[TdW 28] Kommen jetzt die Vereinigten Staaten von Europa?

Richtig! Wie es in Deutschland regionale Unterschiede gibt, erwarte ich auch von "mehr Europa", dass weiterhin in bestimmten Bereichen Unterschiede bestehen bleiben. Es gibt aber auch eine nicht zu vernachlässigende Menge von Dingen, die einheitlicher geregelt werden könnten. Damit meine ich nicht wie eine neue Gartenzaunnorm, sondern praktische Dinge wie: einheitliche Roaming Gebühren, Auslandssemester mit weniger Formalitäten, Anerkennung von Bildungsstandards, Datenschutzstandards, weniger Zölle innerhalb der EU usw.
 
So tolle Datenschutzstandards wie ACTA und die VDS? Oder Zulassung genmanipulierter Lebensmittel? Vielleicht meinst du aber auch so vorteilhafte Dinge wie die Patentierung von Heilkräutern. Oder sind Dinge wie die Energiesparlampen gemeint, die unsere Wohnungen nun mit Sondermüll beleuchten?

Bevor übrigens Bildungsstandards anerkannt werden, müssten die erstmal geschaffen werden und das bedingt, dass der Bedarf der Wirtschaft überall die gleichen Bildungsziele hat. Das ist aber nunmal nicht der Fall.

Fällt eigentlich niemandem auf, dass es in der EU nicht um Vereinfachungen für die Bürger geht, sondern um Profite für Grosskonzerne und Banken?
 
Ich sehe schon, du wirst in diesem Leben kein Fan der EU :)

So tolle Datenschutzstandards wie ACTA und die VDS? Oder Zulassung genmanipulierter Lebensmittel? Vielleicht meinst du aber auch so vorteilhafte Dinge wie die Patentierung von Heilkräutern. Oder sind Dinge wie die Energiesparlampen gemeint, die unsere Wohnungen nun mit Sondermüll beleuchten?
Das sind Dinge, die auch alle ohne EU gekommen wären.

Bevor übrigens Bildungsstandards anerkannt werden, müssten die erstmal geschaffen werden und das bedingt, dass der Bedarf der Wirtschaft überall die gleichen Bildungsziele hat. Das ist aber nunmal nicht der Fall.
Also in meinem Studium kann ich problemlos ein Auslandssemester innerhalb der EU machen, wo mir alles anerkannt wird und ich kein Semester verliere - anders als, als wenn ich in die USA oder Asien wollte, wo ich für ein Auslandssemester ein Jahr verliere und mir nicht garantiert werden kann, dass alle Fächer anerkannt werden.

Fällt eigentlich niemandem auf, dass es in der EU nicht um Vereinfachungen für die Bürger geht, sondern um Profite für Grosskonzerne und Banken?
Was hältst du von der These, dass Großkonzerne und Banken ihre Macht erst durch die fehlende Organisation unter den einzelnen Staaten überhaupt etablieren konnten?
 
Also in meinem Studium kann ich problemlos ein Auslandssemester innerhalb der EU machen, wo mir alles anerkannt wird und ich kein Semester verliere - anders als, als wenn ich in die USA oder Asien wollte, wo ich für ein Auslandssemester ein Jahr verliere und mir nicht garantiert werden kann, dass alle Fächer anerkannt werden.
Meine Ex konnte ein Auslandssemester in Israel machen und es wurde auch anerkannt. Wozu braucht's dafür also die EU?

Was hältst du von der These, dass Großkonzerne und Banken ihre Macht erst durch die fehlende Organisation unter den einzelnen Staaten überhaupt etablieren konnten?
Diese These halte ich für ziemlich gewagt.
 
bitmuncher hat gesagt.:
Tja... wie komme ich nur auf die Idee, dass Kunst in der deutschen Bildung kaum eine Gewichtung hat? Vielleicht ja einfach durch nachdenken, Erfahrungen und Kommunikation.
Hm, ich finde es nur bemerkenswert das Du Dir da so sicher bist. Immerhin gelten "die" Deutschen traditionell (und auf Traditionen und typische Eigenschaften scheinst Du ja besonderen Wert zu legen) eher als die Dichter & Denker. Tatsächlich geht dieser Ausdruck vermutlich auf das frühe 19. Jahrhundert zurück und wurde von dem deutschen Dichter, Schriftsteller und Revoluzzer Wolfgang Menzel geprägt. Im späten 19. Jahrhundert hat der großartige französische Schriftsteller Jules Verne die Deutschen als die typischen "Metaphysiker" beschrieben - wo ist also das traditionelle, streng naturwissenschaftliche Gemüt der Deutschen Deiner Meinung nach begründet?

bitmuncher hat gesagt.:
Warum kommen so viele ausländische Studenten vor allem wegen Ingenieurswissenschaften nach Deutschland? Und warum gehen so viele Sprach- und Kulturwissenschaftler nach Frankreich?
Ich weiss - ich habe es schon einmal gefragt, aber ich muss es wiederholen: Kannst Du das belegen?

bitmuncher hat gesagt.:
Fang doch einfach mal an das grosse Ganze zu betrachten und dich von dem Gedanken zu lösen, dass auch innerhalb Deutschlands ja so viele Kulturen existieren. Natürlich existieren die, aber im Gesamtbild betrachtet gibt es eben Dinge, die typisch deutsch sind.
Hm, einerseits soll ich mich von dem Gedanken lösen das innerhalb Deutschlands viele (deutsche) Kulturen existieren, andererseits gibst Du im nächsten Satz zu, dass diese verschiedenen (deutschen) Kulturen existieren - Dir ist schon klar, dass Du Dir da irgendwie selbst widersprichst?

