[TdW 170] Kann Martin Schulz die alte Dame reanimieren?

Diese Woche kann es natürlich nur ein Thema für das TdW geben: Gabriel tritt beiseite und überlässt Martin Schulz den Vortritt bezüglich Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur. Die Nachricht kam so überraschend, dass ich mir förmlich zwischen Tür und Angel ein paar Minuten nehme um hier halbwegs zeitnah ein passendes TdW für die Diskussion zu eröffnen...;)
Die große Frage lautet natürlich: Kann Schulz die schwer angeschlagene SPD aus der Krise führen? In der Krise ist die SPD mindestens seit ihrem letzten Kanzler Gerhard Schröder und dessen Agenda 2010, die für viele Menschen eine Abkehr von sozialdemokratischen Werten und eine Hinwendung zu einem wirtschaftsfreundlichen Neoliberalismus war. In jedem Fall hat sich die SPD damals nicht nur von ihrer traditionellen Klientel entfremdet, sondern es kam sogar zur Spaltung (nicht die erste in der langen Geschichte der SPD) als Teile des linken Flügels die Partei verließen und Oskar Lafontaine erst in die WASG und dann in ein Linksbündnis mit der PDS folgten. Seit dieser Zeit kämpft die SPD mit den Umfragewerten und Sigmar Gabriel, der die Partei seit 2009 anführt, hat nicht nur ein schweres Erbe angetreten, sondern selbst auch seinen Anteil daran. Gabriel ist nicht nur ein Mann dem es an Fingerspitzengefühl mangelt und der daher immer wieder mal mit dem politischen Gegner, aber auch Parteifreunden, Medien und sogar Wählern aneinandergeriet, er wurde stets auch als unberechenbar, sprunghaft und - freundlich formuliert - flexibel im Umgang mit Prinzipien und Fakten wahrgenommen. So hat z. B. seine Haltung, sein Umgang und seine Äußerungen zu Themen wie TTIP, dazu geführt das er immer wieder mit dem linken Flügel und den JUSOS aneinangeraten ist - was sich zuletzt auch in Ohrfeigen bei Abstimmungen widerspiegelte. Auch potentielle Wähler hat er so (und auch mit Themen wie Rüstungsexporten oder Vorratsdatenspeicherung) immer wieder verprellt - für viele eher traditionelle SPD Anhänger war er praktisch ein Schröder 2.0. Folgerichtig waren Gabriels Werte in Umfragen noch kläglicher als die der ehemals stolzen Volkspartei.
Trotzdem hat es viele überrascht das er nun beiseite getreten ist, um Platz für einen Neuen zu machen. Innenpolitisch ist Schulz praktisch ein unbeschriebenes Blatt, aber er hat es geschafft Europa als Präsident des EU Parlaments ein Gesicht und eine Stimme zu geben. In Zeiten der Politikverdrossenheit, wo viele Menschen die Bundespolitiker für abgehoben, weltfremd, egoistisch und korrupt halten, könnte der (innenpolitisch) unverbrauchte Schulz tatsächlich eine gute Wahl für den Wahlkampf sein. Tatsächlich könnte Schulz, der als bodenständig, temperamentvoll und streitlustig gilt nicht nur einen guten Wahlkämpfer abgegeben, sondern auch bei der traditionellen Klientel der SPD punkten, denn aufgrund seiner Vita (trockener Alkoholiker, ehemaliger Arbeitsloser, "nur" eine Ausbildung zum Buchhändler, anschliessend Aufstieg zum Bürgermeister einer Kleinstadt & dann zum Präsidenten des EU-Parlaments) hat er Höhen und Tiefen am eigenen Leib erfahren und vermutlich mehr Lebenserfahrung als die meisten Berliner Berufspolitiker (üblicher Lebenslauf: Abi, Studium, Parteikarriere) sammeln können. Wenn er sich entsprechend positioniert (also wieder traditionell sozialdemokratische Politik macht) und das glaubhaft rüberbringt, könnte er die SPD mit vielen enttäuschten Anhängern versöhnen.
Für Angela Merkel ist er mit Sicherheit ein unangenehmer Gegner, denn im Gegensatz zur Kanzlerin wirkt er leidenschaftlich und spontan, außerdem versteht er es sowohl in der Diskussion im politischen Salon, als auch im Bierzelt zu punkten. Ob das reicht um die Unbesiegbare herauszufordern, kann nur der Wahlkampf zeigen - mit Sicherheit aber wird er Merkel mehr fordern, als ein Sigmar Gabriel. Das TdW stellt daher die Frage: Kann Martin Schulz die alte Dame SPD reanimieren?

Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sigmar_Gabriel
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Schulz
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schröder
https://de.wikipedia.org/wiki/Agenda_2010
https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Lafontaine
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Linke
 
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Die SPD hat es endlich verstanden: Man muss heute Inhalte überwinden, um Beliebtheit zu erlangen. Daher nominiert man die Beliebten zuerst. Und das sind klassisch die, die nicht die innerdeutsche Poltik bestimmen und von denen man meist nur positives hört, ließt und sieht, ganz im Gegensatz zu ihren "Gegenspielern": Weltreisende und Diplomaten.

Interessanterweise ist Merkel sehr beliebt und bestimmt gleichzeitig die innerdeutsche Politik. Aber das ist wahrscheinlich nur die vorgegebene Meinung der öffentlich-rechtlichen Lügenmedien *scnr*
 
Daniela Katzenberger ist ebenso beliebt. Was bedeutet das nun?

Ein gewisser Bezug zum politischen Geschehen muss natürlich gegeben sein, ebenso wie die Annahme einer gewissen Kompetenz. Letzteres ist bei im Ausland stationierten oder reisenden Politikern überlicherweise öfter gegeben als bei denen, die sich maßgeblich durch innenpolitische Zankereien und Diskussionen einen Namen gemacht haben.
 
Ein gewisser Bezug zum politischen Geschehen muss natürlich gegeben sein, ebenso wie die Annahme einer gewissen Kompetenz. Letzteres ist bei im Ausland stationierten oder reisenden Politikern überlicherweise öfter gegeben als bei denen, die sich maßgeblich durch innenpolitische Zankereien und Diskussionen einen Namen gemacht haben.

