[TdW 162] Quo vadis, EU?

Bevor das Jahr sich dem Ende zuneigt wird es dringend noch einmal Zeit für ein TdW. Und damit die besinnlichen Feiertage euch nicht allzu sehr mit Schein-Harmonie einlullen, stellt das TdW noch einmal eine kritische Frage: Quo Vadis, EU?
Die letzten Jahre waren für die EU chaotisch, bedeutsam & vermutlich auch richtungsweisend. Man könnte fast sagen das die letzten zehn, fünfzehn Jahren von Krisen geprägt wurden. Da war zunächst die Immobilienkrise, die sich zur Banken- & Finanzkrise mauserte, dann zur Schuldenkrise wurde und immer noch als Euro-Krise vor sich hin kriselt. Weitere internationale, bzw. ganz Europa betreffende, Krisen sind z. B. die NSA- & Geheimdienstkrisen (die gezeigt haben das Geheimdienste weltweit angefangen vom BND, CIA, MI5, MI6, NSA bis hin zum Verfassungsschutz es nicht allzu genau mit ihrem eigentlichen Auftrag, staatlicher Kontrolle und gesetzlichen Beschränkungen nehmen), die Ukraine-Krise und natürlich die Flüchtlingskrise.
Lange Zeit war die EU so etwas wie ein Club der Satten, Reichen & Zufriedenen, zu dem jeder irgendwie dazu gehören wollte. Nach der Implosion der Sowjetunion überschlugen sich die die meisten osteuropäischen Staaten geradezu in dem Bemühen Teil dieses Clubs zu werden und ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Und auch die EU schien gar nicht schnell genug expandieren zu können und verschob ihre Grenzen immer weiter nach Osten. Wenn man jetzt zurückblickt kann man sich schon fragen, ob nicht einige Probleme durch diese hastige Expansion ausgelöst wurden. Russland wird nicht gerade glücklich gewesen sein, dass sich die EU - und in deren Windschatten die NATO - immer mehr den eigenen Grenzen annähert. Das Russland außenpolitisch & innenpolitisch immer martialischer aufgetreten ist, dürfte auch mit dieser Entwicklung zusammenhängen - je bedrohter man sich fühlt, desto mehr versichert man sich der eigenen Stärke. Letztendlich führte die Entwicklung zu einem neuen Konflikt zwischen dem Westen und Russland, der mit der Annektion der Krim und dem Bürgerkrieg in der Ukraine seinen (bisherigen) traurigen Höhepunkt gefunden hat.
Doch auch interne Konflikte treten in der EU mehr und mehr zutage: Als Reaktion auf die Schulden- & Eurokrise hat Deutschland mit harter Hand eine eiserne Sparpolitik, auch Austeritätspolitik genannt, durchgesetzt und dabei viel diplomatisches Porzellan zerbrochen. Die Solidarität die Deutschland in der Flüchtlingskrise fordert, sei in der Euro-Krise von dem unnachgiebigen deutschen Finanzminister Schäuble mit Füßen getreten worden, behaupten manche. Während in manchen Staaten, allem voran Griechenland, die Bevölkerung unter den Folgen der Sparpolitik regelrecht zu leiden hat, werden die großen Parteien dieser Länder, die traditionell die Regierungen stell(t)en und somit direkt für die Misswirtschaft der letzten Jahrzehnte verantworlich sind, zunehmend mit populistischen Herausfordern vom linken und rechten Rand konfrontiert. Tatsächlich scheint Europa im Zuge der Krisen immer radikaler zu werden und vor allem die Rechtspopulisten & Nationalisten scheinen Auftrieb zu haben. In Deutschland verbreiten AfD-Politiker ganz offen rassitisches Gedankengut & PEGIDA verleiht den Ängstlichen, Wütenden und Hasserfüllten ein Gesicht. In Frankreich könnte der Front National schon bald Wahlen gewinnen, in den Niederlanden wird der Rechtspopulist Geert Wilders Politiker des Jahres, in Dänemark hat die rechtsliberale Regierung Pläne die sogar Polizisten gruseln, in Ungarn scheint man sich schon lange von "westlichen Idealen" abgewendet zu haben und Polen ist gerade dabei den Ungarn darin nachzueifern & sie nach Möglichkeit rechts zu überholen...:rolleyes:
In Frankreich denkt man nach den Terroranschlägen bereits über eine Verfassungsänderung nach, um Sonderermächtigungen des seitdem geltenden Ausnahmezustands gesetzlich zu verankern. In UK wurden die Überwachungskompetenzen der Geheimdienste gerade erst beträchtlich erweitert und auch in Deutschland wurde die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt. Wenn man sich das alles so anschaut, kann man auf den Gedanken kommen das sich viele EU Staaten auf dem Weg zum autoritären Überwachungsstaat befinden - wo höchstens die Wirtschaft auf liberale Politik hoffen kann. Vor diesem Hintergrund stellt das TdW also heute die Frage: Quo vadis, Europa? Steht die EU vor dem Zerfall, mutiert sie zu einer Allianz nationalistischer Diktaturen oder wird sie gar gestärkt aus den Krisen hervorgehen?
Im ursprünglichen Sinne bedeutet Krise übrigens eigentlich Entscheidung oder Wendepunkt, erlebt auch die EU einen entscheidenden Wendepunkt?

P.S.: Frohe Weihnachten & einen guten Rutsch euch allen!

Quellen & mehr zum Thema:
Niederlande: Geert Wilders zum Politiker des Jahres gewählt - SPIEGEL ONLINE
Dänischer Polizist will nicht Flüchtlinge filzen - Politik - Süddeutsche.de
Polen: Nationalkonservative entmachten Verfassungsgericht - SPIEGEL ONLINE
 
Die EU liegt in Trümmern. Sie hat ihre eigenen Werte und ihre Bürger in den meisten Bereichen verraten. Sinkende Lebensstandards und wachsende Armut sind nur ein Anzeichen dafür.

