[TdW 71] Das Euro-Hawk-Debakel - Unfähigkeit oder Lobbyismus?

Nachdem das TdW, aufgrund wichtiger Ereignisse in London, eine Woche pausiert hat, meldet es sich heute zurück und befasst sich mit dem Drohnen-Debakel der Bundeswehr.
Die meisten dürften wissen worum es geht: Verteidigungsminister de Maiziére hat gerade das Euro-Hawk Projekt der Bundeswehr gestoppt. Die Bundeswehr wollt die amerikanische Aufklärungsdrohne Global-Hawk adaptieren und als Euro-Hawk für eigene Zwecke einsetzen. Das Projekt, so ließ sich anfangs vernehmen, scheiterte vor allem an technischen Details - so verfügt die Drohne scheinbar über keinen Kollisionsschutz, der für eine Zulassung in Deutschland unerlässlich ist. Also hat de Maiziére jetzt den Stecker gezogen und somit eingeräumt das der Bund einen hohen Millionen-Betrag (hier werden die verschiedensten Summen zwischen 350-800 Millionen genannt) in den Sand gesetzt hat.
Zuerst sah es so aus als wäre de Maiziére recht schuldlos - immerhin hat er das Projekt von seinen Vorgängern geerbt und, nach eigener Aussage, sofort den Stecker gezogen, nachdem er von den unüberwindbaren Hindernissen erfahren hat. Doch immer neue Details bringen den Minister nun in Bedrängnis: Laut Informationen des Spiegel wusste de Maiziére spätestens seit Anfang 2012 von den Problemen - eine Verzögerung von 15 Monaten kann man wohl kaum als sofortiges Handels bezeichnen.
Doch was auf den ersten Blick wie peinliches Versagen aussieht, könnte auch andere Gründe haben, wie die Zeit gerade andeutet:
Die angeblichen Fehler und Mängel der Drohne – fehlendes Antikollisionssystem, Probleme beim Start und bei der Landung, mangelhafte Flugkontrolle, unzureichende Dokumentation der technischen Details – seien nur vorgeschoben, um sich aus dem Programm zu verabschieden und den Weg für den Bau eines europäischen Trägersystems frei zu machen – hergestellt von EADS.
[...]
Ein Antikollisionssystem müsse weder nachträglich entwickelt noch teuer bezahlt werden – es sei bereits mit der Drohne mitgeliefert worden. Der Auftraggeber, die Bundeswehr, habe sich allerdings entschlossen, es nicht einzubauen.
Wie kam es also zu dem Drohnen-Desaster? Handelt es sich um schlicht um peinliches Versagen oder um einen Fall von Wirtschaftslobbyismus?

Mehr zum Thema:
"Euro Hawk": Ministerium wusste Anfang 2012 von Drohnen-Debakel - SPIEGEL ONLINE
Euro Hawk: Bundeswehr ordnete Datenlöschung an - SPIEGEL ONLINE
Euro-Hawk: In die Luft geflogen | Politik | ZEIT ONLINE
Euro Hawk: De Maiziére droht Untersuchungsausschuss - Politik - Süddeutsche.de
 
Das ist einfach die Unfähigkeit der Politiker etwas richtig auf die Reihe zu bekommen! Kurz und präzise! Wir brauchen neue Politiker! X(
 
Mittlerweile hat sich de Maiziére ja zu dem Drohnen-Debakel geäußert, jede Schuld von sich gewiesen und den schwarzen Peter seinen Untergebenen zugeschoben. Er selbst sei unzureichend eingebunden gewesen und viel zu spät informiert worden. Er habe aber direkt reagiert, nachdem er informiert wurde. In seiner Bewertung behauptet de Maiziére erst am 13. Mai von der Entscheidung seiner Staatssekretäre erfahren zu haben, das Projekt abzubrechen. Erst da habe er von den enormen Zulassungsproblemen erfahren, die ihm Ende 2012 nur einmal "abstrakt angedeutet" und als "lösbar" geschildert wurden.
Allerdings gibt es begründete Zweifel an der Darstellung des Verteidigungsminister: Den wie der Spiegel berichtet, hat de Maiziére bereits in einem Interview mit dem Donaukurier am 7. Mai gesagt es sehe nicht danach aus, dass wie geplant 5 Exemplare der Drohne gekauft würden. Wenn de Maiziére, wie behauptet, erst am 13. Mai informiert wurde, wie konnte er dann bereits am 7. Mai diese Aussage tätigen? Es sieht schon danach aus, als hätte der Minister diesbezüglich nicht die Wahrheit gesagt.
Doch selbst wenn nicht: Bereits Ende März wurde in der Presse über die Probleme mit der Zulassung umfassend berichtet - wie kann es angehen das ein Minister über Probleme in seinem Ministerium schlechter informiert ist, als ein interessierter Zeitungsleser?