Und dann kommen wir zu Deinen "typisch" deutschen Eigenschaften:

bitmuncher hat gesagt.:
Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Bürokratie, auf technische Forschung ausgerichtete Wirtschaft, Geselligkeit usw..
Also ich bin ein Deutscher, selbst die völlig bescheuerten Nazis hätten mir einen Arier-Schein ausgestellt, da mein Stammbaum "deutsch" ist. Aber ich bin weder besonders pünktlich (tatsächlich neige ich dazu zu spät zu kommen und Dinge auf den letzten Drücker zu erledigen), noch ordentlich (ehrlichgesagt bin ich ein Chaot) und wenn es überhaupt eine "typische" deutsche Eigenschaft an mir gibt, dann mein Interesse an Geisteswissenschaften und Literatur. Im Gegensatz zu der Volksweisheit bestätigen Ausnahmen die Regel auch nicht, sondern sie widerlegen sie - allein meine Existenz (und ich bin sicher nicht der einzige unpünktliche & unordentliche Deutsche) widerlegt also die Mär von pünktlichen, ordentlichen Deutschen.

bitmuncher hat gesagt.:
Du kannst ja wohl kaum bestreiten, dass unterschiedliche Völker unterschiedliche Mentalitäten haben. Für so blind halte ich dich nun wirklich nicht.
Blind? Nein, ich denke ich bin nicht blind - daher kann ich auch nur verwundert den Kopf schütteln, wenn jemand versucht einem ganzen Volk bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Nicht einmal die Menschen einer einzigen Stadt sind eine homogene Gruppe - wie sollten da die Menschen eines ganzen (in Länder aufgeteilten) Staates identische Mentatlitäten haben? Das ist absurd oder besser gesagt eine ans Absurde grenzende Vereinfachung.

bitmuncher hat gesagt.:
Die Studien müsste ich erst raussuchen. Ich bin irgendwann mal über ein PDF gestolpert, wo auf diese eingegangen wurde.
Hast Du mittlerweile eine Quelle gefunden?

Edit
Back to Topic: In diesem Spiegel-Artikel fordert Finanzminister Schäuble (CDU) übrigens gerade erst aus der europäischen Kommission ein echte Regierung zu formen, deren Präsident von allen Europäern gewählt wird. Und um diese weitergehende politische Integration zu ermöglichen, erwartet er das die Deutschen schon bald über ein neues Grundgesetz abstimmen müssen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Vorsorgeuntersuchung

