Soldidaritäts-Experiment unter Studenten

In SpiegelOnline findet sich ein Bericht zu einem Experiment, dessen Ergebnis ich überraschend finde: Geprüft wurde die "Solidarität" der Studenten, indem sie bei einem Würfelspiel Geld gewinnen konnten, aber auch Gewinne mit den Mitspielern teilen konnten, wenn diese leer ausgingen - das Ergebnis des Experiments zeigte das Studenten die im Westen Deutschlands aufgewachsen sind solidarischer waren, als Studenten aus dem Osten.
Mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall haben Wirtschaftswissenschaftler einen klaren Unterschied im Verhalten Ost- und Westdeutscher entdeckt. Ihrem Bericht zufolge zeigen sich ostdeutsche Studenten in einem Experiment weniger solidarisch als Studierende, die in Westdeutschland aufgewachsen sind.


Auch Studenten aus Westdeutschland, die im Osten eine Universität besuchen, sind demnach solidarischer als ihre ostdeutschen Kommilitonen - allerdings war der Unterschied weniger stark ausgeprägt, berichten die Forscher der Universitäten Magdeburg, Köln und Essen.
Schon 1995 hatten die Forscher das gleiche Experiment durchgeführt, scheinbar mit praktisch identischen Ergebnissen:
Die im "Journal of Public Economics" veröffentlichte Studie hat Ergebnisse einer ersten Untersuchung aus dem Jahr 1995 nahezu unverändert bestätigt - zur Überraschung der Wissenschaftler.
[...]
"Unser Experiment zeigt, dass der Solidaritätsunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland sich binnen 20 Jahren nicht angenähert hat", heißt es in der Studie. Dies sei umso erstaunlicher, als die Versuchspersonen kaum älter als 20 Jahre waren und damit praktisch ihr gesamtes bewusstes Leben im wiedervereinigten Deutschland verbracht hatten.
Ich muss sagen ich finde das Ergebnis sehr überraschend, nicht nur das sich der Unterschied nicht angeglichen hat - ehrlichgesagt hätte ich eigentlich, zumindest im Experiment von 1995, genau das Gegenteil erwartet. Eigentlich hätte ich gedacht das bei Jugendlichen die im Kapitalismus aufgewachsen sind, Eigenschaften wie Egoismus ausgeprägter sind.
Ein Erklärungsversuch über die Ursachen der Forscher klingt so:
Die Marktwirtschaft könne nur funktionieren, wenn jeder erst einmal auf die Fairness des anderen vertraut - und dementsprechend auch selbst als fair wahrgenommen werden will. "Das gesamte System würde ja zusammenbrechen, wenn jeder ständig Angst hat, übers Ohr gehauen zu werden oder permanent jeder Anspruch vor Gericht durchgesetzt werden muss", sagt Weimann. In der sozialistischen DDR, in der alles zugeteilt wurde, hätte diese Form von Fairness und Vertrauen eine geringere Rolle gespielt.
Selbst wenn man diesen (imho fragwürdigen) Erklärungsversuch akzeptiert - warum haben sich die Ergebnisse dann nicht angeglichen? Immerhin existiert im Osten Deutschlands seit über 20 Jahren kein "sozialistisches" System mehr und die Jugendlichen sind im vereinten Deutschland aufgewachsen...

Aber in jedem Fall interessant zu sehen, welch prägenden Einfluss die Gesellschaft auf das Individuum hat - immerhin stark genug um messbar zu sein.

Quelle: Experiment: Ostdeutsche verhalten sich weniger solidarisch - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft
 
Abgesehen davon, dass ganze 144 Studenten nicht wirklich repräsentativ sind:
ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass hier bei uns in den neuen Bundesländern die Arbeitslosenquote wesentlich höher ist und man somit von Klein auf in der Familie oder zumindestens im sozialen Umfeld mitbekommt, wie schnell man am sozialen Abgrund steht...