Es tritt in den EU-Staaten momentan alles das ein, wovor ich bereits vor Jahren gewarnt habe. Immer martialischer auftretende Polizei, die vor allem wirtschaftliche und politische Interessen vertritt und nicht mehr die Bürger schützt. Geheimdienste, die flächendeckend die eigenen Bürger überwachen. Politiker, die in ihrer eigenen Welt leben und gar nicht mehr mitbekommen was für das Volk wichtig und richtig ist. Wirtschaftslobbies bestimmen das Politikgeschehen. Die "europäischen Werte" wurden schon vor Jahren direkt neben der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu Grabe getragen (siehe z.B. die kaum noch handlungsfähige Opposition im Bundestag). Polen und Ungarn sind dabei lediglich die Hardcore-Beispiele. Aber kommen da Konsequenzen aus Brüssel oder aus den anderen EU-Staaten? Nein. Man duldet selbst die Kontrolle der sogenannten Vierten Gewalt durch einige wenige Verleger oder gar durch den Staat. Mittlerweile sind die Medien nicht mehr dazu da zu informieren sondern Meinungen und Stimmungen zu formen. Meinungsfreiheit gehört der Vergangenheit an. Denn wer eine Meinung vertritt, die nicht dem politischen Konsens entspricht, ist sofort ein Nazi, Verschwörungstheoretiker oder ähnliches. Siehe z.B. die neue Friedensbewegung, die sich nach dem Versagen der alten Bewegung geformt hat. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung traut sich schon gar nicht mehr seine Meinung zu Themen wie Asylpolitik oder Finanzsystem zu äußern, aus Sorge dann in genau solche Ecken gedrängt und diffamiert zu werden. Gleiches gilt für den Grossteil der Journalisten. Selbst die Kabarettisten sind mittlerweile so handzahm geworden, dass sich die Preisverleiher schon über den Nachwuchs lustig machen. "Nur nicht anecken" lautet das Motto der Nachwuchs-Generation.

Werfen wir einen Blick in Länder wie Griechenland, sehen wir dort Menschen, die keine medizinische Versorgung mehr bekommen. In anderen Ländern, vor allem im Ostblock, sieht es nicht viel anders aus. Dort geht es allerdings so weit, dass Flüchtlinge dort einen Anspruch auf eine solche Versorgung haben (finanziert durch die EU), die Bürger aber nicht. In fast allen EU-Ländern, die mit vielen Flüchtlingen zu tun haben, werden Luxusimmobilien vom Staat konfisziert um Flüchtlinge unterzubringen, während die sozial schwächer gestellten Bürger teilweise in schimmligen Wohnungen hausen. Ist es da so verwunderlich, dass mittlerweile immer mehr rechte Parteien gewählt werden? Wohl kaum. Schliesslich wird den Bürgern das Bild vermittelt, dass man für Flüchtlinge neue Gesetze schafft um sie zu versorgen, die Versorgung der Bürger aber den Politikern am A.... vorbei geht. Das ist Wasser auf die Mühlen jeder rechten Partei.

Hinzu kommt, dass sich neue wirtschaftliche Sorgenkinder wie Finnland bilden. Solche Länder kommen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise einfach nicht mehr raus, weil sie nicht mehr in der Lage sind ihre Währung abzuwerten. Dass sie dann über einen Austritt aus dem Euro nachdenken, wundert vermutlich auch kaum jemanden. Grexit, Fixit usw. sind ja in den Medien überall präsent. Vermutlich wird man aber mal wieder versuchen sie krampfhaft im Euro zu halten, was dann wiederum neue Spardiktate, neue Finanzhilfen der anderen EU-Staaten usw. zu Folge haben wird. Ein weiterer Abbau von sozialen Leistungen in immer mehr EU-Ländern ist also zu erwarten. Wie lange wird die Wirtschaftsleistung von Deutschland und Frankreich da noch mithalten können, ohne dass die Spardiktate bald auch hierzulande die sozial schwächer gestellten Bürger treffen werden? Immerhin tragen diese beiden Länder momentan mehr als 1/3 der Ausgaben für solche Hilfen. Erste Anzeichen sieht man schon jetzt z.B. am Abbau von Inklusionsprojekten für behinderte und seelisch eingeschränkte Menschen. Da werden z.B. Sprachförderschulen umfunktioniert um Klassen von Flüchtlingskindern dort unterzubringen. Weiteres Wasser auf die Mühlen der Rechten.

Vergessen wir auch nicht, dass wir mal wieder völkerrechtswidrig in einen Krieg eingetreten sind. Wer mal in den letzten Wochen die BPK verfolgt hat (Tipp: "Jung&Naiv" veröffentlicht diese ungeschnitten), der wird mitbekommen haben, dass es keineswegs nur um einen Krieg gegen den IS geht. Man will vor allem auch Assad loswerden und paktiert dafür sogar mit Rebellen, die Al Quaida nah stehen, und mit Regimen wie Saudi-Arabien, deren Methoden und Ansichten von Gesellschaft sich nicht sonderlich vom IS unterscheiden. Mit anderen Worten: Man scheisst auf die europäischen Werte und führt mal wieder einen Angriffskrieg. Geopolitische und wirtschaftliche Interessen spielen eine grössere Rolle als die Werte, die von der EU mal vertreten wurden. Ein Bündnis für den Frieden war es mal. Jetzt ist es nur noch ein Bündnis um die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen einiger weniger Mitgliedstaaten (allen voran Deutschland) und der USA durchzusetzen.

Dass wir bereits einen neuen Kalten Krieg haben, mit dem sich die NATO nun endlich wieder legitimieren kann und der dem militärisch-industriellen Komplex neue Rekordeinnahmen sichert, ist eine weitere Auswirkung der EU-Politik. Schon dass die Übernahme der Krim durch Russland noch immer als Annexion bezeichnet wird, spricht dabei für sich. Wir können auf Wikipedia und im Duden nachlesen, dass es sich bei einer Annexion um eine militärische und gewaltsame, einseitige Übernahme eines Territoriums in ein anderes Hoheitsgebiet handelt. Von erzwungen oder einseitig kann aber bei der Krim wohl kaum die Rede sein, da die Bürger sich dort selbst für die Angliederung an Russland entschieden haben. Es handelte sich also offensichtlich eher um eine Sezession. Die Bezeichnung Annexion ist somit ein Propaganda-Begriff mit dem Ziel den Gegner als bösartig darzustellen. Und das ist nur eines von vielen Beispielen, wo man versucht Russland als Feindbild aufzubauen. Dass dieses neue Feindbild auch einen Anteil am wirtschaftlichen Niedergang hat, sollte dabei nicht unbeachtet bleiben. Während die EU Sanktionen gegen Russland verhängt und damit ihren eigenen Export schwächt, wachsen die Handelsvolumen zwischen den USA und Russland fleissig. Man könnte also auf die Idee kommen, dass es unter anderem darum geht der US-Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.