Mehr zum Thema:
Aufklärung des "Euro-Hawk"-Debakels - Woran de Maizières Verteidigungsstrategie scheitern könnte - Politik - Süddeutsche.de
"Euro Hawk"-Affäre: Zweifel an de Maizières Ahnungslosigkeit - SPIEGEL ONLINE
 
Ihr solltet mal etwas sensibler sein. Mit irgendwas muss sich ein Verteidigungsminister doch beschaeftigen..man kann ja nicht Jahrzehnte warten und insgeheim darauf hoffen, dass irgendjemand mit uns Ärger anfangen will!

*scnr*
 
Chromatin hat gesagt.:
Mit irgendwas muss sich ein Verteidigungsminister doch beschaeftigen..
Die Frage ist halt nur womit beschäftigt sich der Herr Verteidigungsminister? Denn die Arbeit, für die er vom Steuerzahler bezahlt wird, macht er offensichtlich nicht oder wie sonst könnte er über millionenschwere Projekte seines Ministeriums schlechter informiert sein, als interessierte Zeitungsleser? ;)
 
Erstmal werden Fakten geschaffen und dann kann man sich um die Folgeprobleme kümmern.

Das Geld ist nicht verbrannt, sondern in guter Technik investiert. :)

Ach Quatsch, totale Abrüstung und Bundeswehr abschaffen! :rolleyes:
 
ikkebins hat gesagt.:
Das Geld ist nicht verbrannt, sondern in guter Technik investiert.
Tja, die Rüstungsindustrie wird es dem Steuerzahler sicher danken! Vielleicht bekommt die Bundeswehr sogar einen Rabatt, wenn die gute Technik dann doch irgendwann einmal zulassungsfähig ist.

Aber vielleicht hätte man das viele Geld vielleicht auch doch besser für die Bundeswehr ausgeben können? Zum Beispiel dafür das Soldaten im Einsatz sich auf gute Ausrüstung verlassen können?
Na ja, da die Rüstungsindustrie ja sicher dankbar ist, liefern die das nächste Mal vielleicht sogar Gewehre, die auch bei längeren Feuergefechten geradeaus schießen können...:rolleyes:

Mehr dazu:
Militär-Ausrüstung: Rechnungsprüfer rügen planlose Waffenkäufe der Bundeswehr | Politik | ZEIT ONLINE
Bundeswehr-Gewehr G36: Waffe zu heiß, Treffwahrscheinlichkeit sinkt - SPIEGEL ONLINE
Bundeswehr gerät bei Beschaffung unter Verdacht der Korruption - SPIEGEL ONLINE
 
Zuletzt bearbeitet:
Update:
Die Affäre wird nun auch einen Untersuchungsausschuss beschäftigen, der an diesem Donnerstag eingesetzt werden soll. Längst geht es auch nicht mehr nur um ein gescheitertes Projekt, dass de Maizière von seinen Vorgängern geerbt hat und bei dessen Beendigung er einfach kein glückliches Händchen hatte: Es geht um unvollständige, irreführende Angaben die das Verteidungsministerium unter de Maizière gegenüber dem Bundestag gemacht hat und um Widersprüche, in die der Minister sich höchstselbst verstrickt hat. Die zentrale Frage dabei lautet: Hat de Maizière den Bundestag und die Öffentlichkeit belogen?
Zunächst hatte de Maizière - auch in seiner schriftlichen Bewertung gegenüber dem Bundestag - behauptet er habe erst am 13. Mai diesen Jahres durch seine Staatssekretäre von den Zulassungsproblemen erfahren und dem Abbruch des Projekts sofort zugestimmt. Dann wurde in der Presse jedoch berichtet das der Minister am 10. Dezember mit Vertretern der EADS Rüstungssparte Cassidian zusammentraf, die für den Euro Hawk die Aufklärungstechnik entwickelten. Zurecht fragte die Presse ob es überhaupt denkbar ist, dass der Chef der Bundeswehr mit Managern eines Rüstungskonzerns zusammentrifft ohne den Status eines aktuellen Großauftrags zu diskutieren. Zögernd gab de Maizière daraufhin zu man habe ihm die Probleme "abstrakt angedeutet und als lösbar dargestellt". Daher brachte ihn ein Interview mit dem Donaukurier in große Verlegenheit, dem er bereits am 8. März - also 5 Tage bevor er eigentlich informiert worden sein will - erklärte die Drohne würde wohl doch nicht beschafft werden. Daraufhin lässt de Maizière erklären er sei mündlich "auf dem Flur" über die Probleme informiert worden, aber es habe eben keine schriftlicher "Vorlage" gegeben. Mal abgesehen von dem Umstand das ein Minister, dem seine Untergebenen von Problemen bei einem teuren Großprojekt erzählen, schon einmal selbst aktiv werden darf, um sich ein Bild von der Lage zu machen, ist es imho ein weiter Weg von "ich habe erst am 13. Mai davon erfahren" zu "ich war zwar informiert, hatte die Informationen aber nicht schwarz-auf-weiß"...:rolleyes:
Aber auch hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, denn mittlerweile scheint klar zu sein das auch de Maizières scheibchenweise eingeräumten Aussagen noch nicht die ganze Wahrheit waren: Für seinen Besuch bei den Cassidian-Managern am 10. Dezember bekam der Minister eine Mappe als Gesprächsvorlage, die auch, schwarz-auf-weiß, eine detaillierte Schilderung der Zulassungsproblematik enthielt - die Kenntnisnahme der Mappe hat de Maizière persönlich quittiert. Mit diesen Widersprüchen und Unwahrheiten wird sich jetzt also der Untersuchungsausschuss beschäftigen. Ebenso wird sich der Ausschuss mit dem Vorwurf beschäftigen müssen, ob das Verteigungsministerium den Bundestag über die Mehrkosten bewusst falsch informiert hat:
Das Verteidigungsministerium unter Thomas de Maizière (CDU) hat den Bundestag über das Ausmaß der Probleme bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" im Dunkeln gelassen. Vom Ministerium nachträglich als vertraulich eingestufte Dokumente belegen, dass das Wehrressort dem Parlament trotz präziser Nachfragen von Abgeordneten die drohenden Mehrkosten durch die Schwierigkeiten bei der Zulassung seit Anfang 2012 verschwieg, obwohl diese bereits im Haus bekannt waren.
Quelle: "Euro Hawk": Maizière-Ministerium informierte Bundestag unzureichend - SPIEGEL ONLINE

