http://bitmuncher.subnetworx.de/2009/11/29/admin-7480806/ (etwas veraltet, aber grundlegend noch heute aktuell)
Quereinstieg im Bereich Informatik
Einsteigen in den IT Markt
Zertifizierungen
Dazu sei noch angemerkt, dass ein Quereinstieg heutzutage weitaus schwieriger ist als noch vor 10-20 Jahren. Will man sich die notwendigen Kenntnisse aufbauen, geht das auf jeden Fall kaum nebenbei. Es sei denn man will nur ein Code-Monkey werden. Dann reichen ein paar Online-Kurse bei Udemy und ähnlichen Plattformen.
Sowohl Systemadministration als auch Programmierung sind heutzutage weitaus anspruchsvoller geworden.
Als Sysadmin reichte es vor 10-20 Jahren noch aus, wenn man einen Linux-Server verwalten konnte, Logmeldungen zu interpretieren wusste und gängige Server-Software (Apache, MySQL, Postfix/QMail/Exim, Bind9, OpenLDAP, OpenVPN, Tomcat etc.) halbwegs gut beherrschte. Heutzutage werden Server kaum noch "direkt" verwaltet. Systeme werden mit Konfigurationsmanagement-Umgebungen wie Puppet, Saltstack, Ansible, Chef u.ä. verwaltet, die man zusätzlich zu der Server-Software beherrschen muss. Auch gibt es kaum noch Standalone-Server. Zumeist wird mit Cluster-Umgebungen gearbeitet. D.h. anstelle von einer einfachen replizierten MySQL-Datenbank nutzt man heutzutage ein Clustering mittels Galera sowie NoSQL-Datenbank-Cluster wie MongoDB, Druid u.a.. Webserver werden zumeist in einem Cloud-Verbund (z.B. mit Docker, KVM, LXD usw.) und entsprechenden Management-Layern wie Mesos, Kubernetes, Rancher, OpenStack etc. betrieben. Vieles landet sogar in Public Clouds wie AWS, GCE oder Azure. Halbwegs große Datenmengen werden in Clustern mittels Spark, Hadoop etc. verteilt verarbeitet. Auch im Bereich DevOps müssen Sysadmins heutzutage halbwegs fit sein, wenn sie nicht monoton Server in Rechenzentren kickstarten wollen. Und nicht zu vergessen sind die gängigen Netzwerk-Protokolle.
Mit anderen Worten: Die Anforderungen an Systemadministratoren verändern sich aktuell drastisch. Einfach nur mal einen Linux-Server verwalten zu können, reicht für einen Quereinstieg wie vor 10-15 Jahren nicht mehr aus. Selbst kleinere IT-Unternehmen betreiben heutzutage 20+ Server oder hosten auf Cloud-Plattformen. Serverless-Architekturen nehmen auch immer mehr zu. Diese alle manuell zu verwalten wäre vom Zeitaufwand und somit vom Kostenfaktor her zu hoch. Ein Vergleich: Ich verwalte aktuell als Freiberufler mehr als 100 Server in verschiedenen Netzwerken fast vollständig allein. D.h. du hast an einem 8-Stunden-Tag etwas 5 Minuten pro Server (mal davon abgesehen, dass man als Freiberufler keine 8-Stunden-Tage hat). Ohne weitestgehende Automatisierung wäre das nicht möglich. Anders als vor 10 Jahren schreibt man für die Automatisierung aber keine eigenen Skripte mehr sondern nutzt entsprechende Frameworks und Management-Layer.
Hinzu kommt, dass ein Quereinstieg zumeist nur als Freiberufler möglich ist. Denn ohne entsprechende Referenzen oder Zertifizierungen (die wiederum recht teuer sind), wird man kaum irgendwo eine Festanstellung bekommen.
Noch schwieriger wird es als Programmierer. Denn reichte es vor 10-15 Jahren noch aus eine Programmiersprache halbwegs gut zu beherrschen, muss man heutzutage auch noch die üblichen Frameworks und Bibliotheken recht gut kennen sowie mit Dingen wie Versionsverwaltung, Deployment-Systemen (Jenkins u.ä.), Unit-Tests uvm. vertraut sein. Wenn du, wie in deinem Vorstellungsbeitrag geschrieben, Webprogrammierung nicht magst, rechne ich dir da wenige Chancen aus. Denn die Webprogrammierung ist in erster Linie der Bereich, in dem man als Quereinsteiger tatsächlich gut unterkommt, wenn man sich nicht bereits Referenzen durch bekannte OpenSource-Projekte oder ähnliches aufgebaut hat oder wenigstens irgendein wissenschaftliches Studium (Mathe, Physik, Bio, Chemie) vorweisen kann. Ich denke aber, da können dir die Coder hier im Board vielleicht noch mehr dazu sagen als ich, da ich nur in Ausnahmefällen Programmieraufträge annehme.
