[TdW 125] Sterbehilfe: Gibt es ein Recht auf den eigenen Tod?

Nach einer kurzen Pause (RL rules) beschäftigt sich das TdW heute mit einem Thema das in den letzten Tagen die Medien und den Bundestag beschäftigt hat: Sterbehilfe.
Die Sterbehilfedebatte ist nicht neu und wird auch nicht nur in Deutschland geführt - eigentlich beschäftigt sie das gesamte (ehemals?) christliche Abendland immer wieder. Wie bei den meisten Debatten gibt es mindestens zwei gegensätzliche Positionen: Die einen glauben ein Mensch hat das Recht über sein Leben und seinen Tod selbst zu bestimmen. Wer diesen Standpunkt vertritt ist der Meinung das z. B. Todkranke selbst bestimmen dürfen ob sie an ihrer Krankheit und möglicherweise unter Schmerzen oder Bedingungen, die sie selbst als unwürdig empfinden, sterben wollen - oder ob sie sich das ersparen wollen.
Die Gegner dieses Standpunkts argumentieren häufig mit der Heiligkeit des Lebens, also das Gott selbst das Leben geschenkt hat und der Mensch nicht das Recht hat dieses Geschenk einfach wegzuwerfen. Nach christlicher Auffassung ist Selbstmord eine schwere Sünde und so wurden Selbstmörder lange Zeit auch wie Sünder behandelt und durften weder auf Erlösung, noch auf ein christliches Begräbnis hoffen. Diese Vorstellung war im christlichen Abendland so verbeitet, dass Selbstmord auch von der weltlichen Justiz in vielen Ländern bis ins 19. Jahrhundert als Straftat gewertet wurde.
Neben diesem, eher religiösen Standpunkt, gibt es aber auch Gegner die gänzlich ohne religiöse Argumente auskommen und z. B. vor den Gefahren des Missbrauchs warnen. Denn sowohl Einzelne, als auch die Gesellschaft selbst könnten liberale Sterbehilfegesetze missbrauchen. So könnten z. B. Verwandte, die mit den finanziellen und / oder psychischen Belastungen der Pflege eines unheilbar erkrankten Familienmitglieds nicht mehr klar kommen, dieses zum Selbstmord drängen. Auch könnten sich Betroffene selbst, aufgrund des Wunsches niemanden zur Last zu fallen, zu diesem Schritt genötigt fühlen, wenn es diese Option erst einmal gibt. Und eine Gesellschaft, die immer mehr überaltert, könnte die Sterbehilfe missbrauchen, um die Ausgaben für Alten- und Krankenpflege zu senken. Undenkbar ist in diesem Zusammenhang im Grunde nichts, denn was heute freiweillig erfolgen kann, wird vielleicht übermorgen schon Pflicht, wenn man die Pflegekosten nicht mehr selbst tragen kann...
Gerade in Deutschland haben wir mit dem Missbrauch schon Erfahrung gemacht, denn unter dem Begriff "Euthanasie" wurden im NS-Regime Menschen ermordet, die von den Nazis als lebensunwert befunden wurden - z. B. geistig oder körperlich behinderte Menschen.

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute die Frage: Sterbehilfe - gibt es ein Recht auf den eigenen Tod?

Mehr zum Thema:
Debatte über Sterbehilfe im Bundestag
Sterbehilfe-Debatte: Das Geschäft mit dem Tod gibt es schon heute | ZEIT ONLINE
Sterbehilfe: Ein Cowboy sagt Adieu | ZEIT ONLINE
 
Zuletzt bearbeitet:
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute die Frage: Sterbehilfe - gibt es ein Recht auf den eigenen Tod?

Die eigentliche Schwierigkeit bei diesem Punkt ist nicht die Frage nach einem deskriptiven Recht. Die eigentliche Frage ist, ob ein Staat überhaupt legitimiert ist, hier ein Recht anzusetzen.

In der öffentlichen Debatte geht es immer darum, ob man den Freitod einer Person persönlich gut heißt oder nicht. Ein Todkranker Mensch, der lieber sterben möchte ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine rein emotionale Frage. Kaschiert wird das durch die saloppe Formulierung, ob denn jemand das "Recht" hat. Aber gemeint ist hier selten ein juristischer Rechtsbegriff, sondern eher das aufgrund anderer Legitimationsgrundlagen erworbene Recht auf leben.
Diese Legitimationsgrundlagen sind Diskussionspunkte, die stets Hand in Hand von Philosophie und (idR christlicher) Religion geführt wurden und noch immer andauern. Die christliche Lehre und der aufgeklärte Philosoph wollen hier das gleiche - sie argumentieren eben einfach aus anderen Blickwinkeln heraus.

Für den Staat stellt sich das schlichte Problem nach seiner Legitimation, hierüber Recht zu sprechen. Prinzipiell sagen wir nämlich, das die Geburt und das Leben, den Staat nichts angehen. Wir wollen _prinzipiell_ nicht, dass ein Staat hierüber auch nur Ansatzweise zu entscheiden hat. Die krassen Beispiele sind hier z.B. Abtreibung oder gar Geburtenkontrolle und Todesstrafe. Der gesunde Menschenverstand sagt uns schon fast instinktiv, dass diese Dinge den Staat nichts "angehen".

Wenn also der Forenpöbler von seinem "guten Recht" spricht, ist die Frage ob er überhaupt erklären kann _welches_ Recht er denn ueberhaupt meint. IdR. sind die Leute ganz schnell ruhig und werden sich ihrer oberflächlichen Argumente schnell bewusst - sofern sie das überhaupt begreifen.

Eines ist erst mal klar: Das einmischen in Fragen über Leben und tod und das festsetzen eines Rechts darüber, ist für einen Staat wie den unseren eine ganz fundamentale Sache.

Jetzt ein Gedanke zur Verantwortung:

Bei Menschen, die körperlich und geistig fit genug sind, ist es so, dass sie sich einfach dem ganzen entziehen und "aktiv" in den Freitod gehen können. Bei Menschen die nicht in der Lage sind, soll jemand anderes entscheiden. Es ist von vielen kaum zu tragen, dass sie selbst die Verantwortung übernehmen. Ein Angehöriger wird die Entscheidung zwar unterstützen - aber nicht fällen. Also wer trägt die Verantwortung der Entscheidung, die noch immer eine Entscheidung über Tod oder Leben ist (wie "lebenswert" das Leben auch erscheinen mag). Man tendiert gerne dahin, diese Verantwortung in einer Art "Checkliste" aufzulösen, die (betont) gemeinschaftlich festgelegt ist. D.h. wenn eine Reihe von Kriterien deskriptiv erfüllt sind, ist man "berechtigt" getötet zu werden. In einem solchen Fall ist einfach niemand verantwortlich. Bildlich gesprochen wirft jeder aus einer Gruppe mit einem Messer auf jemand anderen, mit Verbundenen Augen. Das Opfer ist tot - und niemand braucht sich schuldig zu fühlen, oder kann jemand anderem den Vorwurf machen.

Einige Teilnehmer dieser Diskussion wollen aus einer solchen Frage und Verantwortung, eine "Gemeinschuld" machen - wo gesellschaftlicher Konsens entschieden hat und im Grunde kein Einzelner die "Schuld" trägt. Komischerweise WILL auch diese Schuld keiner wirklich tragen, also sucht man nach Wegen, diese Verantwortung eben zu "entmenschlichen".

Geht es hier um die Frage des Prinzips, so lehne ich eine solches System als Mensch, entschieden ab.