Doch das ist nicht der einzige Ärger den de Maizière derzeit hat, so soll das Verteidigungsministerium dem Bundestag über die Zahl der Drohnenabstürze belogen haben:
Das Verteidigungsministerium hat den Bundestag jahrelang über das Ausmaß von Drohnen-Unfällen bei der Bundeswehr im Unklaren gelassen. In der Amtszeit von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wurden Abgeordnete sogar zweimal falsch informiert.
Quelle: Vorwürfe gegen de Maizière: Jede siebte Bundeswehr-Drohne stürzt ab - Inland - FAZ

Mit der Wahrheit scheint Minister de Maizière es jedenfalls nicht so genau zu nehmen - womit er bei dieser schwarz-gelben Regierung leider in bester Gesellschaft ist.

Aber auch das ist noch nicht alles, denn im Zuge der Einsparungen für den Umbau der Bundeswehr hat das Verteidungsministerium gerade die Hubschrauber-Bestellung bei der hundertprozentigen EADS Tochter Eurocopter drastisch gekürzt. Anstatt 202 Hubschrauber, will das Ministerium nur noch 139 kaufen. Aber wer jetzt denkt das die Reduzierung des Auftrags um immerhin 63 Hubschrauber auch die Kosten gewaltig reduziert, der irrt: Aus den ursprünglichen 8,3 Milliarden Euro werden rund 8,1 Milliarden Euro, die effektive Einsparung liegt laut SPON bei 224 Millionen Euro - den Deal hat de Maizière persönlich ausgehandelt. Deutliche Worte findet daher auch der SPD-Verteidungsexperte Hans-Peter Bartels:
"Trotz einer massiven Reduzierung der Stückzahlen für neue Hubschrauber ist die Ersparnis minimal", sagte Bartels SPIEGEL ONLINE. "Der Minister hat sich von der Industrie offenkundig über den Tisch ziehen lassen."
Quelle: NH90 und Tiger: Rüstungsdeal bringt de Maizière neue Kritik ein - SPIEGEL ONLINE

Auch im Zusammenhang mit dem Euro Hawk-Debakel wurde de Maizière bereits vorgeworfen eher die Interessen der Rüstungslobby (auch in diesem Fall war es übrigens die EADS!), als die des Steuerzahlers zu vertreten. Auch sein Hubschrauber Deal scheint ziemlich einseitig zu Gunsten der EADS Tochter Eurocopter gelaufen zu sein. Man könnte sich imho schon langsam fragen, ob de Maizière einfach ein überforderter Versager ist oder ob sein Versagen System hat (immerhin gilt er vielen als Merkels bester Mann) und er bis zu den Schultern im Allerwertesten der Rüstungslobby steckt...X(