Was viele Bürger an der EU wurmt, sollte auch nicht unerwähnt bleiben... die fehlende Demokratie. Da werden zum Beispiel Freihandelsabkommen abgeschlossen, die Einrichtungen der Demokratie mittels Schiedsgerichten umgehen. Dabei pfeifen es die Spatzen bereits von den Dächern, dass sich um diese Schiedsgerichte bereits eine eigene Industrie gebildet hat und dass einige Konzerne bereits darauf warten um ihre vermeintlichen Rechte einzuklagen ohne dass ihnen Gesetze dabei im Weg stehen. Auch dass die Bürger kaum Einfluss auf das haben, was in der EU beschlossen wird, ist kein Geheimnis mehr. Die Hürden für Bürgerbeteiligung sind so hoch angesiedelt, dass sie kaum überwunden werden können. Man könnte sogar auf die Idee kommen, dass der wachsende Nationalismus in Europa gewollt ist, weil die Bürger eines Landes definitiv nicht in der Lage sind die entsprechenden Hürden bei Petitionen zu erreichen. Dazu müssten sie sich schon europaweit organisieren und das tun sie nicht, wenn sie in nationalistischem Denken verhaftet sind.

All das sind nur einzelne Punkte aus einem ganzen Katalog an Kritikpunkten, die mir einfallen würden. Dinge wie die maßlose Einmischung in die Selbstbestimmung der Bürger erwähne ich gar nicht erst. Merkt ja jeder im täglichen Leben am eigenen Leib, sei es nun durch die Überregulierung von Genussmitteln oder durch so berühmte Dinge wie die Abschaffung der Glühbirne, bei der man so tut als hätte man dadurch das Weltklima gerettet. Auch dass die EU nun auch noch finanzhoheitliche Aufgaben übernehmen will, dürften die meisten schon mitbekommen haben (Stichwort: EU-Steuer). Man versucht offenbar in Brüssel mit allen Mitteln Macht an sich zu reissen, was zu einem weiteren Abbau von Demokratie in Europa führen wird.

Ich denke daher, dass die EU sich durchaus an einem Wendepunkt befindet. Dieser wird aber zum Zerfall der EU und zu Aufständen in den EU-Staaten führen, wenn die Politik in Brüssel weiter so agiert wie bisher. Der CIA hat jedenfalls Aufstände in Europa bis 2020 vorhergesagt. In einigen Ländern haben wir sie ja bereits, die anderen Länder werden ziemlich sicher folgen... vorausgesetzt die EU-Politiker machen nicht bald eine drastische Kehrtwende.
 
Arg...

Ich erinnere mal an die Wahl des Kommissionspräsidenten, in der sich das EU Parlament deutlich sichtbar informelle Rechte erkämpft hat! An die vielen Vertäge, die viele Verhandlungen und die vielen Entscheidungen des Parlamentes, des Gerichtshofs und auch der Kommission, die zu einer Steigerung der Demokratie in der EU in den letzten Jahren und Jahrzehnten geführt haben. Ich erinnere daran, dass viele Gespräche mittlerweise auf EU-Ebene stattfinden und nicht im stillen Kämmerlein eines einzelnen Landes, ja, dass diese stillen Gespräche sogar gemeinschaftlich verurteilt werden können und werden. Vergleicht man diese Situation mit der vor 20-30 Jahren, so hat die EU sehr deutlich an politischem Gewicht gewonnen. Sicher, die Kritik an ihr mehrt sich. Aber auch das ist nur eine logische Folge ihrer heutigen Stellung: Die EU ist inzwischen ein wichtiger Teil des politischen Systems geworden und damit folglich auch der Kritik der breiten Öffentlichkeit und insbesondere ihrer politischen Opposition ausgesetzt. Die versucht natürlich zu suggerieren, dass die EU am Ende sei, ja sogar "in Trümmern" liege. Das ist aber in der politischen Diskussion eine ganz normale Strategie - man erinnere sich nur an die Iran-Verhandlungen, die schon so häufig von Oppositionellen für gescheitert erklärt und die am Ende doch zu einem Ergebnis geführt wurden. Man sollte die Kritik daher nicht überbewerten, sondern sie als das betrachten, was sie ist: Politik.

Gerade, weil sie reine Politik ist, sollte man diese Kritik aber auch als etwas Gutes ansehen, denn sie fördert die Diskussion, zeigt neue Wege auf, regt zum Nachdenken an. Es wird, wie in der normalen Staatspolitik aber auch, nie ohne Kritik gehen. Wir werden nie eine Konsensdemokratie in der EU hinbekommen. Das sollte aber auch nicht unser Ziel sein. Fakt ist jedoch, dass die EU heute unser einziges wirksames Mittel ist um mit den globalen Herausforderungen in dieser Welt fertig zu werden. Diese Herausforderungen sind nicht der Auf- oder Abschwung der rechten oder linken Parteien, sie haben nichts mit Wohlstands-Armut in den EU Ländern zu tun, nichts mit Lobbyismus, nichts mit Fixit, Grexit oder sonstigem, was wir in 20 Jahren als politische Geschichte unseren Kindern und Studierenden beibringen werden. Nein, unsere Umwelt ist eine dieser Herausforderungen, oder die Weltwirtschaft, in der einzelnen Länder eine immer geringer werdene Rolle spielen werden, oder die Ressourcenfrage. Unser globales Zusammenleben wird sich entscheidend verändern, die Welt wird zusammen wachsen. Die EU ist bereits ein Teil dieser Welt, sie schickt ihre Vertreter in alle Himmelsrichtungen, führt Gespräche und richtet Veranstaltungen aus. Sie ist bereits dort angekommen. Von vielen ihrer Bürgerinnen und Bürger kann man das derzeit nicht behaupten.
 
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Ich glaube es gibt zwei völlig verschiedene Perspektiven.

Das eine ist ein politisches Europa, das andere ein Europa der "Völker".
Ersteres ist weitestgehend eingeführt und ist derart komplex, dass es kaum jemand durchblickt. Letzteres ist nie passiert.


Fakt ist jedoch, dass die EU heute unser einziges wirksames Mittel ist um mit den globalen Herausforderungen in dieser Welt fertig zu werden.

Durch den "freien" Markt ist die EU kein Schutzschild gegen die globale Preiskonkurrenz und Exportregelungen lassen sich auch durch Handelsabkommen regulieren, etwa wenn es um Zölle geht. Darüber hinaus bietet die deutsche Wirtschaft nach wie vor ein erhebliches technologisches Potential und Produkte, die andere haben wollen.

Also das mit dem "einziges wirksames Mittel" .. was meinst du damit?

Von vielen ihrer Bürgerinnen und Bürger kann man das derzeit nicht behaupten.
Das liegt daran, weil die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen recht unmittelbar wirkt. Für die meisten Menschen ist Europa eine Luftnummer die keine spürbare positive Konsequenz hat. Es gibt (noch) kein Manifest, mit dem sich der Europäer identifizieren kann.

Und ich bin überzeugt, dass sich viele von uns "Europäern" noch sehr viel länger und sehr viel lieber als Deutsche, Spanier oder Ire fühlen denn als Europäer. Im Gegensatz zum Vorbild USA haben wir alle eine sehr alte Kultur, die sich ausdifferenziert hat. Im Gegensatz zur USA ist der Unterschied ein attraktives Merkmal.
 
