[TdW 74] Brasilien - Schluss mit Samba & Fußball?

Obwohl sich das TdW erst letzte Woche mit Protesten beschäftigt hat, kommen wir auch diese Woche nicht um das Thema herum: In Brasilien geht das Volk gerade in Massen auf die Straßen und revoltiert gegen Korruption und dagegen das die Regierung Milliarden in die Fußball WM investiert, obwohl im ganzen Land Schulen, Krankenhäuser und Universitäten fehlen.
Brasilien hat sich in den letzten Jahren zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt gemausert und gilt als wirtschaftliche Großmacht der Zukunft. Doch, wie sooft, profitiert haben nur wenige von dieser Entwicklung, da von dem neuen Reichtum nichts beim Volk ankommt. Während die oberen Zehntausend reicher und reicher werden, darbt ein großer Teil des Volkes in Armut dahin. In den Slums der Großstädte leben Menschen die ohne fließendes Wasser oder Strom auskommen müssen, die von medizinischer Versorgung nur träumen können und denen auch der Zugang zu Bildungseinrichtungen fehlt, die einen Ausweg aus der bitteren Not bieten könnten.
Vor diesem Hintergrund mutet es schon etwas seltsam an, das die Regierung lieber Milliarden für sportliche Großereignisse wie die WM 2014 oder die Olympischen Spiele 2016 ausgibt, anstatt damit dringende Notlagen, unter denen das Volk zu leiden hat, zu bekämpfen.
Von den Milliarden-Investitionen für die Großeregnisse und den zu erwartenden Einnahmen profitieren wieder einmal nur die wenigsten. Doch bislang ließ sich, getreu dem alten Motto Brot & Spiele, dass brasilianische Volk scheinbar mit einer Mischung aus Fußball & Samba ruhig stellen - doch das scheint nun vorbei zu sein. Trotz der zahlreichen Versprechen, die der Protestbewegung durch die Präsidentin gemacht wurden, bleibt das Volk in Aufruhr. Zu groß scheint im Volk der Zorn über die Korruption und Arroganz der Mächtigen im Land zu sein. Vielleicht ist auch die soziale Ungleichheit einfach zu groß geworden, vielleicht hat man zu sehr auf die Spiele und zu wenig auf das Brot gesetzt?
Das TdW stellt daher die Frage: Brasilien - Schluss mit Fußball und Samba?
 
Ich war selbst vor einigen Jahren in Brasilien (Curitiba) und wurde unvermeindlich mit der Kluft zwischen den sozio-ökonomischen Schichten konfrontiert.

Dabei hatte ich ziemlich Glück, da ich zu Besuch bei einer Familie war mit der ich (entfernt) verwandt bin und welche durchaus der Oberschicht zuzuordnen ist. Mehrere Sportwagen und ein Swimming Pool waren schlichtweg normal für sie.

Bei Gängen durch die Stadt und Besuch verschiedener Einkaufszentren wurde deutlich wie getrennt diese Menschen doch auf so engem Raum leben - mancherorts sind Slums und Boutiquen nur durch eine Straße getrennt, sodass die unterste sozio-ökonomische Schicht aus ihrem eigenen "Heim" durch das Schaufenster zusehen kann, wie Leute sich teure Markenklamotten zulegen.

Die brasilianische Mentalität schien allerdings anders als in Europa sehr geduldig bzw. verständnissvoll mit der Sache umzugehen. Die (leider sehr wenigen) ärmeren Menschen mit denen ich darüber gesprochen habe, verwiesen mich darauf, dass an dem Problem gearbeitet wird und zeigten mir kleine Schritte auf die tatsächlich von der Regierung unternommen wurden. Allerdings völlig im Schatten anderer Faktoren wodurch es Ihnen insgesamt kein Deut besser ging - eher schlechter.

Die Menschen die "was dagegen hatten" habe ich leider nicht getroffen.

Korruption ist ein riesiges Problem - wohlmöglich das für den Alltag größte. Wenn ich mit der Familie unterwegs war wurden des öfteren einige Geldscheine mehr oder weniger diskret gewechselt. Die ärmere Bevölkerung hat hierfür natürlich nicht die Mittel, sodass Sie mit Problemen konfrontiert werden um die sich die "Reichen" nicht mal Gedanken machen müssen. Dabei ist Korruption nicht mal den wirklich Reichen vorbehalten - sie ist lediglich den Armen verwehrt. Die jenigen Menschen die quasi eine Mittelschicht bilden (und von denen gibt es nicht besonders viele) können sich bereits alle legalen und illegalen Vorteile "erkaufen". Ist man jedoch auf der falschen Seite dieser Liquiditätsschwelle schauen die individuellen Möglichkeiten sehr düster aus. Burökratische Prozesse dauern Ewigkeiten und erschweren das gesamte Leben.

Mich freut es, dass langsam eine "genug ist genug" Stimmung aufbrodelt - das Land schiebt eine gewaltige Last an Problemen vor sich her, die mit der Zeit nur größer und größer wird.
 
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