Daher überlegt man bei jedem Cent, den man ausgibt, doch schon ehr, WOFÜR man ihn ausgibt...

Ich hab in meiner Kindheit mitbekommen, wie die Textil-Firma, in der mein Vater gearbeitet hat, über Jahre immer mal wieder Zahlungs-Engpässe hatte und oftmals knapp 3 Monate mit der Bezahlung der Mitarbeiter hinterher war... (immer kurz bevor die Gefahr der Insolvenz drohte, wurde dann doch mal wieder zumindestens ein halber Monatslohn gezahlt)

Ich bin dementsprechend selbst getreu dem Motto "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not" erzogen wurden.
Deshalb bin ich nicht unsozial oder egoistisch. ich gebe, wenn's mir irgendwie möglich ist, gerne - aber ich schmeiße mit meinem Geld nicht um mich, sondern gebe es BEWUSSTER an Leute ab, die es WIRKLICH BRAUCHEN...

Wenn ich von klein auf keinerlei finanzielle Probleme im eigenen Umfeld kennengelernt hätte, wäre ich vielleicht auch freigiebiger - aber so möchte ich WENN ich jemandem was gebe auch wenigstens das Gefühl haben, dass es demjenigen wirklich HILFT...
 
beavisbee hat gesagt.:
ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass hier bei uns in den neuen Bundesländern die Arbeitslosenquote wesentlich höher ist und man somit von Klein auf in der Familie oder zumindestens im sozialen Umfeld mitbekommt, wie schnell man am sozialen Abgrund steht...

Daher überlegt man bei jedem Cent, den man ausgibt, doch schon ehr, WOFÜR man ihn ausgibt...
Aber spricht das nicht genau dafür "solidarischer" zu handeln? Wenn ich als Spieler in diesem Experiment Spielern, die in der Runde nichts gewonnen haben, einen großzügigen Anteil von meinem Gewinn abgebe, schwingt da doch auch die Hoffnung mit, dass die ebenfalls so handeln wenn ich leer ausgehe, oder?

beavisbee hat gesagt.:
Deshalb bin ich nicht unsozial oder egoistisch.
Ich denke soviel sollte man in dieses Experiment auch gar nicht hinein interpretieren...;)

Ich habe es hier auch nur gepostet weil ich das Ergebnis überraschend fand und weil ich es interessant finde, dass es scheinbar messbare Unterschiede in gesellschaftlicher Prägung gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe es hier auch nur gepostet weil ich das Ergebnis überraschend fand und weil ich es interessant finde, dass es scheinbar messbare Unterschiede in gesellschaftlicher Prägung gibt.

Es ist gut zu wissen das meine Steuergelder sog. Forschern in die Hand gedrückt werden, die "Experimente" durchführen, deren Ergebnisse jedes halbwegs empfindungsfaehige Lebewesen vorweg nehmen koennte.

Wenn ich sowas sehe, dann fühle ich mich in meinem persönlichen Engagement "pro Studiengebühr" wieder einmal bestätigt.
 
Chromatin hat gesagt.:
Es ist gut zu wissen das meine Steuergelder sog. Forschern in die Hand gedrückt werden, die "Experimente" durchführen, deren Ergebnisse jedes halbwegs empfindungsfaehige Lebewesen vorweg nehmen koennte.
Dir ist schon klar der Satz, den Du zitierst und auf den Du Deine Aussage beziehst, von mir und nicht von den Forschern stammt?
Und Du konntest wirklich vorweg nehmen das in Ostdeutschland aufgewachsene Studenten, im Rahmen dieses Experiments, weniger solidarisch handeln als Studenten aus dem Westen?
Dann solltest Du Dich vielleicht wirklich der Forschung zu Verfügung stellen, denen könntest Du dann tatsächlich viel Geld sparen - vorausgesetzt Deine Fähigkeit Ergebnisse exakt vorweg zu nehmen, hält einer empirischen Überprüfung stand...:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Meine Aussage bezieht sich auf dem Umstand und den kann man auch rausbekommen wenn man einfach mal hinhoert (schwer) oder sich mal ein bischen interessiert am oeffentlichen Leben und den Lebensumstaenden anderer in diesem Land zeigt (mittelschwer).