Im Falle Schulz ist es eher so dass ihn kaum einer "kennt".

Aber anyway - im Falle der SPD ist es eigentlich auch völlig egal, wen sie hier aufstellen, oder?
 
Eigentlich galten Posten in der EU doch eher als Abstellplatz für unerwünschte Personen. Hat man dort nicht eher die hingeschickt, die man hier nicht mehr wollte? In der Wirtschaft nennt man das wegloben oder wegbefördern. Nun gut, ich kann mich auch irren.

Aber wie will man eine Partei, die Leute wie Stegner, Schweesig, Maas, oder eben auch Gabriel in ihre vordersten Reihen schickt...also, da gibt es für mich nichts mehr zu retten.

Sonst schimpft man immer wenn es um Populismus geht, und nun soll der politische Erfolg einer Partei mit der (vermeintlichen?) Popularität eines einzelnen Menschen hergestellt werden? Erschreckend finde ich, daß denen nichts Besseres mehr einfällt.
 
Chromatin hat gesagt.:
Aber anyway - im Falle der SPD ist es eigentlich auch völlig egal, wen sie hier aufstellen, oder?
Das der Spruch nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt imho wie schlecht es um die SPD mittlerweile bestellt ist. Man mag ja zur SPD stehen wie man will, aber es ist dramatisch wenn die älteste & traditionsreichste Partei Deutschlands am Boden ist und ihre ureigenste Funktion, Politik zugunsten des "kleinen Mannes" zu machen nicht mehr erfüllen kann oder will. Es wird ja seit Jahren davon gesprochen das die CDU unter Merkel nach links gerückt ist - manche sprechen gar von einer "Sozialdemokratisierung" der CDU - und Konservative somit keine politische Heimat mehr haben. Ob das so ist sei mal dahingestellt - von meinem Standpunkt aus wirkt die Union immer noch sehr konservativ und alles andere als sozialdemokratisch - aber ich denke unter Schröder hat die SPD sich stark auf die Union zubewegt. Die Agenda 2010 war alles andere als sozialdemokratische Politik (nicht umsonst haben viele Sozialdemokraten damals die Partei unter Protest verlassen) und meiner Meinung nach ist sie für viele Probleme, die wir heute haben (Niedriglohnsektor, Zeitarbeit, etc.) verantworlich - Probleme die hauptsächlich die klassische Wählerklientel der SPD betreffen. So gesehen war die Agenda 2010 ein klassisches Eigentor. Dramatisch finde ich das, weil meiner Meinung nach die Menschen die am dringendsten eine Partei brauchen die ihre Interessen vertritt - ungelernte Hilfskräfte, Menschen die sich von einem befristeten Job zum nächsten durchhangeln, Arbeiter & Angestellte - niemanden mehr haben der für sie kämpft. So lange die SPD ihren Job nicht macht, braucht sie wirklich kein Mensch. Ganz sicher brauchen wir keine zweite Union und keine weitere Partei, die vor allem die Interessen der Arbeitgeber und der Wirtschaft im Auge hat.
Die einzige Chance das die SPD nach gut zehn Jahren wieder das Kanzleramt erobern kann - und die ist so gering das man sie wohl nur als theoretisch bezeichnen kann - dürfte eine rot-rot-grüne Koaltion sein. In einer Großen Koalition wäre die SPD wieder Juniorpartner und die Ampel wird wohl nicht mal theoretisch eine Mehrheit kriegen. Für R2G müsste Schulz aber eindeutig mit der SPD Politik der letzten Jahre brechen und sich viel weiter links positionieren - um so die enttäuschten SPD Wähler zurückzugewinnen und die Linkspartei ins Boot zu holen. Allerdings sehe ich dafür wenig Anzeichen, Schulz gehörte zwar nicht zu Schröders Agenda 2010 Truppe, aber er gilt als enger Freund von Sigmar Gabriel und es ist nicht wahrscheinlich das er mit dessen Politik bricht oder gar eine 180° Drehung hinlegt. Auch mit Jean-Claude Juncker, der nun wirklich alles andere als linke Politik macht, ist er so gut ausgekommen, dass dieser ihn angeblich trotz des Geheimabkommens & gegen den Widerstand der eigenen konservativen Fraktion (er soll sogar mit seinem eigenen Rücktritt gedroht haben) als Präsident des EU Parlaments behalten wollte. Natürlich kann man auch mit Menschen befreundet sein, die politisch eine andere Meinung haben - doch da Schulz ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ist, muss man halt versuchen aus den spärlichen Informationen möglichst viel herauszulesen. Und so fürchte ich das Schulz dem Seeheimer Kreis näher steht, als den Parlamentarischen Linken und wenn das wirklich so sein sollte, dann ist er nur ein neues Gesicht und kein neuer Anfang für die SPD.
Und wie gesagt: Eine SPD die ihren Job nicht macht, braucht kein Mensch...:rolleyes: Die SPD sollte meiner Meinung nach die Lobby des "kleinen Mannes" sein - Arbeitgeber, Unternehmer & Konzerne haben schliesslich auch ihre eigenen Lobbyisten.
 
Im Falle Schulz ist es eher so dass ihn kaum einer "kennt".

Dies ist in der aktuellen Situation wohl eher ein Vor-, als ein Nachteil, meinst du nicht?

Es ist übrigens allgemein so, dass die Bekanntheit die Akzeptanz eines Kandidaten vor der Bundestagswahl eher wenig Einfluss auf seine Wahl hat. Wir haben keine Direktwahl des Kandidaten, daher seht die Wahl einer Partei im Vordergrund. Martin Schulz muss die Partei nun mit Hinblick auf die Wahl ausrichten (bzw. faktisch das Weiterführen, was unter Gabriel schon begonnen wurde) und dafür beim Volk werben. Und hier hat er bessere Chancen, als ein Gabriel, der sich schon einige Patzer erlaubt hat.

Eigentlich galten Posten in der EU doch eher als Abstellplatz für unerwünschte Personen.