Hier trifft man natürlich ins Herz der christlichen Religion, die in jedem (menschlichen) Leben eine Berufung von und zu Gott sieht. Das alleine ist ausreichende Legitimation, die uns Menschen das Recht vorenthält, über Leben (Abtreibung) und Tod (Mord, Sterbehilfe) zu entscheiden (DAS ist die Lehre, unabhängig von den Gräueltaten der Kirche).

Entgegen der immer wieder geleierten und äußerst plumpen Kritik an der Kirche, ist es trotzdem eine Tatsache, dass die christliche Kirche (protestanten, katholen und alle anderen) hier auf einem extrem hohen Niveau Argumente anbringt, die von der Mehrzahl der Bürger überhaupt nicht begriffen werden können.

Es ist jedenfalls ein Irrtum, dass die Kirche einfach dagegen ist, weil Gott das so will. Die Argumentation ist eine tiefgreifend ethische und bei einer solchen Diskussion ist es absolut notwendig, dass alle Parteien an den Tisch kommen.

Nach christlicher Auffassung ist Selbstmord eine schwere Sünde und so wurden Selbstmörder lange Zeit auch wie Sünder behandelt und durften weder auf Erlösung, noch auf ein christliches Begräbnis hoffen. Diese Vorstellung war im christlichen Abendland so verbeitet, dass Selbstmord auch von der weltlichen Justiz in vielen Ländern bis ins 19. Jahrhundert als Straftat gewertet wurde.

Auch hier geht es im Kern um die Wertschätzung des eigenen Lebens und aber auch insbesondere das der Anderen. Es ist inakzeptabel, dass man sich das Leben nimmt, weil man z.B. Sorgen hat. Nicht weil man vor Gott eben seine Zeit abzuturnen hat. Nein, sondern auch, weil wir Anderen, die Nöte und Sorgen Anderer nicht deutlich genug wahrnehmen - wie viele Dramen spielen sich direkt und ungeschminkt vor unseren Augen ab? Wie viele tragische Schicksale könnten verhindert werden, wenn sich andere Menschen einfach mal einmischen und helfen und dafür eigene Zeit aufbringen würden? Ich meine jetzt nicht die ganz großen Dingern - sondern eher der Nachbar, der das Saufen anfängt usw...

Nietzsche hat mal ähnliches formuliert: "Bettler sollte man abschaffen" - Als Auftrag und Pflicht an uns alle, die Lebensumstände für ALLE zu ändern.

Bzgl. Des Artikels. Der Autor verdreht hier die Tatsachen und ist offensichtlich mangelhaft informiert über die Praxis der Palliativmedizin und Arbeit im Hospiz und auch ansonsten zeugt das alles nicht gerade von Durchblick, wenn man den altgriechischen Vernunftbegriff so kredenzt, als wäre "unsere" Vernunft identisch mit der Vernunftvorstellung der alten Griechen.
 
Chromatin hat gesagt.:
Bei Menschen, die körperlich und geistig fit genug sind, ist es so, dass sie sich einfach dem ganzen entziehen und "aktiv" in den Freitod gehen können. Bei Menschen die nicht in der Lage sind, soll jemand anderes entscheiden. Es ist von vielen kaum zu tragen, dass sie selbst die Verantwortung übernehmen. Ein Angehöriger wird die Entscheidung zwar unterstützen - aber nicht fällen. Also wer trägt die Verantwortung der Entscheidung, die noch immer eine Entscheidung über Tod oder Leben ist (wie "lebenswert" das Leben auch erscheinen mag).
Ich denke hier vereinfachst Du zu sehr, denn es gibt ja z. B. Fälle wo der Betroffene seinen Willen zwar noch klar artikulieren, aber eben nicht mehr selbst umsetzen kann. In diesen Fällen geht es also nicht darum den schwarzen Peter der Verantwortung weiterzugeben, sondern einem Mitmenschen bei der Erfüllung seines Willens zu helfen. Und in diesen Fällen geht es dann eben auch sehr wohl um Recht, denn in Deutschland kollidiert man dann schnell mit §216:
Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Quelle: § 216 StGB Tötung auf Verlangen - dejure.org

Chromatin hat gesagt.:
Es ist jedenfalls ein Irrtum, dass die Kirche einfach dagegen ist, weil Gott das so will. Die Argumentation ist eine tiefgreifend ethische und bei einer solchen Diskussion ist es absolut notwendig, dass alle Parteien an den Tisch kommen.
[...]
Auch hier geht es im Kern um die Wertschätzung des eigenen Lebens und aber auch insbesondere das der Anderen. Es ist inakzeptabel, dass man sich das Leben nimmt, weil man z.B. Sorgen hat. Nicht weil man vor Gott eben seine Zeit abzuturnen hat.
Ist das so? Im Katechismus der katholischen Kirche finden man zum Thema Selbstmord aber z. B. diese Stelle:
2280 Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet, es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen.
Quelle: Katechismus der Katholischen Kirche - IntraText

Chromatin hat gesagt.:
Bzgl. Des Artikels. Der Autor verdreht hier die Tatsachen und ist offensichtlich mangelhaft informiert über die Praxis der Palliativmedizin und Arbeit im Hospiz und auch ansonsten zeugt das alles nicht gerade von Durchblick, wenn man den altgriechischen Vernunftbegriff so kredenzt, als wäre "unsere" Vernunft identisch mit der Vernunftvorstellung der alten Griechen.
Könntest Du ausführen wo der Autor Tatsachen verdreht oder woran Du seine offensichtlich mangelhaften Kenntnisse erkennst?
 
Ich denke hier vereinfachst Du zu sehr, denn es gibt ja z. B. Fälle wo der Betroffene seinen Willen zwar noch klar artikulieren, aber eben nicht mehr selbst umsetzen kann. In diesen Fällen geht es also nicht darum den schwarzen Peter der Verantwortung weiterzugeben, sondern einem Mitmenschen bei der Erfüllung seines Willens zu helfen. Und in diesen Fällen geht es dann eben auch sehr wohl um Recht, denn in Deutschland kollidiert man dann schnell mit §216:

Ich vereinfache gar nichts - im Gegenteil. Ich habe versucht deutlich zu machen, dass die Frage der Sterbehilfe elementare Grundpfeiler in Recht und Ethik betrifft.

Ist das so? Im Katechismus der katholischen Kirche finden man zum Thema Selbstmord aber z. B. diese Stelle
:
Und bei genauerem hinsehen offenbart sich, dass diese Aussage Anlass zu abendfüllenden Diskussionen bietet. Es gibt tonnenweise Schriftmaterial, alleine aus den letzten 500 Jahren, die sich damit befassen.
Ich wollte auch nicht schon wieder auf dieses plumpe Religionsbashing hinaus, sondern andeuten dass die Argumentation sich nicht in einem ebenso plumpen "Gott sagt aber.." erschöpft.


Könntest Du ausführen wo der Autor Tatsachen verdreht oder woran Du seine offensichtlich mangelhaften Kenntnisse erkennst?

Es ist ein plakativer und oberflächlicher Artikel und das zeigt sich an nahezu am gesamten Text:

1) In der Praxis der Palliativmedizin und in den Arbeiten im Hospiz ist man sehr um den humanistischen Aspekt bemüht. Und das mindern des Leids bei einem Patienten, der keine Chancen auf Heilung oder Besserung hat - insbesondere eine schmerzfreie Sterbebegleitung - steht in der Praxis an absolut erster Stelle.

