[TdW 77] Welche Auswirkungen haben PRSIM & Co auf die WCIT-Debatte?

Aus der Sommerpause meldet sich das TdW diesmal mit einem Thema, dass alle Netzbürger angeht: Welche Folgen hat die Enthüllung von Schnüffelprogrammen wie PRISM & Co auf die brisante Debatte um die Regulierung des Internets? Kann man angesichts der Existenz solcher Programme überhaupt auf eine ergebnisoffene Debatte hoffen? Und macht es überhaupt Sinn Spielregeln für die Regulierung auszuhandeln, wenn Geheimgerichte die Spielregeln für manche Spieler aufheben oder ändern können?
Das TdW stellt daher, auf Anregung von SchwarzeBeere, folgende Frage: Welche Folgen haben PRISM & Co auf die WCIT Debatte und auf die Zukunft des Internets?

Edit:
Wer dazu mehr Hintergrund-Infos benötigt wird bezüglich PRISM & Co derzeit in praktisch allen Zeitungen fündig werden, bezüglich der WCIT-Debatte möchte ich auf Chromatins Blog-Reihe zu dem Thema verweisen: WCIT und die Internetregulierung - Teil 1 | HaBoBlog
 
Zuletzt bearbeitet:
Aktuell ist es doch so, dass die USA das Monopol bei der Vergabe der TLD's haben. Das ist m.A. nach der einzige Grund warum PRISM überhaupt etabliert werden konnte.

Die ITU auf der anderen Seite sieht sich als ein unabhängiges Gremium der UNO. Ich denke aber das selbst die ITU hier wirtschaftliche Interessen verfolgt. Nicht umsonst sind ALLE Netzdienstleister und Anbieter bei diesem Treffen anwesend. Somit steht Lobby-Arbeit an erster Stelle. Allerdings glaube ich, dass die USA weiterhin blockieren wird, es wäre ja auch schön Dumm von denen die Kontrolle eines so wichtigen Mediums abzugeben.

Auf der anderen Seite sehe ich aber die Gefahr, dass Staaten hier viel leichter (und womöglich ohne richterlicher Anordnung) eingreifen könnten. Die Kontrolle also den einzelnen Staaten zu überlassen ist m.M. viel schlimmer.

Wenn ich also von den beiden Übel auswählen müsste, dann befürworte ich die Kontrolle der Root-Services den USA.
Ich denke auch in Zukunft wird es hierbei keine Einigung geben, da die gemeinsamen Interessen zu weit auseinander liegen.

Gruß,
serpent
 
Ich bin weitaus weniger tief drin, als manch andere/r hier im Forum, aber mir ging es eher um die Meta-Ebene, z.B. inwiefern eine Diskussion um Internet Governance in einem IG Forum, aber auch innerhalb der Staatengemeinschaften UN/ITU noch Sinn machen kann, wenn sich die Aktuere selbstständig und ohne Rückkopplung, Diskussion und Diskurs für oder gegen organisatorische und technische Maßnahmen entscheiden und damit das Internet als Ganzes gefährden. Paradoxerweise sollte eine Segmentierung auch nicht im Sinne der Staaten sein, da hier ja zweifelsohne die Meinung vertreten wird, dass nur eine globale Überwachung wirklich Sicherheit leisten kann.

Weiterhin wundert mich die Stellung der USA und der EU etwas in dieser Diskussion. Auf der einen Seite steht die USA/EU für ein offenes, zensurfreies Internet und eine freie Meinungsäusserung. Auf der anderen Seite werden Meinungen und die Inhalte strikt überwacht (PRISM, Tempora, und auch den deutschen Geheimdiensten ist nicht zu trauen) und Kritiker massiv eingeschüchtert (u.a. auch die Presse). Unter diesem Gesichtspunkt der Verlogenheit und Hinterlistigkeit ist meiner Meinung nach die auf der WCIT diskutierte Position der ITU oder allgemein der Staatengemeinschaft noch kritischer zu sehen und noch mehr abzulehnen.
 
Aktuell ist es doch so, dass die USA das Monopol bei der Vergabe der TLD's haben. Das ist m.A. nach der einzige Grund warum PRISM überhaupt etabliert werden konnte.

Das ist nicht so ganz korrekt. Die Entscheidungen über TLDs (Top-Level-Doains) liegen bei der ICANN (eine non-profit-organisation nach kalifornischem Recht, wo jeder mitmischen kann) und der IANA und leider hängt da eben die NTIA, die amerikanische Telekommunikations-Aufsichtsbehörde drin und zwar derart, dass sie quasi der IANA "verbieten" können eine neue TLD in die Root Zone einzutragen, selbst wenn die ICANN zustimmt. Das ist afaik erst einmal passiert und zwar bei .xxx, wobei die dann ja doch noch eingetragen wurden.