Also ich sehe, dass viele Gespräche aus den stillen Kämmerlein der einzelnen Länder in die stillen Kämmerlein der EU verlegt wurden. Da aber die Medien in den einzelnen Ländern wesentlich engere Kontakte zu den Politikern haben, kam davon wenigstens noch ein Teil an die Öffentlichkeit. Auf EU-Ebene fehlt dies mittlerweile völlig. Zwar weiss mittlerweile fast jeder, dass TTIP hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, aber wer weiss, dass dies auch Gespräche zur Agrarreform, zur CO2-Reduzierung, zum Tierschutz, also insgesamt der GAP betrifft? Von Dingen wie der Tabakproduktrichtlinie haben die meisten erst was gehört, als sie den Ländern auf den Tisch gepackt wurde. Warum? Weil auch diese hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, wo zwar Tabakkonzerne Zugang hatten, Verbraucherverbände aber mal wieder nicht.

Insgesamt hat der Einfluss von Verbraucherverbänden drastisch abgenommen, seit immer mehr Themen auf EU-Ebene beschlossen werden. Der Einfluss kommerziell orientierter Lobbyverbände hingegen hat auf EU-Ebene, im Vergleich zur Länderebene, drastisch zugenommen. Wie kann man darin eine Steigerung der Demokratie sehen? Demokratie bedeutet nicht, dass ein paar wenige Entscheidungsträger beschliessen was sie für richtig halten. Demokratie bedeutet in seinem Ursprung eine Volksherrschaft. Was wir in der EU aber antreffen ist eine Wirtschaftsherrschaft. Und selbst dabei wird die Wirtschaft auf einige wenige Grosskonzerne beschränkt. Frag doch mal Naturland, Bioland, Demeter & Co welchen Einfluss sie auf EU-Politik nehmen können. Sie werden dir bestätigen, dass ihr Einfluss nur marginal ist. Und das obwohl sie knapp 80% der nachhaltigen Landwirtschaft in Deutschland vertreten. Unternehmen wie Monsanto oder Bayer CropScience hingegen finden auf EU-Ebene immer ein offenes Ohr.

Ich sehe auch nicht, dass die Darstellung einer EU in Trümmern nur von der Opposition kommt. Selbst Gründungsväter der EU äussern sich mittlerweile sehr kritisch über die aktuellen Tendenzen in diesem System. Dabei kritisieren sie unter anderem den Demokratieabbau. 20 von 28 Mitgliedsstaaten haben an die EU-Kommission geschrieben und "Anzeichen, wonach in der EU die demokratische Legitimität schwindet" kritisiert. Das mag für jemanden, der sowieso keine nationalen Regierungen mehr sehen will, zwar irrelevant sein. Aber es sind nunmal immer noch die Mitgliedsstaaten, die die Vorgaben der EU in nationale Gesetzgebungen giessen müssen. Man könnte also auch sagen: Die EU ist nichts halbes und nichts ganzes. Und ich persönlich bin eigentlich recht froh darüber, dass die EU noch nichts ganzes ist. Denn hätte sie die alleinige Herrschaftsgewalt über das EU-Gebiet, gäbe es kaum noch Mitspracherecht für die Bevölkerung. Das fehlt nämlich bis heute fast völlig.

Ich sehe aber auch sonst seit der Tendenz immer mehr Politik in die EU auszulagern keinerlei Vorteile aus diesem Staatenbund. Als die EU noch ein rein wirtschaftlich orientierter Verbund war, führte dies tatsächlich dazu, dass sich Lebensstandards in EU-Ländern verbesserten. Seit aber immer mehr macht- und geopolitische Interessen eine immer grössere Rolle spielen, geht es in den meisten EU-Staaten bergab. Selbst in wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland ist das spürbar. Wo vor 20 Jahren ein Facharbeiter noch eine Familie allein ernähren konnte, benötigen die meisten heutzutage ein zweites Einkommen um den gleichen Lebensstandard wie vor 20 Jahren aufrecht zu erhalten. Wesentlich drastischer ist das in weniger wirtschaftsstarken Ländern spürbar. Dort zeigt sich mittlerweile spürbar eine wachsende Armut, fehlende Perspektiven bis hin zur Unterversorgung im Bereich der sogenannten Grundversorgung. Es gibt kaum noch einen EU-Staat, in dem die Infrastruktur nicht völlig marode ist, wo also grundlegende staatliche Aufgaben nicht mehr funktionieren. Das hat seine Ursache unter anderem darin, dass die Gebiete nicht mehr auf die eigenen Anforderungen reagieren können sondern sich nach EU-Vorgaben richten müssen. Politische Prozesse werden dadurch unnötig verzögert und zum Teil gänzlich unmöglich gemacht.

Wie man eine wachsende Demokratie in der EU sehen kann, ist mir jedenfalls ein Rätsel. Wenn eine Troika einem Staat vorschreiben kann wie er seine Politik zu machen hat, dann hat das nichts mit Demokratie zu tun sondern kommt einer Diktatur gleich. Wenn EU-Politiker sich weigern bestimmte Verhandlungen zu führen, weil sie die legitim gewählten Vertreter eines Landes nicht am Tisch haben wollen, dann ist das auch keine Demokratie mehr. Genau das erleben wir aber aktuell in der EU.
 
Ok, eines muss man zugeben: Die Kritik gegenüber der EU eint nahezu alle politischen Parteien. Egal, ob Links, Rechts, Oben, Unten oder die Parteien der bürgerlichen Mitte. Jeder hat irgendwas an ihr auszusetzen. Und jeder beschwört entweder ihren Untergang (TAZ über NZZ und FAZ bis zur jungen Freiheit) oder die notwendigen Änderungen z.B. hin zu einem technokratischen Ringmodell mit einem Kern-Europa und kulturellen, wirtschaftlichen und anderen nützlichen Satellitenstaaten (Tagesanzeiger). Die (nicht vorhandene) Umsetzbarkeit dieser Forderungen durch neue europäische Verträge, die von allen unterzeichnet werden müssten, lasse ich jetzt einfach mal außen vor.

Letzteres ist meiner Ansicht am interessantesten, geht es doch differenzierter an das Problem heran, als es die Untergangsbeschwörer tun. Im Zentrum der Kritik steht der maßgeblich vom wirtschaftlichen starken Deutschland voran getriebene, aktuelle Kurs der EU, den weder die Staaten des südlichen Europas (z.B. die Austeritätspolitik), noch die des östlichen Europas (z.B. in Hinblick auf die Flüchtlingspolitik) mittragen wollen, ganz im Gegensatz zu Frankreich oder Österreich, die zumindest teilweise noch eine gemeinsame Linie vertreten. Gleichzeitig werden die kulturellen Unterschiede (Balkanstaaten, Ungarn, Großbritannien) zum Kerneuropa (DE, Frankreich, Benelux, Österreich, eventuell noch Schweden) und der Schweiz aufgezeigt, analog der Argumentation von chromatin.