2) Es gibt kein gesellschaftliches Tabu zu diesem Thema (Sterbehilfe), es gibt einfach keinen große Bereitschaft, den Tod und das sterben medial "neutral" zu behandeln. Und das rührt weniger von vermeintlichen verkalkten religiösen Ansichten her, als dass es ein Ergebnis "mangelnder Sterbekultur" ist. In unserer westlichen Gesellschaft liegt der Fokus ganz eindeutig auf dem gesunden, erfolgreichen, aktiven und dynamischen - sich verändernden Teil des Lebens. Die Kirchen sind hier überhaupt diejenigen Stellen, die Raum für solche Gespräche anbieten. IdR. will man weder vom Tod noch vom sterben irgendetwas hören, sofern es einen nicht unmittelbar betrifft.
Die beiden "Tode" (im Artikel) aber zumindest medial wirksam.

der Humanist Thomas Morus
Morus war Zeit seines Lebens ein sehr religiöser Mensch. Sein "Humanismus" unterlag seiner verstandesmäßigen Auffassung vom Recht des Menschen, was in keinem Widerspruch zu seinem religiösen Weltbild stand. Ein solcher europäischer Humanismus steht auch nicht wirklich im Widerspruch zur christlichen Heilslehre. Jedenfalls ist es unsinnig und falsch diese Schubladen zu gebrauchen, denn Morus war weitaus zu klug um entweder-oder zu sein.

Auf die Unart, wie einem hier der Vernunftbegriff der alten Griechen als Destillat ohne alles göttlichen kredenzt wird ist ebenso falsch wie lächerlich.

Der Autor ist offenbar kein Freund der Kirche und das ist auch sein gutes Recht. Die Tatsache dass er aber durch entsprechende Formulierungen und Fehldarstellungen Anderen die Möglichkeit nimmt sich halbwegs neutral über die Positionen zu informieren, kennzeichnet eben diesen minderwertigen Online-Journalismus.

.. und das ist noch nicht einmal 1/4 des Textes.
 
Mit anderen Worten, wenn wir nicht gerne über Tod oder Minderheiten wie Homosexuelle reden, ist die Kirche daran mitschuldig.

Die Annahme dass die Kirchen das Gespräch und die Auseinandersetzung mit dem Tod meiden ist Unsinn. Gerade die Kirchen sind diejenigen, die über die Endlichkeit irdischen Daseins offener als alle anderen sprechen. Das ist immerhin eines ihrer "Kerngeschäfte"....

Über homosexuelle redet keiner gerne, weil es die meisten Leute einfach nicht betrifft und nicht interessiert. Aktuell ist es aber so, dass einem hier eine gesellschaftliche Stellungnahme aufgenötigt wird. Die Akteure sind die Minderheiten, die entweder homosexuell sind - oder strikt dagegen. Den allermeisten ist das im Grunde scheiszegal - und auch die Kirche wird hier oft genug "genötigt" dazu öffentlich Stellung zu beziehen (wobei sie nur verlieren kann). Würde sich es die Kirche aussuchen können, so hätte sie wahrscheinlich überhaupt nichts öffentlich dazu gesagt.. wozu auch?

Das hat auch nichts mit Kirchenbashing zu tun.

Natürlich nicht... wie immer völlig sachlich und fundiert, wenn die Hexenkeule rausgeholt wird.. :rolleyes:
 
OT:
Über homosexuelle redet keiner gerne, weil es die meisten Leute einfach nicht betrifft und nicht interessiert.
So? Also haben Wowereits "Ich bin schwul und das ist gut so" oder das Outing von Thomas Hitzlsperger niemanden interessiert?

Den allermeisten ist das im Grunde scheiszegal
Oh ja. Den meisten ist das egal. Nur auf die Kinder, ja, auf die muss man aufpassen und sie nicht in die Hände von schmutzigen, vermutlich AIDS-kranken Popofickern geben, sonst werden die womöglich auch schwul ("Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt" - Dr. Angela Merkel) - genauso wie homosexuelle Lehrer in Schulen (Karin Bertholdes-Sandrock). Die allermeisten interessieren sich also nicht für die Homosexuellen, sondern nur für das Wohl der Kinder - ist das deine Aussage?

so hätte sie wahrscheinlich überhaupt nichts öffentlich dazu gesagt.. wozu auch?
WOZU?! Die Kirche ist nicht der nette Fußballverein, dessen Meinung man gerne am Stimmtisch diskutiert und danach bei einem, zwei oder drei Schoppe Bier wieder vergisst. Die Kirche kann Meinungen vorgeben, die auch heute noch gerne unreflektiert übernommen werden - und genau das macht sie mächtig. Wenn sie sagen würde, dass Homosexualität etwas ganz Normales wäre, dann müssten wir nicht mehr über Outings diskutieren oder über Adoption oder die Ehe. Aber das macht sie nicht. Das hat letzten Endes nichts mit Kirchenbashing zu tun. Diese Meinung passt schlicht nicht in unsere Zeit.

Gosh..
 
:) @beere

So? Also haben Wowereits "Ich bin schwul und das ist gut so" oder das Outing von Thomas Hitzlsperger niemanden interessiert?

Mich jedenfalls nicht und auch sonst niemanden den ich kenne. Ich habe auch noch nie jemanden über darüber sprechen hören. Und nochmal: Warum auch?


Oh ja. Den meisten ist das egal. Nur auf die Kinder, ja, auf die muss man aufpassen und sie nicht in die Hände von schmutzigen, vermutlich AIDS-kranken Popofickern geben, sonst werden die womöglich auch schwul ("Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt" - Dr. Angela Merkel) - genauso wie homosexuelle Lehrer in Schulen (Karin Bertholdes-Sandrock). Die allermeisten interessieren sich also nicht für die Homosexuellen, sondern nur für das Wohl der Kinder - ist das deine Aussage?

Nein. Meine Aussage ist, dass die sexuelle Präferenzen anderen Leute idR uninteressant für die meisten anderen Menschen sind.

WOZU?! Die Kirche ist nicht der nette Fußballverein, dessen Meinung man gerne am Stimmtisch diskutiert und danach bei einem, zwei oder drei Schoppe Bier wieder vergisst.

Stimmt. Die Kirche ist doch dieser Verein von Hexenverbrennern, Kinderschändern und diversen sonstigen Traumtänzern...

Die Kirche kann Meinungen vorgeben, die auch heute noch gerne unreflektiert übernommen werden - und genau das macht sie mächtig. Wenn sie sagen würde, dass Homosexualität etwas ganz Normales wäre, dann müssten wir nicht mehr über Outings diskutieren oder über Adoption oder die Ehe.

Leider leider...die Realitaet gestaltet sich in dieser Hinsicht ein _klein_ wenig komplizierter...:rolleyes:

Aber das macht sie nicht. Das hat letzten Endes nichts mit Kirchenbashing zu tun. Diese Meinung passt schlicht nicht in unsere Zeit.

Wir nun? Hat die Meinung denn sonst mal gepasst?
 
Viele geseschaftliche Normen, Werte und Gesetze wurden vor Ewigkeiten durch die Kirche aufgestellt und wirken zT noch bis heute.

You made my day! Ist natürlich völlig unwahrscheinlich, dass viele dieser Werte bereits vor dem Aufkommen des Christentums in Sumer, Ägypten, bei den Kelten, Germanen, Griechen, Römern uvm. verbreitet waren und von den Kirchen lediglich übernommen wurden. Und genauso unwahrscheinlich ist es natürlich auch, dass es eine "universelle Menschlichkeit" gibt, die auch nach 10.000 Jahren nicht aus der Mode kommt. Oder warum beerdigen wir noch heute unsere Toten anstatt sie einfach zum Recycling zu geben und zu Soylent Green zu verarbeiten? Beerdigungen haben doch bereits die Steinzeitmenschen gemacht. Das kann man doch wohl nicht mehr als zeitgemäss bezeichnen. :rolleyes: Kurz gesagt: Nur weil manche Regelungen ein paar Tausend Jahre alt sind, müssen sie heutzutage nicht automatisch verkehrt sein. Eine Argumentation der Form "wurden vor Ewigkeiten gemacht" ist also unsinnig. Das Ganze dann auch noch alleinig auf die Kirchen anstatt auf die Gesellschaft zu beziehen, zeugt imo von einem ziemlich beschränkten Weltbild.