So. Und PRISM hat mit TLDs rein gar nichts am Hut weil das eine reine DNS Geschichte ist und mit Traffic/peering überhaupt nichts zu tun hat. Zwar vergibt die IANA auch die sog. AS-Numbers und sorgt dafür dass man mit seinem Netz beim Große-Jungs Routing mitmachen darf.. aber wer wo mit wem peert ist völlig dem Markt überlassen.


Bzlg. ITU/ICANN und WCIT sieht es so aus, dass die ITU im Grunde seine Felle wegschwimmen sieht - im Hinblick auf das Internet. Immer mehr Sachen werden über das Netz geroutet und die ITU möchte da gerne mitmischen. Dazu der von tara verlinkte Blog Artikel.

Guckt man sich die ISO und die IETF(die, die die RFCs bauen) an, so muss man sich gerade bei der IETF klarmachen, dass es um technische Standards geht. Es geht da nicht um Politik. Und wenn DNS Extensions im Sinne einer Abspaltung des DNS geht, so fokussiert sich eine IETF Arbeitsgruppe auf die technisch "beste" Möglichkeit. Jeder kann etwas bei der IETF einreichen - eine Bewertung wäre Zensur!

Jedenfalls ist es im Rahmen der ITU so, dass bei Diskussionn im Rahmen von Standardisierungsprozessen, durchaus auch politische Standpunkte eine Rolle spielen, ebenso wie die strategische Verteilung bestimmer Technologie, etwa Edge-Router, die ein mitschneiden sehr einfach machen.

Um auf die Frage einzugehen: Ich denke bei der Frage nach der Netzneutralitaet agieren die Regierungen- oder Geheimdienste sehr subtil. Prinzipiell ist Netzneutralitaet (so, wie die diskutiert wird) für die jetzige Situation akzeptabler. Spaltung von Netzen, als mögliches Ergebnis der Diskussion würde Überwachung verkomplizieren. Aber auch die ITU will das ja so, nur hätte die ITU eben auch gerne die Hoheit über das DNS - und das hat mit Überwachung, wie gesagt, wenig zu tun. Repressive Staaten merken jedoch, dass es praktikabler ist, soviel wie möglich selbst zu managen. Und Staaten könnten durchaus lokale Gesetze entwickeln, worin zB Fragen zum peering geregelt werden und nationaler Traffic das Land nicht verlässt, sofern das möglich ist. Eine zentrale Rolle spielen hier die IXPs (Internet Exchange Points), wie etwa der DE-CIX. Will man Traffic von inländischen Anbietern nicht "über den großen Teich" routen muessen, so ist ein eigener IXP fast notwendig.

Die Enthüllungen zu PRISM werden für die Geheimdienste dieser Welt nicht wirklich neu sein, also erwarte ich jetzt eher wenig Aktion seitens irgendwelcher Staaten. Der Iran, als Beispiel, ist schon etwas länger dabei, sich zu verkapseln und er hat - aus seiner Perspektive - gute Gründe dafür.

Um jetzt etwas abzuschweifen, sollte man sich mal folgende Fragen stellen:

- Glaubt ihr, die Politiker sind uns gegenüber in der Sache um PRISM ehrlich?
- Glaubt ihr, die Politik hat ein aufrichtiges Interesse an der Aufklärung?
- Glaubt ihr, das Bundeskanzleramt habe von all dem nicht ausreichend Kenntnis gehabt um zu erkennen, dass es einigen Punkten der Verfassung widerspricht?

Und die wichtigste Frage:
- Glaubt ihr, die Verantwortlichen werden die für PRISM/whatever benötigte Technologie "demontieren" und eintüten, Verträge kündigen, Leute entlassen und die Milliarden an Investitionen in diese Überwachungsstruktur in den Ofen schmeissen "NUR" weil sich weltweit ein paar Leute darüber beklagen?

Ich denke, die meisten, die sich ein wenig für Politik interessieren, können alle Fragen mit nein beantworten. In diesem Zuge kann man sich dann auch gleich mal klarmachen, dass die Überwachung real _ist_ und nichts was nun plötzlich da ist und verändert werden _kann_.

Also. Es hat wirklich wenig Zweck sich dem Problem politisch zu nähern. Je nachdem, wie es mit Snowden weitergeht, ist das Thema in 2-3 Monaten wieder vom Tisch und aus der öffentlichen Wahrnehmung getilgt. Jede weitere Enthüllung wird dem Volk dann zu öde sein.