Wenn du das Geld hast, dann sind Zertifizierungen sicherlich eine gute Sache. RHCSA/RHCE, CCNA, LPIC, ITIL, AWS Certified Solution Architect u.ä. sind für Sysadmins als Einstieg hilfreich. Meiner Erfahrung nach wird dich aber nach einigen Jahren niemand mehr danach fragen. Referenzen sind als Quereinsteiger weitaus wichtiger. Und die sollten gut sein. Wenn deine Kunden/Arbeitgeber nie Grund zur Klage haben und du dir niemals eine Kündigung eingefangen hast, dann stehen dir die Tore zumindest in der Linux-Sysadmin-Welt in einigen Bundesländern (vor allem in den Großstädten bei den Startups) bereits mit 3-5 Jahren Berufserfahrung weit offen. Vorausgesetzt natürlich du hast dabei mit Technologien gearbeitet, die auf dem Markt gefragt sind. Nur die Anfangsjahre sind halt schwierig, weil man erstmal Aufträgen nachjagen muss. Hast du dann hingegen einen Namen im IT-Bereich und wirst von den Recruiting-Agenturen als High-Performer in der Datenbank geführt, kommen die Aufträge zu dir.
Um einschätzen zu können, was auf dem Markt derzeit gesucht wird, schau dir entsprechende Jobangebote bei Xing, Linkedin usw. an. Ich kann dir da nur mit meiner Erfahrung aus der Linux-Welt weiterhelfen. Dort werden derzeit verzweifelt Leute mit folgenden Skills gesucht:
- Amazon Web Services
- Docker
- Kubernetes
- Ansible, Chef, Puppet
- Apache Spark
- Hadoop-Stack
- LAMP-Stack
- Tomcat/JBoss
- MongoDB
- InnoDB/XtraDB-Cluster, MySQL, MariaDB
- Elasticsearch
- Logstash (bzw. der komplette ELK-Stack aus Elasticsearch, Logstash und Kibana)
Natürlich sollte man zusätzlich die Standards beherrschen. Du solltest also auf der Linux-Shell absolut fit sein, Bash-Scripting, Python und optimalerweise auch Ruby sollten dir nicht fremd sein. Analysewerkzeuge wie tcpdump, wireshark, iptraf, nmap, netcat etc. solltest du natürlich auch beherrschen. Und du solltest wissen, wie man einen Stacktrace richtig interpretiert und allgemein in der Lage sein von Fehlermeldungen in den Logdateien auf die Ursachen schliessen zu können.
Ich hab z.B derzeit einen Auftraggeber aus Zeitgründen abzugeben. Seine Anforderungen: AWS (vor allem AWS ECS), Docker, MongoDB, Elasticsearch, Apache Kafka, Apache Spark, Jenkins, alles was zu DevOps gehört, Cloud-Monitoring. Problem dabei: Alle Leute, die diese Skills mitbringen, werden derzeit so mit Aufträgen überschüttet, dass sie keine weiteren annehmen können. Mit solchen Skills kann man heutzutage zu 200% ausgelastet sein und entsprechend gut (5-7k/Monat) verdienen.
Als Familienvater würde ich den Quereinstieg heutzutage nicht mehr wagen. Als ich damals (vor mittlerweile fast 20 Jahren) als Quereinsteiger im Bereich der Linux-Systemadministration anfing, waren die Anforderungen noch wesentlich geringer. Dennoch verbrachte ich etwa 2 Jahre ununterbrochen vor dem Rechner um mir die notwendigen Skills anzueignen. Und das "ununterbrochen" meine ich wörtlich. 16-18h am Tag vor dem Rechner waren in dieser Zeit für mich normal. An manchen Tagen bin ich auf der Tastatur eingeschlafen. In dieser Zeit lernte ich den Umgang mit gängiger Server-Software sowie Linux an sich, grundlegende Programmierung in 3 Sprachen, erstellen von Backups und Restore von kaputten Systemen, Grundlagen im Datenschutz uvm.. Mit Kindern ist das nicht möglich. Allerdings hat man heutzutage auch bessere Lernmöglichkeiten wie Online-Videokurse, mit denen man zumindest die Grundlagen schneller lernen kann.
Ich bin der Meinung, dass ein Quereinstieg auch heutzutage noch möglich ist. Entweder ist man bereit ein paar Jahre sehr intensiv Zeit zu investieren und sein Leben dafür entsprechend einzuschränken. Oder man hat halt sowieso einen auf Hobbies basierenden Informatik-Hintergrund. Ist man zu ersterem nicht bereit und bringt zweiteres nicht mit, sollte man sich den Plan aus dem Kopf schlagen.
Was bei all den technischen Betrachtungen auch gern vergessen wird, sind die Softskills, die ein Sysadmin mitbringen sollte. Absolute Service-Mentalität ist dabei sicherlich noch der kleinere Bereich. Auch wichtig ist, dass man selbst in stressigen Situationen ruhig und konzentriert bleibt und sich nicht aus der Fassung bringen lässt. Nichts macht einen Unternehmer nervöser als ein nervöser Sysadmin. Dass man alles unter Kontrolle hat, muss man selbst dann ausstrahlen, wenn einem gerade das komplette Netzwerk um die Ohren fliegt.