Ist irgendwer eigentlich schonmal auf die Idee gekommen, dass es gesellschaftliche Normen gibt, die von den Menschen stammen und dass die Kirchen nunmal von den Menschen gestaltet wurden und werden? Ich hab angesicht dieser Christenphobie, wie sie hier im Habo gehäuft zutage tritt, meine Zweifel daran, dass ihr schonmal so weit gedacht habt. Dieses Rumgereite auf (für das Thema irrelevanten) Kleinigkeiten hinterlässt zumindest genau diesen Eindruck. Anstatt sich auf die Aussagen zur Sterbehilfe der _heutigen_ Kirchen zu beziehen, zieht man lieber die Hexenprozesse heran. Aber man kann sich natürlich nicht auf etwas beziehen, von dem man keine Ahnung hat. Und dass hier in Sachen Christentum und Kirchen und deren Vorstellungen das Nicht-Wissen dominiert, zeigt schon dieses ständige "die Kirche". DIE Kirche gibt es nicht und gab es auch noch nie. Zwar überschneiden sich die Lehren der Kirchen zum Teil, aber die Ökumene ist vor allem deswegen so schwierig, weil sich ihre Aussagen eben auch in vielen Punkten grundlegend unterscheiden. Wenn also jemand von der Kirche in der Einzahl spricht, dann disqualifiziert er sich mit dieser Formulierung bereits selbst. Eine differenzierte Aussage zu den Meinungen der Kirchen (Mehrzahl) kann man von solchen Leuten jedenfalls nicht erwarten.

Schaut man sich bezüglich Sterbehilfe die Aussagen der _heutigen_ Kirchenoberen an, dann wird man jedenfalls dort kaum Aussagen der Art "Deus lo vult" finden. Viel eher findet man Aussagen wie die von Kardinal König: "Der Mensch soll an der Hand, aber nicht durch die Hand eines Menschen sterben." Man findet auch häufig grundlegende Überlegungen wie die Möglichkeit für Angehörige die Sterbehilfe auszunutzen um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Und nicht zuletzt waren die Kirchen schon immer Institutionen, die Sterbende auf ihrem Weg begleitet haben. Deswegen hört man dann z.B. von Leuten wie Kardinal Woelki auch mal Aussagen wie "Sterbegleitung ist im Gegensatz zu aktiver Sterbehilfe konkret erfahrbare Lebenshilfe" und es wird betont, dass durch die Zulassung von aktiver Sterbehilfe der Druck auf Schwerkranke erhöht wird. Und wer kann das besser einschätzen als die Institutionen, die bereits seit Jahrhunderten für die Sterbebegleitung in unserer Gesellschaft verantwortlich sind?

@SB: Man kann wohl kaum von "etwas Normales" reden, wenn davon 2-3% der Bevölkerung betroffen sind. Es handelt sich dann ganz offensichtlich um Ausnahmen und nicht um etwas Normales. Sonst könnte man auch die Behauptung aufstellen, dass Rechtsextremismus etwas Normales ist. Ich hoffe damit hast du nun noch etwas themenfremdes, an dem du dich aufhängen kannst. ;)

Ich wäre jedenfalls froh, wenn ihr hier mal beim Thema bleiben und eure Christenphobie beiseite lassen könntet. :rolleyes:
 
Disclaimer: Bitte nicht missverstehen, Chromatin. Vieles, was ich hier schreibe ist nicht an dich adressiert, sondern sind auch allgemeine Beobachtungen aus der herrschenden Diskussion. Ich hoffe du erkennst diese Stellen. Ich benutze deinen Beitrag nur, weil er sich gut für einen Diskussionseinstieg eignet (Danke!). :wink:

Die eigentliche Schwierigkeit bei diesem Punkt ist nicht die Frage nach einem deskriptiven Recht. Die eigentliche Frage ist, ob ein Staat überhaupt legitimiert ist, hier ein Recht anzusetzen.

Meiner Meinung nach sollte der Staat z.B. dann eingreifen, wenn Freiheiten Dritter gefährdet sind und diese garantieren.
Wenn jemand meine Freiheit einschränkt, ohne, dass ich selbst dabei anderen die Freiheit einschränke, dann wird mir Unrecht getan.

In der öffentlichen Debatte geht es immer darum, ob man den Freitod einer Person persönlich gut heißt oder nicht. Ein Todkranker Mensch, der lieber sterben möchte ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine rein emotionale Frage. Kaschiert wird das durch die saloppe Formulierung, ob denn jemand das "Recht" hat.

Meiner Ansicht nach wird das nicht kaschiert. Die emotionale Verbindung mit dem Thema wird offen zugegeben. Vor allem durch emotionale Appelle in Gedankenexperimenten.
Dass diese Überlegungen dann in unserer Gesellschaft letztendlich in juristisch neutrale Formalia wie "Recht" gegossen werden müssen, ist dabei der Grund für diese Wortwahl.
Aber klar: Es sind Werturteile einer Gesellschaft, die zu solchen Beschlüssen führen. Dabei finde ich Werturteile, die in Emotionen und Mitleid begründet liegen, irgendwie leicht besser als Werturteile, die abstrakte Bekundungen über das Sosein des Menschen machen.
Dazu zähle ich nicht nur die religiöse Herangehensweise: Den Mensch als wertvolle "Schöpfung" und der damit eingehende Moralbruch bei Tötung, sondern zugegebenermaßen auch "Die Würde des Menschen ist unantastbar".
Sehr abstrakt, sehr schwammig, aber nicht unbedingt schlecht. Damit wollen wir ausdrücken: Wir Menschen haben mit unseren Interessen zu allererst uns im Blick und zwar uns alle, füreinander und nicht gegeneinander. Es muss Grenzen geben - mit Blick auf die Vergangenheit und der grausamen Behandlung unserer Mitmenschen, wurde damit eine Linie gezogen.

Aber die Kritik bleibt: Was heißt das genau? Was ist Würde? Sehr subjektiv und abstrakt.
Und eine Argumentation ist das in und für sich genommen ja auch nicht.
Ethische Begründungen sind ohnehin ein großes Problem, können wir die überhaupt faktisch machen? (Is)

Die christliche Lehre und der aufgeklärte Philosoph wollen hier das gleiche - sie argumentieren eben einfach aus anderen Blickwinkeln heraus.

Könntest du diese Blickwinkel konkretisieren, vlt. sogar beispielhaft? Würde mich interessieren, was du beobachtet hast.

Wenn also der Forenpöbler von seinem "guten Recht" spricht, ist die Frage ob er überhaupt erklären kann _welches_ Recht er denn ueberhaupt meint. IdR. sind die Leute ganz schnell ruhig und werden sich ihrer oberflächlichen Argumente schnell bewusst - sofern sie das überhaupt begreifen.

Man kann hier auch ganz praktisch argumentieren: Die meisten können sich umbringen ohne, dass jemand wirklich etwas dagegen tun kann. Er kann es tun, Kraft seiner eigenen Entscheidung und stirbt.
Jetzt könnte man die andere Seite fragen: Mit welchem Recht sollte man ihn durch Zwang aufhalten dürfen? Das wäre ein Einmischen in eine persönliche Angelegenheit, oder nicht?

So weit davon entfernt ist Sterbehilfe nun auch nicht. Manch' einer kann sich zwar entscheiden, aber nicht von selbst sterben. Mit welchem Recht sollte man ihn von diesem Vorhaben abhalten, wenn er Hilfe bei Dritten findet es zu tun? Sein Wille propagiert sich ja nur durch mehr Personen hindurch - würde man diese Aufhalten, würde man auch ihn selbst aufhalten.

