[TdW 32] Sind Art & Arbeit der Politiker nur Arroganz, Ignoranz & Lobbyismus?

So, nach einigen Wochen Auszeit ist das TdW zurück! Das Thema wurde von sTEk vorgeschlagen und zum Zeitpunkt seines Vorschlags, war der Anlass hochaktuell - doch auch wenn der Anlass nun schon ein paar Wochen zurückliegt (mea culpa), das Thema an sich ist (leider) immer aktuell.
Der Anlass war die Abstimmung im Bundestag über die Weitergabe von Meldedaten an Adresshändler, die in diesem TP-Artikel beleuchtet wird. Mit dem Themenvorschlag reichte sTEk auch diesen Kommentar ein:
Es bleibt nicht nur die Frage, was die restlichen - von uns bezahlten - 590 Abgeordneten zu der Zeit gemacht haben, in der sie *arbeiten* sollen...auch ist fraglich, ob wir als Bürger überhaupt Gesetze in kauf nehmen sollen, die von solch einer "Regierung" ganz gegen den Sinn des Bürgers beschlossen werden.
Das aktuelle Thema der Woche beschäftigt sich also mit dieser Frage: Steht Politik nur noch für Arroganz, Ignoranz & Lobbyismus?
 
Reflektiert unsere politische Spitze nicht nur einfach unser aktuelles politisches Selbstverständnis? Für mich entspricht die Haltung der Abgeordneten genau dem mässigen politischen Engagement, welches auch in der Bevölkerung zu finden ist.

Ebenso sehe ich die Politik vom Lobbyismus durchdrungen, was auch gut zum aktuellen Zeitgeist der Geltungssucht passt. Da wird rumgehampelt bis zum umfallen und irgendwann fragt niemand mehr nach einer klaren Linie - ausser es geht was schief, dann regt sich auch mal die Konsumgeschwängerte Masse ein wenig - was aber schnell vorüber geht.

Wir sind ein Volk von ignoranten Idioten geworden - in soziokultureller Hinsicht - und deswegen werden wir auch von eben solchen regiert.
 
Wir sind ein Volk von ignoranten Idioten geworden - in soziokultureller Hinsicht - und deswegen werden wir auch von eben solchen regiert.

Dieser Generalisierung kann/will ich nicht ganz zustimmen, da gerade die Existenz dieser Diskussion das Gegenteil beweist.

@Topic: Ich würde die Frage aufgrund ihrer Absolutheit wohl verneinen. Man kann es naiv nennen, aber meiner Meinung nach gibt es viele Politiker, die ihren Job gut machen. Das es jedoch, wie eigentlich überall, schwarze Schafe gibt ist unbestreitbar. Zur näheren Betrachtung splitte ich mal die Frage:

Arroganz und Ignoranz: Diese Eigenschaften sind meiner Meinung nach von vielen Politikern gar nicht gewollt, sondern oft nur ein Produkt von schlechter Informationsbeschaffung bzw. Unverständnis eines Problems. Es scheint dann so als seien die Betreffenden Ignorant oder sogar Arrogant, wenn sie sich über eigentlich richtige Tatsachen hinwegsetzen. Beispiele anderer Situationen würden mich jedoch mal interessieren, da mir - mit meinem mäßigen Politikwissen - keine Einfallen.

Lobbyismus: Lobbyismus ist in der Tat ein großes Problem, dessen Lösung aus meiner Sicht jedoch relativ simpel ist. Würde es nicht reichen die Gehälter der Politiker zu erhöhen, was aus meiner Sicht gerechtfertigt ist, da viele in der Wirtschaft wesentlich mehr verdienen würden und alle Nebeneinkünfte zu verbieten. Oder mache ich es mir damit zu einfach?