So oder so: Sollte seine politische Karriere ein Ende nehmen, hat EADS sicher einen schönen Posten für den Herrn Minister a. D.:rolleyes:

Quellen:
"Euro Hawk": Maizière-Ministerium informierte Bundestag unzureichend - SPIEGEL ONLINE
Vorwürfe gegen de Maizière: Jede siebte Bundeswehr-Drohne stürzt ab - Inland - FAZ
Drohnenaffäre: Ministerium verschwieg Euro-Hawk-Kosten trotz Nachfrage | Politik | ZEIT ONLINE
NH90 und Tiger: Rüstungsdeal bringt de Maizière neue Kritik ein - SPIEGEL ONLINE
Euro-Hawk: In die Luft geflogen | Politik | ZEIT ONLINE
https://de.wikipedia.org/wiki/Eurocopter_Group
 
Und noch ein Update:
Der Druck auf de Maizière nimmt weiter zu, vor allem da der Minister es mit der Wahrheit nach wie vor nicht allzu genau nimmt und in seinen Presseerklärungen mehr und mehr wie ein spitzfindiger Winkeladvokat argumentiert. Mittlerweile hat daher auch die FAZ, in der Regel eine Stütze für konservative Politik und konservative Politiker, begonnen die zahlreichen Dementis des Ministers auf deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Nachdem die FAZ letzte Woche berichtet hat, der Bundestag sei vom Verteidigungsministerium und von de Maizière über die wahren Verlustzahlen von Drohnen belogen worden, hatte der Minister diese Vorwürfe als "konstruiert und falsch" bezeichnet. Der Minister argumentierte das nicht alle verlorenen Drohnen abgestürzt sein, sondern einige bei "systemkonformen Landungen" irreparabel beschädigt wurden. Diese wackelige Rechtfertigung kommentiert die FAZ recht gelungen:
Allerdings hatte die Erklärung zwei Schönheitsfehler. Zum einen hatte das Ministerium im Fall von Luna-Drohnen gerade erst 52 „Abstürze“ gemeldet, ohne feine semantische Differenzierung. Zum anderen hatte es 2012 ja auch schon eine „autonome Landung“ aufgeführt - aus guten Gründen, denn die Abgeordneten hatten nach „Schäden“ an Drohnen des Bundes gefragt. Warum waren bei der Gelegenheit nicht weitere Unfälle gemeldet worden?
Auch dem Ministerium erschien diese Rechtfertigung wohl zu schwach, daher kündigten sie eine "Transparenz-Initiative" an - "aus gegebenen Anlass", aber "nicht um etwas nachzubessern". Allerdings scheint das nachbessern doch bitter nötig zu sein, denn der FAZ sind neue Unstimmigkeiten aufgefallen:
Inzwischen halten wir das Ergebnis dieser Initiative in den Händen - und staunen schon wieder: Die Bundeswehr meldet nun insgesamt 137 Verluste, 13 mehr als vor einer Woche. Demnach sind 52 Drohnen „richtig“ abgestürzt, 50 wurden durch Unfälle zerstört, und - aufgepasst - 35 werden vermisst. 35 Hightech-Drohnen, von denen niemand weiß, wo sie geblieben sind! Auf Nachfrage erfahren wir: Manche Drohnen hätten wegen ihres Zerstörungsgrades nicht mehr geortet werden können, andere seien in unzugänglichem Gelände niedergegangen oder hätten wegen Gefahr nicht geborgen werden können. Und das: „In wenigen Fällen kann eine Entwendung im Einsatzgebiet durch Dritte nicht ausgeschlossen werden.“ Dafür hätten sich Abgeordnete schon früher interessiert.
Die FAZ wollte natürlich wissen ob die 13 Drohnen in der letzten Woche verloren wurden oder warum sie sonst in den bisherigen Angaben fehlten. Hier die spitzfindige Antwort des Ministeriums:
„Den von Ihnen genannten Angaben lagen unterschiedliche Fragestellungen zugrunde.“
Damit der Leser das selbst beurteilen kann, hat die FAZ auch noch einmal die Fragestellung veröffentlicht:
„Wie hoch ist die Absturzbilanz für Drohnen der Bundeswehr mittlerweile insgesamt?“
Es scheint in der Tat leichter zu sein, einem hungrigen Löwen ein Steak zu klauen, als von Herrn de Maizière und dem Verteidigungsministerium eine einzige wahrheitsgemäße und vollständige Antwort auf eine konkrete Frage zu bekommen...X(

Auf die nächste Presseerklärung des Herrn Ministers die Misere darf man wohl gespannt sein.

Quelle:
„Transparenzinitiative“: Sag mir, wo die Drohnen sind - Inland - FAZ
 
Zurück
Oben