Bei Menschen, die körperlich und geistig fit genug sind, ist es so, dass sie sich einfach dem ganzen entziehen und "aktiv" in den Freitod gehen können. Bei Menschen die nicht in der Lage sind, soll jemand anderes entscheiden. Es ist von vielen kaum zu tragen, dass sie selbst die Verantwortung übernehmen. Ein Angehöriger wird die Entscheidung zwar unterstützen - aber nicht fällen. Also wer trägt die Verantwortung der Entscheidung, die noch immer eine Entscheidung über Tod oder Leben ist (wie "lebenswert" das Leben auch erscheinen mag). Man tendiert gerne dahin, diese Verantwortung in einer Art "Checkliste" aufzulösen, die (betont) gemeinschaftlich festgelegt ist. D.h. wenn eine Reihe von Kriterien deskriptiv erfüllt sind, ist man "berechtigt" getötet zu werden. In einem solchen Fall ist einfach niemand verantwortlich. Bildlich gesprochen wirft jeder aus einer Gruppe mit einem Messer auf jemand anderen, mit Verbundenen Augen. Das Opfer ist tot - und niemand braucht sich schuldig zu fühlen, oder kann jemand anderem den Vorwurf machen.

Was wäre die Alternative? Jemand leidet z.B. offensichtlich unheilbar und messbar unaushaltbar stark. Was tun?

Oft wird argumentiert, dass solche Fälle selten seien. Na und? Soll man eine statistische Minderheit nur deswegen leiden lassen?
Ich bin z.B. auch dafür, dass man seltene Krankheiten erforscht. Man könnte ja auch bequem das Geld in etwas anderes stecken. Diejenigen haben dann halt Pech gehabt. Keine optimale Lösung.

Einige Teilnehmer dieser Diskussion wollen aus einer solchen Frage und Verantwortung, eine "Gemeinschuld" machen - wo gesellschaftlicher Konsens entschieden hat und im Grunde kein Einzelner die "Schuld" trägt. Komischerweise WILL auch diese Schuld keiner wirklich tragen, also sucht man nach Wegen, diese Verantwortung eben zu "entmenschlichen".

Geht es hier um die Frage des Prinzips, so lehne ich eine solches System als Mensch, entschieden ab.

Verstehe ich nicht ganz. Für dich kann vlt. jeder Fall unter diesem Blickwinkel - Töten und Schuld - betrachtet werden. Für jemanden, der leidet, kann dies ja genau umgekehrt sein: Erlösung und Dank.

Ich bin mir sicher, dass es irgendwo eine Schwelle gibt, die wir finden müssen. Vielleicht ist es sogar sehr schwierig diese Schwelle zu finden. Aber ich bin mir sehr sicher: Es gibt sie. Nicht absolut jeder Fall passt in die Kategorie, die du skizziert hast.

Die Schlussfolgerung wäre: In einigen Fällen wäre es absolut unethisch jemanden nicht von seinen Qualen zu befreien.

Von vielen habe ich den Eindruck, dass sie sich dann selbst auf die Schulter klopfen öffentlichkeitswirksam "das unantastbare Leben" geachtet und gewürdigt zu haben, während diejenigen nicht merken, dass hinter ihren eigenen Rücken jemand unfassbar leidet.

Auch hier geht es im Kern um die Wertschätzung des eigenen Lebens und aber auch insbesondere das der Anderen. Es ist inakzeptabel, dass man sich das Leben nimmt, weil man z.B. Sorgen hat. Nicht weil man vor Gott eben seine Zeit abzuturnen hat. Nein, sondern auch, weil wir Anderen, die Nöte und Sorgen Anderer nicht deutlich genug wahrnehmen - wie viele Dramen spielen sich direkt und ungeschminkt vor unseren Augen ab? Wie viele tragische Schicksale könnten verhindert werden, wenn sich andere Menschen einfach mal einmischen und helfen und dafür eigene Zeit aufbringen würden? Ich meine jetzt nicht die ganz großen Dingern - sondern eher der Nachbar, der das Saufen anfängt usw...

Bestimmt viele. Und man sollte mit noch größerem Bemühen versuchen das Leben für Menschen lebenswert zu machen, sodass es erst gar nicht zu solchen Entscheidungen kommt.
Das Argument reicht aber nicht: Es ist wieder so ein bisschen dieses Statistikspiel. Bist du dir absolut sicher, dass jeder Fall zu retten ist? Kann man jedem Menschen das Leben wieder lebenswert machen, egal in welcher Lage er sich befindet?
Ich glaube nicht. Ich denke es gibt eine Schwelle - und diese möglichst genau zu justieren ist unsere nächste große Aufgabe. Sie ist schwierig und nicht bequem - sie zeichnet sich dadurch aus möglichst für jeden individuellen Fall, für jeden Menschen Leiden zu verhindern und Wohlergehen sicherzustellen. Manchmal bedeutet dies das Leben wieder lebenswert zu machen, manchmal bedeutet dies eben jemanden, wenn alles andere fehlschlägt, diesen zu erlösen.
Dieser unangenehmen Wahrheit sollte man sich schon stellen. Vielleicht schaffen wir es irgendwann ja Selbstmorde beim Menschen zu "heilen", indem wir durch wissenschaftliche Mittel den Menschen besser verstehen und auch die Krankheiten, die er bekommen kann.
Aber bis dahin brauchen wir eine Notlösung.
 
Meiner Meinung nach sollte der Staat z.B. dann eingreifen, wenn Freiheiten Dritter gefährdet sind und diese garantieren.
Wenn jemand meine Freiheit einschränkt, ohne, dass ich selbst dabei anderen die Freiheit einschränke, dann wird mir Unrecht getan.
Wenn du dich für den Freitod entscheidest, schränkst du die Freiheit der Pharma-Unternehmen ein mit deinem Sterbeprozess Geld zu verdienen. Du siehst also, dass Freiheit etwas sehr subjektives ist und es schwierig ist zu sagen, wann man die Freiheit anderer einschränkt oder nicht.

Man kann hier auch ganz praktisch argumentieren: Die meisten können sich umbringen ohne, dass jemand wirklich etwas dagegen tun kann. Er kann es tun, Kraft seiner eigenen Entscheidung und stirbt.
Jetzt könnte man die andere Seite fragen: Mit welchem Recht sollte man ihn durch Zwang aufhalten dürfen? Das wäre ein Einmischen in eine persönliche Angelegenheit, oder nicht?
Wie bereits am Beispiel der Freiheit gezeigt, kann man durchaus auch das Recht jemanden am Freitod zu hindern problemlos in die Diskussion reininterpretieren. Man muss dafür nur mal den subjektiven Blickwinkel der Menschlichkeit zum vergleichsweise objektiven Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit verschieben.

Was wäre die Alternative? Jemand leidet z.B. offensichtlich unheilbar und messbar unaushaltbar stark. Was tun?
Sich anmaßen zu entscheiden ob derjenige weiterleben möchte, nur weil man selbst der Meinung ist, dass man mit diesem Leiden das Leben nicht mehr lebenswert finden kann, ist also die Alternative? Das hiesse die eigene Sichtweise der Welt auf andere zu übertragen und daran ihr Recht auf Leben festzumachen. Das erinnert ein wenig an den Umgang der Nazis mit Behinderten, oder? Die haben ja auch immer gesagt, dass ein solches Leben nicht lebenswert sei.