Am Beispiel Großbritannien kann man allerdings sehr schön sehen, dass es so einfach nicht ist, sondern dass man auch die innenpolitische Situation betrachten muss. Schaut man sich z.B. den Großraum London an, so hat man eine immernoch eine recht hohe Zustimmung zu EU, denn hier ist man direkt von ihr abhängig. Hier ist die EU sehr wohl im Leben vieler Bürgerinnen und Bürger angekommen - in wirtschaftlicher Hinsicht (steigende Gehälter durch wirtschaftliche Kooperationen und inner-europäischer Marktliberalisierung), wie auch im Privaten (Reisefreiheit, Konsumgüter, usw...) und auch im Politischen (die politische, wirtschaftliche und diplomatische Rolle Großbritnanniens wird abnehmen im Falle einer Spaltung). Im Gegensatz dazu stehen z.B. die industriereichen, im Vergleich zu London aber ärmeren Midlands und Wales, in denen 40% eine Abspaltung von der EU fordern. Eine Abspaltung hätte weitaus geringere Auswirkungen. Die Frage, ob Großbritannien mit der EU brechen soll oder nicht, ist daher keine europäische Frage, sondern eine rein innenpolitische Großbritanniens. Und die kann sich Jahr für Jahr ändern. Ob man sich daran orientieren sollte, ist daher mehr als fraglich.

Diskutiert man die großen Kritikpunkte gegenüber der EU aus allen Ländern, so fällt auf, dass sich nahezu alle auf die kürzere Vergangenheit und die aktuellen Probleme beziehen: Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise, soziale Spannungen und wirtschaftliche Armut. Nun gibt es hier zwei Punkte, die es anzumerken gilt:
1. Es handelt sich hierbei um Probleme, für die nicht (ausschliesslich) die EU die Schuld trägt, sondern ebenso die Nationalstaaten. In falle der Wirtschaftskrise nichtmal ausschliesslich sie. So wurde die Wirtschaftskrise nicht durch die EU verursacht, sondern durch die Banken- und Immobilienkrise, die aus den USA nach Europa geschwappt ist. Die EU konnte schlimmeres, nämlich den Zusammenbruch des Bankensystems, durch Zuschüsse verhindern. Dies bringt einen ganz schnell zum zweiten Punkt.
2. Wie sähe die Situation aus, wenn es die EU nicht gäbe? Die meisten südlichen Nationalstaaten wären auf dem freien Markt gnadenlos untergegangen, die Auswirkungen wären deutlich stärker gewesen, als wir sie jetzt sehen. Sicher, man kann die Zuschüsse zu den Banken kritisieren und ja, man kann auch die Arbeitsweise der Troika kritisieren - Die aktuelle Politik Griechenlands ist im übrigen auch nicht das, was Syriza vor einiger Zeit versprochen hatte, sondern entspricht eher der der Vorgängerregierung. Hier kann man sich auch fragen, warum... -, aber man kann der EU nicht unterstellen, dass es ohne sie besser gewesen wäre. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Hinblick auf die Flüchtlingskrise. Hier ist man allgemein der Meinung, dass das Problem nur auf EU Ebene zu lösen ist - aber gleichzeitig fordert man ihre Abschaffung? Das passt nicht.. Auch die wirtschaftliche Armut wäre ohne die EU stärker. Wenn dem nicht so wäre, warum sollten wir dann überhaupt über Wirtschaftsflüchtlinge diskutieren?

Auf die langfristigen Probleme bin ich oben bereits eingegangen. Wie man die globale Umweltproblematik nationalstaatlich lösen will, dass darfst du mir gerne erklären, chromatin. Darüber hinaus sehe ich noch viele offene Felder, in denen sich breits heute unterschiedliche Akteure tummeln, die dort nicht hingehören. Ein schönes Beispiel ist eine europäische Sicherheitspolitik, die derzeit maßgeblich von der NATO oder einzelnen Nationalstaaten voran getrieben wird. Die NATO gehört aber aus diplomatischen Gründen genau dort nicht hin und der Erfolg militärischer Einzelgänge von Nationalstaaten war in jüngerer Vergangenheit gering bis nicht existent (ein Bild sagt mehr als tausend Worte)

Die EU ist zweifelsohne eine schwerfällige, langsame Institution. Sie ist abhängig von vielen Faktoren und aufgrund konsensdemokratischer Strukturen und Verträgen, die nur dann gelten, wenn alle sie unterschreiben, braucht es Zeit, bis etwas passiert. Und selbst dann steht das "etwas" meist unter massiver Kritik. Die Flüchtlingskrise hat genau dieses Problem offen gelegt: Die EU hat es seit 2011 nicht geschafft, die Flüchtingswelle in den Griff zu bekommen. Stattdessen wurde sie als nationales Problem abgetan. Das war und ist ein Fehler - aber keiner, für den die europäische Idee verantwortlich gemacht werden sollte, sondern die Nationalstaaten, z.B. Polen, Ungarn oder Großbritannien selbst. Sie sind es, die die EU bilden. Und sie waren es, die eine effektive Politik bislang verhindert haben. Was wir brauchen ist daher nicht weniger EU, sondern mehr. Und wir sollten sie endlich gestalten: In der Zivilgesellschaft, in politischen Lobbyorganisationen und im europäischen Parlament.
 
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Vielleicht wäre die Wirtschafts/Finanzkrise ohne die EU nicht besser verlaufen. Das ist aber reine Spekulation. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit mit solchen Krisen zeigt, dass der Euro hierbei diesmal ein wesentlich grösseres Problem darstellt. Ein gutes Beispiel dafür ist Finnland, das bisher nie mehr als 4 Jahre brauchte um aus einer Wirtschaftskrise wieder rauszukommen. Mittlerweile kann Finnland das nicht mehr, weil es nicht in der Lage ist seine Währung abzuwerten. Ähnlich gelagert ist das Problem in den südeuropäischen Staaten. Auch dort hätte eine Abwertung der Währung die Wirtschaft schnell wieder stabilisiert. Stattdessen sorgt er nun dafür, dass die Menschen immer weiter verarmen und selbst grundlegende Dienstleistungen des Staates eingestellt werden bzw. nur über Hilfen aus dem Ausland überhaupt noch finanzierbar sind.