Die EU ist nicht nur Abstellplatz für unerwünschte und nervige Personen, wie einen Günther Öttinger, sondern auch Abschiebeort für innerparteiliche Konkurrenten. Und wenn das nicht geht, dann gibt es ja immernoch das Bundespräsidentenamt, in das Christian Wulff erfolgreich abgeschoben wurde. Oder man vergrault sie, wie man es mit Röttgen gemacht hat.
Sonst schimpft man immer wenn es um Populismus geht, und nun soll der politische Erfolg einer Partei mit der (vermeintlichen?) Popularität eines einzelnen Menschen hergestellt werden? Erschreckend finde ich, daß denen nichts Besseres mehr einfällt.
Ist es denn bei der CDU anders? Neben Merkel hätte höchstens noch Schäuble ernsthafte Chancen, wenn er überhaupt noch antreten würde, er ist nun auch nicht mehr der jüngste. Und dann wird es auch schon mau. Die Zeit für eine Kanzlerin Von der Leyen (deren strategischer Aufbau zur Merkel Nachfolge ja schon einige Zeit in Arbeit ist) ist noch nicht gekommen und Spahn oder Tauber (oder analog für die SPD: Barley, Fahimi oder auch ein Hubertus Heil) sind ebenfalls noch weit davon entfernt.

Populismus ist übrigens ein ganz normaler Bestandteil der Politik. Das Problem ensteht vielmehr dann, wenn Parteien neben Populismus nichts zu bieten haben. Und davon ist die SPD noch weit entfernt.
 
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Es ist übrigens allgemein so, dass die Bekanntheit die Akzeptanz eines Kandidaten vor der Bundestagswahl eher wenig Einfluss auf seine Wahl hat.
Aber Merkel wird genau deswegen gewählt...

Man mag ja zur SPD stehen wie man will, aber es ist dramatisch wenn die älteste & traditionsreichste Partei Deutschlands am Boden ist und ihre ureigenste Funktion, Politik zugunsten des "kleinen Mannes" zu machen nicht mehr erfüllen kann oder will.
Die SPD hat sich an der liberalen Mache völlig aufgerieben. Ich erkenne in der SPD keinerlei "Idee" wieder. Sie ist, für mich, einfach ein Wählerstimmen-Auffangbecken mit einer leicht anderen Geschmacksnote als die CDU. Sie ist ein Baustein mit allein quantitativer Qualität (sic!) wenn es darum geht Koalitionen zu bilden.

Vielleicht fehlt es mir auch einfach an Naivität aber ich kann in politischer Hinsicht keinen Unterschied zwischen SPD und CDU erkennen. Bei beiden gilt Goethe: Am Golde hängt, zum Golde drängt - doch alles!
 
@Beere:
Ich hab nur über die SPD geschrieben, weils grad um die SPD geht. Für die CDU könnte man einen ähnlichen Thread aufmachen. Und was ich über Stegner&Freunde schrieb trifft auf den Großteil der Führungsriege der CDU in ähnlicher Weise zu, wenn auch meist aus anderen Gründen. Ein Von der Leyen als Kanzlerin wäre eine Katastrophe. Hat sie als Verteidigungsministerin schon bewiesen. Ansonsten ist es Merkels größte Leistung, möglichst nur Lakaien um sich zu scharren die sie kontrollieren kann bzw. die ihr gegenüber absolut loyal sind.
@Tarantoga:
Und wie gesagt: Eine SPD die ihren Job nicht macht, braucht kein Mensch...
Das ist völlig richtig, allerdings nicht SPD-spezifisch. Die CDU krankt an genau dem gleichen Problem. Siehe hier Die Webseite war vor kurzem noch unter .de erreichbar. Ich hab keine Ahnung, warum sie plätzlich in Irland gehostet wird.
Noch was zum Thema "Sozialdemokratisierung der CDU": Ich finde schon, daß die CDU thematisch sehr dicht mit der SPD ist, im Wesentlichen könnte man schon von Deckungsgleichheit sprechen. Die Unterschiede bestehen eher in Behauptungen und Verspechungen, und sind eher marginal. Von dem, was die Sozialdemokratie eigentlich sein soll, sind aber beide Parteien meilenweit entfernt, insofern ist die CDU nicht wirklich sozialdemokratisiert worden. Wie weit es mit unserer Demokratie mittlerweile gekommen ist zeigt sich auch daran, daß eine Koaltion aus CDU und Grünen ernsthaft erwogen und von niemandem so recht ausgeschlossen werden will und zumindest auf Landesebene sogar schon umgesetzt wurde. In einer funktionierenden Demokratie sollte sowas undenkbar sein.
 
Ansonsten ist es Merkels größte Leistung, möglichst nur Lakaien um sich zu scharren die sie kontrollieren kann bzw. die ihr gegenüber absolut loyal sind.
Das ist ein völlig normales und rationales Verhalten in einer Leitungsposition mit einer derartigen Verantwortung und weder überraschend, noch als Leistung zu verbuchen...

Bzgl SPD: Mein Punkt war, dass das Problem nicht SPD spezifisch ist sondern alle großen Parteien betrifft. Es geht hier auch nicht um Austritte, die beim näheren Hinschauen auch nichts besonderes sind. Es verwundert hier eigentlich vielmehr, dass diesen Selbstdarstellern auch noch eine Plattform gegeben wird. Naja, so ist das im Web 2.0 eben.

Fakt ist, dass Nachwuchs und eine gemeinsame Strategie in einer professionalisieren Politik schwierig zu finden sind, genauso wie das in einem Unternehmen der Fall ist. Es ist also weder etwas Neues, noch etwas, dass ein bestimmtes Licht auf die Parteien wirft. Es ist vielmehr ein chronisches Problem einer großen Organisation, das lediglich aufgebauscht wird.