Verstehe ich nicht ganz. Für dich kann vlt. jeder Fall unter diesem Blickwinkel - Töten und Schuld - betrachtet werden. Für jemanden, der leidet, kann dies ja genau umgekehrt sein: Erlösung und Dank.
Und es kann genauso sein, dass derjenige das keineswegs als Erlösung ansieht. Mein Vater z.B. war immer der Meinung, dass er niemals wiederbelebt werden möchte. Nun... dummerweise wusste das der Passant nicht, als er seinen Herzanfall hatte und hat ihn am Leben gehalten. Mittlerweile ist er dafür dankbar und hatte dadurch noch viele schöne Lebensjahre, auch wenn er dafür erstmal ein knappes Jahr durch diverse Therapien gehen musste. Der Mensch kann seine Meinung zum Wert des Lebens also durchaus auch ändern, wenn er in Situationen kommt, in denen dieses Leben gefährdet ist.

Ich bin mir sicher, dass es irgendwo eine Schwelle gibt, die wir finden müssen. Vielleicht ist es sogar sehr schwierig diese Schwelle zu finden. Aber ich bin mir sehr sicher: Es gibt sie.
Und ich behaupte es gibt sie nicht. Der Wert des eigenen Lebens ist nunmal von Person zu Person verschieden. Unterhalte dich z.B. mal mit Schwerstbehinderten in einem Heim, die jeden Tag Schmerzmittel nehmen müssen um halbwegs über die Runden zu kommen. Du wirst feststellen, dass erstaunlich viele von denen gar nicht erlöst werden wollen, weil sie ihr Leben wichtiger nehmen als die Schmerzen. Genauso findet man aber in Krankenhäusern auch Leute, die schon beim Verlust des Augenlichts nicht mehr leben wollen.

Die Schlussfolgerung wäre: In einigen Fällen wäre es absolut unethisch jemanden nicht von seinen Qualen zu befreien.
Und es wäre genau so unethisch sich anzumaßen bestimmen zu können wann jemand so sehr leidet, dass er das Leben nicht mehr als lebenswert empfindet, wenn derjenige dies nicht mehr klar artikulieren kann.

Manchmal bedeutet dies das Leben wieder lebenswert zu machen, manchmal bedeutet dies eben jemanden, wenn alles andere fehlschlägt, diesen zu erlösen.
Dieser unangenehmen Wahrheit sollte man sich schon stellen. Vielleicht schaffen wir es irgendwann ja Selbstmorde beim Menschen zu "heilen", indem wir durch wissenschaftliche Mittel den Menschen besser verstehen und auch die Krankheiten, die er bekommen kann.
Aber bis dahin brauchen wir eine Notlösung.

Ich mag dieses Wort "erlösen" nicht, denn damit wird schlicht und einfach kaschiert, dass es hier um eine Tötung geht. Man erlöst denjenigen nicht. Man tötet ihn. Und da wir nicht wissen, was nach dem Tod kommt, kann das durchaus auch das Gegenteil von Erlösung sein.
 
Wie du vllt schon erlebt hast, fängt Leichnahm nach einer gewissen Zeit ziemlich an zu stinken, wenn man nicht besondere Maßnahmen ergreift. Und diesen zu vergraben ist nunmal die einfachste Methode. In gewissermaßen ist auch Recycling.
Und dennoch nicht mehr zeitgemäss, denn heutzutage könnten wir jede Menge Rohstoffe aus solchen Leichen gewinnen oder sie nutzen um den Welthunger einzudämmen indem wir sie zu Nahrungsmitteln verarbeiten. Das wussten die Steinzeitmenschen noch nicht, aber wir sollten doch heutzutage etwas weiter sein als die, oder? ;)

Wenn hier aber die Kirche als moralische Instanz präsentiert wird, muss sie sich an ihrer Geschichte messen lassen. Außerdem, zum wiederholten Male, es wird idR Kritik an der Kirche (aka die Institution) geübt und nicht an *allen* (bedeutet an einigen schon) Menschen, die heute "evangelisch" oder "katolisch" in ihrem Pass stehen haben.
Und nochmal... mit deinem Reden von "der Kirche" disqualifizierst du dich selbst irgendwas brauchbares zum Thema Kirche beitragen zu können. Die Ansichten von Neuapostolen, Katholiken, Protestanten, Orthodoxen, Kopten usw. unterscheiden sich zum Teil sehr deutlich. Und genauso unterscheiden sich deren Geschichten sehr deutlich. Man kann also DIE Kirche nicht an IHRER Geschichte messen, weil es DIE Kirche nicht gibt und damit auch IHRE Geschichte nicht.

Warum wird nie in die andere Richtung geguckt, kann es vielleicht sein, dass im Falle von todkranken Menschen die Medizin missbraucht wird, um einen natürlichen Prozess künstlich in die Länge zu ziehen?
Nun, wie du vielleicht an meiner Antwort an +++ATH0 sehen kannst, betrachte ich diese Richtung durchaus auch.

Im übrigen finde ich es ziemlich frech und absolut haltlos mir Islamophobie vorzuwerfen. Zwei meiner grössten Vorbilder, Saladin und sein Bruder Abu-Bakr Malik al-Adil, waren bekanntermaßen Moslems. Und ich habe als Anhänger der Militia Templi grössten Respekt vor dem Kampfgeist und der Fairness der Moslems, wenn es um die Verteidigung ihres Glaubens geht.
 
Wenn du dich für den Freitod entscheidest, schränkst du die Freiheit der Pharma-Unternehmen ein mit deinem Sterbeprozess Geld zu verdienen. Du siehst also, dass Freiheit etwas sehr subjektives ist und es schwierig ist zu sagen, wann man die Freiheit anderer einschränkt oder nicht.

Die Pharma-Unternehmen verdienen passiv an meinen Entscheidungen. Sie entscheiden ja nicht aktiv sich an mir zu bereichern - ich trete als Patient bei denen in Erscheinung mit der Freiheit mich zu entscheiden ein Medikament einzunehmen oder nicht.

Natürlich hast du Recht, dass man oft gegenläufige Interessen abwägen muss.
Was wiegt höher? Naja die Interessen an einem selbst wiegen höher aus einer ganz einfachen Überlegung heraus: Eine Form der goldenen Regel. Man würde einfach nicht in einem System leben wollen, in denen andere über dich mehr entscheiden können als du selbst über dich. Das lässt sich jedenfalls meistens darauf reduzieren. Bei Gegenbeispielen muss man einfach ein wenig backtracken.
Zum Beispiel Gefängnis: Hat man dort nicht jemandem seine Freiheit über seinen Aufenthaltsort genommen? Dort hat aber der Häftling zuvor die Regel selbst verletzt - keine Gefängnisse zu haben würde Verhalten propagieren, dass diese Regel mehr verletzt als die Idee der Strafe.

Religionsgemeinschaften profitieren übrigens auch mit der Besetzung des Themas Tod - und zwar mit falschen Versprechen.
Zumindest halten getestete Medikamente messbar was sie versprechen und zwar mit Ehrlichkeit zur Nebenwirkung.

Wie bereits am Beispiel der Freiheit gezeigt, kann man durchaus auch das Recht jemanden am Freitod zu hindern problemlos in die Diskussion reininterpretieren. Man muss dafür nur mal den subjektiven Blickwinkel der Menschlichkeit zum vergleichsweise objektiven Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit verschieben.

Siehe die Überlegung mit der goldenen Regel oben. In einer Wirtschaftlichkeit arbeiten ja auch echte Menschen und diese würden ja für sich selbst auch nicht wollen Opfer der Entscheidungen anderer zu werden.
Selbst also, wenn ein Pharma-Chef eine persönliche Entscheidung über sich treffen möchte, würde er nicht wollen von einem dritten Wirtschaftsunternehmen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in seinem Recht überboten zu werden. Er würde ebenso einsehen, dass das Recht über sich selbst höher wiegt - aus seinem eigenen Interesse heraus.