Ich glaube Fragen, wie die hier besprochenen kommen, zumindest bei mir, auf wegen des Verdrusses an vielen Dingen nichts ändern zu können. Ich persönlich ertappe mich jedenfalls oft dabei sehr wütend über einen Missstand in der Politik zu sein, aber als einzigen Ausweg sehe ich nur mir mich in der Politik stark zu engagieren und dann fällt mir oft der Spruch ein: "Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen". Und jetzt gegen Ende des Textes beschleicht mich das traurige Gefühl, dass ich wohl bereits zur konsumgeschwängerten Masse gehöre.
Was folgere ich daraus: Es sollte einfacher sein für den normalen Bürger Entscheidungen der Politik zu beeinflussen.
 
Lobbyismus: Lobbyismus ist in der Tat ein großes Problem, dessen Lösung aus meiner Sicht jedoch relativ simpel ist. Würde es nicht reichen die Gehälter der Politiker zu erhöhen, was aus meiner Sicht gerechtfertigt ist, da viele in der Wirtschaft wesentlich mehr verdienen würden und alle
Nebeneinkünfte zu verbieten. Oder mache ich es mir damit zu einfach?

Ich glaube das ist zu einfach und Lobbyismus ist nicht immer ausschliesslich an Geld geknüpft. Geld allein ist langristig kein guter Motivator.

Was folgere ich daraus: Es sollte einfacher sein für den normalen Bürger Entscheidungen der Politik zu beeinflussen.
Das ist ein begehrter Ansatz: Demokratische Entscheidungen mundgerecht dem Bürger anreichen und ihm dann am besten noch für seinen Einsatz auf die Schulter klopfen.

Das Ziel es aber nicht, irgendetwas aufzubereiten, wozu der Bürger dann Stellung beziehen kann - oder gar entwas entscheiden kann. Die Idee, Volksentscheidungen zu etablieren, ist kurzsichtig und inakzeptabel.

Ziel muss es sein, ein politisches Rückgrat zu etablieren oder aufrecht zu erhalten. Der Bürger soll, kann und muss sich in Diskussionen einbringen und man muss in dem Zuge auch eben Zeit und Hirnmasse investieren um einzelne Themengebiete gut-genug erfassen zu können. Sowas geht nie leicht und sowas ist immer Arbeit.

Sobald uns jemand diese Arbeit abnimmt, sind wir der vorgefertigten Meinung ausgeliefert - eine solche Situation haben wir heute: Die Systempresse. Dadurch werden Ideen wie Volksabstimmungen unmöglich, denn wer will denn das Volk über Systemrelevante Dinge entscheiden lassen, wenn sie nichtmal wissen worum es eigentlich genau geht - weil sie sich nicht darum bemühen.

Warum gibt des denn an den Schulen keine objektive politische Bildung? Warum werden wir als Bürger von den Kernfragen ferngehalten? Vielleicht traut es uns niemand mehr zu?

Die Verlockung ist gross die Dinge zu vereinfachen und gerade das Internet bietet hier jede Menge Anreize. Aber - und das ist ganz klar - Einfach UND intensiv geht nicht.

Dieser Generalisierung kann/will ich nicht ganz zustimmen, da gerade die Existenz dieser Diskussion das Gegenteil beweist.
Zugegeben ist das sehr polemisch. Aber abgesehen von den wenigen Ausnahmen, die es natürlich gibt, ist das ein Tropfen auf den heissen Stein. Im übrigen nehme ich mich bei der Politikverdrossenheit nicht aus und ich ziehe meinen Hut vor jungen Leuten, die sich das geben und den Nerv haben, Politik machen.
 
Ich vergaß dir noch zuzustimmen(!) und eine Frage zu klären:

Warum werden wir als Bürger von den Kernfragen ferngehalten?

Was für Fragen/Entscheidungen meinst du damit beispielsweise oder vermutest du das nur und kennst sie auch nicht oder nur teilweise (ernsthaft)? Oder meinst du mit "wir als Bürger" etwa nur das Gros der Bevölkerung?

Gruß!
 