Man könnte sagen, den heutigen Parteien fehlt es an Führung. Aber das wäre wahrscheinlich zu kurz gedacht, wenn man sich mal die Arbeitsweisen der einzelnen Parteien genauer anschaut. Meist ist nämlich Führung selbst als demokratischer Prozess - Bei den Grünen sogar basisdemokratisch - definiert und nicht als Diktatur des Parteivorstands. Das führt unweigerlich zu einer Vielzahl an Themen, wodurch das Profil unscharf wird. Ein für außen stehende nicht erkennbares eindeutiges Profil ist also etwas ganz normales bei Volksparteien. Wer wirklich ein Profil braucht, der sollte die Meinung der Menschen anschauen, die in den jeweiligen Gremien sitzen. So bekommt man zumindest ein Teilbild dessen, was die Partei nach außen vertritt. Aber wer macht das heute schon, ist ja eh alles nur Lüge *scnr*

Am Ende merken wir, dass das fehlende Profil einfach nur bedeutet, dass Parteien zu komplex sind, um sie mit einem Wort zu umschreiben und in eine Schublade zu stecken. Und an dieser Komplexität gehen wir zugrunde oder suchen uns einfache Alternativen. Es ist immer und immer wieder das gleiche Muster.

Beispiel: Die mediale Präsenz von Schwesig ist relativ hoch im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, ebenso wie die grundsätzliche Rückendeckung in der eigenen Partei bei vielen Themen. Na, wer erinnert sich an ihre Vorgängerin? Richtig! Kristina Schröder, CDU. Die, die nächstes Jahr nicht mal mehr im Bundestag sitzen wird. Die hatte damals weitaus weniger Rückendeckung in ihrer Partei, ganz zu schweigen von der medialen Präsenz, die fast ausschließlich aus Kritik bestand. Dies lässt leicht auf einen Schwerpunkt der SPD in der Familenpolitik schließen. Ganz im Gegensatz zur CDU.

Aber das merkt man nur, wenn man mal mehr als 4 Wochen zurückdenkt und -schaut.
 
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@Chromatin:
Der Dichterfürst sollte viel öfters zitiert werden, der hat viele kluge und zeitlose Dinge gesagt...:thumb_up:

SchwarzeBeere hat gesagt.:
Ist es denn bei der CDU anders?
Zumindest bei der Schwesterpartei CSU scheint es noch schlimmer zu sein. Da scheint Beliebheit sogar wichtiger zu sein als ein einwandfreier Leumund:
CSU-Chef Horst Seehofer wirbt seit Längerem um Guttenberg. Er hofft, dass dessen Popularität trotz der Plagiatsaffäre immer noch groß ist.
Quelle: CSU will Karl-Theodor zu Guttenberg im Wahlkampf einsetzen - SPIEGEL ONLINE

Völlig egal ob sich jemand mittels Betrug einen Doktor-Titel ergaunert hat, als amtierender Minister diesbezüglich gelogen hat und, meines Wissens nach, bis heute nicht den Betrug, sondern nur "handwerkliche Fehler" eingeräumt hat - hauptsache der Mann ist populär...:rolleyes:

@White_Fox:
Die SPD und die CDU würden es vermutlich anders nennen, z. B. das sie sich für die Mitte geöffnet haben oder so - aber Du hast natürlich recht: Was ich für die SPD geschrieben habe, gilt im gleichen Maße für die CDU. Indem sich die beiden Parteien aus verschiedenen Richtungen auf die Mitte zubewegt haben, sind an beiden Rändern der Gesellschaft Menschen zurückgeblieben, die sich von der Poltitik unverstanden oder gar vergessen fühlen. Und genausowenig wie wir die SPD als zweite CDU brauchen, brauchen wir eine CDU als zweite SPD. Doch ich persönlich frage mich ob sich die Parteien wirklich bewusst an die Wählerschaft des politischen Gegners angedient haben - also die SPD bewusst nach rechts und die Union bewusst nach links gerückt ist - oder ob die Annäherung schlicht der Tatsache geschuldet ist das beide Parteien (bzw. alle wichtigen Parteien weltweit) in ihrem Kurs massiv von Wirtschaftslobbyisten beeinflusst werden. War es nicht Merkel die sinngemäß von der "marktkonformen Demokratie" sprach (soweit ich mich erinnere wäre es fast das Unwort 2011 geworden) und war es nicht Gabriel, der TTIP Gegner verspottete weil sie "auf Leben und Sterben" gegen ein Abkommen demonstrierten über das es viele Vermutungen, aber wenig Wissen gäbe - obwohl gerade die Geheimverhandlungen und die völlige Intransparenz zu den wichtigsten Kritikpunkten zählten? Eine Kanzlerin, die denkt demokratische Gepflogenheiten müssten sich den Bedürfnissen des Marktes anpassen, ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister, der Bürger verspottet weil sie den Inhalt von Geheimpapieren nicht kennen den nicht einmal Bundestagsabgeordnete ohne weiteres einsehen konnten und der ein Handesabkommen unterstützt hat, das eine Paralleljustiz für die Wirtschaft schaffen sollte - das lässt doch tief blicken...X(

@SchwarzeBeere:
Politik, Parteipolitik und Wirtschaft sind in jedem Fall hoch komplexe Angelegenheiten und da kann es naturgemäß keine einfachen Antworten oder gar Lösungen geben. Trotz meines Wirtschaftslobbyisten-Bashings möchte ich auch nicht den Eindruck erwecken die Wirtschaft sei an allem Schuld oder gar böse oder so - ich möchte nur meinen Eindruck Ausdruck verleihen, das die POlitik in Deutschland im speziellen und in der globalisierten Welt im allgemeinen seit längerem viel zu sehr von den Interessen großer Konzerne und einflussreicher Investoren bestimmt wird. Das jede Gruppierung - sei es ein Konzern, eine Partei, eine Religion oder eine bestimmte Bevölkerungsgruppe - versucht möglichst viel Einfluss auf die jeweilige Regierung / Gesetzgebung zu nehmen liegt in der Natur der Sache, doch der Einfluss der Großkonzerne und der Hochfinanz ist imho so groß geworden, das vieles aus dem Gleichgewicht geraten ist. Selbst Ökonomen und Wirtschaftswissenschaflter räumen diese Entwicklung ja mittlerweile ein. Joseph Stiglitz, immerhin Wirtschaftsnobelpreisträger, warnt schon seit vielen Jahren (mindestens seit ERscheinen seines BUches Schatten der Globalisierung im Jahr 2002) davor das die Globalisierung einseitig den Interessen der Großkonzerne dient und ohne politische Regulierung die meisten Menschen auf der Strecke bleiben. Auf die Frage warum selbst nach der Bankenkrise die Finanzmärkte nicht reguliert werden, antwortete der deutsche Ökonom Max Otte das würde an dem Widerstand der Finanzoligarchen scheitern und wörtlich: "Wir schützen die Reichen, die den Staat gekapert haben".
Das vielleicht beste Beispiel liefert aber wohl gerade Dänemark ab, das als erstes Land der Welt einen eigenen Botschafter für Technologie-Konzerne ernennen will:
"Diese Konzerne sind eine Art neue Nationen geworden, und dazu müssen wir uns verhalten", sagte Außenminister Anders Samuelsen der Zeitung "Politiken". "Das sind Firmen, die Dänemark genauso beeinflussen wie ganze Länder."
Quelle: Apple, Google und Co.: Danemark will Silicon-Valley-Botschafter ernennen - SPIEGEL ONLINE
 