Sich anmaßen zu entscheiden ob derjenige weiterleben möchte, nur weil man selbst der Meinung ist, dass man mit diesem Leiden das Leben nicht mehr lebenswert finden kann, ist also die Alternative? Das hiesse die eigene Sichtweise der Welt auf andere zu übertragen und daran ihr Recht auf Leben festzumachen. Das erinnert ein wenig an den Umgang der Nazis mit Behinderten, oder? Die haben ja auch immer gesagt, dass ein solches Leben nicht lebenswert sei.

Kennst du das Trolley-Problem?
Trolley-Problem

Wie würdest du antworten? Mit dem umstellen der Weiche maßt du dir an über Leben und Tod zu entscheiden.
Andererseits: Nichts zu tun ist unterlassene Hilfeleistung?! Oder nicht?

So ähnlich ist es hier: Jemand leidet z.B. sichtlich und unvermeidbar stark und Linderung ist nicht möglich. Du entscheidest es zu ignorieren, beziehungsweise du bildest dir ein du könntest noch helfen und hilfst eig. nur deinem Gewissen - die Person leidet nach wie vor extrem.

Oder leugnest du die Existenz solcher Fälle? Kann auch sein.
Ansonsten bitte dieses offensichtliche Problem mal direkt adressieren und nicht geschickt umgehen. :wink:

Etwas zu unterlassen ist auch eine Entscheidung.

Und es kann genauso sein, dass derjenige das keineswegs als Erlösung ansieht. Mein Vater z.B. war immer der Meinung, dass er niemals wiederbelebt werden möchte. Nun... dummerweise wusste das der Passant nicht, als er seinen Herzanfall hatte und hat ihn am Leben gehalten.

Warum glaubte dein Vater das? Das ist schon recht ungewöhnlich, weil im Prinzip ist dies keine echte "Wiederbelebung", er war ja nie tot.
Vielleicht liegt das daran, dass er einfach falschen Fakten aufgesessen war. Oder meinte er vlt. auch etwas ganz anderes? Zum Beispiel im Krankhaus nach langem Koma in einem niedrig bewussten vegetativen Status "wiederbelebt" zu werden und man (mal überspitzt ausgedrückt) mit Babybrei und Lätzchen gefüttert werden muss? Manche entscheiden ja für sich das nicht zu wollen.

Wie gesagt: In meinem letzten Beitrag habe ich klargemacht, dass die erste Priorität immer sein sollte: Überhaupt verhindern, dass es soweit kommen muss. Zum Beispiel eben durch:
- Lieferung von Fakten über Vorgänge (z.B. was eine Herzdruckmassage erreichen kann und wie) damit man informierte Entscheidungen treffen kann
- Verbesserung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Krankheiten und die menschliche Psyche und Methoden der Verbesserung von Lebensqualität
- soziale Hilfsmechanismen

Wir sprechen hier über eine Notlösung für Extremfälle.

Der Mensch kann seine Meinung zum Wert des Lebens also durchaus auch ändern, wenn er in Situationen kommt, in denen dieses Leben gefährdet ist.

Und somit verwehrt man auch den Restlichen diese Entscheidung über sich?

Nirgendwo ist irgendetwas perfekt. Man kann stets immer ein "Es gibt.." für alle möglichen Situationen anführen. Deswegen muss es für allen Situationen eine Lösung geben und wir müssen gut darin werden die richtige Lösung für die jeweilige individuelle Situation zu finden.
Also die Lösungen, die DU vorschlägst oder eben, wenn gerechtfertigt, die Sterbehilfe als Lösung.
Du schließt Lösungswege von vornherein aus. Du sagst im Prinzip: Egal welche Situation, diese Sterbehilfe-Lösung sei immer falsch.

Und ich behaupte es gibt sie nicht. Der Wert des eigenen Lebens ist nunmal von Person zu Person verschieden. Unterhalte dich z.B. mal mit Schwerstbehinderten in einem Heim, die jeden Tag Schmerzmittel nehmen müssen um halbwegs über die Runden zu kommen. Du wirst feststellen, dass erstaunlich viele von denen gar nicht erlöst werden wollen, weil sie ihr Leben wichtiger nehmen als die Schmerzen. Genauso findet man aber in Krankenhäusern auch Leute, die schon beim Verlust des Augenlichts nicht mehr leben wollen.

Selbstverständlich ist diese Schwelle abhängig vom individuellen Menschen.
Aber es gibt sie. Wir können durch viele Bestrebungen erreichen diese Schwelle zunächst einmal sehr hoch zu halten, indem man alle anderen Lösungen völlig ausschöpft.
Aber du kommst nicht um die Fälle herum bei denen nichts mehr reicht.

Und es wäre genau so unethisch sich anzumaßen bestimmen zu können wann jemand so sehr leidet, dass er das Leben nicht mehr als lebenswert empfindet, wenn derjenige dies nicht mehr klar artikulieren kann.

Wenn beides exakt gleich unethisch ist, was macht man dann?
Ich zweifle das dies so ist.
Die Schwierigkeit liegt darin es herauszufinden. Also: Diagnostik und Wissen über den Menschen verbessern.
Dafür sorgen, dass Patientenverfügungen immer informierter und mit einer größeren Wissensbasis geschrieben werden können und adäquater handeln kann.
Noch besser: Dass es gar nicht erst zu solchen Entscheidungen kommen muss. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Ich mag dieses Wort "erlösen" nicht, denn damit wird schlicht und einfach kaschiert, dass es hier um eine Tötung geht.

Widerspricht sich ja nicht. Dann gibt es eben Fälle in denen die Tötung eine Erlösung von unaushaltbaren Qualen herbeiführt.

Und da wir nicht wissen, was nach dem Tod kommt, kann das durchaus auch das Gegenteil von Erlösung sein.

Am plausibelsten kommt wohl das nach dem Tod, was auch dann kommen würde, wenn der Mensch anders sterben würde - eben nur früher.
 
Warum wird nie in die andere Richtung geguckt, kann es vielleicht sein, dass im Falle von todkranken Menschen die Medizin missbraucht wird, um einen natürlichen Prozess künstlich in die Länge zu ziehen?
Nun, wie du vielleicht an meiner Antwort an +++ATH0 sehen kannst, betrachte ich diese Richtung durchaus auch.

Ein absolut interessanter Aspekt übrigens. Ab wann ist etwas künstliche Lebensverlängerung und wann nicht mehr? Wann ist es vlt. sogar "Sterbehilfe" durch Unterlassen von wichtigen Medikamenten (u.U. gewertet als fahrlässige Tötung durch Unterlassen [1])
Wenn jemand nicht mehr alleine essen kann, ist die Gabe von Nahrung künstliche Lebensverlängerung? Liegt es nur an Medikamenten oder müssen es Beatmungsgeräte sein?
Eigentlich ist das ja ein quasi stufenloses Kontinuum bei dem man es schwer hat zu sagen wann nun was der Fall ist.

Deswegen sollte z.B. in einer Patientenverfügung jeder selbst bewerten dürfen und nennen dürfen, wie er es für richtig hält. Ob andere das nun Tötung oder Sterbehilfe nennen, ist dabei irrelevant.

[1] C. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt | iurastudent.de
 
Die Pharma-Unternehmen verdienen passiv an meinen Entscheidungen. Sie entscheiden ja nicht aktiv sich an mir zu bereichern - ich trete als Patient bei denen in Erscheinung mit der Freiheit mich zu entscheiden ein Medikament einzunehmen oder nicht.
Du hast dich offenbar noch nicht mit der Pharma-Industrie auseinandergesetzt. Schon wenn du konventionell angebaute Nahrungsmittel konsumierst, nimmst du Medikamente, für deren Einnahme du dich ganz bestimmt nicht aus freiem Willen entschieden hast. Schlicht und einfach aus dem Grund, weil du gar nicht weisst, was an Medikamenten, Hormonen etc. in den Nahrungsmitteln enthalten ist.