Ich vergaß dir noch zuzustimmen(!) und eine Frage zu klären:

Das betrifft die Volksabstimmungen. Der Wunsch danach taucht immer wieder mal auf, besonders wenn es um "brisante" Themen geht: Ausländerpolitik, Steuern usw.

Dh der Staat würde die Bürger zu aktuellen Themen wie der Eurokrise befragen - Ob man den Griechen jetzt mehr Geld gibt oder nicht, als Beispiel.

Um an einer solchen Sache teilzunehmen, muss man allerdings "mündig" sein, in politischer Hinsicht. Und das sind die Bürger heute mE nicht mehr.
Anders ausgedrückt, die meisten Menschen in diesem Land sind schlichtweg nicht qualifiziert genug um eine solche Entscheidung (mitzu)treffen.
 
Chromatin hat gesagt.:
Anders ausgedrückt, die meisten Menschen in diesem Land sind schlichtweg nicht qualifiziert genug um eine solche Entscheidung (mitzu)treffen.
Und wer entscheidet das? Legst Du fest, wer qualifiziert genug ist oder wer sich zumindest eine fundierte Meinung verschafft hat?
Klar kann man die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn man sich die Highlights, bzw. die Tiefpunkte, aus Raabs Erstwählercheck (gibt's den eigentlich noch?) oder ähnlichen Beiträgen anschaut - aber das sind ja auch nur die echten Vollpfosten. Die normalen oder sogar klugen Antworten taugen ja nicht für die Show.
Ich denke schon, ohne das belegen zu können, das die meisten Menschen durchaus in der Lage sind eine Wahl zu treffen, die zumindest auf dem gesunden Menschenverstand beruht.
Und diejenigen, die sich wirklich gar keine Gedanken über eine solche Abstimmung machen und denen das Ergebnis völlig egal ist, werden in der Regel auch gar nicht erst teilnehmen. Die wenigen Honks die es trotzdem tun und irgendetwas wählen, dürften somit statistisch keine große Rolle spielen...
 
Und wer entscheidet das? Legst Du fest, wer qualifiziert genug ist oder wer sich zumindest eine fundierte Meinung verschafft hat?
Meine Erfahrungen haben das zumindest bestätigt. Ich kenne verdammt wenige, deren politische Bildung über das aktualle Tagesgeschehen und Infos über innerparteiliche Zankereien hinausgehen und ich denke ich kann ohne Gefahr sagen, dass diese Beobachtung für die allermeisten zutrifft. Was junge Leute an politischer Bildung mitbekommen (abgesehen von den paar Lehrerkindern mit Doppelnamen, die schon zum Frühstück mit BILD/SPIEGEL Artikeln genervt werden) ist _nicht_ ausreichend für eine akzeptable Diskussionsbasis.


Ich denke schon, ohne das belegen zu können, das die meisten Menschen durchaus in der Lage sind eine Wahl zu treffen, die zumindest auf dem gesunden Menschenverstand beruht.
Der "gesunde Menschenverstand", (diese Wendung ist ohnehin lächerlich genug) ist leichte Beute für Versuchung jeder Art: Not, Neid, Eitelkeit usw. Dieser vielbeschworene Verstand ist extrem anfällig für Manipulation jeglicher Art und hat bei politischen Entscheidungen nicht viel zu suchen, denn da sollte es öfter um Kenntnis der Verfassung oder den REspekt der Freiheit gehen.