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Also ich denke hier ist deutlich mehr in Bewegung und mit Sicherheit wurde Schulz nicht (nur) aufgrund seiner Umfragewerte aufgestellt.
Man sollte schon genauer hinschauen was hier gemacht wurde. Es wurde ja nicht nur ein Kanzlerkandidat ausgerufen, viel wichtiger finde ich, dass gleichzeitig das politische Gesicht der SPD, Sigmar Gabriel, sich aus der Innen- und Parteipolitik verabschiedet hat und einen Posten einnimmt, wo er sich aus einem Wahlkampf heraushalten kann. Schon allein damit hat sich die SPD die Möglichkeit gegeben einen glaubwürdigen Wahlkampf auch gegen eine Neuauflage der großen Koalition zu führen. Zusätzlich ist Schulz innenpolitisch unbelastet und könnte damit eine Kurskorrektur auch wirklich einläuten, wobei auch sehr hilfreich ist, dass er dem momentanen Kabinett nicht angehört. Selbst gegenüber der EU fordert er mehr Rechte für das Parlament, steht also der jetzigen Form der kommissarischen Verwaltung eher kritisch gegenüber.
Es wäre also angerichtet für einen interessanten Wahlkampf, in dem die SPD die Chance hätte sich ein neues Profil zu geben und wieder mehr linke Themen zu bedienen. Mal sehen was sie daraus machen.

Gruß
 
... oder ob die Annäherung schlicht der Tatsache geschuldet ist das beide Parteien (bzw. alle wichtigen Parteien weltweit) in ihrem Kurs massiv von Wirtschaftslobbyisten beeinflusst werden.
Es ist doch eher so, dass beide Parteien in einer Koalition regiert haben und nach außen geschlossen auftreten müssen... Ein zu großer Unterschied in den Ansichten und Meinungen - der ja durchaus sichtbar ist, wenn man sich die Landespolitik der einzelnen Parteien anschaut - kann dagegen als Stillstand ausgelegt werden, denn man wird nie zu einer Mehrheit finden und sich immer selbst blockieren.

Eine Kanzlerin, die denkt demokratische Gepflogenheiten müssten sich den Bedürfnissen des Marktes anpassen, ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister, der Bürger verspottet weil sie den Inhalt von Geheimpapieren nicht kennen den nicht einmal Bundestagsabgeordnete ohne weiteres einsehen konnten und der ein Handesabkommen unterstützt hat, das eine Paralleljustiz für die Wirtschaft schaffen sollte - das lässt doch tief blicken...X(
Zur "marktkonformen Demokratie": Marktkonforme Demokratie?: Oder demokratiekonformer Markt? - Harte Bretter - FAZ
Zur Transparenzdebatte: Freihandelsabkommen TTIP: SPD-Chef Gabriel fordert mehr Transparenz von Amerika - TTIP und Freihandel - FAZ

Fazit: Es sind beides Themen, die falsch aufgefasst, falsch interpretiert und aus denen die falschen Schlüsse gezogen wurden.

Unabhängig vom Thema scheint es für mich mittlerweile so, als würde ein Profil einer Partei als unumstößliches Bollwerk aufgefasst, an dem nicht gerüttelt werden darf und an dem Beschlussvorlagen und Meinungen einfach apprallen würden. Das ist aber weder realistisch, noch besonders demokratisch. Demokratie bedeutet auch, dass man auf andere zugehen muss, dass man Kompromisse finden muss, mit denen am Ende alle Beteiligten zufrieden sind - oder die zumindest Teil einer Strategie sind. Auch mit vielen kleinen Schritten erreicht man das Ziel. Nur muss man eben auch diese Schritte im Gesamtkontext und nicht immer isoliert betrachten.
doch der Einfluss der Großkonzerne und der Hochfinanz ist imho so groß geworden, das vieles aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Bist du dir da so sicher?
Beispiel 1: Andrea Nahles ist bei der IG Metall, Eurosolar und Attack.
Beispiel 2: DGB, SPD und Freihandel: Geheime Gewerkschaftszweifel - taz.de
Beispiel 3: Michael Sommer (Gewerkschafter) – Wikipedia
usw..

Auch Parteien müssen sich finanzieren. Mitglieder- Mandatsträgerbeiträge reichen hierfür bei weitem nicht aus, daher ist man als Partei auch auf Spenden angewiesen. Das Einwerben von größeren Summen ist somit Teil des politischen Geschäfts. Ich will nicht dem Vorwurf widersprechen, dass, je nach Summe, auch gewisse "Gegenleistungen" erwartet werden. Gerade bei größeren Arbeitgebern erstreckt sich das jedoch weit über einzelne Politikfelder hinaus und ist weitaus komplexer, als oft angenommen wird. So geht es nicht nur um Steuervergünstigungen und Marktliberalisierung, sondern auch um Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, zum Aufbau von Kontakten in andere Länder oder ähnliches, was erstmal nicht per se schädlich für die Gesellschaft sein muss. Per se ist Lobbyismus nichts schlechtes. Es wird es dann schlecht, wenn Unternehmen gegenüber der Gesellschaft bevorzugt werden. Dies aufzudecken ist nur durch Transparenz möglich.