Zu kritisieren ist ebenso das diese uralte Spieltheorie immer wieder einmal für solche "Sensationen" hergekramt wird. Vermutlich ein Übungsstück.


Nichtsdestotrotz schätze ich durchaus den Prof. Weimann.
 
Aber spricht das nicht genau dafür "solidarischer" zu handeln? Wenn ich als Spieler in diesem Experiment Spielern, die in der Runde nichts gewonnen haben, einen großzügigen Anteil von meinem Gewinn abgebe, schwingt da doch auch die Hoffnung mit, dass die ebenfalls so handeln wenn ich leer ausgehe, oder?

Ich denke das "blinde Vertrauen in Fremde" ging unter anderem damit verloren, dass viele West-Deutsche Unternehmen Ost-Deutsche Firmen aufkauften, herunterwirtschafteten und die Leute dann in ihrem Trümmerhaufen zurück liesen...
Ich möchte definitiv nicht alle über einen Kamm scheren und niemanden schlecht machen und so - aber es gab bei uns in der Gegend genug Fälle...
Generell war erstmal alles, was aus dem "Osten" kam schlecht und musste von Grund auf geändert werden...

<vom Thema abschweif>
und heute? flächendeckendes Betreuungsangebot durch Kindergärten, 8 Jahre gemeinsam zur Schule gehen oder auch einfach nur Bambina-Schokolade und andere Leckereien... kommt alles wieder... kann also nicht sooo verkehrt gewesen sein... selbst die Polyklinik - heißt halt jetzt "Ärzte-Haus"
</vom Thema abschweif>

Generell wurde unseren Eltern noch beigebracht, wie schlimm der Kapitalismus ist... und genauso, wie er ihnen beschrieben wurde, kam er dann auch...
Es folgte Massen-Arbeitslosigkeit und für viele ein sozialer Abstieg...

Es gab sicherlich auch Firmen, die bewusst und auch gut in die neuen Bundesländer investiert haben... so wusste die Automobil-Branche z.B. das KFZ-Knowhow rund um Eisenach (Wartburg) und Zwickau (Trabant) zu schätzen und so siedelten sich dort Opel und VW an.

Ich denke hier im "Osten" zählen dann doch ehr Erfindungsreichtum (in der DDR gab's ja vieles nicht, da wurde man automatisch zum Bastler) und gegenseitige nicht-finanzielle Nachbarschaftshilfe (also wirklich mit Rat und Tat zur Seite stehen) zu den sozialen und solidarischen Eigenschaften.

Ganz ähnlich wie hier im HaBo: jemand hat ein Problem und andere machen sich auch mit 'nen Kopf, wie man es löst...
 
beavisbee hat gesagt.:
Ich denke das "blinde Vertrauen in Fremde" ging unter anderem damit verloren, dass viele West-Deutsche Unternehmen Ost-Deutsche Firmen aufkauften, herunterwirtschafteten und die Leute dann in ihrem Trümmerhaufen zurück liesen...
Da ist vermutlich etwas dran, die erste Welle von "Wessis" die in den Osten brandete, bestand im wesentlichen aus Wölfen im Schafspelz - windige Geschäftsleute, Abzocker & Betrüger eben...:rolleyes:
Ich denke gerade für die war die Wende ein Geschenk, weil viele ihrer "alten Tricks" im Osten noch unbekannt waren.

Edit:
Im jeden Fall klingt die Erklärung für mich nachvollziehbarer, als der Ansatz das die Marktwirtschaft Fairness fördern würde...;)
 
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