Der Euro ist daher in meinen Augen, und in den Augen vieler Ökonomen, eines der grössten Probleme in Europa. Er ist es auch, der dazu führt, dass die EU überhaupt in der Lage ist die Politik bestimmter Länder zu bestimmen und die Finanzhoheit der Staaten auszuhebeln.
 
Eine Abwertung ist immernoch möglich, aber nicht über die Wechselkurse, sondern über eine Absenkung des Preisniveaus innerhalb Finnlands, was aber natürlich deutlich schwerer durchzusetzen ist. Das ist aber nichts neues, sondern war Finnland mit hoher Sicherheit auch schon 1999 bekannt. Damals haben die Vorteile einer Einheitswährung aber natürlich auch für Finnland überwogen, wie auch für Griechenland oder Spanien. Nun hat man sich reingeritten und versucht das Problem, dass man nun nicht mehr mit den üblichen Mitteln retten kann, den anderen in die Schuhe zu schieben. Das Grundproblem, das Finnland oder Griechenland erst in diese Situation gebracht hat, wird aber dadurch nicht gelöst. Aber so ist das nunmal: In guten Zeiten sind es die eigenen Leistungen, an denen man gemessen werden möchte. In schlechten misst man die der anderen..

Darüber hinaus war die Finanzkrise ein globales Problem. Einfach die Währung abzuwerten und damit die Exporte anzukurbeln funktioniert nicht so einfach, wenn alle anderen ebenfalls mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben. Auch ist diese Situation nur für Finnland (~40% Exportquote) interessant, nicht aber für Staaten, die nicht von einem solchen hohen Export abhängig sind, z.B. Griechenland (10-15% Exportquote, davon sehr viel nach Italien, Russland, usw..). Und die Abwertung muss von anderen Maßnahmen flankiert werden, allein eine Abwertung bringt nichts. Genau das sah man am Quantitative Easing der EZB: Es wurde versucht den Wert des Euro nach unten zu drücken, indem die Märkte mit Geld geflutet wurden. Und? Die Auswirkungen haben sich in Grenzen gehalten, weil flankierende Maßnahmen gefehlt haben, wie z.B. die Verpflichtung der Banken, dieses Geld zu verleihen. Die sind dann erst später gekommen (Negativzinsen, usw..). So einfach, wie du es beschreibst, ist es nunmal nicht.

Und natürlich gibt es neben den wirtschaftlichen Effekten genügend politische und psychologische Effekte dieser gemeinsamen Währung. Die lassen sich aber natürlich nicht so einfach messen und sind daher bei Banken wie der RBS nicht besonders beliebt. Nichtsdestotrotz hat der Euro die Länder zusammenkommen lassen, hat Kommunikationskanäle geschaffen. Und ja, er hat sie auch darüber streiten lassen. Dass das kommen wird, war aber abzusehen. Deswegen muss die Währung nicht gleich dem Untergang geweiht sein.
 
Eine Abwertung ist immernoch möglich, aber nicht über die Wechselkurse, sondern über eine Absenkung des Preisniveaus innerhalb Finnlands, was aber natürlich deutlich schwerer durchzusetzen ist.
Das ist organisatorisch kaum zu bewerkstelligen. Denn damit müssten die Löhne gesenkt werden, die Preise im Rohstoff-Verkauf uvm.. Verklicker das mal _allen_ Wirtschaftszweigen eines Landes sowie der Bevölkerung. Sobald auch nur ein kleiner Teil da nicht mitzieht, und es würde vermutlich eher ein grosser Teil sein, ist der Effekt nicht mehr identisch zu einer Währungsabwertung.

Das ist aber nichts neues, sondern war Finnland mit hoher Sicherheit auch schon 1999 bekannt.
1999 war aber noch nicht absehbar, dass sich Länder wie Griechenland in den Euro schwindeln würden. Und noch weniger absehbar war, dass die Banken so einen Mist bauen. Zumindest nicht für Politiker, die diesen Beitritt in die Euro-Zone im Endeffekt umgesetzt haben.

Damals haben die Vorteile einer Einheitswährung aber natürlich auch für Finnland überwogen, wie auch für Griechenland oder Spanien.
Es ist ziemlich naiv zu glauben, dass alle Länder dem Euro nur beigetreten sind, weil sie irgendwelche Vorteile darin gesehen hätten. Deutschland zum Beispiel hat sich bis zuletzt gegen den Euro gesträubt und wäre ganz sicher nicht beigetreten, wenn Frankreich und England den Euro-Beitritt nicht zur Bedingung für eine Zustimmung zur Wiedervereinigung gemacht hätten.

Darüber hinaus war die Finanzkrise ein globales Problem. Einfach die Währung abzuwerten und damit die Exporte anzukurbeln funktioniert nicht so einfach, wenn alle anderen ebenfalls mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben.
Finanzkrisen waren schon immer ein globales Problem, zumindest seit es globale Märkte/Börsen gibt. Und die Geschichte widerspricht dir ganz klar, wenn du behauptest, dass die Abwertung von Währungen dabei keine funktionierenden Mittel waren, selbst für Länder mit minimalster Export-Wirtschaft. Die Mittelmeerländer wären niemals so beliebte Urlaubsgebiete geworden, wenn sie eine so starke Währung wie die D-Mark gehabt hätten. Die vergleichsweise niedrigen Preise durch den geringeren Wert der Währung waren ein ziemlicher Touristen-Magnet. Und auch diese Länder kamen nach Wirtschaftskrisen schnell wieder auf die Beine. Unter anderem deswegen, weil sie ihre Währungen weiter abwerteten. Natürlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle, aber die Währungsabwertung war schon immer ein enorm wichtiges Mittel bei der Überwindung von Wirtschaftskrisen. Und diese Währungsabwertung muss sich am Wirtschaftsraum messen, für den die Währung gültig ist. Mit dem Euro wird aber ein Wirtschaftsraum überspannt, der in keiner Weise homogen ist und daher mit einer homogenen Währung auch nicht gehandhabt werden kann. Eine Rechnungswährung wie die ECU wäre da wesentlich angemessener.

Und natürlich gibt es neben den wirtschaftlichen Effekten genügend politische und psychologische Effekte dieser gemeinsamen Währung. Die lassen sich aber natürlich nicht so einfach messen und sind daher bei Banken wie der RBS nicht besonders beliebt. Nichtsdestotrotz hat der Euro die Länder zusammenkommen lassen, hat Kommunikationskanäle geschaffen. Und ja, er hat sie auch darüber streiten lassen. Dass das kommen wird, war aber abzusehen. Deswegen muss die Währung nicht gleich dem Untergang geweiht sein.