Imho ist der Einfluss von Großunternehmen alledings auch teilweise durchaus berechtigt. Von den Steuern, die alleine VW bezahlt, leben mehrere Dörfer, Gemeinde und Städte bislang sehr gut. Der Abgasskandal hat hier nicht nur bei VW Schaden hinterlassen, auch die Dörfer müssen mit teilweise um bis 30% niedrigeren Gewerbesteuereinnahmen rechnen. Dass hier ein gewisses "Mitspracherecht" eingeräumt wird, dass man mit VW Vertretern in Kontakt steht, Flächen für den Ausbau von Werken bereitstellt oder die Infrastruktur ausbaut, ist nachvollziehbar.

Womit ich viel eher ein Problem habe, ist Steuerflucht. Aber das ist kein Problem, das wir alleine in Deutschland bekämpfen können.

Joseph Stiglitz, immerhin Wirtschaftsnobelpreisträger, warnt schon seit vielen Jahren (mindestens seit ERscheinen seines BUches Schatten der Globalisierung im Jahr 2002) davor das die Globalisierung einseitig den Interessen der Großkonzerne dient und ohne politische Regulierung die meisten Menschen auf der Strecke bleiben.

In den USA steht der freie Markt sehr viel stärker im Fokus, die staatliche Regulierung wird dagegen auf ein Minumum begrenzt. Hinzu kommt ein anderes Rechtssystem, das mit dem Common Law eine sehr "subjektive" Komponente (das sog. "Richterrecht") enthält. Das macht es einerseits schwer, einen verbindlichen Rahmen zu schaffen. Andererseits steht einer Regulierung die kutlurelle Komponente (Individualismus, Pragmatismus, "Life, liberty, and the pursuit of happiness", ...) entgegen. Im Gegensatz dazu steht das europäische Wirtschaftssystem, das sehr viel stärker reguliert wird. In diesem Spannungsfeld bewegt sich nun der IWF (mit Sitz in Washington... Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.)

Betrachten wir nun die Weltwirtschaft, in der die USA eine nicht geringe Rolle spielt, so wird deutlich dass zur Begrenzung des ausufernden Kapitalismus - Dies gilt unter der Annahme, Unternehmen würden sich ihren Sitz anhand des Freiheitsgrades aussuchen, den ihnen ein bestimmtes Gesetz ermöglicht. - ein globales Regelwerk notwendig ist. Ansonsten wird es immer Länder geben, die dagegen verstoßen und die als "sicherer Hafen" für "böse" Unternehmen herhalten werden.

Der Globalismus im Wirtschaftlichen bedingt damit einen Globalismus im Politischen und Regulatorischen. Allein mit Einfuhrzöllen werden wir dieses Ergebnis nicht erreichen. Insofern hat Joseph Stiglitz durchaus Recht. Das Ergebnis ist aber nicht, dass der Globalismus als Ganzes abgeschafft gehört. Ich denke persönlich, dass dies die schlechteste und zugleich auch unrealistischte Lösung wäre.

Globalismuskritik hin oder her. Wer einen Apple kauft, der kann nicht gleichzeitig den Globalismus ablehnen.

Nun sind wir aber weit abgeschweift von der SPD. Um dennoch den Schwung hinzubekommen und eventuell eine Diskussion außerhalb des Globalisierungsthemas zu starten: Der heutige Bundeskanzler bzw. die heutige Bundeskanzlerin hat einen großen Teil ihrer Zeit im Ausland verbracht, hat für Europa geworben, ja, hat sehr viele Aufgaben eines Außenministers übernommen. Steinmeier hat deswegen nicht weniger gemacht, das will ich damit nicht sagen. Der Punkt ist, dass ihr Aufgabenfeld nun deutlich internationaler und globaler geworden ist. Die Bundeskanzlerin ist nicht mehr nur für ihr eigenes Volk verantwortlich. Ihre Entscheidungen beeinflussen auch viele anderen Menschen weltweit. Mit Schulz haben wir einen, das man muss man leider sagen, im Gegensatz zu Gabriel überzeugten Europäer und Diplomaten. Damit ist er für das Amt meiner Ansicht nach sehr gut geeignet.
 
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SchwarzeBeere hat gesagt.:
Es ist doch eher so, dass beide Parteien in einer Koalition regiert haben und nach außen geschlossen auftreten müssen... Ein zu großer Unterschied in den Ansichten und Meinungen - der ja durchaus sichtbar ist, wenn man sich die Landespolitik der einzelnen Parteien anschaut - kann dagegen als Stillstand ausgelegt werden, denn man wird nie zu einer Mehrheit finden und sich immer selbst blockieren.
Na ja, die Agenda 2010, die man eher als neoliberal denn als sozialdemokratisch bezeichen kann, wurde von Schröders rot-grüner Bundesregierung ausgearbeitet und umgesetzt. Der Politikwechsel der SPD begann also lange vor den Sachzwängen einer Großen Koalition.

SchwarzeBeere hat gesagt.:
Unabhängig vom Thema scheint es für mich mittlerweile so, als würde ein Profil einer Partei als unumstößliches Bollwerk aufgefasst, an dem nicht gerüttelt werden darf und an dem Beschlussvorlagen und Meinungen einfach apprallen würden. Das ist aber weder realistisch, noch besonders demokratisch. Demokratie bedeutet auch, dass man auf andere zugehen muss, dass man Kompromisse finden muss, mit denen am Ende alle Beteiligten zufrieden sind - oder die zumindest Teil einer Strategie sind. Auch mit vielen kleinen Schritten erreicht man das Ziel. Nur muss man eben auch diese Schritte im Gesamtkontext und nicht immer isoliert betrachten.
Du hast völlig recht wenn Du sagst das in der Politik keine starren Positionen geben sollte und kann & wenn Du darauf hinweist das oft genug darum geht Kompromisse zu schliessen. Aber Kompromisse sollten eben beiden Seiten Vorteile bringen, wenn das nicht geht muss man anders für einen Ausgleich sorgen - z. B. in dem man mal der einen Seite, mal der anderen Seite entgegenkommt. Bei der SPD musste der linke Flügel aber, meiner Wahrnehmung nach, schon seit Jahren immer wieder zurückstecken - gerade unter Gabriel wurde die Parteilinke immer wieder genötigt aus Parteiräson gegen eigene Überzeugungen zu stimmen.

