nicht gerade empört und aufklärerisch gibt, dann wird das auch den einen oder anderen zum Nachdenken bringen, ob er die Institution, von der er nicht wirklich überzeugt ist, auch noch finanzieren möchte.

Es ist allerdings auch nicht verwunderlich, dass der Staat die Kontrolle über die Kirche verliert, wenn überall gefordert wird, dass dieser elementare Bestandteil unserer Gesellschaft vom Staat getrennt werden soll.
Es gibt einen Unterschied zwischen "sich von der Kirche kontrollieren lassen" und "die Kirche kontrollieren". Säkularisierung richtet sich ausschließlich gegen ersteres. Achja, der "elementare Bestandteil" wäre auch strittig, die Mehrheit der Gesellschaft hängt nicht der katholischen Kirche an. :)

Schafft man einfach nur diese Sonderrechte ab, wird sie sich lediglich organisatorisch aus Deutschland zurückziehen und damit der Staatsgewalt vollständig entschlüpfen.
Wieso das? Große Konzerne beispielsweise haben auch keine anderen Gesetze als kleinere, nehmen keine eigenen Steuern ein, unterliegen aber komplett deutscher Legislative. Wenn einer Regeln bricht, wird auch niemand des Landes verwiesen. DIe Kirche ist wie ein Unternehmen auch nur ein Zusammenschluss von natürlichen Personen, die an die Gesetze des Landes gebunden sind. Baut einer Mist, gehört die Person in die Verantwortung genommen, nicht die Organisation, der er angehört.

Die Organisation gerät erst dann in den Mittelpunkt des Interesses, wenn ihr Statut nicht mit den Gesetzen des Landes vereinbar ist. Das ist meines Wissens hier nicht der Fall.
 
Ich glaube nicht, dass man die Kirche mit einer Firma vergleichen kann. Damit eine Firma innerhalb von Deutschland agieren kann, muss sie hier ein Gewerbe anmelden. Bei religiösen Vereinen gibt es vergleichbares nicht. Sie haben lediglich die optionale Möglichkeit bei ausreichend Mitgliedern den Kirchen-Status zu beantragen. Verlegt die Kirche ihre organisatorischen Elemente in's Ausland, könnte sie hier (wie viele Sekten) unabhängig vom Staat agieren. Dies wird momentan ausschliesslich dadurch verhindert, indem ihr gewisse Privilegion zugebilligt werden.

Und ich denke bei knapp 26.000.000 Millionen Mitgliedern allein in der katholischen Kirche (zusammen mit der evangelischen Kirche dann auch eine Mehrheit) und jährlichen Investitionen von mehreren Milliarden Euro in soziale Einrichtungen, kann man durchaus von einem elementaren Bestandteil der Gesellschaft sprechen.
 
Wenn diese Priester wirklich zu ihren Glauben stehen, ist das allein schon eine Strafe für sie. Denn Missbrauch und vielleicht noch Vergewaltigung ist eine Sünde und gegen die 10 Gebote.

Bei den Katholiken ist es auch üblich schlimme Taten zu beichten und eine "Strafe" auf sich zu nehmen, wie ein längeres Beten und Gott um eine Entschuldigung bitten. Aber du hast schon Recht, für solche Taten hätten sie schon härtere Strafen verdient.

Aber ich habe auch schon gehört, das diverse Priester sogar auch ausgestoßen wurden. Man sollte sich auch mal vorstellen, was für eine Strafe das ist, wenn Gott bzw. sein(e) "Vertreter" ihn verstößt und er schon einen Platz in der Hölle reserviert bekommen hat. Wer wirklich daran glaubt, für den ist es ein Weltuntergang.


[ ] Du kennst die Gebote
[ ] Du kennst die Sündenfälle
 
Also ehrlich gesagt ich empfinde diesen Skandal als positiv. Natürlich sind verachtenswerte und schreckliche Dinge passiert und die müssen Strafrechtlich verfolgt werden aber auf der anderen Seite zeigt sich hier für die breite Öffentlichkeit sich auch mal das wahre Gesicht einer großen Organisierten Religion wie dem Christentum.

Ist eine Organisation, die mächtig und weitläufig genug ist, Verbrechen zu begehen und (nahezu) perfekt zu vertuschen, nicht als kriminelle Organisation zu bewerten? Meiner Ansicht ja! Klar den Islam verurteilt doch sowieso jeder dank Terror, Kopftuch und Gewalt aber mit diesem Skandal hat die Gesellschaft eine einmalige Gelegenheit sich weiter zu entwickeln und Religion dahin zu verbannen wo sie hingehört: In die Vergangenheit.

Und wenn ich Bitmunchers Beiträge lese stell sich mir eine Frage: Wenn es eine Organisation schafft, das halbe Sozialsystem unseres Staates zu organisieren, dann kann es nicht so schwer für den Staat sein das auch selber zu tun oder?
 
Und wenn ich Bitmunchers Beiträge lese stell sich mir eine Frage: Wenn es eine Organisation schafft, das halbe Sozialsystem unseres Staates zu organisieren, dann kann es nicht so schwer für den Staat sein das auch selber zu tun oder?

Doch, denn er hat die finanziellen Mittel dazu nicht. Die katholische Kirche verdient allein an den Kirchensteuern jährlich knapp 5 Milliarden Euro. Die würde der Staat aber mit Abschaffung der Kirche nicht übernehmen bzw. müsste sich diese anderweitig holen. Ausserdem stehen ihm keine Mitarbeiter zur Verfügung, die quasi für Unterkunft und Verpflegung arbeiten (Nonnen, Mönche).
 
Und wenn ich Bitmunchers Beiträge lese stell sich mir eine Frage: Wenn es eine Organisation schafft, das halbe Sozialsystem unseres Staates zu organisieren, dann kann es nicht so schwer für den Staat sein das auch selber zu tun oder?

Der Staat kriegt auch nicht ganz so viele freiwillige Helfer zusammen, die ehrenamtlich, teilweise bis ins hohe Alter, soziale Aufgaben in kirchlichen Organisationen uebernehmen.
 
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