Aktuell hat der Euro dazu geführt, dass die EU so zerstritten ist wie seit ihrer Gründung nicht mehr. Er teilt derzeit die EU-Staaten mehr als jeder andere Faktor seit EU-Gründung. Das hat die ECU vorher übrigens nicht geschafft. Selbst zu dieser Zeit gab es einige Wirtschaftskrisen mit globalen Auswirkungen wie die zweite Ölkrise. Die damals noch vorhandenen lokalen Währungen glichen die Probleme aber individuell aus, flankiert von Maßnahmen, die dem jeweiligen Wirtschaftsgebiet angemessen waren. Aber selbst solche flankierenden Maßnahmen können heutzutage kaum noch individuell vorgenommen werden, weil sich die EU sofort einmischt. Und genau dadurch entstehen weitere Streitpunkte und weitere Zweifel am Euro.
 
Tja, da werden wir uns wohl entscheiden müssen.
Entweder wir fallen zurück in die Kleinstaaterei, wo jeder nur den Wohlstand
der eigenen Bevölkerung im Blick hat.
Oder wir fangen an eine Welt zu gestalten, um die Möglichkeit zu haben die globalen Probleme
ernsthaft angehen zu können. Dieses geht dann allerdings einher damit,
ein einheitliches Steuer- und Sozialsystem geschaffen werden muss
und Produktionsbedingungen vereinheitlicht werden.
Ja, dies würde bedeuten staatliche Souveränität einzuschränken, wenn nicht
sogar aufzugeben, und mit mehr Basisdemokratie wird dies auch nicht zu schaffen sein.
Es ist eigentlich eine Binsenweisheit, dass je größer die Gruppe ist desto größer
sind die Kompromisse, die eingegangen werden müssen.

Momentan geht der Trend, wie übrigens immer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
hin zur Kleinstaaterei, doch im Gegensatz zu früheren Zeiten ist das Wirtschafts- und Finanzsystem
soweit globalisiert, dass es schon jetzt fähig ist die Staaten gegeneinander auszuspielen,
siehe die Steuersparmodelle von Google und anderen Großkonzernen.
Sicher ist es einzelnen Staaten möglich kurzfristig damit ihren Wohlstand zu sichern
oder zu erhöhen, langfristig wird die Rechnung allerdings nicht mehr aufgehen.
Schon jetzt hat dieses System einen Einfluss auf Politik und Medien gewonnen,
dass wir meiner Meinung nach nur noch bedingt von echter Demokratie sprechen können.
Auch die anderen globalen Probleme, seien es Verschmutzung der Meere, Erderwärmung
oder der internationale Terrorismus mit seinen Finanzströmen lassen sich nicht
auf nationaler Ebene lösen.

In ihrer jetzigen Form wird die EU wohl den Anforderungen an die Zukunft nicht gewachsen sein
und wir werden sie neu aufstellen müssen, ein Zerfall der EU würde allerdings Europa
in die politische Bedeutungslosigkeit katapultieren und es wären nur noch einzelne Länder
als Absatzmarkt oder Produktionsstandort interessant, solange sie die Bedingungen der
Konzerne erfüllen.

So stehen wir wieder vor der Entscheidung geben wir von unserem Wohlstand
etwas auf, um unseren Kindern die Möglichkeit zu geben ihre Zukunft zu gestalten
oder machen wir es wie unsere Eltern vor uns und geben die Verantwortung
an die folgenden Generationen weiter, in der Hoffnung, dass sie noch die Chance
haben in Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa ihr Leben zu leben.

Gruß
 
In der aktuellen Situation würde eine Aufgabe/Abschaffung der Staatensouveränität dazu führen, dass die Wirtschaft noch mehr Macht bekommt. Und das unser Wirtschaftssystem nicht gerade darauf ausgelegt ist für die nachfolgenden Generationen eine bessere Welt zu schaffen, dürfte vermutlich den meisten klar sein. Daher ist zuerst ein globales Umdenken, eine Abschaffung oder Restrukturierung des Geldsystems und einiges mehr notwendig, bevor wir auf die Souveränität von Staaten verzichten können. Ein solches Umdenken wird es mit wirtschaftshörigen Systemen wie der EU aber nicht geben.
 
Da beißt sich aber der Hund in den Schwanz.
Denn erst durch die staatliche Souveränität ist Steuerflucht, das Auslagern von
Produktionen in Länder mit geringeren Umwelt-, Sozial-, ...Standards möglich.
Ein Umbau des Wirtschafts- und Finanzsystems müsste also gleichzeitig mit den
Einschränkungen/Aufgabe staatlicher Souveränität einhergehen.

Sicher ist die EU momentan ungeeignet, aber einen besseren Ansatz haben wir
zur Zeit nicht und bei einem auseinanderbrechen würde es Jahrzehnte dauern bis
Europa politisch und wirtschaftlich wieder auf der Weltbühne Gewicht hätte, da halte ich es
für wahrscheinlicher das dies wieder zu regionalen Konflikten führt.

Gruß
 
Tja, da werden wir uns wohl entscheiden müssen.
Entweder wir fallen zurück in die Kleinstaaterei, wo jeder nur den Wohlstand
der eigenen Bevölkerung im Blick hat.
Es ist ein große Lüge und eine sehr geschickte Konditionierung dass man "Kleinstaaterei" als etwas unanständiges empfindet. Aber es ist ein politisches Konstrukt welchem man da auf den Leim geht.
Zunächst ist es etwas völlig selbstverständliches, dass ein Staat die eigene Bevölkerung zu schützen hat. Das ist sein Zweck und alles andere ist Heuchelei. Die eigenen Kinder gehen jedem (normalen Menschen) vor allem anderen. Dann die Familie, dann die Nachbarschaft oder Gemeinschaft, dann die Region oder Stadt, dann das eigene Land dann folgt so etwas wie Solidarität mit den benachbarten Staaten und zuletzt mit Staaten und Menschen am anderen Ende der Welt. Dabei muss man offenbar noch zwischen Impulsen und dauerhafter Hilfe unterscheiden.

Es zeigt sich immer wieder dass kulturelle Unterschiede nicht unterschätzt werden dürfen und schon gar nicht darf man mit Fingern auf Völker zeigen, die sich auf ihre Identität berufen. Zumal jeder Mensch im Grunde das Recht haben sollte, nach seiner Art zu leben. Diese Freiheit braucht einen Rahmen - einen Staat.

Würdest du Kurden, Palestinensern, Catalanen, den damaligen Schotten etwa den Hang nach "Kleinstaaterei" vorwerfen?



Da beißt sich aber der Hund in den Schwanz.
Denn erst durch die staatliche Souveränität ist Steuerflucht, das Auslagern von Produktionen in Länder mit geringeren Umwelt-, Sozial-, ...Standards möglich. Ein Umbau des Wirtschafts- und Finanzsystems müsste also gleichzeitig mit den Einschränkungen/Aufgabe staatlicher Souveränität einhergehen.