SchwarzeBeere hat gesagt.:
Bist du dir da so sicher?
Nein, deswegen schrieb ich extra das es sich nur um meinen Eindruck handelt...;) Allerdings ist die Nahles ein gutes Beispiel, sie war gegen die Agenda 2010 und ist auch Mitglied der Parlamentarischen Linken der SPD - sie ist so etwas wie das linke Feigenblatt der SPD Spitze. Der Großteil des gegenwärtigen und kürzlichen SPD Spitzenpersonals - z. B. Gabriel, Oppermann, Steinbrück - gehören zu den Seeheimern. Steinmeier gehört imho nicht offiziell zu den Seeheimern, war als Schröders Kanzleramtschef aber maßgeblich an der Ausarbeitung der Agenda 2010 beteiligt - man darf also getrost annehmen das er ebenfalls eher den Seeheimern als den Parlamentarischen Linken nahesteht.
Aber es ist sehr passend das Du die Nahles hier ansprichst, denn wordurch war sie zuletzt in den Schlagzeilen? Sie hatte erstmals bei dem Armuts und Reichtumsbericht der Bundesregierung ausdrücklich auch den Einfluss von Eliten & Vermögenden auf politische Entscheidungen untersuchen lassen, das Ergebnis war so bedenklich das die Bundesregierung den Bericht entschärfen ließ:
Das Ministerium der SPD-Politikerin gab daher eine Studie bei dem Osnabrücker Politikwissenschaftler Armin Schäfer in Auftrag. Dessen Erkenntnisse flossen zwar in den Bericht ein, den das Arbeitsministerium bereits im Oktober vorgelegt hatte, allerdings nur in die erste Fassung.

So wird in der Version noch vor einer "Krise der Repräsentation" gewarnt. Darin hieß es: "Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert." Diese Passage wurde genauso gestrichen wie der Satz: "Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird."
Ebenso gestrichen wurde nach Angaben der Süddeutschen die Aussage, in Deutschland beteiligten sich Bürger "mit unterschiedlichem Einkommen nicht nur in sehr unterschiedlichem Maß an der Politik, sondern es besteht auch eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen".
[...]
Ebenfalls herausgenommen sind die Hinweise auf den "Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbyarbeit".
Quelle: Soziale Ungleichheit: Regierung soll heikle Passagen aus Armutsbericht entfernt haben | ZEIT ONLINE

Fazit: Ich bin kein Globalisierungsgegner - es wäre auch naiv anzunehmen man könnte die Uhren zurückdrehen und quasi in die Vor-Globalisierungszeit zurückkehren. Ich denke sogar die Globalisierung bietet auch Chancen und Möglichkeiten, aber ich denke eben auch das dies kein Selbstläufer ist. In der Regel übt man ja Kritik um etwas zu verbessern. Insofern bin ich ganz bei Stiglitz und wünsche mit eine keine entfesselte Globalisierung, sondern eine die unter Aufsicht steht und kontrolliert und notfalls reguliert wird. Gleiches gilt für Wirtschaftslobbyismus, auch der hat durchaus seine guten Seiten und somit seine Berechtigung, doch es handelt sich um ein zweischneidiges Schwert, das man gut im Auge behalten sollte. Wie bei allen kommt es auf die Dosis an: Im vernünftigen Rahmen profitiert die Politik, die Wirtschaft und somit letztendlich die Gesellschaft - wenn die Beeinflussung bestimmter Akteure (z. B. bestimmte Konzerne) aber überhand nimmt, profitieren nur noch diese selbst. Und Dinge wie Steuervermeidung, Steuerflucht, der Abgasskandal oder Manipulationen im Banken- & Finanzsektor (man denke nur an die zahlreichen Skandale der Deutsche Bank) zeigen deutlich das Gier und kriminelle Energie auch in der Wirtschaft keine Unbekannten sind, daher sollte man sich schon genau ansehen was da so getrieben wird und wer mit wem unter einer Decke steckt, damit es nicht irgendwann ein böses Erwachen gibt.
Der leider zu früh verstorbene Frank Schirrmacher hat dazu vor einigen Jahren in der FAZ einen interessanten Artikel geschrieben (den habe ich hier im Forum sicherlich auch schon gepostet, in dem er unter anderen extrem konservativen britischen Journalisten Charles Moore zitiert, der im Zuge der Finanzkrise an seinen liberal-konservativen Überzeugungen zu zweifeln scheint:
„Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern. ,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.
[...]
Denn wenn die Banken, die sich um unser Geld kümmern sollen, uns das Geld wegnehmen, es verlieren und aufgrund staatlicher Garantien dafür nicht bestraft werden, passiert etwas Schlimmes. Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert.“
Quelle: Burgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“ - Feuilleton - FAZ <-- Lesenswert!

Wie gesagt, ich denke die Globalisierung, aber auch die Demokratie selbst, sind keine Selbstläufer - man sollte sie immer gut im Auge behalten, hegen und pflegen und so dafür sorgen das nicht plötzlich etwas völlig aus dem Ruder läuft...;)

@topic:
Martin Schulz hat übrigens mittlerweile seine Antrittsrede als Kanzlerkandidat gehalten, viele wichtige Schlagworte wie "soziale Gerechtigkeit" waren drin, aber wirklich links positioniert hat er sich nicht. Trotzdem hat er es wohl geschaft die SPD Mitglieder aufzurütteln - mal sehen ob dieser Funke auf die Wähler überspringen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal einen sehr interessanten Blog-Eintrag zu Schulz gefunden. Unbedingt auch mal die verlinkten Artikel auf Spiegel und Focus lesen. Wer weiß, wie lange die jetzt noch online sind.