Gerade eben habe ich Vorsorgeuntersuchung von Marc-Uwe Kling gelesen, eine der Kurzgeschichten in seinem Buch Die Känguru-Chroniken. Was ich übrigens wärmstens weiterempfehlen kann.
Nachdem ich jetzt so schön brav Werbung für ihn gemacht habe erlaube ich mir diese Kurzgeschichte abzutippen, hoffentlich handle ich mir damit keine Klage ein. Aber sie trifft den Inhalt dieser Diskussion viel zu gut, als dass ich es unterlassen könnte:
"Meiner Ansicht nach gibt es keinen gesunden Patriotismus", sagt das Känguru. "Im Gegenteil. Patriotismus scheint mir immer ein Zeichen von Idiotie zu sein".
Natürlich sagt es das nicht irgendwo. Sondern während der öffentlichen Live-Übertragung eines Fußballländerspiels. Natürlich sagt es das nicht zu irgendwem, sondern zu einem Typ in einem schwarz-rot-goldenen Flaggenumhang, mit einer schwarz-rot-goldenen Narrenkappe auf dem Kopf und einem komplett schwarz-rot-gold gestrichenem Gesicht.
"Es gibt also nur kranken Patriotismus", fährt das Känguru fort. "Gesunder Patriotismus klingt für mich ein bisschen wie 'gutartiger Tumor'. Es ist vielleicht nicht direkt lebensgefährlich, aber es ist immer noch ein Tumor."
"Ey, du bist ja voll krank", sagt unser schwarz-rot-goldener Freund und lacht.
"Nein. Aber du vielleicht", sagt das Känguru todernst. "Deshalb würde ich gerne eine Vorsorgeuntersuchung mit dir machen, denn auf so einen gutartigen Tumor muss man höllisch aufpassen, sonst mutiert der eines Nachts unbemerkt zu einem bösartigen."
"Du musst noch erwähnen, dass die Krebsvorsorge von der Kasse aber nicht bezahlt wird!", sage ich. "Der Staat hilft erst, wenn's zu spät ist."
"Ey, seid ihr etwa für die anderen?", fragt unser Patient nun verwirrt.
"Keineswegs", sagt das Känguru. "Aber deine Frage ist schon symptomatisch für das Konkurrenzdenken, das mit dem ..."
"Wir putzen euch weg!", ruft der Fahnenmann dazwischen. "Olééééé, olé, olé, olééééé!"
Das Känguru fächtelt sich Luft zu.
"Die Fahne in der Hand geht oft einher mit der Fahne aus dem Mund", sagt es zu mir in einem Tonfall, als wäre es Chefarzt und ich Medizinstudent im ersten Semester. "Der Patriotismus hat ja, was unter Onkologen unstrittig ist, einen kleinen, fiesen Bruder namens Nationalismus, welcher unbemerkt im Schatten seines großen Bruders wächst und gedeiht, bis er groß genug ist, selbst nach der Macht zu greifen. Oder anders ausgedrückt: Nur in einem patriotisch aufgeheizten Treibhaus kann Rassismus gedeihen. Deshalb muss ein wirklicher Antifaschismus dieses Treibhaus zerschlagen."
"Ach. Ihr habt wohl immer noch so ein gestörtes Verhältnis zur Geschichte", sagt unser Patient.
"Au contraire", ruft das Känguru. "'Sechzig Millionen Tote. Na ja. Schwamm drüber' - das nenne ich ein gestörtes Geschichtsverhältnis."
"Ich glaube, du musst das einfach etwas entspannter sehen", sagt der junge Mann. "Ist doch nur Spaß."
"Ach, ich sehe das ganz entspannt", sagt das Känguru. "Ich sehe das sogar viel entspannter als du. Soll ich es dir beweisen?"
Es holt ein Feuerzeug und ein kleines schwarz-rot-goldenes Cocktail-Fähnchen aus seinem Beutel.
"Ey nee, oder?", fragt unser Patient ungläubig.
"Siehst du, wie entspannt ich bin?", fragt das Känguru und zündet das Feuerzeug. "Wie furchtbar entspannt ich bin ... Für mich ist das nur ein Stückchen Papier."
Das Känguru verbrennt das Minifähnchen und schnippt den verkohlten Zahnstocher in die Luft. Der Typ starrt erst noch einen Moment fassungslos auf das Feuerzeug und bringt dann schnell seinen Umhang aus der Reichweite des Kängurus.
"Du scheinst mir eher verkrampft", sagt das Känguru. "Für mich besteht kein erhöhtes Infarktrisiko, nur weil ich der sportlichen Betätigung mir persönlich nicht näher bekannter Werbebannerträger televisionär beiwohne."
Ich kann sehen, wie das Blut in den Schläfen unseres Patienten pulsiert und ein Äderchen in seinem Auge platzt.
"Weißt du ...", sagt das Känguru. "Ich habe noch nie jemanden mit einer Fahne in der Hand etwas Intelligentes sagen hören."
Es macht eine kurze Pause. "Willst du das ändern?"
Mühsam kontrolliert der Patient seine Atmung.
"Willst du nichts dazu sagen?", fragt das Känguru. "Vielleicht olé, olé?"
"Willst du dich prügeln, oder was?", schreit der Angesprochene. "Warum schiebst du hier so 'ne Provo-Nummer? Willst du eins aufs Maul?"
"Nein. Tut mir leid", sagt sagt das Känguru. "Das war auch nichts sonderlich Intelligentes."
Dann holt es den Boxhandschuh aus seinem Beutel und schlägt den Typ k.o.
"Alter!", sage ich leicht verärgert. "Du kannst doch nicht einfach immer Leute umhauen!"
"Wieso nicht?", fragt das Känguru. "War doch sein Vorschlag."
"Ey! Was ist denn mit dem Großen passiert?", fragt der Bruder unseres ohnmächtigen Patienten, der mit zwei Flaschen in der Hand vom Biercontainer wiederkommt.
"Das war einer von den Polen", sagt das Känguru und deutet auf eine Gruppe polnischer Fans, die ganz in der Nähe stehen. Der Neue winkt seinen Freunden, und sie preschen in die Richtung, die ihnen das Känguru gewiesen hat.
"Quod erat demonstrandum", sagt das Känguru altklug, "Schon marschieren sie gen Polen."
Da tippt der kleine Bruder dem Känguru von hinten auf die Schulter.
"Die Polen sage, du warst das."
Das Känguru dreht sich um.
"Es handelte sich hier um eine reine Vorsorgeuntersuchung, meine Herren", sagt das Känguru. Unvermittel deutet es auf die Leinwand und schreit: "Kuckt mal! Ein Tor!"
Alle Köpfe wenden sich dem Spiel zu. Eine Sekunde später ist das Känguru in der Menge verschwunden.
"Ähem. Also. Ich stehe hier nur zufällig rum", sage ich.

mfg benediktibk
 
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