Was du eigentlich willst, ist eine Regulierung von Märkten. Das ist aber nicht das, was "die" in der EU wollen - "die" Wirtschaft will "freie Märkte".

Was das Finanzsystem angeht, so ist es eine Frage nach dem Willen und der Bereitschaft eines jeden Staates das System insgesamt sicherer zu machen. Es ist gewiss keine Frage einer "technischen" Machbarkeit und schon gar keine Aufgabe staatlicher Souveränität.

Eine Harmonisierung von Regeln im Bank- und Finanzwesen lässt sich auch in einer "Kleinstaaterei" realisieren. Ein Staat kann Gesetzesgrundlagen auch nach Völkerrechtlichen Gesichtspunkten schaffen oder entsprechende Handelsverträge gestalten.

Im übrigen geht es bei der Aufgabe der staatlichen Souveränität ja auch um tatsächliche "eigene" Angelegenheiten. Die Frage, ob Deutschland andere EU Bürger durch Sozialleistungen trägt ist keine Frage der EU, sondern unsere Angelegenheit. Die Pläne ein deutsches Verfassungsgericht aufzugeben grenzen ja schon fast an Entmündigung.

Ich zweifle nicht, dass eine EU als Werkzeug dienlich sein kann, gewisse Rahmenbedingungen verbindlich zu schaffen. Aber wir sollten trotzdem auf der Hut sein wem wir hier nach dem Mund reden und genau hinsehen wem hier eigentlich irgend etwas nützt. Schau dir die Vermögensverhältnisse der Europäer an: Es wird nichts durchlässiger sondern die Fronten verhärten sich.

Sicher ist die EU momentan ungeeignet, aber einen besseren Ansatz haben wir zur Zeit nicht und bei einem auseinanderbrechen würde es Jahrzehnte dauern bis Europa politisch und wirtschaftlich wieder auf der Weltbühne Gewicht hätte, da halte ich es für wahrscheinlicher das dies wieder zu regionalen Konflikten führt.

Welchen Anteil politischer und Wirtschaftlicher Macht haben Estland, Griechenland, Portugal, Bulgarien, Rumänien...?

Unterm Schnitt bin ich ebenfalls für eine _Europäische Wirtschafsunion_, keine Frage. Aber lasst uns erst einmal das hinbekommen und hier für Gerechtigkeit sorgen, bevor wir uns selbst mit "Europäischen Werten" volllügen.
 
Man wird doch wohl noch träumen dürfen. :)
Wahrscheinlich lief Imagine von John Lennon zu oft im Radio, zum Fest der Nächstenliebe. :p

Ansonsten kann ich nur sagen "Ich habe einen Traum" (Martin Luther King) für die Welt.

Nicht böse sein, aber der Spruch ist Wochenendchristentum
Die eigenen Kinder gehen jedem (normalen Menschen) vor allem anderen. Dann die Familie, dann die Nachbarschaft oder Gemeinschaft, dann die Region oder Stadt, dann das eigene Land dann folgt so etwas wie Solidarität mit den benachbarten Staaten und zuletzt mit Staaten und Menschen am anderen Ende der Welt.
und ein Grund warum ich an die Kirche nicht glaube. Heißt es dort nicht "Liebe deinen
Nächsten wie dich selbst" und habe ich dies wirklich falsch interpretiert, dass
dieses "Nächsten" nichts mit einer räumlichen Begrenzung zu tun hat.

........ Diese Freiheit braucht einen Rahmen .....
Wie wäre es mit den Menschenrechten, scheint mir eine brauchbare Grundlage zu sein.
Da bräuchte man ein Verfassungsgericht nur noch als Instanz Vorort.
Allerdings fehlt uns hier auch noch die Möglichkeit diese auch durchzusetzen.
Beliebtestes Argument nichts zu tun ist übrigens die staatliche Souveränität.

Was du eigentlich willst, ist eine Regulierung von Märkten.
Nein, mit Regulierung ist dies nicht zu erreichen, ich träume von einer gerechten Welt,
ohne Inseln der Glückseligkeit, deren funktionieren auf dem Elend anderer basieren.

Ich werde weiter daran arbeiten, dass sich nicht jeder selbst der Nächste ist
und der ein oder andere über den Tellerrand seiner heilen Welt hinaussieht und erkennt
wie brüchig der Tisch ist auf dem er steht.
Ich werde weiter meinen Traum träumen, denn er hilft mir nicht an der Welt zu verzweifeln,
auch wenn der Realist in mir weiß, dass es nie genug Träumer geben wird.

Gruß
 
und ein Grund warum ich an die Kirche nicht glaube. Heißt es dort nicht "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" und habe ich dies wirklich falsch interpretiert, dass dieses "Nächsten" nichts mit einer räumlichen Begrenzung zu tun hat.

Wie gut dass die meisten europäischen Staatswesen säkular sind :D
Aber ganz nüchtern betrachtet bleibt es bei meiner Aussage.

Wie wäre es mit den Menschenrechten, scheint mir eine brauchbare Grundlage zu sein. Da bräuchte man ein Verfassungsgericht nur noch als Instanz Vorort. Allerdings fehlt uns hier auch noch die Möglichkeit diese auch durchzusetzen. Beliebtestes Argument nichts zu tun ist übrigens die staatliche Souveränität.
Die Menschenrechte spiegeln sich in unserer Verfassung und vielen anderen wieder - wo es um die RECHTE der Menschen geht. Darüber hinaus hast du aber sehr viel Spielraum, wenn es um innerstaatliche Gesetze geht. Das Strafrecht kann sich zB unterscheiden in der Höhe der Strafe. Das Strafgesetz kollidiert, streng genommen, immer mit der Verfassung und Menschenrecht. 15 Jahre Knast vs. Menschenrecht - der Staat wägt ab und das tun die Staaten in verschiedener Weise und zwar ihrer Lebensweise entsprechend.


Nein, mit Regulierung ist dies nicht zu erreichen, ich träume von einer gerechten Welt, ohne Inseln der Glückseligkeit, deren funktionieren auf dem Elend anderer basieren.
Unser Mensch-sein steht nun mal dem Heil aller entgegen.
Btw. ist die Erkenntnis unserer eigenen Unzulänglichkeit und Schwäche der Ursprung jeglicher Regel unseres Zusammenlebens. Gerechtigkeit ist harte Arbeit - und keine menschliche Eigenart die jedem gleichermaßen innewohnt. Zumal die Vorstellungen darüber, was denn überhaupt Gerecht ist, sehr verschieden ist.

Das wir uns in dieser Sache selbst "erlösen" ist eine Illusion...
 
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