Egal wo ich mich umsehe, ich habe nicht den Eindruck, dass in dieser Welt irgendwo ein "gesunder Menschenverstand" wirkt. (Um die polemische Note nicht zu vergessen :D )



Es ist erstaunlich wie intelligent eine größere Gruppe von Menschen sein kann, hin und wieder zumindest: Francis Galton

mfg benediktibk
Das die Fähigkeit das Gewicht eines Ochsen zu schätzen mit dem Begriff Intelligenz so vergnüglich zusammengewürfelt werden, scheint dabei niemanden zu stören ... :D
 
Chromatin hat gesagt.:
Meine Erfahrungen haben das zumindest bestätigt. Ich kenne verdammt wenige, deren politische Bildung über das aktualle Tagesgeschehen und Infos über innerparteiliche Zankereien hinausgehen und ich denke ich kann ohne Gefahr sagen, dass diese Beobachtung für die allermeisten zutrifft.
Tatsächlich? Nun, das ist eine sehr subjektive Beobachtung und eine recht gewagte Behauptung. Wenn ich die Menschen in meinem Umfeld - also Verwandte, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen - betrachte, muss ich sagen das der überwiegende Teil überraschend gut informiert ist und über eine solide Bildung verfügt. Aber natürlich ist auch das eine rein subjektive Betrachtung. Die Gründe für unsere völlig unterschiedlichen Bewertungen können ziemlich vielfältig sein - vielleicht bewegen wir uns in unterschiedlichen Milieus, vielleicht legst Du die Messlatte für eine adäquate politische Bildung höher als ich oder wir beurteilen die Dinge einfach grundsätzlich anders und das Glas, dass für Dich halb leer ist, ist für mich halb voll...

Chromatin hat gesagt.:
Was junge Leute an politischer Bildung mitbekommen (abgesehen von den paar Lehrerkindern mit Doppelnamen, die schon zum Frühstück mit BILD/SPIEGEL Artikeln genervt werden) ist _nicht_ ausreichend für eine akzeptable Diskussionsbasis.
Hier erweckst Du den Eindruck das Deine Beobachtung allgemeingültig wäre - was junge Leute an politischer Bildung mitbekommen dürfte von vielen Faktoren abhängen. Besonders entscheidend dürfte die Schule, die Familie und ganz allgemein das soziale Millieu sein, indem sich die jungen Leute bewegen - aber mit Sicherheit kann man keine pauschale Aussage darüber treffen, wie der Bildungsstand junger Leute ist.

Chromatin hat gesagt.:
Der "gesunde Menschenverstand", (diese Wendung ist ohnehin lächerlich genug) ist leichte Beute für Versuchung jeder Art: Not, Neid, Eitelkeit usw. Dieser vielbeschworene Verstand ist extrem anfällig für Manipulation jeglicher Art und hat bei politischen Entscheidungen nicht viel zu suchen, denn da sollte es öfter um Kenntnis der Verfassung oder den REspekt der Freiheit gehen.
Verstand hat in politischen Entscheidungen nichts zu suchen? Also das sehe ich völlig anders! Meiner Meinung nach sollte Politik auf wohl abgewogenen, rationalen Entscheidungen beruhen - also auf dem Verstand.
Du hast nicht unrecht, wenn Du sagst das der Verstand manipuliert werden kann - aber noch viel einfacher lassen sich Gefühle manipulieren. Wer bei Entscheidungen nicht primär auf den Verstand und rationale Erwägungen vertraut, der lässt sich von Gefühlen leiten. Schon der von Dir beschworene Respekt vor der Freiheit, übrigens eine wenig substanzielle Aussage, ist ein Gefühl. Ich sehe nicht was ein vages Gefühl wie Respekt vor der Freiheit zu der Entscheidungsfindung in politischen Alltagsentscheidungen beizutragen hat. Auch die Kenntnis der Verfassung würde bei Volksbefragungen keine nennenswerte Rolle spielen - bei denen geht es ja nur um Richtungsvorgaben, die eigentliche Umsetzung und Detailarbeit wird später von den 'Profis' erledigt.
Und wo wir gerade bei Profis sind - wenn ich daran denke wie Journalisten Bundestagsabgeordnete vor Abstimmungen zur Euro-Rettung entlarvt haben, die weniger über die Fakten der Abstimmung wussten als interessierte Zeitungsleser, dann denke ich viel schlechter würde Otto-Normal-Bürger das auch nicht machen...:rolleyes:

Chromatin hat gesagt.:
Das die Fähigkeit das Gewicht eines Ochsen zu schätzen mit dem Begriff Intelligenz so vergnüglich zusammengewürfelt werden, scheint dabei niemanden zu stören ... :D
Na ja, ein bisschen mehr ist da schon dran - mittlerweile gibt's dazu ja auch zahlreiche Fallbeispiele, Studien und Publikationen. In diesem FAZ-Artikel werden zum Beispiel zwei Bücher zu dem Thema vorgestellt, hier ist ein interessantes Zitat aus dem Artikel:
Der Durchschnitt vieler uninformierter Schätzungen ist besser als das Urteil von Experten, egal ob es darum geht, das Gewicht eines Ochsen, die Himmelsrichtung oder den Ausgang der nächsten Wahl zu bestimmen.
[...]
Die Fehler der vielen heben sich gegenseitig auf, die richtige Antwort schwimmt wie die Sahne auf der Milch, erläutert Miller. Wo der Durchschnitt nicht weiterhilft, sind Mehrheitsentscheidungen oft die besten. Selbst wenn nur ein Teil der Gruppe gut informiert ist, liegt die Mehrheit sehr wahrscheinlich richtig.
Hat nicht kürzlich erst Norbert Lammert gesagt in der Krisenpolitik hätte sich nichts als so untauglich erwiesen, wie die Umsetzung von Expertenempfehlungen? Vielleicht wird es ja Zeit auf die Weisheit der Vielen zu hören oder dieses Potential doch zumindest nicht gänzlich ungenutzt zu lassen.

Auch mit Blick auf die immer desaströsere Wahlbeteiligung wäre das vermutlich nicht das schlechteste - denn häufig nimmt jemand der mehr (Mitsprache)Rechte bekommt, auch seine Pflichten ernster...;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Verstand hat in politischen Entscheidungen nichts zu suchen? Also das sehe ich völlig anders! Meiner Meinung nach sollte Politik auf wohl abgewogenen, rationalen Entscheidungen beruhen - also auf dem Verstand.
Du hast nicht unrecht, wenn Du sagst das der Verstand manipuliert werden kann - aber noch viel einfacher lassen sich Gefühle manipulieren. Wer bei Entscheidungen nicht primär auf den Verstand und rationale Erwägungen vertraut, der lässt sich von Gefühlen leiten. Schon der von Dir beschworene Respekt vor der Freiheit, übrigens eine wenig substanzielle Aussage, ist ein Gefühl. Ich sehe nicht was ein vages Gefühl wie Respekt vor der Freiheit zu der Entscheidungsfindung in politischen Alltagsentscheidungen beizutragen hat. Auch die Kenntnis der Verfassung würde bei Volksbefragungen keine nennenswerte Rolle spielen - bei denen geht es ja nur um Richtungsvorgaben, die eigentliche Umsetzung und Detailarbeit wird später von den 'Profis' erledigt.

Ich hatte den "gesunden Menschenverstand" ja Absichtlich in "" gesetzt. Und das bezog sich eingangs ja ganz direkt auf Volksentscheidungen - In der Hitze aktueller Meldungen, würde ich eben _nicht_ auf den gesunden Menschenverstand einer Masse vertrauen wollen.

Der "Respekt vor der Freiheit" ist weitaus mehr als nur ein Gefühl. Freiheit und die Wahrung der Freiheit (hier als Respekt) ist fundamentaler Bestandteil einer Demokratie und Volkswirtschaft, der weit über das "ich kann machen was ich will" Gefühl hinausgeht. Freiheit bedeutet auch Entscheidungsfreiraum und ein Rahmen (Gesetz) der diese Entscheidungsfreiräume verteidigt. Auch die Unverletztlichkeit der Menschenwürde ist einer dieser Entscheidungsfreiräume, die in unserem Gesetztesrahmen verankert sind und verteidigt werden wollen.
Ich bezweifel, dass sich jeder Bürger dessen bewusst wird, sollte man das Verfahren eines Vergewaltigers oder Kinderschänders an einen Volksentscheid knüpfen, in dem sich dann dort der "gesunde Menschenverstand" ausdrückt.