Zumindest halten getestete Medikamente messbar was sie versprechen und zwar mit Ehrlichkeit zur Nebenwirkung.
Was ich zu bezweifeln wage und wo es auch genug Gegenbeispiele wie z.B. Tamiflu u.a. gibt. Nebenwirkungen werden, wo immer es möglich ist, verschwiegen.

Warum glaubte dein Vater das? Das ist schon recht ungewöhnlich, weil im Prinzip ist dies keine echte "Wiederbelebung", er war ja nie tot.
Vielleicht liegt das daran, dass er einfach falschen Fakten aufgesessen war. Oder meinte er vlt. auch etwas ganz anderes? Zum Beispiel im Krankhaus nach langem Koma in einem niedrig bewussten vegetativen Status "wiederbelebt" zu werden und man (mal überspitzt ausgedrückt) mit Babybrei und Lätzchen gefüttert werden muss? Manche entscheiden ja für sich das nicht zu wollen.
Doch, er war mehrere Minuten Tod und war danach bis zur erfolgreichen Durchführung der Reha absolut auf fremde Hilfe angewiesen. Er konnte zeitweise nicht mal mehr richtig sprechen, wäre also nicht in der Lage gewesen irgendwas zu äußern, wie z.B. dass man die künstliche Ernährung einstellen solle oder ähnliches.

Du schließt Lösungswege von vornherein aus. Du sagst im Prinzip: Egal welche Situation, diese Sterbehilfe-Lösung sei immer falsch.
Nein, ich gebe zu bedenken, dass sie falsch sein kann, gerade wenn es um Menschen geht, die ihren Wunsch zu leben oder auch zu sterben nicht (mehr) selbst äußern können. Aber ja, gerade bei Menschen, die ihren Lebens- oder Todeswunsch nicht äußern können, halte ich Sterbehilfe für prinzipiell falsch. Worüber momentan aber diskutiert wird ist, dass Angehörige diese Entscheidung dann treffen können sollen. Und angesichts einer immer egoistischer werdenden Gesellschaft und dem sinkenden Wert von alten Leuten in unserer Gesellschaft, sehe ich vor allem die Gefahr, dass man sich mit dieser Sterbehilfe dann einfach des Ballasts entledigt, den die Pflege eines Hilflosen nunmal darstellt. Dann geht es nämlich nicht mehr darum ob derjenige weiterleben möchte sondern darum ob die Verantwortlichen bereit sind die Pflege zu übernehmen.

Dafür sorgen, dass Patientenverfügungen immer informierter und mit einer größeren Wissensbasis geschrieben werden können und adäquater handeln kann.
Das würde bedingen, dass jeder Mensch, der eine Patientenverfügung unterschreibt, zum Mediziner wird.


Widerspricht sich ja nicht. Dann gibt es eben Fälle in denen die Tötung eine Erlösung von unaushaltbaren Qualen herbeiführt.

Und dennoch kann niemand sagen, ob danach nicht vielleicht endlose weitaus schlimmere Qualen folgen. Erstaunlich viele Religionen in der Geschichte der Menschheit hatten und haben eine Art Hölle. Aber anstatt mal zu fragen woher dieser Glaube kommt, wird er als unsinnig abgetan, weil die Wissenschaft es weder wider- noch belegen kann. Wir "erlösen" Menschen also ggf. gar nicht sondern verdammen sie zu ewigen Qualen. Wir wissen einfach nicht, was danach kommt. Und so lange wir das nicht wissen, ist es ziemlich vermessen darüber entscheiden zu wollen Menschen in dieses "danach" zu schicken.
 
@+++ATH0

Ethische Begründungen sind ohnehin ein großes Problem, können wir die überhaupt faktisch machen? (Is)
Ja, das ist ein tatsächlich absurdes aber auch grundlegendes Problem.

Zitat:
Zitat von Chromatin Beitrag anzeigen
Die christliche Lehre und der aufgeklärte Philosoph wollen hier das gleiche - sie argumentieren eben einfach aus anderen Blickwinkeln heraus.
Könntest du diese Blickwinkel konkretisieren, vlt. sogar beispielhaft? Würde mich interessieren, was du beobachtet hast.

Kann ich:

Der Rationalist (um hier mal gaaanz abstrakt zu bleiben) misst Ethik an seinem "gesunden Menschenverstand". Letztendlich bleibt es unter den Ethikern eine offene Frage, die sich im allgemeinen damit "begnügt" festzustellen, dass zb das "Menschenrecht" eine innere Evidenz besitzt. Aber - und dass weiß auch der Rationalist - diese innere Evidenz ist eine reine Annahme, für die es, aus der Weltanschauung des Rationalisten heraus, keine Legitimation gibt.

Der Christ sieht das Menschenrecht als "Gott gegeben" an, als universales Recht - welches un-verhandelbar ist.

Eine Schwierigkeit besteht nun tatsächlich darin, dass der Rationalist einem anderen Kulturkreis erklären müsste, warum denn nun seine Sicht zum Menschenrecht die (absolut) Richtige ist. Da der Rationalist idR. generell absolute Ansprüche ausschließt, kommt er hier, rein argumentativ, in Schwierigkeiten. Tatsächlich wird die Frage nach dem Menschenrecht nicht von allen Menschen gleich betrachtet. Der Christ bezieht sich eben darauf dass Menschenrecht absolute Gültigkeit besitzt.

Unterm Schnitt laufen beide Sichtweisen vernünftigerweise darauf hinaus, dass unser Leben schützenswert ist und wir das in "gerechten" Gesetzen zu formulieren haben ("Die Liebe zu den Menschen drückt sich in der Gerechtigkeit aus", Papst Johannes Paul II). Aber beide argumentieren von verschiedenen Standpunkten her.


Man kann hier auch ganz praktisch argumentieren: Die meisten können sich umbringen ohne, dass jemand wirklich etwas dagegen tun kann. Er kann es tun, Kraft seiner eigenen Entscheidung und stirbt.
Jetzt könnte man die andere Seite fragen: Mit welchem Recht sollte man ihn durch Zwang aufhalten dürfen? Das wäre ein Einmischen in eine persönliche Angelegenheit, oder nicht?
Nach aktuell geltendem Recht ist das nicht so leicht zu beantworten - das ist ja der Streitpunkt :)

Was wäre die Alternative? Jemand leidet z.B. offensichtlich unheilbar und messbar unaushaltbar stark. Was tun?
Ich persönlich weiß es nicht.

Ich bin mir sicher, dass es irgendwo eine Schwelle gibt, die wir finden müssen. Vielleicht ist es sogar sehr schwierig diese Schwelle zu finden. Aber ich bin mir sehr sicher: Es gibt sie. Nicht absolut jeder Fall passt in die Kategorie, die du skizziert hast.
Dem stimme ich absolut zu. Diese "Schwelle" gilt es zu finden ohne die Grundsätzlichen Werte in Frage zu stellen oder Leben zu "banalisieren" und den Missbrauch, wie Tara aufgezeigt hatte, auch auszuschließen.

Ansonsten kann ich Dir nur beipflichten.


@xrayn

Allerdings macht es hier Sinn Ausnahmen zu definieren, zB wenn jemand 10 Jahre lang im Koma liegt.

Obwohl wir nicht wissen wie die subjektive Befindlichkeit einer solchen Person ist? Das ist gewagt...
 
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