Danisch.de >> Martin Schulz, der edle Mensch

Ich hoffe inständig, daß dieses Land vor seiner Kanzlerschaft bewahrt bleibt. Wie kann man so jemanden nur ins Rennen um die Kanzlerschaft schicken? Hat die SPD wirklich nichts Besseres anzubieten? Das sagt viel über den Zustand in unserem Land und in unserer Politik im Besonderen aus.
 
Das ist ein völlig normales und rationales Verhalten in einer Leitungsposition mit einer derartigen Verantwortung und weder überraschend, noch als Leistung zu verbuchen...
Das mit der Leistung war Sarkasmus. ;)
Teilweise geb ich dir recht-aber nur teilweise. Selbstverständlich sind Politiker auf den Ausbau ihrer Karriere und ihrer Machtposition bedacht. Wir haben heute aber das Problem, daß Politiker hauptsächlich auf ihre eigene Machtposition bedacht sind und ihre Amtspflichten teilweise völlig in den Hintergrund treten. Ich denke, daß Verhältnis Pflichterfüllung/Egoausleben war vor 20 Jahren signifikant anders als heute. Allein schon, weil die Menschen damals ganz anders sozialisiert waren als heute.
Bzgl SPD: Mein Punkt war, dass das Problem nicht SPD spezifisch ist sondern alle großen Parteien betrifft. Es geht hier auch nicht um Austritte, die beim näheren Hinschauen auch nichts besonderes sind. Es verwundert hier eigentlich vielmehr, dass diesen Selbstdarstellern auch noch eine Plattform gegeben wird. Naja, so ist das im Web 2.0 eben.
Eine kurze Phase von Parteiaustritten ist bedeutungslos, ja. Wenn eine Partei über Jahre hinweg stetig sinkende Mitgliedszahlen hat (obwohl die Bevölkerung wächst!) wie das nunmal der Fall ist, dann ist das eine Entwicklung die mit "nichts Besonderes" nicht mehr abzutun ist. Und dann sollte man diesen "Selbstdarstellern" vielleicht mal zuhören.

Am Ende merken wir, dass das fehlende Profil einfach nur bedeutet, dass Parteien zu komplex sind, um sie mit einem Wort zu umschreiben und in eine Schublade zu stecken. Und an dieser Komplexität gehen wir zugrunde oder suchen uns einfache Alternativen.
Meinst du echt, daß die Problemlage heute komplexer ist als vor 30 Jahren? Mit Sicherheit nicht. Aber das hat die Vergangenheit so an sich, gelöste Probleme sind imemr einfach. Es gibt zwar eine Vielzahl von Detailfragen an die man ein Profil anpassen könnte, allerdings kann man zu vielem sehr schnell einen Konsens finden wenn eine Gruppe eine bestimmte Grundhaltung teilt. Und von dieser Grundhaltung lebt eine Partei und grenzt sich zu anderen Parteien ab-und diese Grundhaltungsdiversität ist flöten gegangen bei den Blockparteien.
Beispiel: Die mediale Präsenz von Schwesig ist relativ hoch im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, ebenso wie die grundsätzliche Rückendeckung in der eigenen Partei bei vielen Themen. Na, wer erinnert sich an ihre Vorgängerin? Richtig! Kristina Schröder, CDU. Die, die nächstes Jahr nicht mal mehr im Bundestag sitzen wird. Die hatte damals weitaus weniger Rückendeckung in ihrer Partei, ganz zu schweigen von der medialen Präsenz, die fast ausschließlich aus Kritik bestand. Dies lässt leicht auf einen Schwerpunkt der SPD in der Familenpolitik schließen. Ganz im Gegensatz zur CDU.
Sicher, daß das was mit Rückhalt in der eigenen Partei zu tun hat? Oder vielmehr mit Rückhalt in den Medien? Es ist ja nicht so, daß die politische Haltung von Journalisten statistisch gleichmäßig verteilt wäre oder irgendwie mit irgendwas korrelieren würde. Journalist ist ein stocklinker Beruf. Klick
Was wohl eine der wichtigeren Ursachen für die (angeblich nur gefühlte) Drift zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung ist.
Das Schwesig z.B. für das Aufheben von Schröders Extremismusklausel viel Lob erhalten hat (und sich auch sonst dem Linksextremismus nahe verhält) während Schröder in dieser Richtung mit viel Geduld etwas aufgeräumt hat, ist die mediale Darstellung nicht weiter verwunderlich.
Aber ich schweife ab. Das passt eher in den Filterblasenthread. :)
 
@Fox

Wir haben heute aber das Problem, daß Politiker hauptsächlich auf ihre eigene Machtposition bedacht sind und ihre Amtspflichten teilweise völlig in den Hintergrund treten.

Das ist schon immer so gewesen. Kein normal sozialer Mensch würde es durch eine Havard Business School schaffen oder sich durch die kommunal- und Landespolitik wühlen.
Jede dieser Positionen, ob Top Manager oder Politik ist völlig einem Willen geschuldet der auf Machtgier beruht - und das muss nicht notwendigerweise etwas schlechtes bedeuten.

Die Verfassung eines Landes ist u.a. dazu da, die Handlungsspielräume eines solchen Menschen - wenn er erst einmal am Ziel ist - zu begrenzen.

Zumindest bei der deutschen Verfassung war das eines der wesentlichen Elemente.


Ich hoffe inständig, daß dieses Land vor seiner Kanzlerschaft bewahrt bleibt.
Da mach dir mal keine Sorgen - eher schafft es die AfD!
 
Jede dieser Positionen, ob Top Manager oder Politik ist völlig einem Willen geschuldet der auf Machtgier beruht - und das muss nicht notwendigerweise etwas schlechtes bedeuten.
Wenn wundert es, dass der Idealismus bei solchen Unterstellungen irgendwann auf der Strecke bleibt. Gerade in der Kommunal- und Landespolitik ist noch sehr viel Idealismus unterwegs.
Filmzitat:
Wer einen Schuldigen sucht soll in den Spiegel schauen.
Da mach dir mal keine Sorgen - eher schafft es die AfD!
Wäre ich mir nicht so sicher, wir haben eine Linke Mehrheit im Parlament. Es gab allerdings einen SPD-Kanzlerkandidaten, welcher diese Chance nicht nutzen wollte.

Gruß
 
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