Denke ich den Freiheitsbegriff richtig - dann knüpft sich daran ein komplexes Gebilde, ein Rahmenvertrag, der in jeder Gesellschaft existiert, mehr oder weniger grosszügig. Man fand zB den Freiheitsbegriff in Vorchristlichen Texten (Versallen Verträge) und bei Indianerstämmen, die sich gegenseitig mit Verträgen einen "Freiheitsrahmen" zugesichert hatten.

Die "Wahrung der Freiheit" ist dann ganz explizit keine Gefühlsfrage, wenn ich subjektiv (gefühlt) in einen Nachteil gerate: Beschädigung meines Eigentums, die Mietnomaden die meine Eigentumswohnung ruinieren oder ein Gewaltverbrechen an einem mir nahestehenden Menschen.


Tatsächlich? Nun, das ist eine sehr subjektive Beobachtung und eine recht gewagte Behauptung. Wenn ich die Menschen in meinem Umfeld - also Verwandte, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen - betrachte, muss ich sagen das der überwiegende Teil überraschend gut informiert ist und über eine solide Bildung verfügt. Aber natürlich ist auch das eine rein subjektive Betrachtung. Die Gründe für unsere völlig unterschiedlichen Bewertungen können ziemlich vielfältig sein - vielleicht bewegen wir uns in unterschiedlichen Milieus, vielleicht legst Du die Messlatte für eine adäquate politische Bildung höher als ich oder wir beurteilen die Dinge einfach grundsätzlich anders und das Glas, dass für Dich halb leer ist, ist für mich halb voll...
Das wird sicherlich so sein und ich lege die Messlatte tatsächlich sehr hoch an. Diskutiere ich zb Umweltprogramme, ist es eine Riesenarbeit überhaupt die Verhältnisse zu klären um überhaupt eine Diskussionsgrundlage zu haben.
Wir haben als "besser informierte" dann auch die Aufgabe und Pflicht, bestimme Umstände freizulegen (zb den Leuten klarmachen das der WWF mit Umweltschutz mal gar nichts zu tun hat). Beim Thema alternative Energieen hat man einen Riesenberg von Informationen zu bewältigen um überhaupt erstmal eine Aussage zu treffen. Und da ist die Lektüre der Systempresse _nicht_ ausreichend.

Vor einem guten halben Jahr gab es in einer Spiegelausgabe zB ein Interview mit dem iranien Aussenminister zum Thema Atompolitik. Das war zum Zeitpunkt als der Bericht der IAEA zum Iran veröffentlicht wurde. Das Interview macht ganz deutlich, dass der Interviewer den Bericht der IAEA _nicht_ gelesen hatte und der Text von den Vorwürfen der Systempresse gefärbt war denn - und deutlicher gehts ja kaum - um sich an der Diskussion über Irans Atompolitik zu beteiligen, MUSS man diesen Bericht gelesen haben.
Ich frage mich, in wieviel Schulklassen der Bericht der IAEA gelesen und analysiert wurde - als Teil politischer Bildung.

Dann regt sich eine Piratentussie über die Kreditbedingungen von Herrn Wulff auf - während JEDER solche Konditionen bekommt, wenn man die Sicherheiten hat, die Herr Wulff vorzuweisen hatte. Das ganze Land war darüber empört und der "gesunde Menschenverstand" war nicht in der Lage mal den eigenen Banker zu fragen... Die Liste ist lang.

Man kann sich gewiss nicht um alles kümmern und alles ergründen, keine Frage. Aber wir sollten zumindest die Wertigkeit und Messlatte politischer Bildung den Tatsachen anpassen und Werkzeuge entwickeln wie man - besonders die Kids - recherchiert und arbeitet.
 
Zurück
Oben