Was passieren muss:

1) Paradigmenwechsel in unseren Wertvorstellungen in Bezug auf Freiheit und Privatsphäre. Wir haben es verpennt und haben jetzt die Gelegenheit ein bischen was zu tun. Die Leute, die in 20 Jahren Politik treiben, müssen verinnerlicht haben, dass Privatsphäre und Freiheit wichtiger sind als die ewige Mär von Arbeitsplätzen, Wirtschaftswachstum und Profit.

2) Technische Hilfsmittel für die "normalen" User. Neue Services und den Mut sie zu betreiben. Wir _brauchen_ die Hacker als Gegenpol. Wenn die Leute uns keine Software schreiben um sichere Kommunikation _einfach umzusetzen_, sind wir nackt. Ich denke in diesem Fall hat der Teil der Netzgemeinde, der wirklich etwas davon versteht, eine Art Verantwortung.
 
Mittlerweile kann man nur hoffen, dass die USA/NSA intensiv unsere Politiker überwacht/abgehört haben, da das der einzige Weg zu sein scheint, der dafür sorgt, dass die feinen Damen und Herren Staatsdiener sich tatsächlich auf die Füße getreten fühlen und anfangen Spionageabkommen (zb Swift) zu kündigen: Mögliche Überwachung des Kanzler-Handys: / Swift-Abkommen: EU-Abgeordnete rebellieren in der NSA-Affäre - SPIEGEL ONLINE
Ach die nsa lacht sich doch schlapp, auch wenn sie swift kündigen,die bekommen die daten doch dann ebend auf "Ihre"weisse,außerdem müßten doch eh alle staaten zustimmen um es zu kündigen,aber da die amerikaner einen trojaner in die EU eingeschleußt haben wird dieser trojaner nicht zustimmen.
 
Ich denke nicht, dass die NSA noch darüber lacht.
Die Proteste nehmen auch in den USA zu und immer mehr Amerikaner
fangen an zu begreifen, dass der Grossteil der Überwachung eben nicht der
Terrorabwehr und der eigenen Sicherheit dient. Dieser Teil stellt sich, angesichts
der neusten Aufdeckungen, doch eher als ein Abfallprodukt dar. Der eigentliche
Grund scheint hier doch zu sein auch den eigenen Bürger berechenbar zu machen,
neben schlichtweg wirtschaftlichen Interessen.

Gruss
 
ja die proteste nehmen natürlich zu aber anscheinend nutzen sie technologien
die es innen erlaubt unentdeckt alles auszuspähen und wenn Snowden nicht gewesen wäre ,dann würden immer noch alle schlafen.
deswegen werden sie weiter alles ausspionieren werden nur vorsichtiger werden.Das schlimme ist nicht was Sie tun sondern das wir schutzlos sind.
Und ich ahne schon den nächsten skandal,wenn Merkels handy ausspioniert wurde,dann wahrscheinlich nicht nur ein und ausgehende gespräche,sondern die werden es als wanze genutzt haben ,die CDU hatte es nähmlich sehr eilig zu erklären das sie über dieses handy keine wichtigen gespräche führe usw.
 
Ich denke du erkennst hier nicht die gesamte Tragweite dieses Skandals.
Der Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen wurden immer
für den Überwachungsausbau vorgeschoben. Doch jetzt wurden Staatsführer
ausgespäht, welche über jeden Verdacht erhaben sind in solche Machenschaften verwickelt
zu sein. Durchgeführt konnte dies nur mit Wissen und Genehmigung von sehr weit
oben in der Hyrachie geschehen, da kann man nicht mehr irgendeinen
Abteilungsleiter mit Übereifer opfern oder ein false positiv als Ursache vorschieben.

Obama ist hier in einer sehr prekären Lage, denn entweder war er informiert
oder er müsste bekennen, dass sich die Geheimdienste jeglicher staatlichen
Kontrolle entzogen haben. Ersteres ist wohl ein diplomatischer Supergau und
Obama dürfte es sehr schwer haben diese Scherben irgendwie zu kitten,
zumal die USA durch den Haushaltsstreit gerade auch ihre wirtschaftliche
Reputation zu verlieren drohen. Zweites kann eigentlich nur die vollständige
Zerschlagung der momentanen Machtstruktur innerhalb der Geheimdienste zur
Folge haben.

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher ob Obama das Ganze aussen- und innenpolitisch überlebt.

Gruss
 
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